Onlineartikel - Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft

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Dorothee von Moreau
Lexikalische Stichwörter
a) Strukturelle Störung und
b) Strukturbezogene Psychotherapie
Der folgende Beitrag enthält Hintergrundinformationen zum Beitrag von Dorothee
von Moreau: Musiktherapie in der Behandlung struktureller Defizite (MU
2014/03, S. 194 ff).
In kurzer Form und gut verständlich wird die tiefenpsychologische Theorie
aufbereitet und dient dem vertieften Verständnis der musiktherapeutischen Herangehensweise an strukturelle Störungen. Warum die einzelnen musiktherapeutischen
Interventionen Sinn machen, lässt sich vor dem Hintergrund eines tiefenpsychologischen Verständnisses psychischer Funktionen gut erklären.
a) Strukturelle Störung
Zum Begriff der Struktur und zum Konzept der strukturellen Störung in der Psychoanalyse
Der Begriff »Struktur« durchzieht die Geschichte der Psychoanalyse wie ein
roter Faden, obgleich der Begriff im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Wandlungen, Modifizierungen und teilweise kontroversen Theoriebildungen unterlag.
Freud legte mit seinem »Strukturmodell« die Basis für den Begriff der Struktur:
Dem Ich kam dabei steuernde und vermittelnde Funktionen zwischen den Triebimpulsen des Es und den Gewissensforderungen des Über-Ich zu. Diese Modellvorstellung wurde in den 1980er Jahren auf der Basis der Kohutschen Selbst-Objekt-Beziehungstheorie (Kohut, 1979) zum sog. »Ich- oder Selbststrukturellen
Defizit-Modell«, kurz Entwicklungsdefizitmodell weiterentwickelt (vgl. Mertens,
1996). Ähnlich beschrieb Michael Balint in seinem Konzept des sog. »basic fault«
(dt.: »Grundstörung«) Störungsmuster, welche auf frühe fehlgeleitete Interaktionsund Beziehungserfahrungen zurückzuführen seien (Balint, 1970).
Freilich war dieser Gedanke nicht neu: Bereits Anna Freud grenzte deutlich
die »Entwicklungsstörung« von der konflikthaften, neurotischen Störung ab und
folgerte, dass zwischen diesen beiden therapeutischen Zugangsweisen tiefgreifende Unterschiede bestünden (Freud 1974). Aus den weiterführenden Überlegungen Kernbergs zur gespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanz und Hartmanns
Modell der eingeschränkten Ich-Funktionen und unreifen Abwehrmechanismen
konzeptualisierten schließlich in den 1980er Jahren Heigl-Evers und Heigl neue
therapeutische Vorgehensweisen für Patienten mit präödipal erworbenen, »ichstrukturellen Störungen« (vgl. Heigl-Evers et al., 1985). Der Begriff der sog. »frühen
Störung« wurde geprägt.
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Die Unterscheidung zwischen frühen konflikthaften und früh erworbenen
strukturellen Störungen jedoch wird erst im Laufe der Entwicklung der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD) in der Arbeitsgruppe um Rudolf
et al. (2002) explizit. Damit wurde der Begriff der »frühen Störung« endgültig
abgelöst. Zur Bestimmung des (hohen, mäßigen, geringen oder desintegrierten)
Strukturniveaus eines Patienten spielen nun Dimensionen wie Selbst- und Objektwahrnehmung, Regulierung/Steuerung der eigenen Affekte sowie des Objektbezugs, Kommunikation nach Innen und Außen und Bindung an innere und äußere
Objekte eine Rolle. Im Weiteren wurde der Begriff »Struktur« in der »Struktur-Fokusliste« und der »Struktur-Checkliste« des OPD2 phänomenologisch klarer gefasst.
Hier finden sich Elemente wie Selbstreflexion, Affektdifferenzierung, Affekterleben,
Affektausdruck und -toleranz, Identität, Empathie, Nutzung von Phantasie, Bindungsfähigkeit, emotionaler Kontakt, Selbstwertregulation, Körperselbst, emotionaler Kontakt, Internalisierung guter Erfahrungen (vgl. Grande et al.2002).
