173. Sitzung - beim Kanton Aargau

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Art. 1897-1898
22. Oktober 1996
173. Sitzung
22. Oktober 1996, 09.30 Uhr
Vorsitzender:
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos
Protokollführer:
lic. iur. Urs Meier, Staatsschreiber-Stellvertreter
Tonaufnahme/Redaktion:
Norbert Schüler
Präsenz:
Anwesend 184 Mitglieder
(Art. 1897-1907)
Abwesend mit Entschuldigung 14 Mitglieder, ohne Entschuldigung 1 Mitglied
Entschuldigt abwesend: Margrit Bötschi, Brugg; Martin Brauen, Lenzburg; Josef Bürge,
Baden; Stefan Ehrismann, Windisch; Hansruedi Hess, Obersiggenthal; Christine KaderliSchweitzer, Nussbaumen; Daniel Knecht, Windisch; Monika Kuhn, Wohlen; Jakob
Peterhans, Sins; Erika Rey-Rahm, Untersiggenthal; Mario Stecher, Reinach; Thomas Stübi,
Dietwil; Rudolf Wassmer, Suhr; Helga Wieser, Aarau
Unentschuldigt abwesend: Martin Sacher, Schinznach-Dorf
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie ganz herzlich
173. Ratssitzung der laufenden Legislaturperiode.
zur
3. Kantonsschule Zofingen; Jahresbericht 1995/96
4. Höhere Pädagogische Lehranstalt; Jahresbericht 1995/96
5. Kantonales Seminar Brugg; Jahresbericht 1995/96
1897 Mitteilungen
6. Kantonale Schule für Berufsbildung; Jahresbericht
1995/96
Vorsitzender: Die Aargauische Kantonalbank teilt uns mit,
dass der Bankrat an seiner Sitzung vom 22. September 1996
Herrn Rudolf Hochreutener, der bis anhin als Stabschef der
AKB fungiert hat, als Direktor und Mitglied der
Geschäftsleitung gewählt hat. Herr Hochreutener, übrigens
der Bruder von Nationalrat Norbert Hochreutener, ist
Fürsprecher, Notar und Handelsrichter. Die Aargauische
Kantonalbank teilt mit Schreiben vom 17. Oktober 1996
mit, dass der Bankrat an seiner Sitzung vom gleichen Tag
den Sprechenden, Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, zum
Vizepräsidenten des Bankrates für den Rest der
Legislaturperiode 1993/97 gewählt hat. Für die
interparlamentarische Konferenz der Nordwestschweiz, die
am 25. Oktober 1996 eine Informationstagung zur Thematik
Politik und Wirtschaft durchführt, haben sich sehr wenige
aargauische Parlamentarier angemeldet. Wenn Sie das noch
nachholen möchten, können Sie das beim Ratssekretär tun.
Er wird dann unsere Anmeldung an Herrn Landschreiber
Mundschin vom Kanton Basel Land weiterleiten. Ich habe
einem Kamerateam des Tele M1 gemäss § 4 lit. k GO die
Bewilligung erteilt, Filmaufnahmen im Verlaufe des
Vormittags für eine Berichterstattung über das Geschäft
Leitbild Schule Aargau zu machen.
7. Höhere Fachschule für den Sozialbereich; Jahresbericht
1995/96
Regierungsrätliche Vernehmlassungen an Bundesbehörden:
Vom 18. September 1996 an das Eidg. Militärdepartement
betreffend Entwurf zum Bundesgesetz über die
Unternehmen der Gruppe Rüstung (BURG)
14. Gemeinde Villigen; Teiländerung Bauzonenplan und
Bauordnung "PSI". Vorlage des Regierungsrates vom
25. September 1996.
1898 Neueingänge
1. Neue Kantonsschule Aarau; Jahresbericht 1995/96
2. Kantonsschule Baden; Jahresbericht 1995/96
8. Maturitätsschule für Erwachsene; Jahresbericht 1995/96
9. Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule Aargau;
Jahresbericht 1995/96
10. Dekret zur Vorbereitung des neuen Lohnsystems
(Lohndekret). Vorlage des Regierungsrates vom 4.
September 1996. - Geht an die Staatsrechnungskommission.
11. Gemeinde Muhen; Änderungen Bauzonen- und
Kulturlandplan
("Schlüssel",
"Cholschwerzi"
und
Empfindlichkeitsstufen), Bauordnungsänderungen (Art. 32,
49 und 59). Vorlage des Regierungsrates vom 25.
