Vergessene Prüfungen bei ortsfesten Elektroanlagen

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FÜR DIE PRAXIS
Messen und Prüfen
Vergessene Prüfungen bei
ortsfesten Elektroanlagen
PE
L
Zs
F. Schmidt, Magdeburg
Prüfungen von fabrikfertigen Schaltanlagen erfolgen nach einem genau festgelegten
Programm der jeweiligen Erzeugnisnorm. Bei unter Baustellenbedingungen errichteten
Elektroanlagen handelt es sich jedoch stets um Unikate mit eigenen Besonderheiten
und örtlichen Unterschieden, wodurch Prüfungen „von der Stange“ nicht möglich sind.
Vielmehr werden hier Erfahrung, Übersicht sowie solides Fachwissen verlangt – und
selbst damit kann einiges schnell übersehen oder vergessen werden, was dann später
zu unerfreulichen Ärgernissen führt. Dieser Beitrag soll an einige Prüfungen erinnern,
die einfach mit zu der korrekten Beurteilung einer ortsfesten Elektroanlage gehören,
auch wenn sie lästig erscheinen.
der Stromkreise
2 Prüfen
mit RCDs
Es gibt momentan folgende vier Typen von
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs):
•
Der Typ AC (wechselstromsensitiv) ist
nur für Fehlerwechselströme geeignet und
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Ing. Friedemann Schmidt, Magdeburg, war als Sachverständiger beim TÜV Nord
tätig.
116
N
L
Zi
Messung des Innenwiderstandes
für die Beurteilung des Schutzes bei
Überstrom
b
ob
e
Le
se
Aus der guten Absicht, die Formalitäten einer
Prüfung zu vereinfachen und möglichst nichts
zu vergessen, ist eine nur schwer übersehbare
Flut von Protokollvordrucken entstanden.
Jedoch birgt dieser Formalismus auch die
Gefahr, beispielsweise für die Prüfung einer
Ex-Anlage den gleichen Vordruck zu verwenden
wie für eine Wohnungsinstallation und damit
natürlich vollkommen daneben zu liegen.
Damit an dieser Stelle nicht der Vorschlag für
ein weiteres neues Formular entsteht, soll es
bei den nachstehenden Hinweisen bleiben:
Unabhängig von der Anlagenart kann ein
einheitliches Deckblatt hilfreich sein. Dieses
sollte die wichtigsten Angaben zur Anlage
enthalten (Anlagenart, Errichter, Betreiber,
Anlagenbezeichnung und Standort, Baujahr,
Prüfdatum, Angaben zu dem Netz, der Schutzmaßnahmen und der Anlagendokumentation).
Checklisten für das Besichtigen, Erproben und
Messen wie z. B. nach [1] beflügeln zwar das
fachliche Erinnerungsvermögen, können aber
die Erfahrungen eines Profis nicht ersetzen.
Was geprüft werden muss, ist stets von der
Anlagenart abhängig.
In [2] hält der Anhang C einen Leitfaden vor,
der den Prüfumfang mit leider relativ missverständlichen Bemerkungen gehörig abspeckt.
Dieser Anhang ist nur informativ und genau
deshalb kein Freifahrtschein dafür, wichtige
Prüfungen nicht durchzuführen.
nach VDE 0100-530 [3] für Fehler- und
Brandschutz nicht erlaubt.
•
Der Typ A (wechsel- und pulsstromsensitiv) ist momentan die vorrangig eingesetzte Fehlerstrom-Schutzeinrichtung.
•
Der Typ B bzw. B+ (allstromsensitiv bis 1 kHz bzw. 20 kHz) ist
notwendig, wenn mit Gleichfehlerströmen
zu rechnen ist.
•
Typ F ist geeignet für von 50 Hz
abweichende Frequenzen, nicht aber für
DC-Fehlerströme.
Um Vorbelastungen durch Fehler- oder Ableitströme auszuschließen, wird in [10] verlangt,
dass Lasten auf der Ausgangsseite der RCDs
während der Prüfung abgeschaltet werden.