Struktur wird demnach verstanden als »Fundament für den Aufbau der Persönlichkeit« (Freud A. 1974), als »Niveau der kognitiv-mentalen Operationen des
Patienten« (Krause 2009), sie dient der »Aufrechterhaltung einer inneren, psychischen Welt… im Wechselspiel zwischen individuellen Reaktionsdispositionen,
körperlichen Bedürfnissen und Phantasien einerseits sowie Beziehungserfahrungen
der Kindheit und Jugend andererseits « (Schneider und Seidler, 1995, S. 136). Struktur wird teilweise mit Mentalisierungs- und Symbolisierungsfähigkeit gleichgesetzt;
jene Prozesse spielen auch bei strukturbildenden Prozessen eine wichtige Rolle,
sind mit Struktur allerdings nicht identisch (vgl. Rudolf, 2011). Struktur beschreibt
also die »psychischen Fähigkeiten und Werkzeuge« des Menschen, welche er
braucht, um sich und die Welt zu verstehen (Mentalisierung und Selbstreflexion)
und damit umgehen zu können. Dies zeigt sich, indem er z. B. Entwicklungsherausforderungen meistern, Konflikt austragen, Bedürfnisse und Wünsche aussprechen
und regulieren und Neuanpassungen leisten kann.
Die »strukturbedingte Störung«: Symptomatik, Ätiologie
und Pathogenese
Im Unterschied zu den konfliktbedingten Störungen imponieren strukturbedingte
Störungen je nach Ausmaß in einer teilweise wenig greifbaren, teilweise sehr heftigen Symptomatik, geprägt durch Orientierungslosigkeit, vages Identitätsempfinden, fehlendes affektives Selbstverständnis, Kontrollverluste und ausgeprägte
Beziehungsschwierigkeiten (vgl. Rudolf 2004). Neben der »lauten«, externalisierten,
oft krisenhaft zugespitzten Symptomatik einer strukturellen Störung mit heftigen
Gefühlsschwankungen, Affektdurchbrüchen, selbstverletzendem Verhalten und
starken Beziehungsturbulenzen sollte die »leise« Symptomatik eines strukturellen
Defizits nicht übersehen werden. Diese ist gekennzeichnet durch weitgehenden
inneren Rückzug, einer Tendenz, sich »unsichtbar« zu machen, einer Vermeidung
von Beziehungen, emotionaler Leere, Bezugslosigkeit zu sich selbst, Ausdruckskargheit, Hilflosigkeit, Überforderung und einem Erleben basaler Ängste von
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Selbstverlust. Konfusion, Erregung oder Starre, Erlöschen, Leere stehen im Vordergrund des Erlebens; im Bezug zu sich selbst wird eine große Ratlosigkeit, fehlende Selbstreflexivität, fehlende Mentalisierung und die Unfähigkeit, sich selbst zu
verstehen beschrieben. Die Betroffenen sind sich selbst fremd. Fehlende Empathie
und Objektabgrenzung führen zu interpersonellen Verstrickungen, fehlende Selbstkompetenz und Affekttoleranz zu notfallmäßigen Impulsdurchbrüchen (affektive
Durchbrüche, Essanfälle, Selbstverletzung). Dabei sind die Symptome nicht als
Verdrängung, Abwehr oder Vermeidung zu interpretieren, sondern müssen als
Ausdruck eines frühen grundlegenden Defizits verstanden werden:
So geht man im Modell der strukturellen Störung davon aus, dass aufgrund
einer belasteten frühkindliche Beziehungssituation die Entwicklung entscheidender struktureller Funktionen beeinträchtigt ist. Ob nun kindliche Merkmale, eine
stressvoll erlebte Elternschaft oder eine schwierige soziale Lebenssituation der
Familie insgesamt dafür ausschlaggebend sind, so führen im Zeitfenster der frühen
Entwicklung anhaltende Interaktionsdefizite oder -missverständnisse zu einer defizitären oder vulnerablen Strukturentwicklung. Oft treten die Symptome erst später,
im Rahmen von Entwicklungsanforderungen der Adoleszenz oder des frühen
Erwachsenenalters auf, wenn kompensatorischer Bewältigungsmuster scheitern
(vgl. Rudolf 2011). Dabei sei die aufbrechende Symptomatik wenig umschrieben
und nicht eindeutig. Sie sei an meist soziale Situationen gebunden (berufliche
Änderungen, Beziehungssituationen), in denen der Patient Schwierigkeiten oder
Krisen erlebe, welche er nicht verstehe und welche er aufgrund mangelnder struktureller Voraussetzungen nicht meistern könne.
