Par$zipa$on: Legi$ma$on, Risikoteilung oder gegensei$ge Hilfe? Uta v. Winterfeld Wuppertal Ins3tut für Klima, Umwelt, Energie Zu unserer Dramaturgie Uta v. Winterfeld wirft grundlegende Fragen zu Partizipation, Risikoteilung und gegenseitiger Hilfe auf. Daran anknüpfend wird sich zunächst Stefanie Baasch mit normativabstrakten Partizipationsanforderungen auseinandersetzen, einen kritische Blick auf Partizipationspraktiken im Rahmen von Anpassungsprojekten werfen und Schlussfolgerungen für die Gestaltung von Partizipationspraxis aufzeigen. Als Hintergrund für Konzepte und Praxen von Partizipation wird weiter Karin Fischer die Thematik des gesellschaftlichen Zusammenhalts aufgreifen. Sie wirft die Frage auf, ob durch die Integration der Genderperspektive und durch die Umsetzung von Gleichstellungszielen der gesellschaftliche Zusammenhalt erhöht werden und dazu beigetragen werden kann, mehr Robustheit der sozialen Netze gegenüber unvorhergesehenen (Klima)-Ereignissen zu erreichen. Was heißt und zu welchem Ende par$zipieren Menschen am Prozess der Anpassung an den Klimawandel? Die Beteiligungslandschaft ist von einer seltsamen Gleichzeitigkeit geprägt: Einerseits wird bürgerschaftliches Engagement zunehmend wertgeschätzt und unterstützt, was sich z.B. im Ansatz der „Bürgerkommune“ zeigt. Andererseits nehmen kommunale Handlungsspielräume ab und werden Partizipationsräume zugunsten von Standortfaktoren eingeengt. Damit liegt die zentrale Herausforderung partizipativer Governance im Kontext regionaler Anpassung an den Klimawandel darin, regionale Netzwerke trotz schlechter Voraussetzungen bürgerschaftlich zu fundieren und zu erweitern. Dies bedeutet auch, den widrigen Bedingungen der schlechten Finanzlage und einer restriktiv, wenn nicht repressiv angelegten Sozial- und Arbeits(markt)politik entgegen zu wirken. Denn die selektive Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen kann zwar vereinzelt die Politikergebnisse verbessern, aber keinesfalls die notwendigen gesellschaftlichen Unterstützungsleistungen bzw. die Bereitschaft einer breiten Öffentlichkeit für Klimaschutzaktivitäten und für Aktivitäten zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels fördern. Weshalb wollen Menschen nicht par$zipieren – und was wollen sie dann? Partizipieren heißt Teilnahme oder Teilhaben am Vorhandenen. Damit passen Partizipation und Transformation nicht eigentlich zusammen. Was, wenn das Vorhandene verändert werden soll? Auf einem Zukunftsworkshop des dynaklim-Projektes viel der Satz: „Wir wollen nicht partizipieren. Wir wollen mitgestalten“. So gesehen: Partizipieren reicht nicht! Weshalb wird „Par$zipa$on“ derzeit so groß und so oJ geschrieben – welche Funk$onen hat sie und wie ist es um ihre „demokra$sche Essenz“ bestellt? In Schlagworten wie „Politikverdrossenheit“, im konstatierten geringem Zutrauen in die formale Politik, in der sich weitenden Diskrepanz zwischen Regierenden und Regierten zeigt sich: Die Politik hat ein Legitimationsproblem. Partizipation hat in diesem Kontext eine legitimatorische Funktion und dient meist der nachträglichen Rechtfertigung bereits fertiggestellter Pläne und beschlossener Maßnahmen. Eine Kritik am Regierungshandeln ist, dass Konzepte und Lösungen erarbeitet werden, ohne dass die betroffenen sozialen Gruppen einbezogen und am Verhandlungstisch vertreten sind. Partizipation hat in diesem Kontext eine repräsentative Funktion und dient u.a. der Akzeptanzbeschaffung. Eine dritte Funktion von Partizipation ist die emanzipatorische. Sie ist verknüpft mit emanzipatorischem Lernen und der Befähigung zur Teilnahme an und und Gestaltung von Aushandlungsprozessen. Und: Sie wird im Vergleich zu den anderen beiden zumeist vernachlässigt. Zur „demokra$schen Essenz“ – oder: Von der Beteiligungsleiter Selbstbestimmung -> Verhandlung Konsultation Information Referendum -> Mediation, Runder Tisch -> Lokaler Dialog Konsensuskonferenz -> Planauslegung Präsentationsveranstaltung Je höher die Stufen der Leiter liegen, desto größer ist der Einfluss der Beteiligung auf Entscheidungen. Stellt Par$zipa$on ein wirksames Instrument zur Bewäl$gung oder Verminderung von mit Klimawandel einhergehenden Risiken dar... These: In politischer Perspektive liegt zwischen dem Umgang mit Risiken und dem Wunsch nach oder Anspruch von Partizipation ein Spannungsverhältnis. Denn: Risiko bezieht sich in der Politik vor allem auf Macht (und deren Verlust) und auf Sicherheit (und deren Gefährdung). Und: Die Politik hasst Unsicherheit. Z.B. im siebzehnten Jahrhundert: „Furcht, gemordet zu werden, stündliche Gefahr, ein einsames, kümmerliches, rohes