G N TB ©© photos.com PLUS ZE E Zertifizierte Zertifizierte Fortbildung Fortbildung in Zusammenarbeit in Zusammenarbeit mitmit 3 Punkte R Besser hören IFIZIE RT FO PflegeKolleg Ohrerkrankungen im Alter Schwerhörigkeit als Symptom RT ILDU Von Reizen überflutet Hörsturz und Tinnitus ganzheitlich betrachten Pflegemanagement bei Hörstörungen Verständlich kommunizieren – So geht‘s Besser hören ©© Ingo Bartussek / Fotolia PflegeKolleg Ohrerkrankungen im Alter Schwerhörigkeit als Symptom Hörstörungen bei Senioren werden häufig mit „Altersschwerhörigkeit“ gleichgesetzt. Doch Schwerhörigkeit ist zunächst ein Symptom, das allein oder in Kombination mit anderen Ohr-Leitsymptomen auftreten kann. Dahinter verbergen sich mitunter Komplikationen einer Grunderkrankung, die eine zügige Therapie erfordern. Der folgende Beitrag vermittelt Hintergrundwissen für den Pflegealltag. K E Y WO R DS Schwerhörigkeit Schallleitungsschwerhörigkeit Schallempfindungsschwerhörigkeit Presbyacusis Hörgerät E ine akute Hörminderung ist normalerweise immer ein Anlass, sofort einen HNO-Arzt aufzusuchen. Chronisch progrediente Hörverluste werden dagegen in ihrem Ausmaß oft falsch eingeschätzt. Oft fällt daher der Umgebung auf, dass ein Mensch schlecht hört. Mit dem Mini-Audio-Test (MAT, Abb. 1), einem einfachen, schnell durchzuführenden Fragebogen, können auch im Pflegealltag Hinweise zum Vorliegen einer relevanten Schwerhörigkeit gewonnen werden, die einer weiteren fachärztlichen Diagnostik bedürfen. Dagegen sind Onlinetests, Hörweitenprüfung sowie das Verwenden von Knistern und Rascheln sind wegen der hohen Varianz bei der Ausführung keine adäquaten Methoden. Erkrankungen und Therapie von Hörstörungen Bei vielen Ohrerkrankungen kommt die enge anatomische und funktionelle Beziehung des äußeren, mittleren und inneren Ohres sowie der Ohrtrompete (Tuba auditiva), des Nasenrachenraumes und der benachbarten Luftwege zum Tragen. Auch ein scheinbar komplikationsloser Verlauf einer Erkrankung kann daher schnell und unvorhersehbar zu einer Mitbeteiligung der benachbarten Strukturen führen. Ebenso kann eine primär nicht otogene Erkrankung zu einer Ohrkomplikation führen. 30 Akute Erkrankungen Äußeres Ohr (Otitis externa): Abgesehen von einer banalen Verstopfung durch Cerumen ist hier in erster Linie die durch ihre Schmerzen außerordentlich unangenehme bakterielle Otits externa zu nennen. Auslösend sind oft Manipulationen im äußeren Gehörgang. Begünstigend wirken ein Diabetes mellitus, konsumierende Grunderkrankungen und immunsuppressive Behandlungen. Die Therapie sollte gezielt lokalantibiotisch erfolgen, wobei eine subtile Gehörgangsreinigung durch den HNO-Arzt unter- D E FI N ITI O N Als Schwerhörigkeit wird jede Minderung des Hörvermögens bezeichnet, als deren Folge akustische Informationen nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Sie kann akut auftreten oder schleichend beginnen. Man unterscheidet eine Schallleitungsschwerhörigkeit von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Hiervon abzugrenzen sind noch die neurale und zentrale Schwerhörigkeit, bei der die Störung auf der Ebene des Hörnervs bzw. der Hörbahn liegt. Alle Formen der Schwerhörigkeit können auch kombiniert auftreten. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) stützend wirkt. Jede nichtärztliche Manipulation am Gehörgang ist verboten und stellt wegen der Gefährdung der innen liegenden Strukturen einen pflegerischen Fehler dar. Das gilt insbesondere für Reinigungsversuche mit Wattestäbchen. Mittelohr (Otits media): Der überwiegende Teil der akuten Mittelohrentzündungen bei älteren Menschen ist bakterieller Genese. Daher ist zu Beginn eine HNO-ärztliche Diagnostik indiziert. Symptomatisch hierfür sind Fieber, starke Otalgie und eine eitrige Rhinorrhoe. Nicht selten kommt es auch zu einer eitrigen Otorrhoe, die ihrerseits eine Otits externa auslösen kann. Diese Otitiden sollten primär antibiotisch durch einen HNO-Facharzt behandelt werden. Nicht selten kommt es bei einer Otits media sekundär – bei viralen Infektion durch Varizella zoster (Zoster oticus) auch primär – zu einer entzündlichen Reaktion an der Basis der Hörschnecke (toxische Innenohrbeteiligung). Verursacht wird sie durch den Übertritt von Toxinen über die semipermeablen Membranen des Innenohres mit entsprechender Funktionseinschränkung für die oberen Frequenzen. Schreitet die Krankheit fort, kann die Entzündung auf das komplette Labyrinth übergreifen und auch Tinnitus und (Dreh-)Schwindel verursachen. Als schwere Komplikation einer Otitis media kann es zu einer Mastoiditis kommen, die einer zügigen chirurgischen Sanierung des Warzenfortsatzes bedarf. Abb. 1: Der MiniAudio-Test (MAT) kann nach entsprechender Einweisung auch von Pflegekräften durchgeführt werden. Chronische Erkrankungen Mittelohr: Chronische Mittelohrentzündungen können symptomarm sein. Je nach Ausmaß der Schädigung tritt eine Schallempfindungschwerhörigkeit zur Schallleitungsschwerhörigkeit hinzu. Bei chronischen Defekten des Trommelfells und/oder der Gehörknöchelchenkette ist meist nur eine Operation (Tympanoplastik) als Behandlung möglich. Einen Sonderfall stellt das Cholesteatom dar. Hierbei kommt es, zu einer epitympanalen Trommelfellretraktion