Kultur in Schichten - Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

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Pressetermin 08.09.2011
Kultur in Schichten«:
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Neues Buch zu den Ausgrabungen
am Autobahndreieck Südharz (A 71) erschienen
Im Vorfeld der Entstehung des Autobahndreiecks Südharz fanden vom Spätsommer 2oo5
bis in das Frühjahr 2oo8 zwischen Ober- und Niederröblingen archäologische Ausgrabungen
statt. Diese erfolgten im Zusammenhang mit den Vorbereitungen des Baus der A 71 durch
die DEGES. Auf einer Länge von 1,2 km und einer Fläche von etwa 2,5 Hektar konnte im
Bereich des zukünftigen Trassenabschnitts der Autobahn 71 ein Einblick in die 7ooo Jahre
zurückreichende Geschichte von Niederröblingen gewonnen werden – Grund genug, der
dort angetroffenen »Kultur in Schichten« den 14. Sonderband der Reihe »Archäologie in
Sachsen-Anhalt« zu widmen.
Eine regelrechte Überraschung und besonderes Highlight unter den Befunden dieser Ausgrabung, dem daher auch ein eigener Abschnitt der Publikation gewidmet ist, bildet ein
circa vier Hektar großer Tell: ein über Jahrtausende angewachsener Siedlungshügel, entstanden durch die Hinterlassenschaft der stets am gleichen Ort siedelnden Bevölkerungen.
In mehrfacher Hinsicht bildet der Tell von Niederröblingen einen außergewöhnlichen
Befund. Zum einen sind solche Siedlungshügel bisher nur aus dem Vorderen Orient und
Südosteuropa bekannt. Die Ausgrabung der einzelnen Siedlungsschichten, die sich von der
Zeit der ersten Ackerbauern Sachsen-Anhalts an der Wende vom 6. zum 5. Jahrtausend v.
Chr. an kontinuierlich bis in die vorrömische Eisenzeit gebildet hatten, erforderte besondere
Präzision und eine spezielle Grabungstechnik. Daneben wurden nur wenige der bekannten
Tells über einen so langen Zeitraum genutzt wie der Siedlungshügel von Niederröblingen.
Der zweite besonders hervorzuhebende Befund ist den für Mitteldeutschland äußerst seltenen, am gleichen Ausgrabungsort aber herrschenden Feuchtbodenverhältnissen zu verdanken: Ein hölzerner Kastenbrunnen der Kultur der Linienbandkeramik (5.5oo–4.8oo v.
Chr., »die ersten Bauern«) konnte im Block geborgen und in die Restaurierungswerkstatt
des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle transportiert werden, wo die behutsame Ausgrabung unter Laborbedingungen erfolgen konnte. Nicht nur handelt es sich bei diesem
Brunnen um die bisher größte in der Restaurierungswerkstatt ausgegrabene Blockbergung,
auch stellt er das älteste ausgegrabene Holzbauwerk Sachsen-Anhalts dar. So ergaben den-
drochronologische Untersuchungen an den massiven Eichenspaltbohlen, die zum Bau verwendet wurden, dass der Brunnen im Jahr 5.1o8 v. Chr. errichtet worden war. Die dazu
gefällten Eichen hatten ein Alter von bis zu 4oo Jahren. Die maximale Ausdehnung der
Kastenkonstruktion beträgt 1,78 mal 1,38 Meter. An der Nord- und Südseite befinden sich je
zwei, an der Ost- und Westseite je eine Spaltbohle, welche durch Nuten miteinander verbunden wurden. Mindestens eine Reparaturphase belegt die Bedeutung der 1 Meter tiefen Brunnenanlage für die jungsteinzeitlichen Siedler. Im unteren Teil der Brunnenanlage befindet
sich eine Schicht aus Zweigen und Ästen in dichter Lage, die dem Filtern des Wassers diente.
Hierbei handelt es sich um den bisher weltweit ältesten Nachweis dieser Technik. Aufgrund
der besonderen Bodenverhältnisse blieb die zum größten Teil aus organischem Material
bestehende Verfüllung des Brunnens erhalten – ein besonderer Umstand, da organische
Funde gerade im mitteldeutschen Raum eine Ausnahme bilden. Die Verfüllung zeigt außerdem deutlich, dass der Brunnen später als Abfallgrube diente. Der ideale Erhaltungszustand
ermöglicht somit einen detaillierten Einblick in die Wirtschaftsweise der 7ooo Jahre alten
Siedlung in Niederröblingen.