In den Menüs der Prüfgeräte lassen sich
verschiedene Stromkurven des Fehlerstroms
einstellen (z. B. sollte der Typ A nicht nur mit
ansteigendem Wechselstrom, sondern auch
mit pulsierendem Gleichstrom geprüft werden).
Fazit: In den Prüfprotokollen sollte also mit
angegeben werden, mit welcher FehlerstromStromkurve gemessen wurde.
pr
1 Protokollvordrucke
Messung der Schleifenimpedanz
für die Beurteilung des Schutzes
gegen elektrischen Schlag
a
und Bewertung
3 Messung
des Innenwiderstands
Die Bilder a und b sollen den Unterschied
zwischen dem Messen der Schleifenimpedanz
und des Innenwiderstands verdeutlichen. Ein
Vergleich der beiden Messwerte ZS und Zi ermöglicht nebenbei auch eine Einschätzung
des Schutzpotentialausgleichs – ZS ist in der
Regel kleiner, weil der Rückstrom nicht nur
über den Schutzleiter, sonder auch über das
Potentialausgleichsystem fließt.
Geeignete Prüfgeräte haben eine Einstellung
ZS für die Schleifenimpedanz zwischen L und
PE und eine Einstellung zum Messen des
Innenwiderstands Zi zwischen L und N (auf
den Geräten mitunter auch mit Ri bezeichnet).
Von den Elektrofachkräften wird die Messung
der Schleifenimpedanz ZS zur Beurteilung der
Schutzmaßnahme gegen elektrischen Schlag
(Einhaltung der zulässigen Abschaltzeiten nach
[4]) durchweg korrekt ausgeführt und bewertet.
Beim Innenwiderstand Zi hapert es allerdings.
Dabei muss hierfür bei Verwendung eines
Prüfadapters für Steckdosen nicht einmal
umgesteckt, sondern nur auf die Stellung „Zi“
geschaltet werden. Dieser Innenwiderstand
ist für die Beurteilung des Schutzes bei Überstrom entscheidend, den beispielsweise eine
EP
968 Formeln
Fehlerstrom-Schutzeinrichtung
(RCD) ja nicht
erkennt, sondern der von der vorgeordneten
Überstrom-Schutzeinrichtung (z. B. SchmelzFormel
1:
sicherung) innerhalb der nach DIN VDE 0100430, Abschnitt 434.5.2 [5] verlangten Zeit
" A%
t = $k! '
# I&
2
abgeschaltet werden muss.
Das Bild c stellt für PVC-isolierte Kupferleiter
bis 10 mm2 den Zusammenhang zwischen der
Formel
zulässigen2:
Stromflussdauer und dem (Kurzschluss-) Strom dar.
2
!f $
Beispiel
p = Netz
#f &
Ein Stromkreis
mit NYM 6 mm2 ist mit einer
" res %
trägen Schmelzsicherung 63 A abgesichert.
Der Innenwiderstand zwischen L und N beträgt
0,77 Ω. Damit wird bei 230 V der Abschaltstrom 300 A. Aus der Sicherungskennlinie in
Bild d entnimmt man für diesen Strom eine
Abschaltzeit von 10 s. Nach Bild c ist jedoch
die zulässige Zeit nur 5 s.
In den Protokollvordrucken des ZVEH [1] sind
die Spalten für die Messwerte schon vorgegeben, allerdings selten ausgefüllt und noch
seltener bewertet.
Fazit: Prüfer sollten in der Dokumentation
angegeben, ob der Überstromschutz gewährleistet ist oder nicht.
4
Messen der
Schutzleiterströme
Aus Gründen der elektromagnetischen Verträglichkeit und Verfügbarkeit der Anlagen müssen
die Ströme auf Schutzleitern „im Zaum“ gehalten werden. Entsprechende Grenzwerte
sind z. B. in DIN VDE 0100-510 [6] enthalten
(siehe Tafeln a und b).
