Familienforum des Zeitungsverlages Waiblingen „Gesunde Ernährung für Kinder“, heute: Schulkinder Die folgenden Informationen hat die Ernährungswissenschaftlerin Stephanie Euler für unsere Leserinnen und Leser zusammengestellt. Sie arbeitet für den Geschäftsbereich Landwirtschaft/Ernährung des Landratsamtes Rems-Murr: Die Ernährung von Schulkindern stellt die Eltern vor völlig andere, neue Herausforderungen, als sie dies aus dem Kleinkindalter oder aus der Kindergartenzeit her kennen. Andere Gruppen außer der Familie – die Schule, die Freunde, aber auch bereits Vorbilder aus den Medien – nehmen Einfluss auf die Ernährung. In den Augen der Eltern machen sie teilweise die mühevolle Erziehungsarbeit vieler Jahre zunichte. Ein typisches Bild in den Schulen sind unkonzentrierte, lustlose, müde Schüler. Erst kommen viele ohne Frühstück in die Schule. Dann gibt es in der Pause kein ausgewogenes Frühstück, sondern Chips, „Pausenriegel“, Cola – teilweise vom schuleigenen Kiosk, teilweise auf dem Schulweg gekauft, teils weil die Zeit morgens fehlt, ein Vesper herzurichten, teils aus Unwissenheit. Andere Kinder haben zwar ein Pausenbrot dabei – da es aber in den Augen der Kinder wenig appetitanregend wirkt, werden dann doch lieber bunte Süßigkeiten gekauft. Eine solche Ernährung kann sehr unterschiedliche Folgen haben. Übergewicht als heute oft diskutiertes Problem ist nur eine davon. Eine weitere ist z.B. mangelnde Leistungsfähigkeit. Ein Schultag, der von 7:45 bis 13:00, also über 5 Stunden geht, erfordert eine ausgewogene Ernährung, die neben Energie (die ja durchaus auch in den Pausenriegeln zu finden ist) auch das Verdauungssystem nicht allzu sehr belastet, dem Körper ausreichend Flüssigkeit zuführt, und auch an Vitaminen und Mineralstoffen nicht spart. Ansonsten treten oben genannte „Symptome“ auf: Mattigkeit, Lustlosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten. Ein gutes Pausenbrot besteht immer aus mindestens 4 Komponenten: • • • • Getreideprodukte wie Vollkornbrot oder Getreideflocken als Basis Milchprodukte wie Käse, Joghurt oder Quark und Frisches Obst oder Gemüsestückchen Getränke Wichtig: Das Auge isst mit. Nach dem Motto „bunt ist gesund“ und Farbe macht Appetit gestalten Sie das Pausenbrot so ansprechend, dass es richtig Freude macht, hinein zu beißen. Rezepte für ein knackiges Pausenbrot • Pausenbrotspieße Zutaten für 4 Spieße: 2 Scheiben Vollkornbrot 50 g Frischkäse 100 g Schnittkäse am Stück (Gouda oder Butterkäse) 1 Mandarine 8 Weintrauben 1 kleine rote Paprikaschote oder ein Stück Salatgurke 4 Schaschlikspieße Zubereitung: Brot mit Frischkäse bestreichen. Jede Scheibe in 6 Stücke schneiden. Käse in Würfel schneiden. Mandarine schälen und in Stücke teilen. Weintrauben waschen. Paprikaschote oder Gurke waschen und in Würfel oder Scheiben schneiden. Abwechselnd Brot, Käse, Mandarinen, Weintrauben und Gemüse aufspießen. • Ampelbrot Zutaten für 2 Brote: 2 Scheiben Vollkornbrot 1 EL Tomatenmark 2 Scheiben gekochten Schinken 1 kleines Stück Salatgurke 1 gelbe Paprikaschote 1 Banane Zubereitung: Brote mit Tomatenmark bestreichen und mit Schinken belegen. Gurke schälen und in feine Scheiben schneiden. Paprikaschote waschen und in Ringe schneiden. Das Brot mit Paprika und Gurke belegen. Dazu schmeckt z. B. eine Banane sehr lecker. Auch wenn die Kinder eine Ganztagsschule besuchen und das Angebot besteht, zu Mittag zu essen, sollte morgens