ABGESTUFTE DACHRÄNDER ALS SCHADENSBESCHLEUNIGER 1. WEITERENTWICKLUNG DER ARCHITEKTUR Die Architektur beeinflusst unseren Lebensstil und umgekehrt. So wie sich unsere Gesellschaft in einem stetigen Wandel befindet, entwickelt sich auch die moderne Architektur immer weiter - und das ist auch gut so, denn Fortschritt entsteht meist nur durch Veränderung. Während zu früheren Zeiten vorwiegend Steildächer die Architektur prägten, nehmen in Zeiten von Urbanisierung und verdichtetem Bauen immer mehr Flachdächer den Platz ein. Wo schützende Vordächer bis vor kurzem noch zum Standard gehörten, sind heute kaum wahrnehmbare "schlanke" Dachränder vorhanden. Wie eine Modeerscheinung sind abgetreppte, kaum auskragende Dachränder an den meisten Neubauten zu sehen. Nicht immer ist allerdings Veränderung mit Fortschritt verbunden. In den vergangenen Jahren ist eine Zunahme von Baumängeln und Bauschäden infolge dieser veränderten Architektur zu beobachten - Mängel und Schäden, die eigentlich einfach vermeidbar wären und immer mehr auch Planer und Architekten in die Pflicht nehmen wird. 2. ABGESTUFTE DACHRÄNDER Die Rede ist von abgestuften Dachrändern, die gezwungenermassen, zumindest auf der unteren Ebene, eine Neigung nach "aussen" besitzen. Diese Dachränder führen durch den Versatz dazu, dass das oberste Fassadenband schlank ausfällt und dem Gebäude ein "leichter" und eleganter Charakter verliehen wird. Des Weiteren können die Ausläufe / Speier der Notüberläufe von unten praktisch unsichtbar angeordnet werden (Entwässerung auf unteres Blech). Abbildung 1: Schnitt durch Dachrand, schematisch Abbildung 2: Beispielbild, Dachrand abgestuft und nach aussen geneigt Abdichtungstechnisch können diese Dachrandkonstruktionen mit Holz-Unterkonstruktion vorteilhaft sein, da die Abdichtung einfach bis nach aussen gezogen werden kann, womit ein überlaufsicherer Dachrand entsteht. Was optisch und abdichtungstechnisch vorteilhaft ist, kann aber auch einige Nachteile mit sich ziehen, die auch für Planer teuer zu stehen kommen können. 3. PROBLEMATIK Durch die abgestufte Form des Dachrandes wird dieser nach aussen entwässert. Auf die Blechteile auftreffendes Regenwasser läuft nicht zur Dachfläche zurück, sondern tropft über das Blech nach aussen ab. Da sich auf den Blechteilen rasch Schmutz und Staub ansammelt, wird dieser vom ablaufenden Wasser mitgenommen. Da die Dächer ohne nennenswerten Dachvorsprung konstruiert werden (oft sogar unter 30mm), trifft das Wasser mitsamt den Verunreinigungen auf die Fassade. Etwas Wind oder eine ungünstige Abtropfkante am Blech, die das Wasser noch zur Fassade hin "anzieht", reichen hierzu. Insbesondere im Zusammenhang mit einer verputzten Aussenwärmedämmung sind die Folgen absehbar: Schon nach kurzer Zeit entstehen sichtbare Verfärbungen und Risse an der Fassade, die frühzeitigen Schimmelwuchs begünstigen. Je nach Ausführung des oberen Fassadenabschlusses und der Blechabdeckung, sind sogar Wassereintritte hinter die Wärmedämmung möglich, die zu ausgedehnten Schädigungen führen können. Im Winter besteht zudem die Gefahr durch Eisschlag, was Personen gefährden kann. Seite 2/4 Abbildung 3: Schmutzeintrag auf Fassade Infolge dieser ungünstigen Detailkonstruktionen mussten schon etliche Neubauten nach sehr kurzer Nutzungszeit einer grösseren Sanierung (Fassade & Dachrand) unterzogen werden. Die Kosten hierfür fallen, auch durch das Stellen des Gerüstes, gross aus. Eine Kleinigkeit kann grosse Auswirkungen nach sich ziehen. 4. NORMIERUNG Abgestufte Dachränder, wie unter Abschnitt 2 gezeigt, stehen in Konflikt mit den Vorgaben der SIA271:2007. Unter Abschnitt 2.9.2 der Norm ist folgendes festgehalten: "Abdeckungen von Brüstungskronen müssen auf die Dachfläche entwässert werden" Betrachtet man beide Stufen der Abdeckung als Brüstungskrone kann dies für das obere Blech gut eingehalten werden, für das untere hingegen nicht. Die Norm gibt zudem weitergehende Hinweise, wie die Abdeckungen ausgeführt werden müssen: "Dachrandabschlüsse sind aussen mindestens 50mm, bei windexponierten Lagen mindestens 100mm ab Oberkante rohe Brüstung herunterzuführen. Von der Fassade sind horizontal mindestens 30mm Abstand zu halten" Viele in den letzten Jahren erstellte Dachränder erfüllen auch diese zweite Vorgabe nicht. Durch die Verletzung der Normen können auch für den Planer unangenehme Folgen entstehen, wenn er für Planungsfehler und damit die verursachten Schädigungen verantwortlich gemacht wird. Seite 3/4 5. ALTERNATIVEN Einen Vorteil, der meist zur bedeutenden Verlängerung der Lebensdauer der Fassade führt, bieten verständlicherweise Vordächer. Es ist allerdings verständlich, dass diese oftmals nicht zur restlichen Architektur des Gebäudes passen. Verzichtet man auf das Vordach, bieten sich einteilige, genügend nach innen geneigte Blechabdeckungen an. Diese Konstruktionen sind einfach realisierbar, kostengünstig, optisch nur wenig abweichend und erfüllen die Normen und damit die Gefahr, dass man als Planer zur Rechenschaft gezogen wird. Abbildung 4: Alternative Dachrandkonstruktion Die Vorgaben zur Auskragung (30mm) und zum vertikalen Herunterführen des Bleches (50mm, 100mm bei windexponierten Lagen) sind dabei zwingend zu beachten. Bei genügender Auskragung kann die Notentwässerung über den Dachrand erfolgen, womit auch keine optisch störenden Speier benötigt werden. Es muss dabei allerdings beachtet werden, dass der Dachrand überlaufsicher ausgebildet wird (Abdichtung nach aussen ziehen, keine Verwendung von Nägeln oder Schrauben für Dachrandblech). In diesem Falle ist es zudem ratsam, eine Auskragung grösser als die notwendigen 30mm einzuplanen. Die Höhenkote des Dachrands muss wie alle Notüberläufe geplant / berechnet werden. 6. QUELLENANGABEN Fotos: ifgh AG, Sins 7. AUTOR Institut für Gebäudehülle AG Firmenmitglied SIA Lorenzo Nägeli Alte Landstrasse 3 5643 Sins 041 725 07 70 [email protected] www.ifgh.ch Seite 4/4