Elektropraktiker, Berlin 68 (2014) 2
FÜR DIE PRAXIS
Messen und Prüfen
2
1,5 mm
5,00
s
2,5 mm
2
4 mm
2
6 mm
2
Höchstzulässige
Abschaltzeiten
durch den Überstromschutz
c
2
10 mm
3,00
2,00
1,50
1,00
0,80
t
0,60
0,50
0,40
A
t = k · ––
I
2
Cu, PVC-isoliert
0,30
0,20
A· s
k = 115 –––––
2
mm
0,15
0,00
70 80 100
150
200
300
400 500 600
A 1 000
ob
e
I
4
10
s
2
3
10
5
2
2
10
5
2
1
2
0
10
5
2
pr
t 10
5
6
16 25 40 63 100 160 250 400 530 1000
2
–1
5
2
10
–2
5
2
1
5 10
se
10
Zeit-Stromkennlinien von NH-Sicherungseinsätzen der
Betriebsklasse gL ▼
d
Der Nachweis ist wenig aufwändig, indem die
Schutzleiterströme in den PE-Leitern der Abgänge einer Verteilung bei Betreib gemessen
werden. Vorteilhaft mit Geräten (Strommesszange, Differenzstrommessgerät), die den
Echt-Effektivwert „TRMS“ anzeigen, denn die
Ströme sind selten sinusförmig.
Beachte: Wird in Schutzleitern ein Strom von
10 mA überschritten, verlangt DIN VDE 0100540 [7] im Abschnitt 543.7 für fest angeschlossene Verbrauchsmittel einen Schutzleiterquerschnitt von mindestens 10 mm2 Cu
oder einen zweiten parallelen Schutzleiter.
Ob dadurch dann die Ableitströme elektromagnetisch verträglicher oder von den RCDs
ignoriert werden, ist zu bezweifeln, auch wenn
deren Ansprechschwelle mit zunehmender
Frequenz (Oberschwingungen) steigt.
Besser hätte VDE 0160 [11] den Herstellern
elektronischer Betriebsmittel mit auf den Weg
geben sollen, dass die Ableitströme von Störschutzbeschaltungen nicht missbräuchlich in
die Schutzleiter abgeführt werden dürfen. Die
technischen Möglichkeiten sind zwar schon
lange vorhanden (Vier-Leiter-Filter, Sinusfilter,
Ausgangsdrosseln usw.), natürlich aber nicht
umsonst zu haben.
Es bleibt noch abzuwarten, ob die Propheten
unserer Branche vielleicht Recht damit behalten, dass im künftigen Drehstromsystem
der sechste Leiter unausweichlich bleibt –
nämlich L1, L2, L3, N, PE und ein Funktionspotentialausgleichsleiter FPA für die Ableitströme von Filtern, welcher mit durch den
Summenstromwandler der RCDs geführt und
erst an der Haupterdungsschiene in das gemeinsame Potentialausgleichssystem CBN
(Common Bonding Network) einbezogen wird.
Ausführlich ist das Thema bereits in [14] beschrieben worden.
Fazit: Vom Prüfer sollten die gemessenen
Schutzleiterströme protokolliert werden.
2
5
10
2
2
5
10
3
2
5
4
10
2
A
5
10
IP
Tafel b Werte für dauerhaft angeschlossene und für ortsfeste Verbrauchsmittel, beide ohne spezielle
Maßnahmen für den Schutzleiter oder
steckbare Verbrauchsmittel, geeignet
für den Anschluss mittels ein- oder
mehrpoliger Steckvorrichtungen mit
Bemessungsstrom größer als 32 A
Le
Tafel a Werte für steckbare Verbrauchsmittel, geeignet für den Anschluss
mittels ein- oder mehrpoliger Steckvorrichtungen mit einem Bemessungsstrom
bis einschließlich 32 A
Bemessungsstrom
der Betriebsmittel
≤4 A
> 4 A, aber ≤ 10 A
> 10 A
maximaler
Schutzleiterstrom
2 mA
0,5 mA/A
5 mA
Dass Ströme > 10 mA in Schutzleitern nicht
toleriert werden, ist erklärbar, denn wenige
mA mehr führen bereits zur Auslösung von
RCDs mit maximalem Bemesseungsdifferenzstrom von 30 mA. Deswegen wird in den
Normen auch verlangt, dass die Summe der
Ableitströme hinter einer RCD einen Wert von
0,4 I∆n nicht überschreiten darf, in diesem Fall
also ≤ 12 mA bleiben muss.