und abends auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden. Je nach Verpflegungssystem in der Schule ist das Essen dort nämlich nicht in jedem Fall frisch gekocht, und unter Umständen länger warm gehalten, oder es fehlen wichtige Komponenten, wie Gemüse auch als Rohkost oder Obst. Entsprechend der Ernährungspyramide vervollständigen die Speisen zuhause die einzelnen Bausteine, die bereits abgedeckt sind. Wird tagsüber z.B. wenig Frisches angeboten, wäre ein Salat am Abend oder Rohkost zum Knabbern ideal. Gab es mittags vegetarisch, darf abends Wurstbrot, Putenschnitzel oder Fisch auf den Tisch. Zu dieser „allgemeinen“ Problematik kommt ein spezielles Problem, das in Zusammenhang mit der Ernährung diskutiert wird: Hyperaktivität. 1. HYPERAKTIVITÄT DURCH ERNÄHRUNG?! Viele Kinder sind quirrlig und sehr aktiv - wahre Zappelphilippe eben. Doch wie wird dieses Bild von einer diagnostizierbaren Störung wie ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitätssyndrom) unterschieden? Und welchen Einfluss darauf hat die Ernährung? ADHS ist eine im Kindes- und Jugendalter häufig diagnostizierte Störung. Die Symptomatik umfasst starken Bewegungsdrang, schlechte Impulskontrolle, eingeschränkte Aufmerksamkeit sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Eine gesicherte Diagnose kann aber nur ein Facharzt in Zusammenarbeit mit den Betroffenen erstellen. Es gibt Hinweise darauf, das ADHS vererblich ist, wobei mehrere Gene dafür verantwortlich sein sollen. Zudem wird eine Fehlregulation im Botenstoffsystem des Körpers vermutet. Wodurch neurologische Probleme wie Lese- und Rechtschreibschwäche und Beeinträchtigung von Bewegungsabläufen auftreten können. Die Rolle der Ernährung ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Zur Diskussion steht hier der Einfluss des Nährstoffmangels. Jüngere Untersuchungen zeigen, dass hyperaktive Kinder zum Teil an Magnesium-Mangel leiden. Aber auch das Fehlen anderer Mineralstoffe oder Vitamine kann zu Unruhe und Konzentrationsschwäche führen. Allerdings ist bisher kein einheitliches „Bild“ entdeckt worden, was für ADHS verantwortlich gemacht werden kann. Andere Untersuchungen machen das Fehlen von mehrfach ungesättigten Fettsäuren für die Hyperaktivität verantwortlich. Da diese im Körper zu wichtigen Botenstoffen für die Reizleitung der Nerven umgebaut werden, wäre ein Zusammenhang möglich. Weiterhin wird diskutiert, ob einzelne Nahrungsinhaltsstoffe bzw. Zusatzstoffe für die Hyperaktivität verantwortlich sind. Dafür gibt es allerdings immer noch keine ausreichend gesicherten Belege. Nahrungsinhaltsstoffe, die zur Diskussion stehen, sind u.a.: Natriumglutamat (Geschmacksverstärker, in vielen Fertiggerichten), Süßstoffe, Farb- und Konservierungsstoffe. Auch Nahrungsmittelallergien und Zucker stehen im Verdacht, die Symptome von ADHS zu verschlimmern. Gesicherte Studien gibt es nicht, bei manchen Kindern soll die Reduzierung von Zucker jedoch zum Erfolg führen. Zusammenfassend kann gesagt werden: Sollte es einen Zusammenhang geben zwischen der Ernährung und ADHS, ist es umso wichtiger, die betroffenen Kinder sehr ausgewogen, mineralstoff- und vitaminreich und möglichst „natürlich“ (sprich: wenig Fertigprodukte) zu ernähren. Die Empfehlungen für Seefisch und zur Verwendung von kaltgepressten Ölen sind im Zusammenhang mit den mehrfach ungesättigten Fetten als besonders wichtig anzusehen. Sollte es keinen Zusammenhang geben, ist diese Ernährung natürlich trotzdem ausgesprochen gesund für die Kinder. 