Aus der neueren Entwicklungspsychologie, insbesondere der Säuglingsforschung
der letzten Dekade ist uns bewusst geworden, wie sehr das Kind vom ersten Lebenstag an angewiesen ist, von bereitwillig verstehenden Eltern angemessen, d. h. instinktsicher, gelassen und wohlwollend aufmerksam und feinfühlig handelnd beantwortet zu werden: negative Affekte und Unlusterfahrungen müssen aufgefangen und
beruhigt, Grundversorgung und Nähe sicher bereitgestellt werden. Es braucht aber
auch die Erfahrung, spielerisch in zweckfreie Interaktion eintauchen zu können,
entspanntes Miteinander-Sein zu erleben, dabei Affekte zu teilen, sich anstecken zu
lassen, gespiegelt, (aus-)gehalten und erwidert zu werden, emotionale Ansteckung,
geteilte Aufmerksamkeit und Imitation zu erleben und Möglichkeiten der sozialen
Rückversicherung auf vielfältige und differenzierte Weise zu erhalten (vgl. Lenz und
Moreau, 2012). Solche Erfahrungen sichern nicht nur die vitale Versorgung oder
helfen dem Kind, zunehmend selbständiger Impulse zu steuern, Affekte zu regulieren
oder Kommunikation einzuüben, solche Erfahrungen helfen dem Kind, sich selbst zu
spüren und erlebend zu »verstehen«. Indem es sich im Anderen erwidert und gespiegelt erfährt, entwickelt das Kind ein erstes »implizites Wissen« für sich Selbst, seiner
Affekte, seiner Selbstwirksamkeit und entwickelt ein sicheres Selbstempfinden sowie
Selbstkompetenzen im Umgang mit sich und der Welt (vgl. Stern, 2000). Je kleiner
das Kind, desto körpernaher und impliziter sind diese Erfahrungen gespeichert als
Atmosphäre des In-der Welt-seins. Für die frühe Entwicklung des Selbst weit vor
Prozessen der Mentalisierung wird deshalb der Begriff »Embodiment« verwendet.
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Affektwahrnehmung und -wiedererkennung, Affekttoleranz und -regulation,
Empathie, Regulierung von Spannungszuständen und Unlusterfahrungen, Impulssteuerung, Internalisierung und Objektkonstanz, Bindung, (Körper-)Selbst, Identität, Unterscheidung zwischen Innen und Außen,… all dies wird in frühen Interaktionserfahrungen mit den nächsten wichtigen Bezugspersonen im Umkreis der
Familie basal erlebt, wiederholt erfahren, dabei grundlegend entwickelt, modifiziert
und gefestigt. All diese Erfahrungen bilden das psychische Grundrüstzeug oder
Werkzeug oder psychodynamisch ausgedrückt das Strukturniveau eines Menschen.
Findet diese strukturelle Entwicklung nur unzureichend oder bruchstückhaft
statt oder kam es zu einschneidenden Defiziten, bleibt die Grundstruktur des Menschen verletzlich oder defizitär. Fehlende Bindung, irritierende Objekterfahrungen,
Vernachlässigung oder inadäquate Beantwortung der kindlichen Grundbedürfnisse nach Nähe und emotionaler Antwort, seltener auch aggressiv-entwertende
Haltungen oder Misshandlungen führen im Kind zu einem hilflosen Ausgeliefertsein an die eigene Verzweiflung und eine schwer erträgliche Welt. Die weitere
psychische Entwicklung muss unter der Bedingung fehlender Verfügbarkeit über
strukturelle Funktionen stattfinden und führt entweder zu kompensatorischen
Bewältigungsmustern oder früher Symptombildung (z. B. frühe Regulationsstörungen, Unfallneigung). Ein Scheitern an Entwicklungsaufgaben oder anderen
situativen Anforderungen kann aber auch im späteren Leben zum Zusammenbruch
der Bewältigung, zu strukturellen Krisen mit Symptombildung oder Notfallreaktionen (z. B. antisoziales Verhalten, Suchtverhalten, selbstverletzendes Verhalten,
Unfallneigung) führen (Rudolf 2011).
Fonagy (2004) konzeptualisierte die Entstehung des »fremden Selbst (alien self)«
durch »das Scheitern der kongruenten Spiegelung«. Dieser fremde Anteil entwickelte sich erstens »durch die Leere, die entsteht, wenn die die innere Verfassung
des Kindes nicht adäquat gespiegelt wird«, und zweitens durch die Verinnerlichung
der misslungenen Beziehungserfahrung. Teile des Selbst werden in der Folge als
fremd und nicht wirklich zum Selbst gehörig erlebt (Strehlow 2013, S. 140).