Erfahrungsgemäß liefert die konventionelle
Installation einer Haustechnik mit Schaltern,
Elektropraktiker, Berlin 68 (2014) 2
Bemessungsstrom
der Betriebsmittel
≤7 A
> 7 A, aber ≤ 20 A
> 20 A
maximaler
Schutzleiterstrom
3,5 mA
0,5 mA/A
10 mA
Leuchten und Steckdosen in einem TN-SSystem keine Schutzleiterströme über 10 mA.
Sobald aber der Betreiber in eine Neuanlage
einzieht und insbesondere elektronische Geräte in Betrieb nimmt, ändert sich die Lage
dramatisch. Ströme von einigen 100 mA bis
zu einigen Ampere sind dann keine Seltenheit.
Das ist also ein Fall, bei dem die Messung der
Schutzleiterströme auf gar keinen Fall unterbleiben darf – insbesondere im Rahmen einer
Wiederholungsprüfung.
5
Messung der Durchgangswiderstände
Die Prüfung der Durchgängigkeit von Schutzleitern, Schutzpotentialausgleichsleitern über
die Haupterdungsschiene und Leitern des
zusätzlichen Schutzpotentialausgleichs sowie
der aktiven Leiter ringförmiger Endstromkreise
wird nach [2] bei der Erstprüfung verlangt. Bei
den Schutzleitern ist die Durchgängigkeit eine
Voraussetzung für gefahrloses Messen von
Schleifenimpedanzen.
Bedauerlich ist jedoch, dass eine solche
Forderung für Wiederholungsprüfungen in [8]
explizit nicht besteht. Ebenso bedauerlich ist
es, dass in Protokollformularen (z. B. in [1])
ein Wert von ≤ 1 Ω für den Potentialausgleich
bereits vorgedruckt und nur noch anzukreuzen
ist. Das Ankreuzen ist auch ohne Prüfung
schnell gemacht. So richtig erklärbar sind die
1 Ω übrigens auch nicht – vor allem dann nicht,
wenn man sich die Anmerkung unter Abschnitt
61.3.2 auf der Zunge zergehen lässt:
117
FÜR DIE PRAXIS
Messen und Prüfen
Messung der
Durchgangswiderstände im
PA-System mit
einem Schleifenimpedanzmessgerät
e
N
L
Zs/Ω
PE
+
–
2 kΩ
Messung des
Ansprechwertes
der Isolationsüberwachungseinrichtung
Grund dafür, dass Prüfungen nur von Elektrofachkräften durchgeführt werden dürfen.
Schutzleiterprüfgeräte „verweigern“ diese
Messung deswegen sicherheitshalber, wenn
die Durchgangswiderstände über 200 Ω liegen
und halten eine gefährliche Spannung von der
Mess-Spitze zurück.
Fazit: In das Prüfprotokoll gehört die Angabe,
in welchem Bereich die Durchgangswiderstände liegen.
g
Zur Prüfung in IT-Systemen, z. B. in Sicherheitsbeleuchtungsanlagen oder in medizinisch
genutzten Bereichen der Gruppe 2 nach VDE
0100-710 [16], gehört das Feststellen des
Ansprechwertes der Isolationsüberwachungseinrichtung. Hierzu eignet sich eine Schaltung
nach Bild g.
Bei Wiederholungsprüfungen ist der Vergleich
mit dem Messwert aus der Erstprüfung ein
möglicher Indikator für Veränderungen im
Isolationsvermögen oder Umfang der Anlage
und sollte deshalb im Prüfprotokoll stehen.
Bei Erstprüfungen in IT-Netzen ist auch der
Isolationswiderstand der Anlage zu messen.
Dies ist bei Wiederholungsprüfungen dann
nicht erforderlich, wenn eine Isolationsüberwachungseinrichtung vorhanden ist.