2. SÜß, SÜßER, SÜßSTOFFE? Zu viel Zucker schadet auf Dauer den Zähnen und der Figur. Da scheinen Süßstoffe, die kaum Kalorien haben und kein Karies verursachen, die perfekte Alternative zu sein - gerade auch für Kinder. Aber das stimmt nicht! Die Vorliebe für Süßes wird Kindern schon in die Wiege gelegt. Denn „süß“ ist die erste und gleichzeitig angenehme Geschmackserfahrung des Säuglings: Muttermilch schmeckt leicht süßlich. Erst wenn das Kind später andere Geschmacksrichtungen kennen lernt, entwickelt es individuelle Vorlieben. Dabei spielt es eine große Rolle, wie oft das Kind bis dahin süße, salzige oder saure Speisen gegessen hat. 2.1. Was sind Süßstoffe? Süßstoffe sind synthetisch hergestellte oder natürliche Verbindungen mit der 30- bis 3000fachen Süßkraft von Zucker. Sie sind Lebensmittelzusatzstoffe und müssen daher vor ihrer Verwendung amtlich zugelassen werden und dann auf jedem Produkt gekennzeichnet sein. Ihre Vorteile sind, dass sie praktisch keine Kalorien haben, sie die Entstehung von Karies nicht begünstigen, und dass sie für Diabetiker geeignet sind. Süßstoffe werden hauptsächlich in Getränken, zuckerfreien Süßwaren, Desserts, Kaugummi u. a. kalorienverminderten /-armen Lebensmitteln eingesetzt. In der Europäischen Union sind 8 Süßstoffe (in Klammern die dazugehörigen E-Nummern) zugelassen: Acesulfam-K (E 950), Aspartam (E 951), Cyclamat (E 952), Saccharin (E 954), Sucralose (E 955), Thaumatin (E 957) und Neohesperidin DC (E 959), und Aspartam-Acesulfamsalz (E 962). Die einzelnen Süßstoffe sind gut untersucht. Wissenschaftliche Beweise für den immer wieder einmal geäußerten Verdacht, das Risiko für Krebs zu erhöhen, gibt es nicht. Meist wird den Lebensmitteln ein Mix aus verschiedenen Süßstoffen zugesetzt. In der Kombination erhöht sich ihre Süßkraft, so dass eine noch geringere Menge verwendet werden kann.. Über die Wechselwirkungen der verschiedenen Süßstoffe ist wenig bekannt. 2.2. Süßstoffe für Kinder? Nach Meinung vieler Fachleute sind Süßstoffe für Kinder nicht empfehlenswert. Aufgrund ihres geringeren Körpergewichtes sind Kinder besonders gefährdet, mehr als die als unschädlich eingeschätzten Mengen an Süßstoffen zu sich zu nehmen. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund rät generell davon ab, Kindern und Säuglingen Süßstoffe zu geben. Süßstoffe werden häufig in Lebensmitteln eingesetzt, die nur in geringeren Mengen verzehrt werden sollten. Darunter sind z.B. Süßigkeiten und Desserts , die als speziell für Kinder geeignet beworben werden. Damit soll vor allem das Gewissen der Eltern beruhigt werden. Manche Eltern bieten ihren Kindern mit Süßstoffen gesüßte Naschereien an, um Übergewicht und Karies zu verhindern. Gerade der vermeintlich zahngesunde Effekt verleitet aber oft dazu, die Mundhygiene zu vernachlässigen. Aufgrund ihres intensiven Süßgeschmacks tragen Süßstoffe nicht zu einem sensibleren Süßempfinden bei. Der Geschmack muss von klein an trainiert werden, um feine Nuancen von süß, sauer, salzig und bitter kennen- und schätzen zu lernen. Die Verwendung von Süßstoffen fördert dagegen die Geschmacksprägung auf „zu süß“ und dadurch auch die Bevorzugung von zuckerhaltigen Lebensmitteln. Langfristig „brauchen“ die Kinder sogar mehr Zucker, um überhaupt noch einen Süß-Geschmack zu haben – die mit dem Einsatz von Süßstoffen verfolgte Absicht hat sich dann in das direkte Gegenteil verkehrt. Statt Süßstoffe zu bevorzugen, wäre es deshalb ratsamer, mit den Kindern verschiedene SüßeStärken zu trainieren, z.B. indem Lebensmittel mit natürlichem Süßgeschmack bewusst gegessen werden. 