Unzureichende Strukturbildung kann aufgrund unterschiedlicher pathogenetischer Prozesse bei nahezu allen psychischen Störungen verborgen zugrundeliegen,
angefangen von affektiven Störungen (z. B. Depression) über Persönlichkeitsstörungen bis hin zu Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Nach Rudolf
schließen sich die »pathogenen Mechanismen der frühen Konflikte und der strukturellen Entwicklungsstörungen nicht aus, sie bestehen häufig nebeneinander, sind
jedoch beide Folgen von nicht mentalisierten, implizit gespeicherten Vorgängen der
frühen Entwicklung« (Rudolf, 2011, S. 57). Wichtig für das Verständnis sei es, »nicht
einen seit jeher bestehenden Dauerzustand zu betonen, sondern die Aktualisierung
in einer auslösenden Situation deutlich werden zu lassen« (Rudolf, 2011, S. 71).
In der psychodynamischen Psychotherapie wird deshalb das Strukturniveau
eines Patienten neben den anderen Achsen der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik immer erhoben und eingeschätzt. Denn dies hat entscheidende
Implikationen für die Therapieplanung und die konkrete Umsetzung in der therapeutischen Vorgehensweise.
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b) Strukturbezogene Psychotherapie
Manual OPD
In den verschiedenen Arbeitsgruppen zur OPD und den daraus abgeleiteten therapeutischen Implikationen für die »strukturbezogenen Psychotherapie« haben
sich auf der Basis der therapeutischen Empfehlungen von Heigl-Evers und Heigl
(1985), Grande et al. (1998; 2002), Oberbracht (2002; 2005) und Rudolf (2002;
2004) hervorgetan. Das »Manual der Strukturbezogenen Psychotherapie« von
Rudolf (2004; 2006) soll im folgenden Abschnitt als Grundlage der ausgeführten
Überlegungen herangezogen werden. Rudolf bringt es auf den Punkt, wenn er
fordert: »Die … Dynamik struktureller Einschränkungen und die zugrunde gelegte
Hypothese früher Beziehungsstörungen begründen insbesondere eine modifizierte therapeutische Haltung (weniger Distanziertheit und mehr therapeutische
Aktivität im Sinne der Beelterung), eine modifizierte therapeutische Zielsetzung
(aktive Förderung struktureller Fähigkeiten) und eine Reihe von therapeutischen
Techniken, die geeignet sind, eine effektive therapeutische Zusammenarbeit auch
unter der Voraussetzung erheblicher Beziehungs- und Kommunikationsprobleme
zu ermöglichen« (Rudolf 2011, S. 69).
Affektsteuerung, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Empathie und Bindung
So gehe es auch in der psychodynamischen Therapie weniger um Bewusstmachung
von Bedürfnishaftem, Dahinterliegendem, Unbewusstem, als vielmehr um die
Förderung struktureller Funktionen wie Affektdifferenzierung, Impulssteuerung,
Selbstreflexion, Fremdwahrnehmung, Empathie und Bindung. Therapie müsse
den Patienten in seinen Fähigkeiten unterstützen, sich selbst zu beruhigen, sich
selbst und seine interpersonelle Situation zu verstehen und diese anders als bisher
regulieren zu können. Dies sei Voraussetzung dafür, dass der Patient lerne, sich
ein Stück weit von sich selbst zu distanzieren und die Muster seines dysfunktionalen Verhaltens zu sehen. Abwehrdeutungen dagegen würden die Hilflosigkeit des
Patienten ebenso verstärken wie ein abstinentes Nicht-Eingehen auf aktuelle Fragen
und Nöte, Übertragungsdeutungen den Patienten eher belasten und verwirren, als
die therapeutische Beziehung zu klären und zu fördern.