Fazit: In das Protokoll gehören der ErdschlussStrom sowie der Ansprechwert der Isolationsüberwachungseinrichtung sowie bei der Erstprüfung zusätzlich der gemessene Isolationswiderstand.
ob
e
100 kΩ
Messungen
6 Spezielle
in IT-Systemen
N1
L1
L2
L3
L3
L2
N1
L1
L2
L3
N2
L3
L2
L1
L1
N2
b)
L3
N1
L1
Beispiele für die richtige Anordnung
paralleler Einleiterkabel [12]
h
L3
L2
L2
L1
N2
a) besondere Anordnung von 6 parallelen
einadrigen Kabeln in einer Ebene
b) besondere Anordnung von 6 parallelen
einadrigen Kabeln übereinander
c) besondere Anordnung von 6 parallelen
einadrigen Kabeln im Dreieck
Le
c)
se
a)
pr
◀ f Messgerät zur Messung der
Impedanzdifferenz zwischen zwei
Messpunkten (ACHTUNG! An der
Prüfspitze kann u. U. eine berührungsgefährliche Spannung anliegen!)
„Ein höchst zulässiger Wert ist nicht vorgegeben.
Der gemessene Wert sollte nicht höher sein als
jener Wert, der entsprechend den Leitungsdaten
… und den üblichen Übergangswiderständen
zu erwarten ist.“
Einen Wert von 1 Ω erreicht ein Kupferleiter
mit 4 mm2 Querschnitt bei etwa 230 m Länge.
Somit stellt sich die Frage, wo derartige
Längen im Potentialausgleich „üblich“ sind.
Zu erwarten sind im Potentialausgleich Durchgangswiderstände von einigen 10 mΩ, aber
nicht viel mehr. Liegen die Werte in der Nähe
von 1 Ω, muss die Ursache gesucht werden.
Messmethode. Da es sich hierbei also um
kleine Widerstände handelt, ist die StromSpannungs-Methode vorgeschrieben. Dies ist
VDE 0413-4 [9] zu entnehmen. Diese Norm
schreibt aus Sicherheitsgründen sowohl die
Mess-Spannung (4 V … 24 V AC oder DC) als
auch den Mess-Strom (≥ 0,2 A) vor.
Mitunter wird diese Messung aber auch mit
118
Schleifenimpedanzmessgeräten und Strömen
von einigen Ampere bis 1 000 A durchgeführt
(Bild e).
Die Impedanzdifferenz zwischen zwei Messpunkten ist der verlangte Durchgangswiderstand zwischen eben diesen. Die Widerstände
der Messleitungen gehen also nicht in das
Messergebnis ein.
Aber Achtung: So attraktiv diese Methode
hinsichtlich ihrer Durchführung und der Zuverlässigkeit ihrer Messergebnisse ist, darf nicht
übersehen werden, dass sie entgegen der
Vorgaben in [9] mit Spannungen > 24 V vorgenommen wird. Somit kann an der Prüfspitze,
mit der die Messpunkte angetastet werden,
unter Umständen eine berührungsgefährliche
Spannung anliegen, die nicht sicher vom Netz
getrennt ist (Bild f).
Wer so prüft, muss genau wissen, dass er mit
solchen Spannungen hantiert, die unter Umständen andere gefährden können. Auch ein
7 Stromsymmetrie
in Einleiterkabelsystemen
Vielfach wird die unhandliche Verlegung mehradriger Kabel mit großen Querschnitten durch
die Verwendung von parallel geschalteten
Einleiterkabeln kleinerer Abmessungen erträglicher. Hiervon wird in der Praxis seit vielen
Jahren zunehmend Gebrauch gemacht.
Das Problem dabei ist die Stromaufteilung auf
die parallel geschalteten Einzelleiter, die bei
ungünstiger Verlegung durch unterschiedliche
Induktivitäten enorme Differenzen aufweisen
kann – hierbei sind 400 % keine Seltenheit.
Dann sind Summensicherungen nicht mehr
erlaubt und jedes Einleiterkabel muss unter
Umständen sogar einen eigenen Überstromschutz haben (siehe [5], Abschnitt 433.4.1).
Nur solange die Unterschiede nicht größer als
10 % sind, darf von einer praktisch gleichmäßigen Aufteilung des Stroms ausgegangen
werden (siehe [5] Anhang A).
Dies wurde z. B. in der DDR bereits vor 30
Jahren erkannt, in Hochstromprüffeldern quantitativ untersucht und in Regeln gefasst [17].
