Weiterlesen - Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

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Presseinformation 19.10.2009
1 JAHR ARCHÄOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN AUF
DER ICE-NEUBAUSTRECKE ERFURT-HALLE / LEIPZIG
Landrat Frank Bannert besucht die Großgrabung auf der Querfurter Platte
Seit September 2oo8 führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in
Zusammenarbeit mit der TDE - Mitteldeutsche Bergbau Service GmbH aus Espenhain, Lkr. Leipzig,
auf der ICE-Neubaustrecke zwischen Erfurt und Halle/ Leipzig großflächige Ausgrabungen durch.
Von der Gesamtfläche von ca. 1oo ha sind bereits 75 ha aufgezogen, so dass der Streckenbau der
Deutschen Bahn AG wie geplant ab Ende 2oo9 parallel zu den archäologischen Untersuchungen
durchgeführt werden kann. Die Ausgrabungen laufen noch bis Mitte 2o1o, die Inventarisierungsund Dokumentationsarbeiten werden bis zum Frühjahr 2o11 andauern. Zurzeit stehen ca. 15o Mitarbeiter in acht Grabungsteams im Dienst der archäologischen Untersuchungen. Die Ausgrabungen stellen somit auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Region dar. Am 19.1o. besucht
Frank Bannert, Landrat des Saalekreises, die nun seit einem Jahr laufenden Grabungen vor Ort in
Oechlitz.
Die Querfurter Platte zwischen den Tälern von Saale und Unstrut wird seit mindestens 7.5oo Jahren besiedelt. Durch den Neubau des Streckenabschnitts zwischen Erfurt und Halle/ Leipzig der
Deutschen Bahn AG ergibt sich für die Archäologie die einmalige Chance, auf einer Länge von 22 km
einen vollständigen Schnitt durch eine der bedeutendsten Siedelregionen Mitteldeutschlands zu ziehen. Aufgrund der fruchtbaren Böden war die Querfurter Platte seit Jahrtausenden ein attraktiver
Siedlungsort. Zudem nimmt die geplante Streckenführung den Verlauf eines wichtigen Verkehrsund Handelsweges, der später so genannten Wein- bzw. Kupferstraße, wieder auf. Auf den mehr als
15 Fundstellen wurden bisher ca. 5.3oo einzelne Befunde untersucht, unter anderem Siedlungshinterlassenschaften und Gräber. Insgesamt wurden bereits mehr als 55.ooo Funde geborgen.
Bereits im ersten Jahr der Ausgrabungen sind eine Reihe wissenschaftlich bedeutender und kulturgeschichtlich interessanter Ergebnisse zu Tage gefördert worden. Bei Bad Lauchstädt südlich der
Laucha-Aue wurde ein Gehöft der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur entdeckt, jener zwischen
2.2oo und 1.6oo v. Chr. verbreiteten Kultur, die durch die Himmelsscheibe von Nebra in den letzten
Jahren besonders in den Blickpunkt des Interesses gerückt ist. Das Gehöft von Bad Lauchstädt
umfasste ein ca. 2o m langes Haupthaus und eine Reihe von Vorratsgruben. Wenige Meter vom
Haupthaus entfernt lag eine kleine Gräbergruppe mit acht Bestattungen. Weitere Tote waren in ehemaligen Siedlungsgruben beigesetzt, darunter eine Frau in sitzender Position. Warum einige Tote in
der üblichen Weise bestattet worden sind, andere jedoch auf eher ungewöhnliche Art, kann möglicherweise über naturwissenschaftliche Analysen an den Skeletten geklärt werden. Mittels moderner Methoden wie DNA- und Isotopenanalysen, wie sie etwa auch an den Skeletten aus Eulau (Burgenlandkreis) durchgeführt wurden, sollen Fragen der Verwandtschaft und Herkunft der einzelnen
Bestatteten untersucht werden.
Die mit 7.3oo Jahren bisher ältesten Funde wurden zwischen Oechlitz und Langeneichstädt
gemacht. Sie gehören zur linenbandkeramischen Kultur der frühen Jungsteinzeit, der ältesten bäuerlichen Kultur Mitteleuropas. Inzwischen wurden hier bereits über 3oo Gräber gefunden, von denen die
Mehrzahl in die spätere, ausgehende Jungsteinzeit und die Bronzezeit zwischen 2.5oo und 1.8oo v. Chr.
datieren. Von den drei bedeutenden archäologischen Kulturen, dieser Zeit, der Schnurkeramik-, der
Glockenbecher- und der Aunjetitzer Kultur, haben sich hier außergewöhnlich gut ausgestattete Gräber
erhalten.
