Universitätsklinikum Gießen und Marburg Standort Gießen, Hals-Nasen-Ohrenklinik Funktionsbereich Audiologie Praktikum Medizinische Physik Doppelversuch: Subjektive und Objektive Audiometrie Teil 2: Praktische Durchführung 1. Einleitung Die Untersuchungsverfahren zur Funktionsprüfung des Gehörs werden unter dem Oberbegriff Audiometrie zusammengefasst. Dabei unterscheidet man die Verfahren der subjektiven Audiometrie und die Verfahren der objektiven Audiometrie. Objektive Audiometrie Subjektive Audiometrie Ableitung von Hirnrindenpotentialen (CERA) Sprachaudiometrie Ableitung von Hirnstammpotentialen (BERA) Lokalisationstest Ableitung von Cochleapotentiale (ECochG) Messung von Intensitäts-, Frequenz-, Zeitauflösung Registrierung von Otoakustischen Emissionen Lautheitsskalierung Messung der Mittelohrimpedanz Tonschwellenaudiometrie Audiometer Abb. 1: Übersicht der wichtigsten audiometrischen Untersuchungsverfahren aufsteigend geordnet entsprechend ihrem Ansatzpunkt entlang des auditorischen Systems. Im Praktikum behandelten Verfahren sind rot gekennzeichnet. Der Doppelversuch „Subjektive und Objektive Audiometrie“ beschränkt sich auf die Behandlung der klinisch wichtigsten Untersuchungsverfahren aus den Bereichen subjektive Audiometrie (Tonschwellenaudiometrie, Sprachaudiometrie) und objektive Audiometrie (Messung der Mittelohrimpedanz, Ableitung von Hirnstammpotentialen). Für die von Ihnen durchzuführenden Messungen im Bereich der Tonschwellenaudiometrie, Impedanzaudiometrie (Messung der Mittelohrimpedanz) und Sprachaudiometrie, benutzen Sie das Audiometer AT900 von der Firma Auritec und für die Messungen im Bereich der Hirnstammaudiometrie das Audiometer Audera von der Firma Grason-Stadler. Die Funktionalität und Bedienung der einzelnen Messmodule der Audiometer wird Ihnen während des Praktikums vermittelt. 1 1. Tonschwellenaudiometrie (Tonhörschwellenaudiometrie) Frequenz in Hz a 250 500 1000 2000 Frequenz in Hz b 4000 8000 125 0 0 20 20 Hörverlust in dB HL Hörverlust in dB HL 125 40 60 80 250 500 1000 2000 4000 8000 40 60 80 100 100 Schallempfindungsschwerhörigkeit (Hochtonsenke, Lärmschwerhörigkeit) 120 Schallleitungsschwerhörigkeit (Mittelohrerguss) 120 Abb. 2: Fallbeispiel für Tonschwellenaudiogramme (LL-Hörschwelle: durchgezogene Linien, KL-Hörschwelle: gestrichelte Linien; rechtes Ohr: rote Symbole; linkes Ohr: blaue Symbole). Aufgabe zur Tonschwellenaudiometrie: Bestimmen Sie an einem Probanden oder einer Probandin für das rechte und linke Ohr die Luftund Knochenleitungshörschwelle und ermitteln Sie daraus getrennt für beide Ohren: 1. die Art der Schwerhörigkeit 2. den frequenzabhängigen Verlauf der Schwerhörigkeit 3. den Grad der Schwerhörigkeit Zur Durchführung der Tonhörschwellenaudiometrie benutzen Sie das Tonhörschwellenmodul des Audiometers AT900. Bieten Sie dem Probanden / der Probandin die Töne der einzelnen Prüffrequenzen in gepulster Form an und ermitteln Sie mit der „aufsteigenden Methode“ der Pegelerhöhung (Darbietungspegel aus dem Unhörbaren langsam anheben, bis der Proband eine schwellenhafte Tonwahrnehmung anzeigt) die einzelnen Tonhörschwellen und zeichnen diese normgerecht in das zugehörige Tonhörschwellenaudiogrammformular ein. Berücksichtigen Sie dabei, dass gegebenenfalls ein Überhören bei einzelnen