und nachfolgend zu einem Adhäsivprozess des Trommelfelles an Mittelohrstrukturen. Eine bakterielle Superinfektion führt zu einer lokalen Destruktion der Umgebung. Nur eine operative Sanierung (Tympanoplastik) kann diesen Teufelskreis durchbrechen. Äußeres Ohr: Chronisch Gehörgangsentzündungen sind oft sehr hartnäckig und bedürfen einer subtilen Diagnostik und Therapie. Ätiologisch kommen mechanische Reizungen („Q-Tip-Abusus“), allergische Irritationen, eine chronische Cortisonapplikation, die Anwendung von nutzlosen bis gefährlichen Hausmitteln (Zwiebelwickel, Ohrkerzen, warmes Öl) sowie bakterielle und mykotische Fehlbesiedlungen in Betracht. Oft findet sich ein Mischbild. Wegen der oft unübersichtlichen Anatomie und der Nähe zu Trommelfell und Mittelohr sind eine Gehörgangsreinigung und Medikamentenapplikation oder operative Maßnahmen (z.B. beim Gehörgangschole­ steatom) nur beim HNO-Arzt möglich. Chronische Innenohrschwerhörigkeit im Alter (Presbyacusis): Von einer relevanten Schwerhörigkeit sind 79% der Personen zwischen 61 und 70 Jahren, 88% zwischen 71 und 80 Jahren und 98% der noch älteren Menschen betroffen. Eine chronisch progrediente Innenohrschwerhörigkeit wird vom Betroffenen oft nicht bewusst wahrgenommen oder zumindest in ihrem Ausmaß nicht richtig eingeschätzt. Hier sind eine genaue Anamnese und der Einsatz des MAT zielführend. In erster Linie ist beim Erwachsenen, insbesondere beim älteren Menschen eine abnutzungsbedingte Presbyacusis ursächlich, jedoch können auch genetische oder lärmbedingte Schwerhörigkeiten für einen schleichenden Hörverlust verantwortlich sein. Die differentialdia- Innenohr und Hörsturz: Akute Innenohrerkrankungen äußern sich meist mit einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, gelegentlich in Kombination mit einem Tinnitus und (Dreh-)Schwindel, Ohrdruck und Schmerzen. Nichtentzündliche akute Hörminderungen werden ohne klare Ätiologie unter dem Begriff „Hörsturz“ subsummiert. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) Jede nichtärztliche Manipulation am Gehörgang stellt wegen der Gefährdung der innen liegenden Strukturen einen pflegerischen Fehler dar. 31 PflegeKolleg Besser hören Fazit für die Pflege — Hörstörungen spielen bei der Versorgung alter Menschen eine wichtige Rolle. Daher sollten Pflegekräfte die wichtigsten Krankheitsbilder kennen, die mit einer Hörminderung einhergehen. — Erste Hinweise auf eine Hörminderung und die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung kann im Pflegealltag der Mini-Audio-Test (MAT) liefern. — Bei der chronischen Altersschwerhörigkeit ist eine frühzeitige Hörgeräteversorgung wichtig. Nur so lässt sich eine funktionelle Degeneration der Hörbahn verhindern. gnostische Abgrenzung gelingt nur durch eine breite audiologisch-otoneurologische, HNO-ärztliche Untersuchung. Eine unbehandelte, altersbedingte Schwerhörigkeit hat vielfältige Auswirkungen. So erhöht sich bei schwerhörigen Senioren das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, an einer Depression zu erkranken, eine Sturzkrankheit zu entwickeln oder einen kognitiven Leistungsverlust zu erleiden. Hinzu kommen sozialer Rückzug, mangelnde Bewegung und intellektuelle Verarmung. Bei Presbyacusis ist eine möglichst frühe Hörgeräteversorgung anzustreben, damit es nicht zu einer „Entwöhnung“ der Hörrinde kommt. 32 Hörgeräte frühzeitig einsetzen Eine Presbyacusis kann durch Hörgeräte ausgeglichen werden. Hierbei ist eine möglichst frühe Versorgung anzustreben, weil durch den schleichenden Hörverlust die Hörrinde von der Interpretation der nicht gehörten Frequenzen langsam „entwöhnt“ wird. Dieses kann eine funktionelle Degeneration der Hörbahn zur Folge haben, die eine Hörgeräteversorgung nach zu langer Hörabstinenz unmöglich macht. Der Patient hat vergessen, „wie Hören geht“ und kann es wegen der zugrundeliegenden Synapsendegeneration nicht mehr neu erlernen. Fatalerweise ist ein Einzelgespräch in ruhiger Umgebung oft auch bei stark fortgeschrittener Presbyacusis relativ gut möglich. Daher fällt es nicht immer leicht, den Betroffenen zu einer Hörgeräteversorgung zu motivieren. Hier erweist sich das Gespräch mit den Angehörigen oft als sehr hilfreich. Auch eine strukturierte Anamnese, in der gezielt auch andere Hörsituationen (im Nebengeräusch und Hall) abgefragt werden, kann wertvolle Hinweise geben. Derzeit sind nur circa 16% der bedürftigen Personen mit einem Hörgerät versorgt. Gleichwohl wäre es fatal, jeden schwerhörigen älteren Menschen ohne weitere HNO-ärztliche Diagnostik einfach mit Hörgeräten zu versorgen. Hier kann es unter Umständen zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen. In den meisten Fällen ist eine beidohrige Hörgeräteversorgung erforderlich, weil sich nur Defizite beim räumlichen Hören (stereophone Defizite) ausgeglichen werden können. Auch nach einer erfolgreichen Hörgeräteversorgung sind regelmäßige fachärztliche Kontrollen erforderlich. Nur so können schleichende Schädigungen des Gehörgangs oder Zweiterkrankungen (z.B. ein On-Set-Akustikusneurinom), die durch die Presbyacusis in ihrer Symptomatik larviert werden, rechtzeitig entdeckt werden. Bei hochgradig Schwerhörigen werden heute auch bei Erwachsenen zunehmend