September 1996.
12. Gemeinde Othmarsingen; Teiländerung Bauzonen- und
Kulturlandplan, Bau- und Nutzungsordnung. Vorlage des
Regierungsrates vom 25. September 1996.
13. Gemeinde Seon; Kulturlandplan, Nutzungsordnung,
Änderungen des Bauzonenplanes und der Bauordnung.
Vorlage des Regierungsrates vom 25. September 1996.
15. Änderung des Dekrets über die Organisation der
Höheren Fachschule im Sozialbereich Aargau vom 4. Januar
1994, des Dekrets über die Organisation der
Schweizerischen Bauschule Aarau (SBA) in Unterentfelden
vom 16. Dezember 1986 sowie des Dekrets über die
Technikerschule Unterentfelden vom 16. Dezember 1986.
Vorlage des Regierungsrates vom 25. September 1996. Geht an die Kommission für kantonale Schulen.
397
22. Oktober 1996
16. Voranschlag 1997. Vorlage des Regierungsrates vom 25.
September 1996. - Geht an die Staatsrechnungskommission.
17. Gemeinde Gebenstorf; Bauzonenplan-, Kulturlandplan-,
Bau- und Nutzungsordnungsänderungen "Geelig" und
"Empfindlichkeitsstufen". Vorlage des Regierungsrates vom
16. Oktober 1996.
18. Invasive Kardiologie und Herzchirurgie; Sicherstellung
der Versorgung für Aargauer Patientinnen und Patienten;
Zwischenbericht zum Spitalabkommen mit dem Kanton
Basel-Stadt und dem Vertrag mit der Klinik im Schachen
Aarau. Vorlage des Regierungsrates vom 16. Oktober 1996.
- Geht an die Gesundheitskommission.
Die Vorlagen Ziffern 1 - 9 gehen an die Kommission für
kantonale Schulen.
Die Vorlagen Ziffern 11 - 14 und 17 gehen an die Bau- und
Planungskommission.
1899 Motion der SP-Fraktion betreffend Änderung des
Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe vom 2. März
1982; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgende Motion eingereicht:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, in das Gesetz über die
öffentliche
Sozialhilfe
Integrationsmassnahmen
aufzunehmen, die zum Ziel haben, die wirtschaftliche,
berufliche
und
soziale
Eingliederung
von
sozialhilfebedürftigen Personen auf der Grundlage von
individuellen Leistungs- und Gegenleistungsverträgen zu
fördern. Als Integrationsmassnahmen sind insbesondere
Arbeitsangebote, Schulungs- und Weiterbildungsangebote
und deren Finanzierung, Stellenvermittlung und Einsätze in
gemeinnützigen Arbeitsprogrammen vorzusehen.
Begründung:
Das Sozialhilfegesetz, vom 2. März 1982, des Kantons
Aargau hält als Hauptziel der Sozialhilfe das Verhüten und
Beheben von Notlagen wie auch die Stärkung der
Eigenverantwortung und der Selbständigkeit der
hilfesuchenden Personen fest. Mit dieser Formulierung sagt
es klar aus, dass eine soziale Existenzsicherung über die
Ausrichtung von materieller Hilfe hinausgeht und das
Erhalten und Fördern der sozialen Integration bedeutet.
Bis zum heutigen Zeitpunkt wurde und wird das Erreichen
dieser Ziele durch die individuelle Beratung und Begleitung
der Hilfesuchenden sowie die Vermittlung von
Dienstleistungen und materieller Hilfe verfolgt. Heute und
vor allem künftig steht die Sozialhilfe anderen
Anforderungen
gegenüber.
Die
wirtschaftlichen
Strukturveränderungen, gepaart mit der anhaltenden
Rezession, haben von der früheren Vollbeschäftigung zu
einer beträchtlichen Arbeitslosigkeit geführt. Dabei bereitet
der hohe Anteil an über längere Zeit erwerbslosen Personen
besondere Probleme. Der Arbeitsmarkt spielt für einen noch
kleinen, aber sichtlich wachsenden Teil der Bevölkerung
keine soziale integrative Rolle mehr. Diese Entwicklung
trifft heute nicht nur weniger qualifizierte oder
leistungsschwache Personen sondern zunehmend auch zum
Mittelstand zugehörige Menschen, welche sich zunächst
398
Art. 1899-1900
vom Arbeitsleben, dann vom Arbeitsmarkt und schliesslich
von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der
Gesellschaft weitgehend ausgeschlossen sehen.