oder allen Prüffrequenzen auftreten kann und ergreifen Sie dementsprechend geeignete Gegenmaßnahmen. Prüfen Sie die Hörschwellen nach, bis sich reproduzierbare Werte abzeichnen. Der Frequenzbereich der Töne für die Ermittlung der Luftleitungshörschwellen umfasst 125 Hz bis 8 kHz, wobei im Detail die folgenden Frequenzen in der vorgegebenen Reihenfolgen angeboten werden sollten: 1 kHz, 2 kHz, 4 kHz, 8 kHz, 6 kHz, 3 kHz, 1,5 kHz, 1 kHz, 750 Hz, 500 Hz, 250 Hz, 125 Hz. Der Frequenzbereich der Töne für die Ermittlung der Knochenleitungshörschwellen umfasst 250 Hz bis 6 kHz, wobei im Detail die folgenden Frequenzen in der vorgegebenen Reihenfolgen angeboten werden sollten: 1 kHz, 2 kHz, 4 kHz, 6 kHz, 3 kHz, 1,5 kHz, 1 kHz, 750 Hz, 500 Hz, 250 Hz. 2 Trommelfellbeweglichkeit 2. Impedanzaudiometrie Stapediusreflexmessung 90 dB Hörer kontralateral ReiztonReiztongenerator Reiz Hörer ipsilateral Ansatz des Musculus stapedius 80 dB 70 dB Sondenton-Sondenton generator 60 dB Laut-Laut sprecher Trommelfellbeweglichkeit Zeit DruckDruckpumpe Tympanogramm zum kontralateralen Ohr ManoManometer Mikrofon MessMessgerä ger ät Druck Abb. 3: Prinzip der Impedanzmessung am Mittelohr. Aufgabe zur Impedanzaudiometrie: Erstellen Sie an einem Probanden oder einer Probandin für das rechte und linke Ohr ein Tympanogramm und bestimmen Sie die ipsi- und kontralateralen Stapediusreflexschwellen. Ermitteln Sie aus dem Tympanogramm getrennt für beide Ohren: 1. den Luftdruck im äußeren Gehörgang der zu einer maximalen Elastizität des Mittelohres führt 2. den Druck im Mittelohr E -E 3. die relative Elastizität des Mittelohres in Prozent ∆E% = max min * 100% E min 4. die Störung, die im Mittelohr vorliegen könnte Ermitteln Sie aus den ipsi- und kontralateralen Stapediusreflexschwellen in Verbindung mit dem Tonhörschwellenaudiogramm getrennt für beide Ohren: 1. das mögliche Vorliegen eines Recruitments (Metz-Recruitment) 2. die genauere Lokalisation der Hörstörung Zur Durchführung der Tympanometrie benutzen Sie das Tympanometriemodul des Audiometers AT900. Wählen Sie am Audiometer den automatischen Ablauf, bei dem im äußeren Gehörgang des Probanden / der Probandin eine Luftdruckänderung von -300 daPa bis +200 daPa relativ zum Umgebungsluftdruck linear durchfahren wird und gleichzeitig die Trommelfellbeweglichkeit als Maß für die Mittelohrelastizität grafisch aufgezeichnet wird. Zur Durchführung der Stapediusreflexschwellenaudiometrie benutzen Sie das Reflexschwellenmodul des Audiometers AT900. Wählen Sie am Audiometer den automatischen Ablauf, bei dem für einen Reizton der Schallpegel beginnend bei 75 dBHL jeweils in 5 dB Schritten soweit erhöht wird, bis sich daraus eine messbare spontane Erhöhung der Mittelohrimpedanz einstellt. Dieser Reizpegel stellt dann den Stapediusreflexschwellenpegel dar. Auf diese Art werden die Stapediusreflexschwellenpegel nacheinander für die Reiztonfrequenzen 500 Hz, 1 kHz, 2 kHz und 4 kHz bei ipsi- als auch kontralateraler Beschallung des Messohres bestimmt. 