operative Hörhilfen und Hörprothesen (Cochlea-Implantat, CI) angewandt. Die Indikationsstellung hierzu kann nur durch einen HNO-Arzt erfolgen. Mit den heutigen Festbeträgen lässt sich in den meisten Fällen ein guter Ausgleich der Schwerhörigkeit ohne hohe Zuzahlungen realisieren. Hörnerv (Akustikusneurinom) Entzündliche und traumatische Erkrankungen des Hörnervens gehen meist auch mit einer Innenohrbeteiligung einher und führen zu einer (zentralen) Schallempfindungsschwerhörigkeit. Als dritthäufigster benigner Tumor des ZNS geht das Akustikusneurinom von Schwann-Zellen des achten Hirnnervens aus. Größere Tumoren können bei extrameatalem Wachstum zu einer Verdrängung des Hirnstammes führen. Durch die heutige Stufendiagnostik sind Akustikusneurinome früh erkennbar und letale Verläufe selten geworden. Prinzipiell muss bei jeder akuten Hörminderung eine Beteiligung des Hörnervens ausgeschlossen werden. Therapeutisch stehen beim Akustikusneurinom verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung. Literatur bei den Verfassern Beriwan Akcicek Wissenschaftliche Dokumentationsassistentin WIAHNO Bad Bramstedt Maienbeeck 1 24576 Bad Bramstedt Dr. med. Jan Löhler Wissenschaftliches Institut für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO) Deutscher Berufsverband der HNOÄrzte e. V. Maienbeeck 1, 25476 Bad Bramstedt [email protected] Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) Besser hören ©© Nagels Blickwinkel / Fotolia PflegeKolleg Von Reizen überflutet Hörsturz und Tinnitus ganzheitlich betrachten Ein plötzlicher einseitiger Hörverlust wirkt bedrohlich und ist es auch. Meist steckt ein so genannter Hörsturz dahinter, der zeitnah fachärztlich behandelt werden sollte. Geschieht das nicht, können bleibende Einbußen des Hörvermögens und chronische Ohrgeräusche (Tinnitus) die Folge sein. K E Y WO R DS Hörsturz Tinnitus Hörwahrnehmung Stress 34 A uf kaum mehr Raum als einer Fingerkuppe sorgt ein kleines Organ im Innenohr für Phantastisches: Die Aufnahme von Geräuschen, Lauten und Sprache und deren Umwandlung in Nervenimpulse. Aber das „empfänglichste“ von allen Sinnesorganen ist auch das empfindlichste. So steht es der Zunahme der Umweltgeräusche, der akustischen Belastung in Verkehr, Beruf oder Freizeit weitgehend hilflos gegenüber. Die Möglichkeiten, sich gegen eine Reizüberflutung abzuschirmen, sind sehr begrenzt: Das Ohr ist immer offen, auch nachts, wenn wir schlafen. Die Folge ist, dass unser Hör-System oft vollständig überreizt ist. So treten Schädigungen am Hörorgan wesentlich häufiger auf als früher. Plötzlicher Hörverlust – der Hörsturz Ein Hörsturz wird definiert als in der Regel einmaliger, plötzlicher, meist einseitiger Innenohrhörverlust ohne erkennbare Ursache. Da die Hörschnecke (Cochlea) im Innenohr entwicklungsgeschichtlich aus dem Gleichgewichtsorgan hervorgegangen ist und eng mit ihm verbunden bleibt, kann in bis zu 30% der Fälle ein einmaliger Schwindel hinzukommen. Die Funktionsstörung des Innenohrs kann über alle Hörfrequenzen variieren, führt aber nur selten zur vollständigen Taubheit. Tritt ein Hörverlust öfter auf, handelt es schon sich definitionsgemäß nicht mehr um einen Hörsturz, sondern beispielsweise um Endolymphschwankungen oder um eine immunvermittelte Hörstörung. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) Es gibt zahlreiche Theorien zu den möglichen, letztlich aber eben nicht bekannten Ursachen eines „Hörsturzes“. Zwei Erklärungsansätze sind: Durchblutungsstörung: Die gängigste Erklärung sieht eine Durchblutungsstörung als auslösendes Ereignis. Wahrscheinlich kommt es dabei zu einem kurzfristigen Zusammenbruch der Energieversorgung im Innenohr. Ebenso wahrscheinlich muss es sich dabei um eine vorübergehende Verminderung der Durchblutung handeln. Bei einer dauerhaften Durchblutungsstörung des Innenohrs würde das Ohr ertauben. Dies ist zum Glück nur selten der Fall. Schädigung durch Viren: Der zweite Erklärungsansatz für ein Hörsturzgeschehen geht von einer Schädigung durch Viren aus. Hierbei werden eine Reihe von Viren, die so genannten neurotropen Viren verdächtigt. Dazu gehören Mumps-, Herpes zoster-, Masern-, Influenza-, Adenoviren. Diese befallen mit Vorliebe Nerven und somit auch den Hörund den Gleichgewichtsnerv. In moderaten Fällen ist Abwarten erlaubt Das akute Auftreten eines plötzlichen Hörverlusts gilt in Deutschland zwar als HNO-Eilfall, nicht aber als Notfall. Daher kann bei moderaten Hörverlusten und bei vornehmlich Tieftonverlusten zwei Tage auf eine häufig spontane Besserung gewartet werden. Es kann dabei günstig sein, die Betroffenen aus dem Arbeits- und familiären Umfeld zu lösen, um so eine gewisse Abschirmung zu erreichen. Unterstützend wirken Entspannungsmaßnahmen wie die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (PMR). Bei größeren Hörverlusten wird (absteigend) hochdosiert Cortison eingesetzt, vorzugsweise als Infusionsbehandlung. Inzwischen ist auch eine Lokalbehandlung am Innenohr möglich. Dabei wird das Medikament durch das Trommelfell gespritzt (intratympanal) und ins Mittelohr appliziert. Meist werden bei akut auftretenden Hörminderungen oder Tinnitus Rückbildungsraten von 70– 80% erreicht. Eine positive Beeinflussung des Hörsturzes durch die Gabe von Medikamenten gegen eine Virusausbreitung konnte nicht gesehen werden. Auch wenn sich der Hörverlust oft wieder gut zurückentwickelt, ist es sinnvoll, die Umstände ernst zu nehmen, über die das hoch sensible Hörorgan plötzlich „gestürzt“ ist. Hier können Weichen gestellt werden zur Vorbeugung weiterer Ereignisse oder anderer Krankheitsformen wie etwa Erschöpfungszuständen. Oft muss aber erst ein TinnitusLeiden hinzukommen, um genauer hinzuhören. Tinnitus – wenn die Hörfilter versagen „Tinnitus“ bezeichnet (fast) alle Hör-Wahrnehmungen, die nicht durch Laute von außen bedingt sind. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) Unterschieden werden subjektive und objektive Ohrgeräusche. Subjektive Ohrgeräusche: Den überwiegenden Anteil von Tinnitus machen subjektive Ohrgeräusche aus. Diese können an allen Stellen der Hörverarbeitung vom Mittelohr bis zur Wahrnehmung des Schallsignals im Großhirn auftreten. Meist finden sich ursächlich Schädigungen im Innenohr (Hörsturz, Lärmschäden), Endolyphschwankungen im Innenohr oder Übererregbarkeiten bzw. Fehlsteuerungen bei den Nervenaktivitäten im Innenohr. Aber auch bei bestem Hörvermögen kann es zu einer Senkung der Wahrnehmungsschwelle für das seit der Geburt wahrnehmbare ganz normale Grundrauschen kommen. Werden Menschen in einer schalldichten Kammer absoluter Stille ausgesetzt, so entsteht innerhalb kurzer Zeit ein akustischer Eindruck. Das liegt daran, dass das Innenohr wegen seiner ständig aktiven Sinneszellen von Geburt an ein sehr lauter Ort ist. In etwa vergleichbar ist dies mit einer Ton-Anlage, die beim Einschalten des Stroms ein durchaus hörbares, meist leises Grundrauschen erzeugt. Daher ist auch hörgesunden Menschen im Prinzip schon immer ein Ohrgeräusch vorhanden. Es wird meist nur nicht als solches wahrgenommen und – was noch wichtiger ist – nicht dauerhaft beachtet. Bei kleinen organischen Änderungen, wie leichten oder langsam hinzugekommenen Hörverlusten, ermöglichen meist innere „Hörfilter“, Änderungen dieses Grundmusters wegzufiltern. Es gelangt daher nicht als veränderter Höreindruck, also Tinnitus, ins Bewusstsein. Dies ist dann möglich, wenn die „Hörfilter“ geschwächt oder aufgebraucht sind, wenn wir nach Arbeitsüberlastung „ent“-nervt sind oder zu viel Stress „um die Ohren“ hatten. Hörfilter sind Funktionssysteme, die gewohnte oder nicht notwendige Töne, wie beispielsweise das Ticken einer Uhr, unterdrücken und ablenken, bevor sie in die Wahrnehmung gelangen. Eine vorüberge­ hende Durchblu­ tungsstörung des Innenohr gilt als gängigster Auslö­ ser für einen Hör­ sturz. Objektive Ohrgeräusche: Diese sind nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Untersuchende H O H E R LE I D E N SD RUCK Circa 10% der Bevölkerung können dauerhaft einen Tinnitus wahrnehmen. 0,5–1% der Bundesbürger leiden so ernsthaft an der Wahrnehmung des Tinnitus, dass sie wegen der Folgestörungen, wie Schlaflosigkeit oder depressiver Entwicklungen bis zur Gefährdung der Arbeitsfähigkeit, einer psychosomatischen oder psychiatrischen Behandlung bedürfen. 35 PflegeKolleg Entscheidend für das Leiden am Tinnitus ist, wie sehr sich die Betroffenen vom Ohrgeräusch gestört fühlen. Besser hören hör- und messbar. So können Ver- und Anspannungen der Mittelohrmuskeln oder ruckartige Öffnungsbewegungen der Ohrtrompete durchaus gehört werden. Bei krankhaft veränderter Ohrtrompete sind auch Atemgeräusche hörbar. In ganz seltenen Fällen stellen sich Gefäßmissbildungen als Ursache des Ohrgeräusches heraus. Diese klopfen im Rhythmus des Herzschlages an als pulsierendes Ohrgeräusch. Eine Frage der Wahrnehmung Unabhängig von der Art der Tinnitus-Entstehung ist für das Leiden am Tinnitus entscheidend, wie sehr sich die Betroffenen von dem neuen, meist als unangenehm empfundenen Ohrgeräusch gestört fühlen. Es war eine entwicklungsgeschichtliche Notwendigkeit und überlebenswichtig für den Menschen, sich neu auftretenden Geräuschen sofort und in höchster Alarmbereitschaft zuzuwenden. Je nach Ursache des Geräusches waren dann die drei wichtigsten Reaktionen: angreifen, fliehen oder sich tot stellen. Nur wenn etwas Vertrautes identifiziert werden konnte, durfte sofort Entspannung einkehren. So sind aus evolutionärer Sicht folgende Punkte wichtig: 1.Erkennen der Geräuschquelle (ja/nein) 2.Bewertung (positiv oder negativ) 3.Reaktion (meist unwillkürlich) Aus diesem Grund erfordert auch ein Tinnitus als unbekannter, meist negativ bewerteter neuer Hör­ eindruck so viel Aufmerksamkeit. Dabei stellen sich Reaktionen ein, in dem sich viele Anteile unserer ursprünglichen Muster wiederfinden lassen. Nicht selten liegen hinter dem Tinnitus-Leiden weitergehende Probleme verborgen. 