Therapeutische Haltung
Grundsätzlich empfiehlt Rudolf angesichts der basalen Beziehungsstörung eine
wohlwollende, verstehen-wollende, zuversichtliche therapeutische Haltung, um dem
»zwischen kindlicher Hilflosigkeit und Bedürftigkeit, erotisierender Attraktivität,
aggressiver Entwertung und kalter Distanzierung« schillernden Beziehungsangebot
des Patienten angemessen zu begegnen (Rudolf, 2011, S. 71f). Respekt und Anteilnahme für die Bewältigungs- und Überlebensstrategien des Patienten sollen helfen,
diese Beziehungsangebote nicht persönlich zu nehmen, sondern als therapeutische
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Aufgabe zu verstehen. Die Rücksicht auf die eingeschränkten Beziehungskompetenzen, die Abgegrenztheit gegenüber dem interpersonellen Sog oder der interpersonellen Leere sowie das Ernstnehmen des pathogenen Gewichts der Störung
und ihrer katastrophalen sozialen Auswirkungen bewahre den Therapeuten, therapeutisch vereinnahmt oder verstrickt zu werden oder der Verführung zu erliegen,
dem Patienten eine Konfrontation mit biographische Belastungserfahrungen oder
seiner inneren Destruktivität abzuverlangen. Ein aktiver Umgang mit dem Patienten
trage im Spiegeln und Markieren von Affekten, Ermutigen, Anleiten, Regeln geben
und Grenzen setzen Züge von Beelterung (vgl. Heigl-Evers, 1985). Der Therapeut
müsse sich besonders zu Beginn der Therapie als Hilfs-Ich verstehen, denn aufgrund
der strukturellen Defizite könnten viele Kompetenzen und Inhalte noch nicht aus
dem Patienten selbst heraus entwickelt werden, sondern bedürften therapeutischer
Anleitung im Hier und Jetzt. Der Therapeut dürfe keine Angst haben vor edukativen,
coachenden und persönlich gefärbten Vorgehensweisen.
Therapeutische Methoden
Zu den im Vordergrund stehenden therapeutischen Methoden gehöre es, den
Patienten
−− zu Narrativen einzuladen und diese Ereignisepisoden im Sinne der Mentalization Based Psychotherapy (Batemann und Fonagy 2004; Fonagy, 2002) auszuleuchten und zu verstehen,
−− dem Patienten die eigenen Wahrnehmungen zu spiegeln und somit »ein Bild
von sich zurückzugeben«,
−− aus diesen vielen Spiegelungen Muster abzuleiten,
−− die affektiven Aspekte einer Situation herauszuarbeiten und zu verbalisieren,
−− dabei gemeinsame Affektregulierung und »spiegelnde Verlebendigung des
Selbst« zu ermöglichen (Rudolf, 2011, S. 139),
−− die Ereignisepisoden in einen Beziehungskontext zu stellen und zu verstehen
versuchen. Im Unterschied zur Übertragungsfokussierten Psychotherapie (Clarkin et al., 2001) werden dabei Beziehungssituationen nicht direkt aus der dyadischen Therapeut-Patient-Beziehung, sondern aus Alltagsbegebenheiten des
Patienten gemeinsam quasi aus der Position des Dritten betrachtet, ausgeleuchtet
und zu verstehen versucht.
Dieses therapeutische aufwändige »Buchstabieren« von Affekten und Beziehungskontexten unterstütze den Patienten darin, eigene Affekte wahrzunehmen und
zu benennen, Empathie für andere zu entwickeln, interaktionelle Muster zu verstehen und Handlungsspielräume dafür zu entwickeln. Entgegen evtl. regressiver
Erwartungen soll angeregt werden, dass die Zeit zwischen den Behandlungsstunden intensiv genutzt wird, um interpersonelle Kompetenzen weiter zu entwickeln,
auszuprobieren und einzuüben.
Das therapeutische Vorgehen sei als »strukturfördernde Begleitung mit übenden
Anteilen« zu verstehen (Rudolf, 2011, S. 137). Es fokussiere zunächst das Außen und
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suche nach Stressoren, mit welchen der Patient sich konfrontiert sehe: Beziehungen,
welche er nicht verstehe, Affekte, die er nicht ertrage oder soziale Situationen, die
er nicht bewältigen könne. Im Laufe der Arbeit verschiebe sich der Fokus mehr
und mehr zu den Bedürfnissen und Empfindungen, zu einem Selbst, welches sich
mehr und mehr konstruiere, verstehe und schließlich verantworte.
In seinem Manual zur strukturbezogenen Psychotherapie empfiehlt Rudolf
(2004) als Interventionsabfolge
1. die Förderung der Wahrnehmung,
2. erklärende und verstehende Interventionen zur Erkennung von Verhaltens- und
Erlebensmustern des Patienten,
3. Förderung der Verantwortungsübernahme und Selbstkompetenz.
Therapeutische Angebote sollten zunächst vom Therapeuten initiiert werden, sie
vom Patienten zu fordern, der weder Einsicht, noch Überblick in sein Inneres hat,
sich von innen her fremd ist, mag eine Überforderung sein.
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Dorothee von Moreau, Prof. Dr. rer. medic., Musiktherapeutin DMtG, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin. Derzeit Leiterin der Musiktherapeutischen Lehrambulanz und Professorin an der Fakultät für Therapiewissenschaften der SRH Hochschule Heidelberg, Maria Probst
Str. 3, 69123 Heidelberg. [email protected]
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