Sportmedizin | Herzmuskelentzündung Die langen und intensiven körperlichen Belastungen in den Ausdauersportarten bedeuten nicht nur einen enormen Stress für die Infektabwehr des Körpers, sie machen auch das Herz-KreislaufSystem anfällig für Angriffe von innen und außen. Besonders der Herzmuskel ist gefährdet. von Dr. Andreas Müssigbrodt Motorstottern 74 triathlon training Dezember/Januar 2009 Fotos: Frank Wechsel, dreamstime N ach dem zweiwöchigen Frühjahrs­ trainingslager auf Mallorca wollte sich Klaus W. nur ein paar Tage ausruhen – und dann seinen Trainingskollegen zeigen, dass diese Saison mit ihm zu rechnen sei. Auch der neue Karbon-Bolide sollte mög­ lichst schnell zum Einsatz kommen. Doch drei Tage später musste sich der Ironman in spe bei seinem Arbeitgeber krank melden. Sein erschöpftes Immunsystem hatte einen Infekt nicht abwehren können. Wie der Rentner von nebenan Es begann mit Halsschmerzen und Schluck­ beschwerden, später kamen Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen und Fieber hinzu. Arme und Beine schmerzten wie nach einem har­ ten Wettkampf. Zwar besserten sich Fie­ ber, Husten und Schnupfen nach einigen Tagen, aber wenn Klaus W. nur die Trep­ pen zu seiner Wohnung im dritten Stock hinaufstieg, atmete er fast genauso schwer wie der herzkranke Rentner von nebenan. Beim Messen des Ruhepulses am Morgen fiel ihm der beschleunigte und manchmal sehr unregelmäßige Herzschlag auf. Auf Drängen seiner Frau suchte Klaus W. zwei Wochen später endlich seinen Hausarzt auf. Nach einer ausführlichen Untersuchung, bei der auch ein Elektro­ kardiogramm (EKG) angefertigt wurde, hielt Klaus die Überweisung zu einem Herzspezialisten in der Hand. Dort zeigte sich bei der Ultraschalluntersuchung des Herzens eine geringe Flüssigkeitsansamm­ lung im Herzbeutel, die Pumpleistung war verschlechtert. Die begleitenden Blutanaly­ sen zeigten Werte, die auf eine Entzündung schließen ließen. Klaus W. wurde eine aku­ te Herzmuskelentzündung (Myokarditis) bescheinigt – und die sofortige Aufnahme im Krankenhaus veranlasst. Unsichere Zeichen Steht die Diagnose einer Myokarditis fest, führt an der stationären Behandlung häufig kein Weg vorbei. Denn auch wenn die Er­ krankung recht selten ist, sie ist gefährlich: Sie kann eine dauerhafte Herzschwäche zur Folge haben – und manchmal sogar tödlich enden. Bei entsprechenden Beschwerden ist es daher gerade für Sportler und deren Ärz­ te wichtig, auch an die Möglichkeit einer Herzmuskelentzündung zu denken und entsprechende Untersuchungen einzulei­ ten. Bei viralen Infekten der Atemwege oder des Verdauungstrakts nimmt man aufgrund aktueller Untersuchungen in fünf bis zehn Prozent der Fälle eine Mitbeteiligung des Herzmuskels an. Nicht selten geht einer Herzmuskelent­ zündung ein fieberhafter Infekt voraus. Häufige Symptome sind eine etwas länger andauernde herabgesetzte Leistungsfähig­ keit sowie Herzrhythmusstörungen. Man­ che Patienten berichten aber auch über Brustschmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit. Eine ausgepräg­ te Myokarditis äußert sich vor allem mit Symptomen der Herzschwäche wie Luft­ not unter Belastung oder sogar in Ruhe, geschwollenen Beinen und Herzrhythmus­ störungen. Leichtere Verlaufsformen einer Herzmuskelentzündung können allerdings auch völlig ohne Symptome verlaufen und unbemerkt verheilen. Angriff von innen oder