36 Fazit für die Pflege — Der Hörsturz ist ein HNO-Eilfall. In moderaten Fällen kann bis zu zwei Tage auf eine spontane Besserung gewartet werden. — Auch wenn die genauen Ursachen eines Hörsturzes noch immer im Dunkeln liegen, erweisen sich Abschirmungsmaßnahmen und Entspannungsverfahren als hilfreich. Bei größeren Hörverlusten erfolgt eine hochdosierte Cortisontherapie. — Ein chronisches Tinnitusleiden entsteht häufig als Folge eines Hörsturzes. Nicht selten liegen dahinter aber auch weiter gehende Probleme verborgen. legte Schritte dazu bei, sowohl die Tinnituswahrnehmung als auch die Verarbeitung der zugrundeliegenden Problematik zu verbessern. Ganzheitliche Betrachtung notwendig Die Behandlung des akuten Tinnitus ist zuerst im Bereich der HNO-Heilkunde zu suchen. Sie entspricht der Behandlung eines Hörsturzes (s.o.), wenn der Tinnitus akut mit einem erkennbaren Hörverlust einhergeht. Eine wichtige Grundlage ist aber auch die Aufklärung über das Tinnitus-Geschehen, um den aufreibenden Kreislauf zwischen Tinnitus und Aufmerksamkeit zu beenden. Bei einer gleichzeitig bestehenden Schwerhörigkeit helfen Hörgeräte, die „Außenwahrnehmung“ zu verstärken. Sie minimieren so die „Innenwahrnehmung“ Tinnitus und verhelfen zudem zu einer verbesserten Kommunikation. Nicht selten zeigt sich aber auch, dass hinter dem Tinnitus-Leiden weitergehende Probleme verborgen liegen. Dies gilt für ernsthafte depressive Verstimmungen ebenso wie für massive Konflikte in Familie oder am Arbeitsplatz. Das weitere Bemühen, den Tinnitus doch noch „auszulöschen“, kann dann das Krankheitsausmaß sogar noch steigern. Kann ein stimmiges psychosomatisches Wirkmuster erarbeitet werden, tragen meist schon kleinere, aber langfristig ange- Prof. Dr. Gerhard Hesse Tinnitus- Klinik Große Allee 50 34454 Bad Arolsen [email protected] Dr. med. Herbert Schaaf Tinnitus- Klinik Große Allee 50 34454 Bad Arolsen Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) PflegeKolleg Besser hören Pflegemanagement bei Schwerhörigkeit Verständlich kommunizieren – So geht‘s Immer mehr schwerhörige Menschen werden in den verschiedenen Aktionsbereichen der Pflege professionell versorgt – vor allem in der Altenpflege. Dennoch mangelt es Pflegekräften häufig an Strategien, um auf diese besondere Herausforderung zu reagieren. Was also tun, wenn das Hörgerät pfeift und die Kommunikation mit dem Patienten zu scheitern droht? Schwerhörigkeit und Demenz – Verwechslung nicht ausgeschlossen Verantwortlich für dieses Phänomen ist das oft identische, für die Umwelt befremdlich anmutende Interaktionsverhalten auditiv und kognitiv leistungsgeminderter Menschen. Ein typisches Beispiel hierfür findet sich in einem unangemessenen und/oder verlangsamten Reagieren auf Handlungsanweisungen. Weitere, eine „Verwechslung“ begünstigende parallele Verhaltensauffälligkeiten zeigen sich in verstärktem Misstrauen, verminderter Kooperationsbereitschaft, leichter Ablenkbarkeit, begrenzter Konzentrationsfähigkeit sowie in Monologisieren, sozialem Rückzug und Desorientierung. Diese Auffälligkeiten resultieren bei beiden Krankheitsbildern aus einer eingeschränkten Kommunikationskompetenz. Dieser liegt bei dementiell Erkrankten jedoch eine Hirnleistungsstörung zu Grunde. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf fällt es Menschen mit Demenz immer schwerer, lautsprachgebundene Informationen zu „begreifen“, sprachliche Zusammenhänge zu erfassen und in den lautsprachlichen Äußerungen des GesprächsHeilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) partners eine Sinnhaftigkeit zu erkennen. Im Gegensatz dazu wird die eingeschränkte Kommunikationskompetenz bei schwerhörigen Menschen durch die nachfolgend beschriebene defizitäre Hörwahrnehmung hervorgerufen. Eine pathologische Störung der Hirnleistung im Sinne einer Demenz liegt bei der Schwerhörigkeit primär nicht vor. Eine nicht erkannte oder nicht adäquat behandelte Schwerhörigkeit kann aber dementielle Erkrankungen begünstigen oder bereits vorhandene Defizite, etwa im Anfangsstadium einer Demenz, verstärken. Nicht selten treten Schwerhörigkeit und Demenz im „Doppelpack“ auf. Beide Erkrankungen potenzieren sich dabei sowohl im Ausmaß der K E Y WO R DS Schwerhörigkeit Hörgeräte Demenz Kommunikation Pflegeprozess ABEDL Hörtaktik ©© Alex Raths / iStock B eim Umgang mit schwerhörigen Patienten geraten Pflegefachkräfte oftmals an die Grenzen ihrer kommunikativen Kompetenz. Vielfach bedienen sie sich dann einer scheinbar effektiven Lösungsstrategie: Sie sprechen laut oder schreien den hörbeeinträchtigten Gesprächspartner sogar an. Die Folgen: Kommunikationssituationen können eskalieren, die Interaktion wird gestört, die Vertrauensbeziehung leidet. Nicht selten zieht sich die schwerhörige Klientel sogar aus dem Pflegeprozess zurück. Oft werden diese Folgen als physische, psychische und/oder kognitive Leistungseinschränkung z. B. im Sinne einer Demenz fehlinterpretiert.. 37 PflegeKolleg Bei Hörstörungen kann es zu einer erheblich beeinträchtigten Verständigung kommen. Besser hören Kommunikationsstörung als auch hinsichtlich der Verhaltensauffälligkeiten. Die Gestaltung des Pflegeprozesses muss deshalb die individuellen kommunikativen Ressourcen, Probleme und Bedürfnisse der schwerhörigen Patienten/Bewohner berücksichtigen. Schwerhörigkeit ist pflegerelevant Im pflegerischen Alltag stellt die gesprochene Sprache das gebräuchlichste Verständigungsmittel zwischen Pflegefachkraft und Patienten dar. Ihre Funktionalität ist eng an ein intaktes Hörvermögen der Kommunikationspartner gebunden. Schwerhörigkeit torpediert diese Kompetenz: Akustische Signale, wie die gesprochene Sprache, werden leiser und/ R I CHTI G E R UM GAN G M IT H Ö RG E R ÄTE N — HG