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass der Mensch
Verantwortung übernimmt und stets Leistungen im Rahmen
einer sozialen Stellung innerhalb der Gemeinschaft
erbringen will. Ist dieses grundsätzliche Bedürfnis durch die
aufgeführte Entwicklung nicht mehr möglich droht für die
Betroffenen der Verlust der Zugehörigkeit zur Gesellschaft,
des Selbstbewusstseins und des Austausches mit den
übrigen Mitgliedern der Gesellschaft.
Um diesem sozialen Ausschlussprozess zu begegnen, muss
die Sozialhilfe, als unterstes Netz im System,
kompensierende Angebote zum sich verengenden
Arbeitsmarkt bereitstellen. Die materielle Grundsicherung,
die Beratung im Einzelfall und finanzielle Integrationshilfen
sind mit eigentlichen Sozialen Intergrationsprogrammen auf
der Basis von Leistungs- und Gegenleistungsverträgen zu
verbinden.
Aus ausgeführten Gründen vertreten wir klar die Meinung,
dass auch der Kanton Aargau, wie bereits viele andere
Kantone, gefordert ist solche Integrationsprogramme, in
Form von Arbeitsangeboten im gemeinnnützigen Bereich,
Schulungs- und Weiterbildungsangebote und - Finanzierung
und Stellenvermittlung, gesetzlich zu verankern, die den
Betroffenen die Möglichkeit geben, wieder Anerkennung für
eigene Leistung zu ernten, Geld zu verdienen, Schulungsoder Weiterbildungskurse zu besuchen und Arbeitsplätze
vermittelt zu erhalten. Die Leistungen der hilfesuchenden
Personen sollen dabei einen geldwerten Charakter besitzen
und
dürfen
nicht
einfach
symbolischer
oder
ergotherapeutischer Natur sein, und die Gegenleistung soll
in einem wirtschaftlichen Verhältnis zu den erbrachten
Leistungen stehen, muss also als Entschädigung oder als
Lohn verstanden werden. Nebst den positiven
Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und die soziale
Integration der Betroffenen muss auch die Tatsache eines
grossen rechtlichen Unterschiedes beachtet werden, ob die
hilfesuchende Person Unterstützungsgelder ohne, oder aber
durch Gegenleistungen für die Allgemeinheit beansprucht.
Die Schaffung beschriebener Integrationsprogramme stellt
für uns nicht nur die dringend notwendige Reaktion auf die
Situation der Betroffenen, sondern auch die künftig
notwendige Effizienzsteigerung der Sozialhilfe in der Praxis
dar. Gesuchszahlen, Arbeitsvolumen und Leistungskosten
haben stark zugenommen und werden weiterhin stark
zunehmen. Eine effiziente Sozialhilfe, mittels individueller
Beratung und Begleitung sowie Ausrichtung materieller
Hilfe, wird ohne zusätzliche Personalausgaben in Zukunft
nicht mehr zu bewältigen sein. Das Kosten-Nutzenverhältnis
wird sich dabei nur durch eine gewisse Standartisierung, wie
beispielsweise eine gruppenweise Beratung im Rahmen von
Integrationsprogrammen, optimieren lassen.
1900 Interpellation Urs Hümbeli, Hägglingen, betreffend
Kollektivversicherung
von
AsylbewerberInnen;
Einreichung und schriftliche Begründung
Art. 1897-1898
22. Oktober 1996
Von Urs Hümbeli, Hägglingen, und 9 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Die Regierungsrätin wird gebeten, folgende Fragen zu
beantworten:
und die Leistungen kommen vor allem im Familienbereich
auch vorwiegend Frauen zugute.
1. Bei welcher Krankenkasse haben Sie für die dem
Kanton Aargau zugewiesenen Asylbewerberinnen und
-bewerber eine Kollektivversicherung abgeschlossen?
In der Stadt Zürich wurden die Tarife für Kinderhorte und
Tagesschulen
massiv
erhöht,
so
dass
diese
Betreuungsinstitutionen einen Einbruch verzeichneten, weil
die Kosten für die Eltern nicht mehr tragbar sind. Ferner
zeigt die Studie, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der
Frauen in der Krise stark gesunken ist, jene der Männer aber
gestiegen, wodurch Frauen eher unterstützungsbedürftig
werden. Die Beispiele können beliebig fortgesetzt werden.
