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Sportmedizin | Herzmuskelentzündung
Die langen und intensiven körperlichen Belastungen in den Ausdauersportarten bedeuten nicht
nur einen enormen Stress für die
Infektabwehr des Körpers, sie
machen auch das Herz-KreislaufSystem anfällig für Angriffe von
innen und außen. Besonders der
Herzmuskel ist gefährdet. von Dr. Andreas Müssigbrodt
Motorstottern
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triathlon training
Dezember/Januar 2009
Fotos: Frank Wechsel, dreamstime
N
ach dem zweiwöchigen Frühjahrs­
trainingslager auf Mallorca wollte
sich Klaus W. nur ein paar Tage ausruhen –
und dann seinen Trainingskollegen zeigen,
dass diese Saison mit ihm zu rechnen sei.
Auch der neue Karbon-Bolide sollte mög­
lichst schnell zum Einsatz kommen. Doch
drei Tage später musste sich der Ironman in
spe bei seinem Arbeitgeber krank melden.
Sein erschöpftes Immunsystem hatte einen
Infekt nicht abwehren können.
Wie der Rentner von nebenan
Es begann mit Halsschmerzen und Schluck­
beschwerden, später kamen Kopfschmerzen,
Husten, Schnupfen und Fieber hinzu. Arme
und Beine schmerzten wie nach einem har­
ten Wettkampf. Zwar besserten sich Fie­
ber, Husten und Schnupfen nach einigen
Tagen, aber wenn Klaus W. nur die Trep­
pen zu seiner Wohnung im dritten Stock
hinaufstieg, atmete er fast genauso schwer
wie der herzkranke Rentner von nebenan.
Beim Messen des Ruhepulses am Morgen
fiel ihm der beschleunigte und manchmal
sehr unregelmäßige Herzschlag auf.
Auf Drängen seiner Frau suchte Klaus
W. zwei Wochen später endlich seinen
Hausarzt auf. Nach einer ausführlichen
Untersuchung, bei der auch ein Elektro­
kardiogramm (EKG) angefertigt wurde,
hielt Klaus die Überweisung zu einem
Herzspezialisten in der Hand. Dort zeigte
sich bei der Ultraschalluntersuchung des
Herzens eine geringe Flüssigkeitsansamm­
lung im Herzbeutel, die Pumpleistung war
verschlechtert. Die begleitenden Blutanaly­
sen zeigten Werte, die auf eine Entzündung
schließen ließen. Klaus W. wurde eine aku­
te Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
bescheinigt – und die sofortige Aufnahme
im Krankenhaus veranlasst.
Unsichere Zeichen
Steht die Diagnose einer Myokarditis fest,
führt an der stationären Behandlung häufig
kein Weg vorbei. Denn auch wenn die Er­
krankung recht selten ist, sie ist gefährlich:
Sie kann eine dauerhafte Herzschwäche zur
Folge haben – und manchmal sogar tödlich
enden. Bei entsprechenden Beschwerden ist
es daher gerade für Sportler und deren Ärz­
te wichtig, auch an die Möglichkeit einer
Herzmuskelentzündung zu denken und
entsprechende Untersuchungen einzulei­
ten. Bei viralen Infekten der Atemwege oder
des Verdauungstrakts nimmt man aufgrund
aktueller Untersuchungen in fünf bis zehn
Prozent der Fälle eine Mitbeteiligung des
Herzmuskels an.
Nicht selten geht einer Herzmuskelent­
zündung ein fieberhafter Infekt voraus.
Häufige Symptome sind eine etwas länger
andauernde herabgesetzte Leistungsfähig­
keit sowie Herzrhythmusstörungen. Man­
che Patienten berichten aber auch über
Brustschmerzen, Unwohlsein, Übelkeit,
Schwindel und Müdigkeit. Eine ausgepräg­
te Myokarditis äußert sich vor allem mit
Symptomen der Herzschwäche wie Luft­
not unter Belastung oder sogar in Ruhe,
geschwollenen Beinen und Herzrhythmus­
störungen. Leichtere Verlaufsformen einer
Herzmuskelentzündung können allerdings
auch völlig ohne Symptome verlaufen und
unbemerkt verheilen.
Angriff von innen oder außen
Grundsätzlich unterscheiden Mediziner
zwischen infektiösen und nicht-infek­
tiösen Ursachen einer Myokarditis. Die
meisten Herzmuskelentzündungen werden
durch Viren verursacht. Es gibt jedoch auch
Bakterien, Parasiten und Pilze, die den
Herzmuskel befallen können. Mögliche
nicht-infektiöse Ursachen einer Myokar­
ditis sind systemische Erkrankungen der
Gelenke (rheumatoide Arthritis), des Binde­
gewebes (Kollagenose) und der Blutgefäße
(Vaskulitis). Aber auch Gifte und Drogen
(Alkohol, Kokain) sowie einige Medika­
mente (zum Beispiel in der Krebstherapie)
können Ursache einer nicht-infektiösen
Myokarditis sein. Wenn sich eine Entzün­
dung des Herzmuskels ausbildet, spielt das
Immunsystem jedoch immer eine wichtige
Rolle. Mitunter ist es sogar das Immunsys­
tem selbst, das sich gegen das körpereigene
Herzmuskelgewebe aktiviert.
Diagnose im
Ausschlussverfahren
Die Diagnose – oder der Ausschluss – einer
Herzmuskelentzündung kann nur durch die
Kombination von mehreren Untersuchun­
gen erfolgen und ist selbst für Spezialisten
häufig eine Herausforderung. Wie im ein­
gangs beschriebenen Fall des Triathleten
Klaus W. sollten zunächst ein ausführliches
Gespräch mit dem behandelnden Arzt und
eine körperliche Untersuchung erfolgen.