nur mit desinfizierten, trockenen Händen berühren — Das HG vor jedem Einsetzen und Herausnehmen ausschalten (Vermeidung von Rückkopplungseffekten) — HG abends herausnehmen. Das beugt Dekubiti vor und senkt den Energieverbrauch. Bei bettlägerigen Patienten HG tagsüber nur intermittierend einsetzen — Otoplastiken mit weichem Tuch/Tupfer (ggf. leicht mit Wasser befeuchtet) oder mittels dafür vorgesehener Sets reinigen. — HG vor Feuchtigkeit und Hitze schützen und nur in dafür vorgesehenen, gepolsterten Behältnissen aufbewahren. — Manipulationen mit spitzen Gegenständen (Kanülen) sowie die Anwendung von Desinfektionsmitteln grundsätzlich unterlassen! V E R B R E ITE TE S LE I D E N Schwerhörigkeit in all ihren Ausprägungen gehört zu den facettenreichsten sensorischen Beeinträchtigungen. In Deutschland sind etwa 13 Mio. Menschen ab dem 14. Lebensjahr davon betroffen. Experten gehen davon aus, dass sich die Prävalenz dieser auditiven Leistungsminderung in den nächsten Jahren drastisch erhöht. Als ursächlich hierfür beschrieben werden sowohl die steigende Lebenserwartung als auch eine erhöhte Lärmbelastung in deren Folge vermehrt auch junge Menschen von Schwerhörigkeit betroffen sind. 38 oder bruchstückhaft „gehört“. Daher kann es zu einer erheblich beeinträchtigten Verständigung kommen. Das bedürfnisorientierte Pflegemodell von Monika Krohwinkel zu Grunde legend, beruht die Pflegerelevanz der Schwerhörigkeit auf einer hörminderungsbedingt beeinträchtigten Kommunikationsfähigkeit. Diese resultiert in einer Einschränkung der ABEDL (Aktivitäten, Beziehungen und existenziellen Erfahrungen des Lebens) „Kommunizieren“. Erfordert die Kompensation dieser Einschränkung eine pflegefachliche Intervention – im Sinne von Beratung, Anleitung, Unterstützung oder Übernahme –, liegt gemäß Krohwinkel ein Pflegeproblem vor. Das Spektrum hörminderungsbedingter Pflegeprobleme erstreckt sich aber über nahezu alle ABEDL-Bereiche. Pflegeanamnese: Aktiv zuhören und beobachten Die Pflegeanamnese bietet eine Möglichkeit, Schwerhörigkeit und hieraus resultierende Kom­ munikationsprobleme frühzeitig zu erkennen. Ein oftmals schwieriges Unterfangen, da hörgeminderte Patienten/Bewohner ihr „Hörproblem“ kaum thematisieren. Es empfiehlt sich, Fragen bezüglich des Hörvermögens erst gegen Ende des Anamneseinterviews einfließen zu lassen. Dieses Vorgehen unterstützt den Aufbau einer Vertrauensbeziehung und erlaubt im Gesprächsverlauf eine eingehende Beobachtung des Befragten hinsichtlich seines Kommunikations- und Interaktionsverhaltens. Anzeichen einer Hörminderung offenbaren sich beispielsweise in häufigem Nachfragen, hoher Konzentration auf Gesicht und Lippen des Gesprächs­ partners, inhaltlichen Missverständnissen, hilfesuchenden Blicken zu Angehörigen oder dem typischen „Aufrichten“ der Ohrmuschel mit Hilfe der Hand. Auch aktives Zuhören kann Hinweise auf eine mögliche oder bereits diagnostizierte Höreinbuße liefern. So erwähnen Patienten/Bewohner beiläufig die nuschelige Aussprache der Enkelin oder das „bewusst“ leise Sprechen der Tochter. Angehörige wiederum beanstanden beispielsweise die erhebliche Lautstärke des Fernsehers oder ein Nichttragen vorhandener Hörgeräte. Auch die Erwähnung einer bereits Jahre zurückliegenden HNO-ärztlichen Untersuchung sollte aufhorchen lassen. Häufig erweist sich die Verlegung des Gehörgangs durch Cerumenpfröpfe als ursächlich für ein „Hörproblem“. Ein weiteres Indiz findet sich in Aussagen zu Arbeitsplatz und Beruf. So sind etwa Straßenbau- und Fabrikarbeiter täglich einem erhöhten Lärmpegel ausgesetzt, in dessen Folge häufig eine Einschränkung des Hörvermögen anzutreffen ist. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) Standardisierte Screeningverfahren Neben Pflege- und Überleitungsberichten, Arztbriefen etc. sind standardisierte Screeningverfahren eine weitere Möglichkeit zur Identifizierung einer vorliegenden Schwerhörigkeit. Hierzu zählen der Flüstertest (nach Macphee, Growther, McAlpine 1988) sowie der Mini-Audio-Test oder MAT (Seite 31). Ein zusätzlicher pflegerelevanter Aspekt findet sich im Ausmaß der durch die Hörstörung hervorgerufen Behinderung auf das soziale und emotionale Leben und Erleben schwerhöriger Menschen. Eine diesbezügliche Einschätzung ermöglicht zum Beispiel das Hearing Handicap Inventory for the Elderly–Screening (HHIE-S) nach Ventry, Weinstein 1982. Alle drei Testverfahren können nach entsprechender Einweisung von Pflegefachkräften durchgeführt werden. Die Pflegeplanung Ergibt sich der Verdacht auf Schwer­hörigkeit, dürfen – nach vorangegangener Instruktion – auch Pflegekräfte den Gehörgang mittels eines Otoskops inspizieren. Dabei lässt sich rasch erkennen, ob beispielsweise der Gehörgang durch Cerumen verlegt ist. In solchen Fällen ist eine HNO-ärztliche Abklärung zeitnah zur pflegefachlichen Befunderhebung zu planen. Sollte darüber hinaus – u. a. im Vorfeld von kognitiven Testungen – die Ausprägung einer Hörminderung verlässlich zu beurteilen sein, kann zusätzlich eine audiome­trische Testung disponiert werden. Beide Maßnahmen bedürfen der Anordnung des behandelnden Arztes. Mit Blick auf hörgeräteversorgte Patienten/Bewohner bildet die Handhabung von Hörgeräten ein Hauptproblem der