2. Sind Sie sich bewusst, dass die entsprechende
Krankenkasse von jenen Personen überdurchschnittlich
beansprucht wird, da erwiesenermassen leider heute der
überwiegende Anteil der erwähnten Personen in schlechtem
Gesundheitszustand einreist und sich somit als erstes einer
längeren ärztlichen Behandlung unterziehen muss?
Begründung:
In der Kurzfassung der Studie wird auch behauptet, dass die
Herabsetzung
der
Fürsorgeleistungen
aufs
betreibungsrechtliche Minimum im Kanton Aargau
alleinerziehende Mütter doppelt trifft, weil die Beiträge für
die Kinder am massivsten gekürzt wurden. Deshalb wird der
Regierungsrat gebeten, die Auswirkungen der Herabsetzung
aufzuzeigen und sich wieder einmal Gedanken darüber zu
machen, ob es sinnvoll ist, an den Ärmsten zu sparen.
Anlässlich der Grossratssitzung vom 10. September 1996
habe ich Sie gebeten, unserer Fraktion mitzuteilen, bei
welcher Krankenkasse die Kollektivversicherung für die
dem Kanton Aargau zugewiesenen AsylbewerberInnen
abgeschlossen worden ist. Sie sind uns die Antwort schuldig
geblieben.
1902 Interpellation Barbara Kunz-Egloff, Brittnau,
betreffend Ferienaktion der Pro Juventute auf dem
Waffenplatz Brugg; Einreichung und schriftliche
Begründung
3. Was
haben
Sie
mit
der
entsprechenden
Krankenkassendirektion vereinbart, damit die übrigen
Versicherungsnehmerinnen und -nehmer durch die in
Absatz 2 erwähnten Fakten nicht überdurchschnittliche
Prämienaufschläge zu gewärtigen haben?
1901 Interpellation Margrit Kuhn, Wohlen, betreffend
Auswirkungen der Herabsetzung der Fürsorgeleistungen
auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Margrit Kuhn, Wohlen, und 25 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Die Interpellantin bittet den Regierungsrat um folgende
Auskünfte:
1. Ist es zutreffend, dass vor allem alleinerziehende Frauen
mit Kindern von der Herabsetzung der Fürsorgeleistungen
auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum betroffen
sind?
2. Um welchen Betrag wurden durchschnittlich die
Leistungen für diese Frauen und Kinder gekürzt?
3. Mit welchen monatlichen Leistungen müssen diese
Frauen und Kinder durchschnittlich auskommen?
Begründung:
Im Auftrag des VPOD und der Schweizerischen Konferenz
der Gleichstellungsbeauftragten ist eine wissenschaftliche
Studie erarbeitet worden, die aufzeigt, dass sich die
Sparmassnahmen der öffentlichen Hand in der Sparperiode
1991-1994 auf Frauen stärker auswirken als auf Männer.
Einige Beispiele sollen dies illustrieren: Im Sanierungspaket
des Kantons Aargau von 1994 wurden die Beiträge für die
Familien- und Aidsberatungsstellen gekürzt und somit die
Subventionen gemäss Sozialhilfegesetz um rund Fr. 50'000.- reduziert. In diesen Bereichen arbeiten vorwiegend Frauen,
398
Von
Barbara
Kunz-Egloff,
Brittnau,
und
33
mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Der Regierungsrat wird gebeten, folgende Fragen zu
beantworten:
1. Erachtet es der Regierungsrat als sinnvoll, im Rahmen
einer Ferienaktion der Pro Juventute Kinder auf einem
Waffenplatz der Schweizer Armee zu empfangen und ihnen
auf diese Weise Einblick in den militärischen Alltag zu
geben?
2. Macht es nach Ansicht der Regierung Sinn, Kinder im
Primarschulalter in die "Schnupperlehre" bei einer
Genietruppe zu schicken, sie mit Militäruniformen
einzukleiden, mit ihnen das Marschieren im Schritt und das
Kommandieren zu üben und sie über die Kampfbahn
"spurten" zu lassen?
3. Ist der Regierungsrat nicht auch der Meinung, dass mit
dem entsprechenden Angebot und dem organisierten
Zusammentreffen zwischen Kindern und bewaffneten
Militärs die Konfliktlösung durch Gewalt und
Abschreckung verharmlost wird?