und kurz dauerndes Leben. Deshalb kreiert Thomas Hobbes seinen großen Leviathan, an den die Bürger*innen und Bürger alle Selbstbestimmungsrechte abtreten – und der dafür umgekehrt Sicherheit und Schutz verspricht. ... oder sollte die Risikobewäl$gung lieber dem Katastrophenschutz und der im Zweifelsfalle rasch einsetzbaren Exeku$ve überlassen bleiben? I Noch einmal zum Risiko in zweifacher Näherung. Als Wort kommt es in der Renaissance auf – und dies in einem interessanten Zusammenhang: Seit dem 16. Jahrhundert als „risico (ital.) bekannt. Der Begriff wurde in der Welt der Kaufleute und des Handels verwandt und bezieht sich z.B. auf einen ungedeckten Wechsel. Ähnlich sind auch „systemische Risiken in der Finanzwelt zu Hause. Heute wird, in Abgrenzung zu individuellen Risiken (z.B. Anlagerisiko), von ihnen gesprochen, wenn die miteinander verbundenen Finanzinstitutionen bis hin zu den Märkten in ihrem Bestand betroffen sind. ... oder sollte die Risikobewäl$gung lieber dem Katastrophenschutz und der im Zweifelsfalle rasch einsetzbaren Exeku$ve überlassen bleiben? II Immer noch zum Risiko und seinen Bezügen. Risiko bezieht sich... ... in der Ökonomie vor allem auf Geld. Wird allerdings die Ökonomie beim Wort genommen – oikos: Haus – dann bezieht sich Risiko auf die für das zum guten Leben notwendigen Güter, wie das tägliche Wasser oder das tägliche Brot. ... in der Politik vor allem auf Macht (und deren Verlust) und auf Sicherheit (und deren Gefährdung). ... die Gesellschaft betreffend auf die Integration bzw. den sozialen Zusammenhalt. ... bezogen auf die erste und zweite Natur auf Naturkatastrophen und auf Naturgüter (Ressourcen). ... und in der Sphäre der Technik auf mögliche Unfälle (GAU) und auf Irreversibilität. Demokra$e I – oder: Im „NoVall“ schlägt die Stunde der Exeku$ve These: Risiken des Klimawandels und der Anpassung an seine Folgen bergen zugleich ein Gefahrenpotenzial für die Politik selbst, insbesondere dann, wenn sie sich vom Ausnahmezustand her definiert. Daher sind gerade bei der Entwicklung von Vorsorgestrategien, von Krisenstäben und Notfallplänen demokratiesensible „Seismographen notwendig, damit im Ernst- und Störfalle kein Demokratiebeben eintritt. Denn dieses könnte demokratische Errungenschaften als Ruine zurücklassen, wenn die Gefahr vorüber ist. Demokra$e II : Ist angesichts der Betonung von Eigenvorsorge gegensei$ge Hilfe möglich? Konflikte liegen nahe, wenn prekäre kommunale Haushaltslagen tendenziell zum Abbau eben jener sozialen und technischen Infrastrukturen führen, die für die Befähigung zu sozialem Anpassungshandeln mit ausschlaggebend sind. Auch können Konflikte entstehen, wenn „Schwankungen“ auf dem Arbeitsmarkt (es gibt z.B. weniger „sichere“ Arbeitsplätze) mit klimatisch bedingten „Schwankungen“ einhergehen. Hier können sich „prekäre“ Lebensverhältnisse und „prekäre“ Klimaverhältnisse wechselseitig verstärken. Dies birgt das Risiko der individuellen Zunahme von Verletzlichkeit, verbunden mit der Abnahme von Anpassungsfähigkeit. Ein solches Konflikt- und Risikopotenzial kann sich dadurch erhöhen, dass die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) stark auf individuelle „Eigenvorsorge“ setzt. Denn dieses Paradigma steht im Widerspruch zu sozial unterschiedlichen Handlungsfähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten. Es wirkt der Zunahme von Verletzlichkeit nicht entgegen, sondern birgt das Risiko, sie zu fördern. Und es ist nicht geeignet, kollektives Handeln zu ermöglichen. Demokra$e III : Ist gegensei$ge Hilfe über Par$zipa$on zu erreichen? Zur Erinnerung 1: Thomas Hobbes und sein Großer Leviathan bedeuten Dissoziation. Soziale Enteignung. Abtreten der Selbstbestimmungsrechte an eine übergeordnete Gewalt. Zur Erinnerung 2: Ein zentrales Paradigma der Moderne ist: Wohlstand und Frieden (oder zumindest die Abwesenheit von Kriegen) entstehen, von Jede und Jeder möglichst ungestört dem eigenen Vorteilsstreben nachgehen kann. Es lebe die Konkurrenz. Daher müsste die Geschichte mit Blick auf den Klimawandel eher umgekehrt erzählt werden: Bei aller Notwendigkeit von Expertenwissen und Expertinnenwissen(etwa bei der Auswertung und Interpretation der relevanten Klimadaten) ist der „mühsame Prozess der Aufklärung unerlässlich. Nicht zuletzt, weil ansonsten keine Unterstützungsbereitschaft und keine Unterstützungsleistungen der „einfachen Menschen zu erwarten sind. Gleichwohl sind diese nicht nur die Aufzuklärenden, sondern sie bringen umgekehrt ihr Erfahrungswissen und ihre Alltagskompetenzen in den demokratischen Aushandlungsprozess zur Risikovorsorge und Risikobewältigung mit ein.