Inzwischen hat VDE 0298-4 [12] nachgezogen
und bietet im Anhang D endlich mögliche
Verlegevarianten für Einleiterkabelsysteme an,
Elektropraktiker, Berlin 68 (2014) 2
FÜR DIE PRAXIS
Quellen: S. Knigge, TÜV Nord
Messen und Prüfen
EP 968 Formeln
Formel 1:
" A%
t = $k! '
# I&
2
i Foto und thermisches Abbild einer ungeeigneten Verlegung von drei parallelen Einleiterkabeln pro Phase
(Leiterfolge v.l.n.r.: 3 x L1; 3 x L2; 3 x L3; 2Formel
x PEN) 2:
2
[6]
Literatur
[15]
pr
bei fres 189 Hz der Fall, also in Nähe der 3.
Harmonischen (150 Hz) und der 5. (250 Hz),
die dann in mehr oder weniger großen Teilen
„abgesaugt“ werden.
Zweckmäßig gehören Saugkreise möglichst
dicht an die Quelle der Oberschwingungen –
und die Zentralkompensationsanlage eines
Betriebs ist das eben meistens nicht. Um
richtig zu verdrosseln, muss dazu außerdem
das Oberschwingungsspektrum bekannt sein.
Wenn keine Herstellerangaben vorliegen, ist
eine Netzanalyse über einen repräsentativen
Zeitraum (etwa 1 Woche) erforderlich, bevor
der Verdrosselungsgrad festgelegt werden
kann.
Den Prüfern stehen heutzutage relativ preiswerte Messgeräte zur Verfügung, die Oberschwingungen in der Spannung anzeigen. Sie
müssen sie eben nur benutzen. Oft sind aber
auch in Niederspannungsverteilungen Multimessgeräte eingebaut, an denen sich der
Pegel der Oberschwingungen bis zu der 13.
Harmonischen und darüber ablesen lassen.
Auch wenn das nur eine Momentaufnahme ist
und keine Netzanalyse, aus der sich konkrete
Abwehrmaßnahmen ableiten lassen, sind ihre
Angaben im Protokoll der Erst- und Wiederholungsprüfung für den Auftraggeber aber ein
wertvoller Fingerzeig.
Fazit: In das Prüfprotokoll, zumindest von
Anlagen mit bedeutenden Anteilen von elektronischen und Komponenten der Informationstechnik, gehören die festgestellten Pegel
der Spannungsoberschwingungen.
Le
8 Netzanalyse
Verdrosselungsgrad
Zu Oberschwingungen hat der gemeine Starkstromelektriker erfahrungsgemäß ein krankhaft gestörtes Verhältnis. Er sollte sich deshalb die einschlägige Beitragsreihe, die hierzu
im Elektropraktiker veröffentlicht wurde, nochmals mit aller Hingabe zu Gemüte führen [15].
Wenn in Kondensatorenfeldern der Blindstromkompensation saunaartige Temperaturen
herrschen, die Kondensatoren „dicke Backen
machen“ bis hin zum Zerbersten und ihre
Absicherungen immer wieder ansprechen, sind
oftmals Oberschwingungen die Ursache und
nicht ihre vermeintlich „miese Qualität“.
Die Frequenz steht in der Blindwiderstandsgleichung eines Kondensators nun mal im
Nenner. Anhand einer in Reihe geschalteten
Induktivität werden Kondensatoren oftmals
so „verdrosselt“, dass die Resonanzfrequenz
(fres) derartiger Saugkreise zumindest in der
Nähe der zu erwartenden Oberschwingungsfrequenzen liegt. Bei einem Verdrosselungsgrad von p = 7 % ist das wegen der Gleichung
Elektropraktiker, Berlin 68 (2014) 2
[5]
[1]
[2]
[3]
[4]
DIN VDE 0100-430 (VDE 0100-430):2010-10
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
4-43: Schutzmaßnahmen – Schutz bei Überstrom.
DIN VDE 0100-510 (VDE 0100-510):2011-03
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
5-51: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Allgemeine Bestimmungen.
DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540):2012-06
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
5-54: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Erdungsanlagen und Schutzleiter.
DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100):2009-10
Betrieb von elektrischen Anlagen – Teil 100:
Allgemeine Festlegungen.
DIN EN 61557-4 (VDE 0413-4):2007-12 Elektrische Sicherheit in Niederspannungsnetzen
bis AC 1000 V und DC 1500 V – Geräte zum
Prüfen, Messen oder Überwachen von Schutzmaßnahmen – Teil 4: Widerstand von Erdungsleitern, Schutzleitern und Potentialausgleichsleitern.
DIN EN 61008-1 Beiblatt 1 (VDE 0664-10 Beiblatt 1):2012-10 Fehlerstrom-/DifferenzstromSchutzschalter ohne eingebauten Überstromschutz (RCCBs) für Hausinstallationen und für
ähnliche Anwendungen – Teil 1: Allgemeine
Anforderungen – Beiblatt 1: Anwendungshinweise zum Einsatz von RCCB nach DIN EN
61008-1 (VDE 0664-10).
DIN EN 50178 (VDE 0160):1998-04 Ausrüstung von Starkstromanlagen mit elektronischen Betriebsmitteln.
DIN VDE 0298-4 (VDE 0298-4):2013-06 Verwendung von Kabeln und isolierten Leitungen
für Starkstromanlagen – Teil 4: Empfohlene
Werte für die Strombelastbarkeit von Kabeln
und Leitungen für feste Verlegung in und an
Gebäuden und von flexiblen Leitungen.
DIN V VDE 0100-731 (V VDE 0100-731):201301 Errichten von Niederspannungsanlagen –
Teil 7-731: Anforderungen für Betriebsstätten,
Räume und Anlagen besonderer Art – Abgeschlossene elektrische Betriebsstätten.
Fassbinder, S.: Entstörfilter – Verursacher von
Schutzleiterströmen. Elektropraktiker, Berlin
64 (2010) 12, S. 1039–1043.
Fassbinder, S.: Analyse und Auswirkung von
Oberschwingungen; Beitragsreihe mit 7 Teilen
(Teil 1: Elektropraktiker, Berlin 67 (2013) 9
monatlich fortlaufend bis Teil 7: Elektropraktiker, Berlin 68 (2014) 3).
DIN VDE 0100-710 (VDE 0100-710:2012-10
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
7-710: Anforderungen für Betriebsstätten,
Räume und Anlagen besonderer Art – Medizinisch genutzte Bereiche.
(Achtung, nicht mehr gültig!) TGL 2000612/12:1984-09 Kabel in elektrotechnischen Anlagen – Starkstromkabel, Kabellegung.
■
ob
e
!f $
p = # Netz &
" fres %
se
die eine Symmetrierung der unliebsamen
Leiterinduktivitäten unterstützen sollen. Drei
Beispiele dafür sind in Bild h dargestellt.
Auch der folgende Hinweis aus DIN V VDE
0100-731 [13] spricht für sich:
„Zur Reduzierung von Ableitströmen müssen
parallele Leiter, die z. B. den Transformator
sekundärseitig mit der ersten Überstromschutzeinrichtung der Niederspannungs-Elektroinstallation verbinden, jeweils als Drehstromsystem
verseilt werden.“
In Bild i ist weder systemweise verlegt, noch
verseilt worden. Hierbei ist zwar die optische
Akkuratesse eine handwerkliche Sensation,
die induktive Katastrophe im Thermogramm
aber auch.
Fazit: Die Feststellung der gleichmäßigen
Stromaufteilung gehört in das Programm
mindestens der Erstprüfung. Natürlich erfolgt
dies quantitativ mit Hilfe der Stromzange, zur
schnellen Abschätzung eignet sich aber auch
eine Temperaturmessung (Bild i).
Prüfprotokoll elektrische Anlagen. ZVEH 2011;
WFE Bestell Nr. 811.
DIN VDE 0100-600 (VDE0100-600):2008-06
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
6: Prüfungen.
DIN VDE 0100-530 (VDE 0100-530):2011-06
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
530: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte.
DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2007-06
Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil
4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag.
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[16]
[17]
119
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