4. Entspricht ein derartiger Besuchstag nach Ansicht der
Regierung dem Ziel der "Erziehung zum Frieden"?
5. Sieht das Ausbildungsprogramm der Rekrutenschule
solche "Plauschtage" vor und werden die Rekruten darauf
speziell vorbereitet?
6. Befürchtet der Regierungsrat nicht auch, dass diese
Vergnügungs-Aktion für all jene Menschen, die Krieg
wirklich erlebt haben, für Kinder und Erwachsene aus ExJugoslawien beispielsweise, eine tiefe Beleidigung und
Verletzung ist?
22. Oktober 1996
Art. 1899-1900
7. Ist der Regierungsrat bereit, sich bei den zuständigen
Verantwortlichen des Waffenplatzes Brugg dafür
einzusetzen, dass derartige Ferienaktionen nicht wiederholt
werden?
Begründung:
5. Mit welchen Massnahmen gedenkt der Regierungsrat die
Entwicklungen im Bereich der Prämien für die
obligatorische Krankenpflegeversicherung zu beeinflussen?
Wie den Medien zu entnehmen war, haben im Rahmen einer
Herbstferien-Aktion der Pro Juventute etwa 45 Kinder im
Primarschulalter aus dem Bezirk Brugg der Genie RS 256
einen Besuch abgestattet. Auf dem Uebungsgelände des
Waffenplatzes Brugg wurden die Kinder aktiv in die Arbeit
der Rekruten integriert. Sie durften Militärkleider anziehen,
Gruppenführer und -führerinnen spielen und wie echt
kommandieren. Ebenso gehörte ein Rundgang durch das
Kasernenareal, eine Fahrt im Armee-Lastwagen oder eine
Aarefahrt im Gummiboot zu diesem "Plausch-nachmittag".
Ausser acht blieb dabei die ganze Problematik von Waffen,
Gewalt und kriegerischer Konfliktlösung. Ganz abgesehen
davon, dass eine solche Freizeitbeschäftigung keineswegs
kindergerecht ist, erfordert diese sehr ernsthafte Thematik
einen
sorgfältigen
Umgang und
eine
vertiefte
Auseinandersetzung. Keinesfalls dürfen militärische
Handlungen verharmlost oder gar verniedlicht werden. Da
sich mittlerweile der stellvertretende Zentralsekretär der
Stiftung Pro Juventute, Walter Fritschi, von dieser Aktion
distanziert und diese als "nicht empfehlenswert" taxiert hat,
ist auch der Regierungsrat des Kantons Aargau zu einer
Stellungnahme aufgefordert.
6. Ist der Regierungsrat bereit, die vor Jahresfrist
festgelegten Richtprämien, die zur Definition der
Anspruchsberechtigung zur Prämienverbilligung für 1997
massgebend sind, der aktuellen Situation anzupassen?
1904 Interpellation Dr. Dragan Najman, Baden,
betreffend Reparaturarbeiten an der Hochbrücke Baden;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Dr. Dragan Najman,
Interpellation eingereicht:
Baden,
wird
folgende
Knapp vier Jahre nach Eröffnung der mit abgeänderten
Spuren und mit komplett neuem Belag versehenen
Hochbrücke in Baden traten erste Schäden auf, die innert
Jahresfrist so gravierend wurden, dass der Belag erneuert
werden musste. Ich erlaube mir deshalb, folgende Fragen an
den Regierungsrat zu stellen:
1. Wer trägt die Schuld an dieser Pfuscharbeit?
1903 Interpellation
Judith
Meier,
Schneisingen,
betreffend Prämienentwicklung im Bereich der
obligatorischen
Krankenpflegeversicherung;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von
Judith
Meier,
Schneisingen,
und
21
mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die
Prämien
für
die
obligatorische
Krankenpflegeversicherung werden im Kanton Aargau für
das Jahr 1997 um durchschnittlich 13.5% gegenüber 1996
ansteigen. Aufgrund dieser unerwarteten Entwicklung bitte
ich den Regierungsrat, die nachfolgenden Fragen zu
beantworten:
1. Wie viele der anspruchsberechtigten Personen im
Kanton Aargau haben 1996 ein Gesuch zur
Prämienverbilligung eingereicht?