3 3. Sprachaudiometrie mit dem Freiburger Sprachtest Norm Zahlen 100 Einsilber Verst Verstä ändlichkeit in % a DV = 0 % DV = 40 % b 50 HV = 35 dB DV = 60 % c 0 0 20 40 60 80 100 120 Pegel in dB Abb. 4: Sprachaudiogramm mit einem Fallbeispielen für den Hörverlust für Sprache (HV) und drei Beispielen (a, b und c) für Diskriminationskurven mit unterschiedlichem Diskriminationsverlust (DV). Aufgabe zur Sprachaudiometrie: Führen Sie an einem Probanden oder einer Probandin für das „schlechter hörende“ Ohr den Freiburger Sprachtest durch und ermitteln Sie folgende Größen: 1. Sprachschallpegel, der zu einer Mehrsilberverständlichkeit von 50 % führt 2. Hörverlust für Sprache (HV) 3. Pegeldifferenz zwischen Hörverlust für Sprache und zugehörigem Luftleitungshörverlust bei 500 Hz aus dem Tonhörschwellenaudiogramm 4. Diskriminationsverlauf für Einsilber 5. Pegel optimaler Einsilberverständlichkeit (dBopt.) 6. Diskriminationsverlust (DV) 7. Unbehaglichkeitsschwelle (für Einsilber) (US) Zur Durchführung des Freiburger Sprachtests benutzen Sie das Sprachaudiometriemodul des Audiometers AT900. Zur Bestimmung der 50 % Mehrsilberverständlichkeit sollten Sie einen Anfangssprachpegel errechnen. Sie benötigen dazu den Luftleitungshörverlust bei 500 Hz aus dem Tonschwellenaudiogramm, addieren zu diesem Pegelwert 18 dB und runden die Summe auf das nächste ganzzahlige Vielfache von 5 auf. Bestimmen Sie nun für diesen Sprachschallpegel die Mehrsilberverständlichkeit in Prozent. Sollten Sie damit nicht auf Anhieb eine 50 % Verständlichkeit erhalten, so müssen Sie im Folgenden den Sprachschallpegel jeweils um 5 dB variieren, bis Sie eine Mehrsilberverständlichkeit jeweils im Bereich 20 % bis 50 % und 50 % bis 80 % erzielen. Der Sprachschallpegel der zur einer 50 % Mehrsilberverständlichkeit führt, können Sie nun mathematisch durch lineare Interpolation ermitteln. Zur Bestimmung des Einsilberdiskriminationsverlaufs beginnen Sie bitte bei einem Sprachschallpegel von 65 dBSPL und erhöhen im weiteren Verlauf den Sprachschallpegel in geeigneten Schritten von 5 dB-Vielfachen. Beachten Sie dabei, dass Sie in diesem Rahmen den Pegel optimaler Einsilberverständlichkeit (dBopt.), den Diskriminationsverlust (DV) und die Unbehaglichkeitsschwelle (US) exakt bestimmen wollen. 4 4. Hirnstammaudiometrie (BERA) 100 dB Filter Verstärker 80 60 40 20 0 0 5 10 15 ms Analog/Digital Konverter 11 0101 11101011 00110010101 1- oder 2-kanalige Ableitung mit 3 oder 4 Elektroden Reizgeber (Audiometer) Abb. 5: Blockschaltbild einer ERA-Anlage und eine Serie typischer Hirnstammpotentiale (BERA) bei normalem Gehör (links oben). Aufgabe zur Hirnstammaudiometrie: Führen Sie an einem Probanden oder einer Probandin für das „schlechter hörende“ Ohr die ipsilaterale Ableitung von Hirnstammpotentialen (FAEP= Frühe Akustisch Evozierte Potentiale) mittels der Klick-BERA durch und ermitteln Sie für verschiedene Reizpegel folgende Größen: 1. Amplitude der Wellen I, III, V 2. Absolutlatenz der Wellen I, III, V 3. Interpeaklatenz der Wellen I-III und I-V Bestimmen Sie anhand dieser Größen die Art der Schwerhörigkeit Zur Durchführung der Klick-BERA benutzen Sie das BERA-Modul des Audiometers Audera. Führen Sie mindestens 2 ipsilaterale Ableitungen für die Reizpegel 50 dBnh, 60 dBnh, 70 dbnh und bei Bedarf 80 dBnh durch. Die Ableitungen der einzelnen Reizpegel ermittelt das Audiometer Audera automatisch, als arithmetisches Mittel von ca. 2000 frequenz- und amplitudenartefaktbereinigten FAEPs, die als elektrische Antworten auf die akustische Klick-Reizungen entstehen. 5