Neben dem Tell von Niederröblingen und den Brunnen – neben dem in der Restaurierungswerkstatt ausgegrabene Brunnen wurden im Zuge der Ausgrabung auch mehrere nachneolithische Brunnen mit Holzerhaltung angetroffen – stellt die jetzt erschienene Publikation
weitere Zeugnisse menschlichen Lebens von der Jungsteinzeit bis zur Römischen Kaiserzeit
vor. Bemerkenswert ist, dass die Sangerhäuser Gegend während dieser gesamten Zeitspanne
über internationale Tauschbeziehungen verfügte, was Importfunde wie Bernsteinperlen,
Spondylusmuscheln und römisches Tafelgeschirr eindrucksvoll belegen. Unter den Befunden aus der Eisen- und römischen Kaiserzeit, die in der Publikation eine gesonderte Behandlung erfahren, ist etwa das Grab der »Bernstein-Prinzessin« zu erwähnen, ein reich ausgestattetes Frauengrab der späten Römischen Kaiserzeit (spätes 3. Jh. n. Chr.), das mit einer
Kette aus 66 Bernsteinperlen ein besonderes Schmuckstück enthielt. Weitere Beiträge der
Veröffentlichung beschäftigen sich näher mit dem Landschaftsraum, in dem die Befunde
angetroffen wurden, und zwischen den Kapiteln eingestreute Fachfeatures widmen sich
einzelnen Funden oder Fundgattungen oder stellen Untersuchungsmethoden vor.
Ausgrabung und Auswertung der vielschichtigen Befunde lagen und liegen in den Händen
einer Vielzahl von Kollegen unterschiedlichster Fachrichtungen: Archäologen, Anthropologen, Bodenkundler und Ökologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie
Sachsen-Anhalt, des Instituts für Anthropologie der Universität Mainz, des Ökologiezentrums der Christian-Albrecht-Universität Kiel sowie des Landesamtes für Geologie und
Bergwesen in Sachsen-Anhalt. Eine erste museale Darbietung der Funde wurde im Jahr
2oo8 im Spengler-Museum Sangerhausen realisiert.
Kultur in Schichten
Ausgrabungen am Autobahndreieck Südharz (A 71)
Susanne Friederich, Hans Rudolf Bork, Silke Clasen,
Stefan Dreibrodt, Veit Dresely, Robert Ganslmeier,
Thomas Heinkele, Henrik Helbig, Monika Hellmund,
Vera Hubensack, Mechthild Klamm, Carolin Lubos,
Christian Meyer, Ulrich Müller, Andreas Nebe,
Oliver Nelle, Alexander Nicolay, Ulrike Petersen,
Ulf Petzschmann, Vincent Robin, Hans Szédeli,
Christian-Heinrich Wunderlich
Archäologie in Sachsen-Anhalt, Sonderband 14
Herausgegeben von Harald Meller
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2o11
255 Seiten, zwei Karten
ISBN: 978-3-939414-34-6
Kontakt:
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Landesmuseum für Vorgeschichte
Dr. Alfred Reichenberger
Tel. o345 - 5247 - 312
[email protected]
Bildrechte der Presse-CD
Die Bildrechte an den Aufnahmen werden ausschließlich und einmalig für eine Publikation im Zusammenhang mit der
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(Saale). Wir bitten um präzise Quellenangabe und ein kostenloses Belegexemplar der Veröffentlichung.
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and the photographer. Please forward one reference copy free.
Fotos zur Presseinformation vom 08.09.2011
Bild 1
Luftbild der Ausgrabungsfläche der A 71.
Blickrichtung Nordosten.
Foto: I. Hoffmann, © LDA
Bild 2
Schnitt 15. Abtrag der Schichten in Form von
Geoplana (Stand 23.1.2oo7)
Foto: O. Scholz, © LDA
Bild 3
Kreisförmig angeordnete Bestattungen aus der
Bronzezeit lassen einen Grabhügel vermuten.
Foto: J. Lipták, © LDA
Bild 4
Die Blockbergung des jungsteinzeitlichen
Brunnens 2
© LDA
Bild 5
Die Blockbergung auf dem Weg in das
Landesmuseum für Vorgeschichte
© LDA
Bild 6
Der jungsteinzeitliche
Brunnen während der Ausgrabung in der
Restaurierungswerkstatt
© LDA
Bild 7
Der jungsteinzeitliche
Brunnen: Detail
© LDA
Bild 8
Eine von insgesamt 66 Bernsteinperlen.
Ursprünglich zu einer Kette gehörig. Maximaler
Durchmesser dieser Perle 1,4 Zentimeter.
Foto: K. Bentele, © LDA
Bild 9
Flechtwerkbrunnen der römischen Kaiserzeit. Eine
menschliche Schädelkalotte liegt sehr dicht an der
Brunnenwandung.
Foto: M. Scholz, © LDA
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