außen Grundsätzlich unterscheiden Mediziner zwischen infektiösen und nicht-infek­ tiösen Ursachen einer Myokarditis. Die meisten Herzmuskelentzündungen werden durch Viren verursacht. Es gibt jedoch auch Bakterien, Parasiten und Pilze, die den Herzmuskel befallen können. Mögliche nicht-infektiöse Ursachen einer Myokar­ ditis sind systemische Erkrankungen der Gelenke (rheumatoide Arthritis), des Binde­ gewebes (Kollagenose) und der Blutgefäße (Vaskulitis). Aber auch Gifte und Drogen (Alkohol, Kokain) sowie einige Medika­ mente (zum Beispiel in der Krebstherapie) können Ursache einer nicht-infektiösen Myokarditis sein. Wenn sich eine Entzün­ dung des Herzmuskels ausbildet, spielt das Immunsystem jedoch immer eine wichtige Rolle. Mitunter ist es sogar das Immunsys­ tem selbst, das sich gegen das körpereigene Herzmuskelgewebe aktiviert. Diagnose im Ausschlussverfahren Die Diagnose – oder der Ausschluss – einer Herzmuskelentzündung kann nur durch die Kombination von mehreren Untersuchun­ gen erfolgen und ist selbst für Spezialisten häufig eine Herausforderung. Wie im ein­ gangs beschriebenen Fall des Triathleten Klaus W. sollten zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem behandelnden Arzt und eine körperliche Untersuchung erfolgen. Zur Basisdiagnostik sollte auch das RuheEKG gehören. Häufig lassen sich durch die Basisdiagnostik andere Beschwerde­ ursachen nachweisen. Dafür erfolgen gegebenenfalls weitere Untersuchungen (beispielsweise das Röntgen der Lungen oder eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums), um die jeweiligen Verdachts­ diagnosen abzuklären. Sollten sich die » Ihre Inserate Veranstaltungen Kooperationen in triathlon ist Europas größtes Triathlonmagazin. Nur mit triathlon erreichen Sie als Anzeigenkunde alle Startpassinhaber der Deutschen Triathlon Union und des Österreichischen Triathlonverbandes sowie viele weitere Fans der faszinierendsten Ausdauersportart. Mit unserem Marcus Baranski Tel. 0 40 / 767 50 552 [email protected] Titel triathlon training sind Sie Ihrer Kern­zielgruppe so nah wie mit keinem anderen Medium: triathlon training richtet sich an die ambitionierten Ausdauersportler, die mehr wissen wollen. 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Olymp ia-B der Deu ilanz tschen Ironman Kanada Die Sch der Sch önheit merzen Köln Tria thlo n Kühne Träum in der e Domstad t Special Sh ngo do wn ErnähruDer Kampfw um die Iro ung 3 Seite nspr Xter s 10 Tippra-Szene So trainieren ager 3 ätze Deutsch s 3 Train ingsl i Ab in den 3 Prom eßer Süden! Geni Vuckovic Stephan www.tri-mag.de Oktobe r–Deze mber 2008 w Drei Held Lebens Nr. 68 Intervie Norma nn Sta dler unter Druck LAUFEN Gute Vors 9 für 200 land +++ Box-Profi Triathlo n und nman-K Schwan gerscha ft +++ rone Scott Plas ma 2 Die Mediadaten finden Sie auch im Internet: www.tri-mag.de Sportmedizin | Herzmuskelentzündung Verboten: Auf die Teilnahme an Wettkämpfen sollten Betroffene mindestens sechs Monate lang verzichten Beschwerden jedoch nicht durch andere Gründe erklären lassen, wird bei weiterhin bestehendem Verdacht einer Herzmuskel­ entzündung eine Blutuntersuchung auf spe­ zielle Entzündungszeichen und bestimmte Eiweiße des Herzmuskels notwendig. Auch eine Ultraschalluntersuchung des Herzens kann wichtige Hinweise geben. Ein anderes sogenanntes bildgebendes Verfahren, welches zunehmend zum