pflegefachlichen Intervention. Vor allem älteren Schwerhörigen fällt der Umgang mit den oft filigranen Hilfsmitteln schwer. Potenzielle Pflegeprobleme ergeben sich u.a. beim Einsetzen und Herausnehmen der Hörgeräte, beim Batte- riewechsel, dem Beheben von Funktionsstörungen oder in der Pflege dieser Hilfsmittel. Meist geraten auch professionelle Pflegekräfte hier an die Grenzen ihrer Fachlichkeit. Sehr häufig liegen Hörgeräte daher ungenutzt in der Nachtschrankschublade. Nach Einweisung können auch Pflegekräfte Screeningtests durchführen. Hörgeräte richtig handhaben Die Bandbreite der Pflegeziele reicht von der Terminierung der HNO-ärztlichen Untersuchung über die Beratung beim Einlegen der Batterien bis hin zur Anleitung beim Einsetzen oder der Übernahme von Reinigung/Pflege der Hörgeräte. Manche Funktionsstörungen bei Hörgeräten äußern sich durch „nervtötendes“ Pfeifen. Um dieses Geräusch abzustellen, brauchen die Patienten häufig pflegerische Unterstützung (Tab. 1). Wichtig ist auch eine präzise, zeit- und platzsparende Dokumentation der Hörstörung, der Hörgeräteversorgung und ggf. der Ausprägung der Hörminderung. Ist die Diagnose nicht HNO-fachärztlich gesichert, muss der „Verdacht auf Schwerhörigkeit“ dokumentiert werden. In Abstimmung mit dem Patienten sollten auch zeitliche Vorgaben bezüglich der Tragedauer (Benutzung) vorhandener Hörgeräte in die Planung einfließen. Das Tragen eines Hörgerätes darf jedoch nicht erzwungen werden! Eine weitere technische Unterstützung ist die so genannte Conferette. Dieser einfach zu handhabende Kinnbügel-Hörverstärker kann u.a. bei Verständigungsproblemen mit leicht- bis mittelgradig schwerhörigen, nicht mit Hörgeräten versorgten Patienten/Bewohnern eingesetzt werden und sollte in jeder Einrichtung vorgehalten werden. Das Tragen eines Hörgerätes darf nicht erzwungen werden. Ausführung des Maßnahmenplans Eine erfolgreiche Patientenversorgung erfordert das Verständnis lautsprachgebundener Informationen seitens der schwerhörigen Klientel. Lautes Sprechen oder gar Anschreien sind dabei weder wertschät- Tab. 1: Was tun, wenn das Hörgerät (HG) pfeift? Ursache Intervention HG sitzt nicht korrekt im Ohr HG herausnehmen und erneut einsetzten HG befindet sich im „falschen“ Ohr (besonders häufig bei Im-Ohr-Systemen) HG herausnehmen, seitliche Zuordnung kontrollieren (rote Markierung = rechts / blaue Markierung = links), in das „richtige“ Ohr einsetzen Lautstärkeregler zu hoch aufgedreht Lautstärke verringern Lautstärkeregler defekt Akustiker kontaktieren HG sitzt zu locker im Ohr Akustiker kontaktieren Schallschlauch defekt Akustiker kontaktieren Schallschlauch verstopft Schallschlauch reinigen, Funktion testen Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) 39 PflegeKolleg Besser hören TI PP Das Beheben von Funktionsstörungen des Hörgerätes, die Inspektion des Gehörgangs oder der Einsatz der Conferette scheitern im Pflegealltag nicht selten an fehlendem Equipment. Hier kann der „etwas andere Notfallkoffer“ (nach M. Decker-Maruska und A. Reske als „ReDeMa“ bezeichnet) Abhilfe schaffen. Neben Batterien in unterschiedlichen Größen beinhaltet er einen Batterietester, einen Stetoclip zur Funktionstestung von Hörgeräten sowie ein Otoskop zur Inspektion des Gehörgangs. Planen Sie ausreichend Zeit für die Patientengespräche ein. 40 zend noch zielführend und können fremdaggressives Verhalten nach sich ziehen. Auch die Kommunikation mittels der Deutschen Gebärdensprache ist keine Option, da Schwerhörige nur selten über derartige Kenntnisse verfügen. Des Weiteren überschätzen Pflegefachkräfte in der Regel das „von den Lippen lesen“. Beim Mundabsehen – so die korrekte Bezeichnung – versuchen hörbeeinträchtigte Menschen anhand der Mundbewegungen des Gesprächspartners charakteristische Mundbilder für bestimmte Laute und Worte zu erkennen, um die gesprochene Sprache visuell zu dechiffrieren. Diese Methode erfordert eine deutliche Aussprache des Gegenübers. Da nur etwa ein Drittel aller deutschen Sprachlaute absehbar sind, wird Mundabsehen insbesondere für ältere Schwer­hörige zum fehlerträchtigen Großprojekt. Um dennoch den bestmöglichen Kommunikationserfolg zu erzielen, müssen Informationsausfälle mit Hilfe der Hörtaktik, also zusätzlichen Informationsquellen ausgeglichen werden. Dazu zählen neben dem Mundabsehen, Mimik und Gestik sowie die uneingeschränkte Denk-, Kombinations- und Konzentrationsfähigkeit des Betroffenen. Das Prinzip der Hörtaktik ist aber nur dann erfolgversprechend, wenn der guthörende Gesprächspartner bestimmte „Verhaltensregeln“ beachtet. Dazu gehören: —Langsam und deutlich sprechen, nicht überartikulieren —In angemessener Lautstärke reden, nicht schreien —Blickkontakt herstellen und halten —Mimik, Gestik und Körpersprache bewusst einsetzen —Gesprächsthema benennen und einen Themenwechsel ankündigen —Auf gute Lichtverhältnisse und eine korrekte Positionierung des Gesprächspartners achten —Störgeräusche ausschalten —Mit Verständnisfehlern rechnen —Grammatikalisch korrektes Deutsch benutzten Fazit für die Pflege — Hörstörungen erschweren die Kommunikation mit dem Patienten erheblich und können so die Pflegebeziehung und den Pflegeprozess beeinträchtigen. Sie sollten daher schon