Abhängigkeit des Arztes (Dr. Sprenger)

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Abhängigkeit
Abhängigkeit des
des Arztes
Arztes
und
und
Abhängigkeit
Abhängigkeit durch
durch den
den Arzt
Arzt
Rathaus Vaduz
Donnerstag, 8.10.2009
Dr. med. Bernd Sprenger
FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
FA für Allgemeinmedizin
Berlin
www.bernd-sprenger-berlin.de
Was kommt in den nächsten 45 Minuten ?
• Sucht – ein ubiquitäres Phänomen und ihr Bild in der Öffentlichkeit
• Abhängigkeit bei Ärzten und Führungskräften
• Was ist neurobiologisch relevant ?
• Iatrogene Abhängigkeit: ein unterschätztes Phänomen ?
• Schlussfolgerungen für die tägliche Praxis
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• Iatrogene Abhängigkeit: ein unterschätztes Phänomen ?
• Schlussfolgerungen für die tägliche Praxis
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Diagnostik I: schädlicher Gebrauch
Definition des schädlichen Gebrauchs
von Suchtmitteln nach ICD 10
(international classification of diseases, WHO):
"Konsum psychotroper Substanzen, der zu
Gesundheitsschädigungen führt.
Diese können als körperliche Störung auftreten, etwa
in Form einer Hepatitis nach Selbstinjektion der Substanz,
oder als psychische Störung, z.B. als depressive Episode
nach massivem Alkoholkonsum.“
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Diagnostik II: Abhängigkeit
Definition Abhängigkeit nach ICD 10 – es sind 3
oder mehr der folgenden Kriterien gefordert:
- starkes Verlangen oder Zwang, die Substanz zu konsumieren
- verminderte Kontrolle (Kontrollverlust) über Beginn,
Menge, Ende des Gebrauchs
- körperliches Entzugssyndrom
- Toleranzentwicklung gegenüber den Substanzeffekten
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Diagnostik II: Abhängigkeit
Definition Abhängigkeit nach ICD 10 – es sind 3
oder mehr der folgenden Kriterien gefordert:
- Einengung auf den Substanzgebrauch: Aufgabe oder
Vernachlässigung anderer wichtiger Vergnügen oder
Interessensbereiche wegen des Substanzgebrauchs, viel
Zeit wird auf Gebrauch oder Beschaffung oder
Erholung vom Gebrauch verwendet
- anhaltender Substanzgebrauch trotz
eindeutig schädlicher Folgen
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Epidemiologischer Suchtsurvey 2006 / Basis Alter: 18-64-Jährige /
Basis Bevölkerung: 52.010.517 Personen
(Stand: 31.12.2005, Statistisches Bundesamt)
Riskanter Alkoholkonsum
12-Monats-Prävalenz
Gesamt Männer Frauen N
%
%
%
>12/24g Reinalkohol pro Tag 18,3
20,9
15,6
9.500.000
>20/30g Reinalkohol pro Tag 11,4
15,0
7,5
5.900.000
davon:
Alkoholbezogene Störungen
N(95%-Konfidenz
intervall)
12-Monats-Prävalenz
Gesamt Männer Frauen N
%
%
%
DSM-IV Missbrauch
3,8
6,4
1,2
2.000.000 (1.750.000-2.250.000)
DSM-IV Abhängigkeit
2,4
3,4
1,4
1.300.000 (1.100.000-1.500.000
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Epidemiologischer Suchtsurvey 2006 / Basis Alter: 18-64-Jährige /
Basis Bevölkerung: 52.010.517 Personen
(Stand: 31.12.2005, Statistisches Bundesamt)
Raucher
Männer
%
Frauen
%
N
N (95%-Konfidenzintervall)
30-Tage-Prävalenz
Gesamt
%
Raucher
31,9
35,8
27,8
16.600.000
(16.000.000-17.200.000)
Tabakabhängige
%
Männer
Frauen
N
N (95%-Konfidenzintervall)
7,3
8,3
6,2
3.800.000
(3.500.000-4.200.000)
12-Monats-Prävalenz
DSM-IV Abhängigkeit
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Gesellschaftliche Bewertung von div. Krankheiten und Sucht
"Der Herzinfarkt ist das Ritterkreuz der
Leistungsgesellschaft"
Die Diskriminierung psychischer
Krankheiten hat sich wenig
verändert
Suchtkranke sind Charakterschwächlinge
und gehören verachtet
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Nochmals: Sucht
und Gesellschaft
Das Bild der Sucht im öffentlichen
Bewusstsein: Menschen, die aus der
Gesellschaft herausgefallen sind
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Wichtig für Epidemiologie und Gesundheitsfürsorge:
Die legalen Drogen stellen
das mit Abstand grösste Problem dar !!
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Öffentliches Bild vom Arzt und anderen akademischen Berufen:
Funktionseliten:
Immer vorwärts,
immer stark !
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Grundproblem von Fach –und Führungskräften:
Je höher jemand in einer beruflichen oder
gesellschaftlichen Hierarchie angesiedelt ist,
desto später erhält der – oder diejenige eine
effektive Therapie, wenn eine Suchterkrankung
vorliegt.