3. 5 AM TAG FÜR KIDS - SPIELEND LEICHT VORBEUGEN MIT OBST UND GEMÜSE Die Gesundheitskampagne „5 am Tag“ wurde in Deutschland im Mai 2000 gegründet und ist seitdem in aller Munde. Im Jahr 2002 wurde das erfolgreiche Konzept zur Steigerung des Obst- und Gemüseverzehrs in Baden-Württemberg um eine weitere Kampagne bereichert: „5 am Tag für Kids“ richtet sich speziell an die Zielgruppe der Grundschulkinder und soll schon von Kindesbeinen an für mehr Lust auf Obst und Gemüse sorgen. Unter www.machmit-5amtag.de finden sich (nicht nur für Kinder) eine Reihe interessanter Spiele, Wissensquize, Rezepte und Wissenswertes. Ansprechpartner der Initiative „5 am Tag für Kids“ ist bundesweit die Deutsche Krebsgesellschaft, in Baden-Württemberg der Krebsverband Baden-Württemberg e.V. Über diese können Lehrer und Erzieher die fächerübergreifende Unterrichtsmappe für den Ernährungsunterricht in Grundschulen beziehen und sich genauere Informationen über den Ablauf einer Aktion einholen. Für Lehrer/Schulen: Haben Sie sich für die Durchführung entschieden, werden Sie über den Krebsverband an einen Kooperationspartner vermittelt, der mit Ihrer Klasse die Aktion durchführt. In Baden-Württemberg können Sie sich auch direkt an die Landesinitiative BeKi Bewusste Kinderernährung wenden und erhalten dann die Adresse einer Fachfrau für Kinderernährung. 4. WAS HÄNSCHEN NICHT LERNT... Essverhalten wird in der Kindheit gelernt und meist so im Erwachsenenalter weiterhin praktiziert. Unumgänglich ist es deshalb, bereits als Kind ein gesundes Essverhalten von guten Vorbildern wie z.B. den Eltern zu lernen. Allen Eltern vergeht hin und wieder der Spaß am Esstisch. Kinder haben eben auch ihren eigenen Geschmack und sehen die Ernährungsregeln der Eltern nicht ganz ein. Wenn es ums Essen und Trinken geht, wollen Kinder mitreden und mitgestalten. Kinder mögen… • beim Einkauf beteiligt werden • bei der Zubereitung beteiligt werden • mitbestimmen, wie etwas angerichtet wird • eine angenehme Tischatmosphäre • nicht immer alles aufessen müssen • gemeinsam mit anderen essen • lieber Alternativen statt Verbote hören • gelobt werden für gutes Essverhalten • Eltern sollten dennoch klare Ziele und Grenzen setzen und ihre Verantwortung als Vorbild ernst nehmen. Eine gute Ernährungserziehung fördert die Selbständigkeit des Kindes und ein gesundheitsbewusstes Ernährungsverhalten – auch für die Zukunft. Damit das Essen nicht zum Kampf wird, helfen folgende Tipps: • Keine Süßigkeiten vor den Mahlzeiten! Durch einen köstlichen Nachtisch (z.B. bunter Obstsalat, Quarkspeise mit Früchten, Fruchtpudding, Vollkornkekse oder -kuchen) kann ein Anreiz geschaffen werden, vorher nichts Süßes zu essen. • Eine angenehme und fürs Auge schöne Tischatmosphäre schaffen. Zum Beispiel das Kind selbst kreativ werden lassen und ihm die Gestaltung des Tisches überlassen • Lob, Anerkennung und Zärtlichkeit geben! Beim Essen das Kind erzählen lassen, wenn es möchte • "Ernährungs-Spiele" können das Interesse und den Appetit fördern. Zum Beispiel Essen-Rate-Spiel mit verbundenen Augen oder Frage-Antwort-Spiele über Nahrungsmittel, ihre Herkunft und Nährstofflieferanten.