bei der Pflegeanamnese systematisch erfasst werden. — Für einen bestmöglichen Kommunikationserfolg müssen Schwerhörige Informationsausfälle mit Hilfe zusätzlicher Informationsquellen (Hörtaktik) ausgleichen. — Pflegekräfte unterstützen diesen Prozess, indem sie wichtige Verhaltensregeln berücksichtigen. —Offene Fragen stellen (Wer? Wie? Wo?), geschlossene vermeiden. Ja/Nein-Antworten garantieren nicht zwingend ein inhaltliches Verständnis. —Fremdworte, komplizierte Fachbegriffe und Schachtelsätze vermeiden —Räumlich Nähe und Distanz beachten (optimale Entfernung 0,5 bis 1 Meter) —Eine mögliche Sehbehinderung berücksichtigen und ausgleichen —Geduld und Verständnis zeigen, auch wenn Sie das Gesagte mehrfach wiederholen müssen —Ausreichend Zeit für ein Gespräch einplanen —Wichtige Informationen ggf. für den Patienten aufschreiben. Achtung: Auch wenn der Patient bereits mit einem Hörgerät versorgt ist, sind diese Verhaltensregeln einzuhalten. Denn: Hörgeräte sind keine „Verstehgeräte“! Die Evaluation Die kontinuierliche Auswertung der Interventionsresultate hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Zielerreichung charakterisiert den zumeist letzten Schritt des Pflegeprozesses, die Evaluation. Hier ist beispielsweise zu eruieren, ob die Cerumenentfernung zum festgesetzten Zeitpunkt durchgeführt wurde und zum erhofften Erfolg führte. Ist dies nicht oder nur teilweise der Fall, muss ein Re-Assessment erfolgen. Mechthild Decker-Maruska Krankenschwester Case Managerin DGCC/FHM Pflegetrainerin Krankenhaus Plettenberg gGmbH Ernst-Moritz-Arndt-Straße 17 58840 Plettenberg [email protected] Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) R TB 1. Weshalb wird Schwerhörigkeit nicht selten mit einer Demenz verwechselt? A Schwerhörige Menschen weisen deutliche kognitive Einbußen auf. B Eine Verwechslung ist ausgeschlossen. C Aufgrund eines oft identischen, befremdlich anmutenden Interaktionsverhaltens auditiv und kognitiv leistungsgeminderter Menschen. 2. Welches Screeningverfahren eignet sich im Pflegealltag zur Feststellung von Hörstörungen? A Es gibt keine geeigneten Screeningverfahren. B Der Mini-Audio-Test (MAT). C Knistern und Rascheln. 3. Wann sollten Sie im Rahmen der Pflegeanamnese Fragen zum Hörvermögen stellen? A Gleich zu Beginn des Anamnesegesprächs. B Fragen zum Hörvermögen sind nicht notwendig. C Gegen Ende des Gesprächs, um erst das Kommunikationsverhalten des Patienten zu beobachten. 4. Womit können Pflegekräfte die Hörtaktik schwerhöriger Menschen unterstützen? AÜberartikulation. B Eingeschränkte Gestik und Mimik. C Ausschaltung von Störgeräuschen. 5. A B C Was erschwert das Erkennen von Hörstörungen? Akutes Auftreten. Chronisch progrediente Verläufe. Hörstörungen lassen sich immer zeitnah und eindeutig erkennen. Name, Vorname Straße ILDU 6. Welcher Anteil der Senioren im Alter zwischen 71 und 80 Jahren ist von einer relevanten Schwerhörigkeit betroffen? A88% B50% C98% 7. Welche Strategie gilt für die Hörgeräteversorgung von Menschen mit Presbyacusis? A Der Einsatz von Hörgeräten sollte so lange wie möglich hinausgezögert werden. B Hörgeräte sollten möglichst früh eingesetzt werden. C Hörgeräte kommen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. 8. Wann ist bei einem Hörsturz zunächst Abwarten erlaubt? A Bei moderaten Hörverlusten im Tieftonbereich. B Bei größeren Hörverlusten. CImmer. 9. Für die Entstehung eines Hörsturzes gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Welcher zählt nicht dazu? A Als mögliche Ursache gelten vorübergehende Durchblutungsstörungen im Innenohr. B Potenzielle Ursache sind Infektionen mit neurotropen Viren. C Als Ursache gilt ein Knalltrauma. 10. Was versteht man unter einem Hörfilter? A Funktionssysteme, die gewohnte oder nicht notwendige Geräusche unterdrücken und ablenken. B Ein technisches System zur Abschwächung externer Geräusche. C Funktionssysteme, die wichtige Geräusche verstärken. ☐ Ich bin Abonnent/in von HEILBERUFE und möchte gegen Gebühr (5 €/pro Zertifikat) postalisch teilnehmen. ☐ Ich habe kein HEILBERUFE Abo und möchte gegen Gebühr (7,50 €/ pro Zertifikat) postalisch teilnehmen. G FO (Es ist jeweils nur eine Antwort richtig.) 3 Punkte E ZE IFIZIE RT Besser hören RT N PflegeKolleg Fragebogen Fernfortbildung zum Mitmachen Mit dem HEILBERUFE PflegeKolleg können sich alle Pflegekräfte unkompliziert fortbilden. Wenn Sie 9 der 10 Fragen richtig beantworten, erhalten Sie ein anerkanntes Zertifikat, das Ihnen 3 Punkte im Rahmen der Registrierung beruflich Pflegender (RbP – www.regbp.de) beim Deutschen Pflegerat (DPR) sichert. So nehmen Sie teil Am einfachsten füllen Sie den Fragebogen unter www.heilberufe.de online aus. Unmittelbar nach der Teilnahme erfahren Sie, ob Sie bestanden haben und können sich Ihr Zertifikat gleich ausdrucken. Per Post senden Sie den Fragebogen an: Springer Medizin Redaktion HEILBERUFE Heidelberger Platz 3 14197 Berlin (Fax: 030 82787 5505) Die Online-Teilnahme ist für Abonnenten der Zeitschrift HEILBERUFE kostenlos; von NichtAbonnenten sowie bei postalischer Einsendung wird eine Bearbeitungsgebühr erhoben. Teilnahmeschluss ist der 29.02.2016 PLZ/Ort E-Mail Heilberufe / Das Pflegemagazin 2015; 67 (10) Datum/Unterschrift 41