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Substanzabhängigkeit bei Ärzten
- Ältere Internationale Studien -
- 8-9% Lebenszeitprävalenz
- Mediziner konsumieren weniger Zigaretten und illegale
Drogen als die Allgemeinbevölkerung, aber mehr
Alkohol, Opiate und Benzodiazepine
Hughes MD, Brandenburg N, Baldwin DC, Storr CL, Williams KM et al.Prevalence of
substance use among physicians. JAMA 1992; 6(267):2333-2339.
Brooke D (1997) Impairment in the medical and legal professions. J Psychosom Res
43: 27-34.
Blondell RD. Impaired physicians. Primary Care 1993; 20(1):209-219.
Bohigian GM, Croughan JL, Sanders K. Substance abuse and dependence in
physicians: an overview of the effects of alcohol and drug abuse. Missouri Medicine
1994; 91(5): 233-239.
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Befragung
"Alkohol und Medikamente
in Kliniken der Bundesrepublik Deutschland"
Rummel & Bellabarba (1998) verschickten Fragebögen an Klinikmitarbeiter
mit Personalverantwortung (Ärzte, Pflege, Verwaltung).
- 32% waren als Vorgesetzte mit Suchtproblemen
ihrer Mitarbeiter konfrontiert
- 42% hatten Suchtprobleme bei Kollegen erlebt
- 11% hatten Suchtprobleme bei Vorgesetzten erlebt
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Konsumierte Suchtmittel
Berufsgruppe Ärzte
(n=81 mit Abhängigkeit von 139 insgesamt Behandelten, Obb. Kiniken D 2004)
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Konsumierte Suchtmittel
Berufsgruppe Manager, Unternehmer
(n=170 mit Abhängigkeit von 268 insgesamt Behandelten, Obb. Kliniken 2004
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Konsumierte Suchtmittel 2004
Berufsgruppe Lehrer, Dozenten
(n=84 mit Abhängikeit von 173 insgesamt Behandelten, Obb. Kliniken D 2004)
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Erscheinungsformen von Abhängigkeitserkrankungen
Nichtstoffgebundene
Formen von Sucht
Stoffgebundene
Suchtformen
- Alkohol
- Tabak
- Medikamente
- Spielsucht
- süchtiges
Eßverhalten
(Bulimie,
Anorexie)
- Arbeitssucht
--
süchtiges
Sexualverhalten
-...grundsätzl. jedes
- illegale Drogen
Verhalten denkbar
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Neurobiologische Belohnungsmechanismen
Quelle: Vortrag
Falk Kiefer
DGPPN Kongress
2006 in Berlin
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Neurobiologie der Abhängigkeit
Verminderte Empfindlichkeit gegenüber den
negativen Wirkungen des Alkohols
GABAerg-serotonerge Dysfunktion?
(Heinz et al., 1998; Schuckit et al., 1999)
erhöhte angenehme Wirkungen des Alkoholkonsums durch
Vermehrung der Opiatrezeptoren (Cowen & Lawrence, 1999)
Genetische Faktoren
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Wie spielen genetische und psychologische
Faktoren zusammen?
Quelle: Vortrag
Falk Kiefer
DGPPN Kongress
2006 in Berlin
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Dispositions-Expositionsmodell zur
Suchtentstehung
Disposition
(Biologische
Faktoren,
Biographie)
hohe Disposition
niedrige Exposition
(Mann 1995)
niedrige Disposition
hohe Exposition
Exposition
(Konsum)
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Dispositions-Expositionsmodell zur
Suchtentstehung: Vergleich Alkohol - Heroin
Disposition
(Mann 1995)
(Biologische
Faktoren,
Biographie)
Alkohol
Heroin
Exposition
(Konsum)
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Das magische Dreieck der Medikamentenverordnung
Patient
Erwartungen:
z. B. "Arzt muss immer
etwas verschreiben"
Grundhaltung:
z. B. "Knopfdruck"Medizin
Arzt
Information:
Wirkung, NW,
Suchtpotenzial
Medikament
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Spezialfall Schmerztherapie
- Cave Unterdosierung bei Opiaten !
- Kopfschmerzmedikation:Schmerzgenese
durch Schmerzmittel bei Dauereinnahme
Bild: www.oliver-heller.biz/images/pain.jpg
- möglichst interdisziplinäre Betreuung
chronisch Schmerzkranker durch
Schmerzambulanzen!