Einige der bei Oechlitz dokumentierten Bestattungen der schnurkeramischen Kultur der Jungsteinzeit enthielten Funde, die ursprünglich als Schmuck oder als Verzierung auf der Kleidung getragen wurden. Dazu gehören Kupfer- und Bernsteinobjekte ebenso wie hunderte durchlochter Hundezähne, oder in einem besonders spektakulären Fall tausende kleiner Muschelscheiben. Durch die
detaillierte Dokumentation derartiger Objekte in ihrer ursprünglichen Lage kann die Kleidung, in
der die Menschen des ausgehenden Neolithikums bestattet wurden, gut rekonstruiert werden. Aus
Felsgestein geschliffene Streitäxte, die in einigen Männergräbern gefunden wurden, deuten an, dass
es auch kriegerische Konflikte gegeben haben könnte. Bei Oechlitz wurde auch die bisher größte
Zahl von Bestattungen der Glockenbecherkultur gefunden, die zum Teil zeitgleich mit der schnurkeramischen Kultur verbreitet war. Einige der Gräber der Glockenbecherkultur waren recht aufwändig mit hölzernen Einbauten gestaltet, von denen sich Spuren erhalten haben. Kupferne Haarspiralen und eine kleine Dolchklinge belegen zudem den hohen Status, den Einzelne der Bestatteten in
ihrer Gemeinschaft eingenommen haben. Aus der nachfolgenden frühen Bronzezeit des ausgehenden 3. Jahrtausends v. Chr. sind es dagegen weniger die Funde, die die Archäologen begeistern, sondern die außergewöhnlichen Bestattungsweisen. In einigen Gräbern lagen die Bestatteten in mehreren 'Etagen' übereinander. Andere Gräber wurden mehrfach hintereinander genutzt, wobei die früher
bestatteten Toten hierfür regelrecht zur Seite geschoben wurden. Ein Zeichen auch von Kontinuität in
der Siedlung?
Auch aus jüngerer Zeit stammen bedeutsame Funde. Ein slawisches Gräberfeld des 9./1o. Jhs. n.
Chr. bei Oechlitz kann mit der frühen Geschichte des Ortes in Verbindung gebracht werden, dessen
slawische Gründung auch historisch mit dem Ortsnamen belegt ist. Obwohl die Bestattungen nach
christlichem Brauch mit dem Kopf im Westen ins Grab gelegt worden sind, deuten beigegebene
Gefäße und Nahrungsmittelreste an, dass dennoch auch heidnische Traditionen in der Ausstattung
der Toten weiter gepflegt wurden.
Die große Bandbreite der Spuren archäologischer Kulturen und die Zahl und Qualität der einzelnen Funde belegen die hohe Bedeutung, die der Region seit Tausenden von Jahren nicht nur als Siedlungsgebiet, sondern auch als Verkehrsroute zukommt. Der infrastrukturell wichtige Ausbau der
ICE-Strecke durch die Deutsche Bahn AG bietet für die Archäologie Sachsen-Anhalts die einmalige
Chance, die Siedlungsgeschichte einer ganzen Region auf einem vollständig untersuchten Teilstück
zu dokumentieren und die Kulturgüter vor der Zerstörung zu bewahren. Neben der wirtschaftlichen
und verkehrstechnischen Relevanz des Streckenneubaus zwischen Erfurt und Halle/ Leipzig belegen
die Ergebnisse bereits nach einjähriger Grabungstätigkeit auch die hohe wissenschaftliche Bedeutung der Ausgrabungen für die Region.
Kontakt
Dr. Alfred Reichenberger
Dr. Beate Leinthaler
19.10.2009
o345 · 52 47 -312
o34632 · 9o 985
[email protected]
[email protected]
Fotos zur Presseinformation vom 19.10.2009
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Blick über die Trasse auf der Querfurter Platte
© LDA
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Baggerarbeiten bei Bad Lauchstädt, Saalekreis
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Arbeit auf der Fläche, Bad Lauchstädt, Saalekreis
© LDA
Freiputzen eines Skelettes, Oechlitz, Saalekreis
© LDA
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Arbeiten an einem Kreisgraben,
Oechlitz, Saalekreis
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Bestattung der schnurkeramischen Kultur
mit Muschelscheiben, Oechlitz, Saalekreis
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Bestattung der Glockenbecherkultur mit
Kupferdolch, Oechlitz, Saalekreis
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Sitzende Frauenbestattung der Aunjetitzer Kultur,
Bad Lauchstädt, Saalekreis
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Grab der Aunjetitzer Kultur mit zur Seite
geschobener früherer Bestattung,
Oechlitz, Saalekreis
© LDA
Slawisches Gräberfeld bei Oechlitz, Saalekreis
© LDA
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