2. Wie hoch war der Betrag, den der Kanton Aargau zur
Prämienverbilligung für das Jahr 1996 vom Bund geltend
gemacht hat?
3. Wie hoch war die finanzielle Beteiligung des Kantons
Aargau an der Prämienverbilligung für das Jahr 1996?
4. Wie hoch wird der vom Bund zur Verfügung gestellte
Betrag für das Jahr 1997 sein, nachdem nun zur Berechnung
des Bundesbeitrages auch der Prämienindex der einzelnen
Kantone berücksichtigt wird. Welchen Prozentsatz wird der
Regierungrat gemäss § 66, Absatz 5, KVG vom 18. März
1994 beim Bund geltend machen?
2. Ist der Regierungsrat bereit, den oder die Namen der
Schuldigen bekannt zu geben?
3. Wie verhält es sich mit der Garantiezeit? Fängt diese für
die reparierten Teile neu an oder läuft die alte weiter?
4. Hat der Regierungsrat eine Erklärung dafür, wieso im
Baugewerbe heute vielfach bedeutend schlechter gearbeitet
wird als früher (defekte Strassen, Brücken, Flachdächer
usw.), während sonst die Technik fast überall riesige
Fortschritte macht?
Begründung:
Die alte Hochbrücke in Baden hat über 60 Jahre einwandfrei
gehalten
(selbstverständlich
waren
gelegentliche
Belagsarbeiten nötig). Man sollte meinen, dass mit der heute
bedeutend moderneren und fast überall besseren Technik
auch im Baugewerbe eher besser als früher gearbeitet
werden sollte. Offenbar ist aber gerade das Gegenteil der
Fall. Zu Zeiten der Hochkonjunktur wurde bekanntlich zum
Teil auch schon schlecht gearbeitet. Damals hiess es, dass
man es zum einen nicht nötig hatte, besser zu arbeiten, da
mehr als genug Arbeit beziehungsweise Bauherren
vorhanden waren und zum andern musste - da ja viel gebaut
wurde - alles möglichst rasch gemacht werden. Heute sollte
also eher das Gegenteil der Fall sein, nämlich bei
mangelnder Bautätigkeit sollte man zum einen mehr Zeit für
gute Arbeit haben und gleichzeitig zu den wenigen
Auftraggebern mehr Sorge tragen. Oder sagt man sich heute
im Baugewerbe, wenn die Neubauten fehlen, muss man sich
halt mit Reparaturen sanieren nach dem Motto: "Meister, die
Arbeit ist getan, soll ich sie gleich flicken?".
1905 Zur Traktandenliste
398
Art. 1901-1902
22. Oktober 1996
Vorsitzender: Wir müssen Traktandum 2 auf den
Nachmittag verschieben, weil Frau Susanne WeiersmüllerScheuzger unserer Sitzung erst am Nachmittag beiwohnen
kann. Gibt es Wortmeldungen zur Traktandenliste? Das ist
nicht der Fall. Sie sind somit stillschweigend darauf
eingetreten.
1906 Antrag Dr. Dragan Najman, Baden, auf
Direktbeschluss vom 17. September 1996 betreffend
Einreichung einer Standesinitiative zur Einstellung der
finanziellen und wirtschaftlichen Hilfe an die
Bundesrepublik Jugoslawien; Ablehnung
Walter Lienhard, Buchs: Durch den Bürgerkrieg in
Jugoslawien mussten wir Tausende von Menschen
aufnehmen und Millionen von Franken opfern, und das in
einer Zeit, wo selbst bei uns durch die Finanzmisere
zunehmend eigene Landsleute in Not geraten und geraten
werden. Leider habe ich von diesen Jugoslawen noch nie ein
Dankeschön gelesen oder gehört. Das wäre ja das Wenigste,
was wir erwartet hätten. Im Grunde genommen hätten wir
nach dem Buchstaben des Asylrechts niemanden aufnehmen
müssen, denn bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen
sind selbstverschuldet und geben keine Gewähr für Asyl.
Wir haben genug humanitäre Hilfe geleistet und geopfert.
Jetzt ist es an der Zeit, dass diese Herren den
selbstangerichteten Schaden zugunsten eines friedlichen
Nebeneinanders durch eigene Opfer beheben. Jetzt brauchen
wir das Geld für die eigenen Landsleute, die in Not geraten
sind, alles andere ist übertriebenes humanitäres Erbarmen.