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Iatrogene Suchtentsehung: typische Probleme
- verschiedene Behandler haben verschiedene Informationen:
z.B. verschreibt ein Facharzt direkt nach langwieriger
Entgiftung und Entwöhnung erneut Benzodiazepine, weil diese
aus Sicht seines Fachgebietes indiziert sind
- die Frage der Diagnose "Sucht" wird entweder moralisierend
oder ideologisch zwischen verschiedenen Behandlern gehandhabt ("also hören Sie mal, mein Patient ist doch nicht 'so einer' ")
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Iatrogene Suchtentsehung: typische Probleme
- mangelndes Fachwissen bzw. Unterschätzung der Bedeutung des
Problems im Medizinsystem
- verschiedene Behandler gehen mit dem
Thema "Sucht" unterschiedlich um –
z.B. diagnostiziert der Hausarzt eine Abhängigkeit,
die Klinik "übersieht" die Diagnose ("wir sind halt keine Suchtklinik")
oder umgekehrt
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Häufiges interpersonelles Geschehen im
Arzt – Patienten Gespräch bei Suchtproblemen
"shifting bad feelings" auf der unbewussten
Kommunikationsebene, wenn es um Sucht geht:
die Schamgefühle auf Seiten des Patienten werden zu
einem diffusen Peinlichkeitsgefühl auf Seiten des Arztes
Daher ist es bei Gesprächen über Abhängigkeitsprobleme von
entscheidender Wichtigkeit, die "Peinlichkeit" für den Patienten
wahrzunehmen und bewusst zu handhaben
ANSPRECHEN statt drüber-weggehen
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Grundregeln der Gesprächsführung bei
(eingetretenen oder zu befürchtenden) Abhängigkeitsproblemen
I
seien Sie taktvoll, aber klar
II bekämpfen Sie die Krankheit, nicht den Patienten
III lassen Sie sich nicht von Scham - oder Schuldgefühlen
nicht vom Thema ablenken, sprechen Sie diese Gefühle an
IV Geben Sie frühzeitig viel Information !
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Informationsvermittlung -
- über die Möglichkeiten und Grenzen von Arzneimitteln: die "Glückspille"
gibt es nicht. Aufklärung über das Suchtpotenzial von Medikamenten
- über die Tatsache, dass es sich bei der Abhängigkeit
um eine Krankheit handelt und nicht um ein Willensproblem
oder um einen "schlechten Charakter"
- diese Krankheit weist einen schleichenden und
einen chronischen Verlauf auf, unbehandelt ist sie
in einem erheblichen Prozentsatz der Fälle tödlich
- sie betrifft die körperliche, die seelische, und
die soziale Dimension der Existenz
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Informationsvermittlung -
- über die Diagnostik (somatisch und psychologisch) zum Vorliegen
einer Suchterkrankung
- Suchterkrankungen sind chronische Krankheiten,
man kann sie aber erfolgreich zum Stillstand bringen
- bei Nichtbehandlung und Ignorieren des Problems ist
mit Verschlimmerung zu rechnen – Deshalb: DIAGNOSTIK !
- über konkrete Hilfsmöglichkeiten (Entgiftungsbehandlung,
Entwöhnungsbehandlung, Selbsthilfegruppen)
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Diagnostik für die Praxis
- am Wichtigsten: exakte Anamnese
- genaue Konsummengen (Stoffgruppen einzeln abfragen!)
- Konsumfrequenz
- auf Interaktionsmuster achten ("eiert" der Patient bei
seinen Angaben?)
- auf Gegenübertragung achten: wird mir das anamnestische Fragen
peinlich?
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Fragebogentests
Vorteil: kurz, leicht anzuwenden, reliabel, valide
Alkohol:
MALT -S(elbstbeurteilung) 24 Fragen
- F(remdbeurteilung) 7 Fragen
Medikamente:
Kurzfragebogen zum
Med.gebrauch 13 Fragen
Tabak:
Fagerström –Test 6 Fragen
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Münchner Alkoholismus Test - Selbst
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Münchner Alkoholismus Test - Fremd
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Kurzfragebogen zum Medikamentengebrauch
Auswertung:
Ab 3 Punkten
Hinweis auf Missbrauch
oder Abhängigkeit
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Rauchen:
Fagerström - Test
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Typische Irrtümer bezogen auf Sucht
und Suchtkranke
• Suchtkranke erkennt man schon von weitem: sie sitzen
verlottert und haltlos am Stadtbrunnen und pöbeln herum
• Sucht ist eine Charakterschwäche; wer sich zusammenreissen
will, der kann das auch
• wenn man Suchtkranke auf Ihre Krankheit anspricht,
wird alles nur noch schlimmer
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Typische Irrtümer bezogen auf Sucht
und Suchtkranke
• Suchtkranke sind hoffnungslose Fälle
• wenn einer erstmal rückfällig ist, schafft er es nie
• wenn man einem Suchtkranken gut zuredet, hört er von
alleine auf
• wenn einer seine Sucht nicht aufgibt, haben die Helfer
versagt
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Merksätze zum Mitnehmen
• Abhängigkeit kann jeden treffen !
• Keine Tabuisierungen in der ärztlichen Sprechstunde !
• Schon das einmalige Ansprechen einer drohenden Suchtgefahr oder
bereits vorliegenden Sucht durch den Arzt verringert die Gefahr erheblich !
• Bei Verschreibung von Medikamenten mit Suchtpotenzial: immer nachfragen,
wie das Einnahmeverhalten genau aussieht !
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e - mail an:
[email protected]
der Vortrag kommt zurück als pdF - Datei
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