Zur Basisdiagnostik sollte auch das RuheEKG gehören. Häufig lassen sich durch
die Basisdiagnostik andere Beschwerde­
ursachen nachweisen. Dafür erfolgen
gegebenenfalls weitere Untersuchungen
(beispielsweise das Röntgen der Lungen
oder eine Ultraschalluntersuchung des
Bauchraums), um die jeweiligen Verdachts­
diagnosen abzuklären. Sollten sich die »
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Sportmedizin | Herzmuskelentzündung
Verboten: Auf die Teilnahme an Wettkämpfen sollten Betroffene mindestens sechs Monate lang verzichten
Beschwerden jedoch nicht durch andere
Gründe erklären lassen, wird bei weiterhin
bestehendem Verdacht einer Herzmuskel­
entzündung eine Blutuntersuchung auf spe­
zielle Entzündungszeichen und bestimmte
Eiweiße des Herzmuskels notwendig. Auch
eine Ultraschalluntersuchung des Herzens
kann wichtige Hinweise geben.
Ein anderes sogenanntes bildgebendes
Verfahren, welches zunehmend zum Ein­
satz kommt, ist die Kernspintomographie
des Herzens, das sogenannte Kardio-MRT.
In bestimmten Fällen kann auch die Ent­
nahme von Gewebsproben aus dem Herz­
muskel im Rahmen einer Herzkatheter­
untersuchung erwogen werden. Keines
dieser Verfahren allein kann jedoch mit
100-prozentiger Sicherheit eine Herzmus­
kelentzündung diagnostizieren. Deshalb
ist immer die Kombination mehrerer Un­
tersuchungstechniken zu empfehlen.
Vorbeugende Pause
Da sportliche Betätigung bei fieberhaften
Infekten immer auch das Risiko einer Betei­
ligung des Herzmuskels birgt, sollte schon
vorbeugend eine mehrtägige Trainingsund Wettkampfpause eingehalten werden.
Für die Dauer dieser Sportpause kann als
Faustregel die dreifache Zeit der fieber­
haften Phase gelten, bei einem Infekt mit
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triathlon training
drei Tagen Fieber sollte mit dem Training
also für mindestens neun Tage ausgesetzt
werden. Falls nach spätestens zehn Tagen
keine Besserung der Symptome eingetreten
ist oder sogar noch andere Symptome hin­
zukommen, sollte der Hausarzt aufgesucht
werden. Dieser kann erste Untersuchungen
durchführen und gegebenenfalls eine Über­
weisung zum Spezialisten veranlassen.
Hinsichtlich der Krankheitsdauer einer
Myokarditis unterscheiden die Ärzte zwi­
So schützen Sie sich
Nach intensiven Belastungen ist Ihr
Immunsystem besonders empfindlich
(„Open-Window-Effekt“). Wenn Sie
ein paar Dinge beachten, können Sie
Infektionen jedoch wirkungsvoll vorbeugen:
- Kleiden Sie sich angemessen!
- Steigern Sie Belastungen nur langsam!
- Wärmen Sie sich vor jedem Training
ausreichend auf!
- Ziehen Sie danach so schnell wie möglich
wieder trockene Kleidung an!
- Regenerieren Sie ausreichend!
- Meiden Sie direkt nach der Belastung
Menschenansammlungen!
- Ernähren Sie sich ausgewogen!
- Achten Sie auf eine ausreichende
Flüssigkeitszufuhr!
- Schlafen Sie genug!
- Beachten Sie die Warnsignale Ihres Körpers
und reagieren Sie rechtzeitig darauf!
schen fulminanten (rasant verlaufenden),
akuten und chronischen Verläufen. Bei
Diagnose einer akuten Herzmuskelent­
zündung ist eine der wichtigsten therapeu­
tischen Maßnahmen ein Sportverbot für
die Dauer von mindestens drei Monaten.
An Wettkämpfen sollte laut den aktuellen
Empfehlungen der Fachgesellschaften min­
destens sechs Monate lang nicht teilgenom­
men werden. Bei Nachweis einer Herzmus­
kelschwäche kommen Medikamente zum
Einsatz, die das Herz entlasten und dadurch
den Heilungsprozess beschleunigen kön­
nen. Für die virale Herzmuskelentzündung
gibt es bisher keine Therapie, deren Wirk­
samkeit in großen, doppelblinden Studien
gesichert wäre. Experimentelle antivirale
Behandlungsstrategien, welche bisher nur
an wenigen Patienten untersucht worden
sind, sollten nur bei durch Herzmuskel­
biopsie gesicherter Diagnose und nur im
Rahmen von Studien in entsprechend spe­
zialisierten Kliniken erfolgen.
Bei allem Pech – Klaus W. hatte Glück.
Denn die Diagnose seiner Herzmuskelent­
zündung war noch zeitig genug erfolgt,
um Schlimmeres zu verhindern. Nach drei
Wochen stationärer Überwachung und Be­
handlung musste er zwar noch über mehrere
Monate täglich verschiedene Tabletten ein­
nehmen und auf die geplanten Wettkämpfe
verzichten. Dennoch: An den letzten milden
Wochenenden im Herbst war er bei den
Rad­ausfahrten wieder dabei – natürlich auf
seinem neuen Karbonrenner.
Dezember/Januar 2009
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