Ein­ satz kommt, ist die Kernspintomographie des Herzens, das sogenannte Kardio-MRT. In bestimmten Fällen kann auch die Ent­ nahme von Gewebsproben aus dem Herz­ muskel im Rahmen einer Herzkatheter­ untersuchung erwogen werden. Keines dieser Verfahren allein kann jedoch mit 100-prozentiger Sicherheit eine Herzmus­ kelentzündung diagnostizieren. Deshalb ist immer die Kombination mehrerer Un­ tersuchungstechniken zu empfehlen. Vorbeugende Pause Da sportliche Betätigung bei fieberhaften Infekten immer auch das Risiko einer Betei­ ligung des Herzmuskels birgt, sollte schon vorbeugend eine mehrtägige Trainingsund Wettkampfpause eingehalten werden. Für die Dauer dieser Sportpause kann als Faustregel die dreifache Zeit der fieber­ haften Phase gelten, bei einem Infekt mit 76 triathlon training drei Tagen Fieber sollte mit dem Training also für mindestens neun Tage ausgesetzt werden. Falls nach spätestens zehn Tagen keine Besserung der Symptome eingetreten ist oder sogar noch andere Symptome hin­ zukommen, sollte der Hausarzt aufgesucht werden. Dieser kann erste Untersuchungen durchführen und gegebenenfalls eine Über­ weisung zum Spezialisten veranlassen. Hinsichtlich der Krankheitsdauer einer Myokarditis unterscheiden die Ärzte zwi­ So schützen Sie sich Nach intensiven Belastungen ist Ihr Immunsystem besonders empfindlich („Open-Window-Effekt“). Wenn Sie ein paar Dinge beachten, können Sie Infektionen jedoch wirkungsvoll vorbeugen: - Kleiden Sie sich angemessen! - Steigern Sie Belastungen nur langsam! - Wärmen Sie sich vor jedem Training ausreichend auf! - Ziehen Sie danach so schnell wie möglich wieder trockene Kleidung an! - Regenerieren Sie ausreichend! - Meiden Sie direkt nach der Belastung Menschenansammlungen! - Ernähren Sie sich ausgewogen! - Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr! - Schlafen Sie genug! - Beachten Sie die Warnsignale Ihres Körpers und reagieren Sie rechtzeitig darauf! schen fulminanten (rasant verlaufenden), akuten und chronischen Verläufen. Bei Diagnose einer akuten Herzmuskelent­ zündung ist eine der wichtigsten therapeu­ tischen Maßnahmen ein Sportverbot für die Dauer von mindestens drei Monaten. An Wettkämpfen sollte laut den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften min­ destens sechs Monate lang nicht teilgenom­ men werden. Bei Nachweis einer Herzmus­ kelschwäche kommen Medikamente zum Einsatz, die das Herz entlasten und dadurch den Heilungsprozess beschleunigen kön­ nen. Für die virale Herzmuskelentzündung gibt es bisher keine Therapie, deren Wirk­ samkeit in großen, doppelblinden Studien gesichert wäre. Experimentelle antivirale Behandlungsstrategien, welche bisher nur an wenigen Patienten untersucht worden sind, sollten nur bei durch Herzmuskel­ biopsie gesicherter Diagnose und nur im Rahmen von Studien in entsprechend spe­ zialisierten Kliniken erfolgen. Bei allem Pech – Klaus W. hatte Glück. Denn die Diagnose seiner Herzmuskelent­ zündung war noch zeitig genug erfolgt, um Schlimmeres zu verhindern. Nach drei Wochen stationärer Überwachung und Be­ handlung musste er zwar noch über mehrere Monate täglich verschiedene Tabletten ein­ nehmen und auf die geplanten Wettkämpfe verzichten. Dennoch: An den letzten milden Wochenenden im Herbst war er bei den Rad­ausfahrten wieder dabei – natürlich auf seinem neuen Karbonrenner. Dezember/Januar 2009