(vgl. Art. 1852 hievor)
Dr. Dragan Najman, Baden: Ich habe der Begründung, die
Ihnen schriftlich vorliegt, nicht viel beizufügen. Ich bin der
Meinung, dass ein Staat, der Menschenrechte verletzt,
indem er seine eigenen Staatsbürger aus anderen Ländern
nicht zurücknehmen will, selbst wenn es sich um
Delinquenten handelt, keinen Anspruch auf finanzielle
Unterstützung haben darf. Es sollte eine Kommission erstellt
werden, die diesen Antrag ausformuliert, damit man ihn
beim Bundesrat einreichen kann. Ich bitte Sie um
Zustimmung.
Thomas Bretscher, Zeiningen: Das Positive an diesem
Antrag ist, dass Herr Dr. Najman feststellt: "Völker- und
Menschenrecht wird mir Füssen getreten". Das finden wir
toll. Dann zieht er eine richtige Schlussfolgerung:
Finanzielle, materielle und wirtschaftliche Hilfe an die
Bundesrepublik Jugoslawien soll man einstellen. Für uns ist
die Schlussfolgerung falsch, dass es bedeutet,
Menschenrechte
zu beachten, wenn Jugoslawien
abgewiesene
Asylbewerber
oder
Personen
mit
Landesverweis
wieder
aufnimmt.
Die
richtige
Schlussfolgerung für uns ist es, die wirtschaftlichen
Beziehungen zu überdenken, die humanitäre Hilfe aber nicht
einzustellen, sondern gezielt bei den Leuten einzusetzen,
denen es wirklich schlecht geht. Solche Leute gibt es in ExJugoslawien noch sehr viele.
Patrizia Bertschi-Hitz, Ennetbaden: Ich kann mich Herrn
Bretscher nur anschliessen, möchte aber noch einige Zahlen
nennen: Die Schweizerische Flüchtlingshilfe war anfangs
Januar in
Kosova und hat dort
zunehmend
Menschenrechtsverletzungen festgestellt, die ich hier
aufzählen möchte. Es handelt sich natürlich nur um die
festgestellten Menschenrechtsverletzungen, die Dunkelziffer
ist viel grösser: Ermordungen durch Erschiessen 11,
Ermordungen durch Folter 6, Selbstmorde im Anschluss an
Folter 1, Schwerverletzte durch Folter 11, physische
Misshandlungen 2'157, davon Frauen 22, davon Kinder 28,
Hausdurchsuchungen
3'553,
Misshandlungen
und
Verhaftungen unter dem Vorwand der Waffensuche 6'394,
willkürliche Festnahmen 2'963, davon Frauen 7, davon
Kinder 3, Polizeivorladungen zu Verhören 2'729,
Verurteilungen
aus
politischen
Gründen
90,
Untersuchungshäftlinge 490, Verhaftungen, Verurteilungen,
Fahndungen wegen Desertion oder Refraktion 685,
Festnahmen anstelle eines Familienmitglieds 62, davon
Frauen 10, davon Kinder 5, Wohnungsbeschlagnahmungen
84, Passbeschlagnahmungen 127, das in der ersten Hälfte
von 1994. Auf diese Zahlen hin - dahinter stecken ja
Menschen - ist das Ansinnen der Standesinitiative
beschämend.
Karl Gmür, Buttwil: Ich bitte Sie im Namen der CVP, den
Antrag auf Direktbeschluss abzulehnen. Die Kriegstreiber
im Regime von Ex-Jugoslawien sind noch an der Macht. Es
gibt und gab vor, während und nach dem Krieg
multiethnische, demokratische und friedensfördernde
Organisationen im Land. Ich erinnere an die Aufgaben
unseres Staates, daran, dass unser Staat der OSZE vorsitzt.
Für diese politischen Aktionen hat der Bund 22 Mio.
Franken zur Verfügung, weitere 30 Mio. Franken sind für
den Wiederaufbau in Bosnien geplant. Mit diesen Projekten
und dem Katastrophenhilfekorps übernahm die Schweiz
sogar internationale Vorbildfunktion. Grundsätzlich räumte
der Bundesrat der Hilfe vor Ort gegenüber einer Aufnahme
von Flüchtlingen Priorität ein. Eine bedeutende Aufgabe
fällt den nichtstaatlichen Organisationen zu. Ich bin
Mitglied eines Komitees, das "Gemeinde und Gemeinsam
Schweiz" heisst. Diese Organisationen engagieren sich in
Ex-Jugoslawien. Ich finde es falsch, hier den Unmut
gegenüber solchen Aktivitäten auszusprechen. Ich bitte Sie,
diesen Antrag nicht zu unterstützen. Ich bin gerne bereit, die
Initianten dieses Antrags einmal einzuladen. Ich mache mit
meiner Organisation öfters gegenseitig Aufenthalte in ExJugoslawien. Die Initianten können diese Arbeit gern einmal
im Detail anschauen. Vielleicht würde ihnen dann die
Augen aufgehen.
Dr. Dragan Najman, Baden: Sowohl Herr Bretscher als
auch Herr Gmür haben von Ex-Jugoslawien gesprochen. Da
müssen wir einen Unterschied machen, den viele Leute
offenbar nicht kennen. Die Staaten von Ex-Jugoslawien sind
nicht nur die Bundesrepublik Jugoslawien, die aus Serbien
und Montenegro besteht, sondern auch Kroatien, BosnienHerzegowina und Slowenien. Die letztgenannten Staaten
nehmen zurückgewiesene Asylbewerber ohne weiteres
wieder auf, lediglich die Bundesrepublik Jugoslawien wehrt
sich dagegen. Ich haben nie geschrieben, dass die Hilfe der
Hilfswerke nicht in Ordnung ist. Mit dem Passus 2 möchte
ich nur verhindern, dass, falls der Bundesrat tatsächlich
beschliessen sollte, die finanzielle Hilfe an die
Bundesrepublik Jugoslawien einzustellen, die dadurch
freigewordenen Gelder nicht einfach den Hilfswerken zur
Verfügung gestellt werden, die sie dann weiterhin dort
einsetzen können. Letzte Woche haben Sie gehört, dass die
399
22. Oktober 1996
Art. 1903-1905
Bundesrepublik Deutschland mit der Bundesrepublik
Jugoslawien ein Abkommen zur Rückschaffung von 120'000
oder 200'000 Leuten aus Restjugoslawien, also Serbien und
Montenegro abgeschlossen hat, weil die Bundesrepublik
Deutschland ihre finanzielle Hilfe ebenfalls einstellen
wollte, wenn die Bundesrepublik Jugoslawien ihre Leute
nicht mehr zurücknimmt. Das hat prompt funktioniert, denn
Restjugoslawien
kann
auf
finanzielle
Hilfe
aus Westeuropa gar nicht verzichten. Daher bitte ich Sie,
meinem Antrag zuzustimmen.
Entwicklung und das Verhalten der Kinder zugemessen
wird. Deshalb müssen auch wir uns klar sein über den
Stellenwert dieses Leitbildes. Natürlich könnte der Kanton
Aargau mit seinen gut funktionierenden Schulen auch ohne
dieses Leitbild leben. Der Vorteil dieser Art von Leitbild,
und das hat die Vergangenheit deutlich bewiesen, besteht in
der Chance zu einer kohärenten Aargauer Bildungspolitik,
die Übersicht, Zusammenhänge und Vernetzung einzelner
Anliegen aufzuzeigen vermag. Bildungsanliegen haben oft
mit Ansprüchen einzelner Gruppen und Interessen zu tun.
Sie werden das bei der folgenden Beratung unschwer
feststellen. Das Leitbild schränkt diese ein, indem Ziele und
Anliegen
übergreifend
und
vernetzt
formuliert,
grundsätzlich festgelegt werden und anschliessend auch
unparteilich umgesetzt werden sollen. Der weitere Vorteil
des Leitbildes liegt in der dadurch geschaffenen
bildungspolitischen Transparenz. Deshalb ist es hier und
heute in erster Linie unsere Aufgabe, politische Entscheide
zu fällen, ohne jedoch ausser acht zu lassen, dass das Kind
und die Jugendlichen im Zentrum unserer Bestrebungen
stehen müssen. Meiner Meinung nach lassen folgende vier
Punkte diesem Leitbild einen besonderen Stellenwert
zukommen: Das Bewusstsein um die Bedeutung der
Bildungspolitik ist während des Entstehungsprozesses des
Leitbildes im Kanton enorm gewachsen. Der Kanton verfügt
in Zukunft über einen einheitlichen, umfassenden
Bildungsplan als Grundlage für künftige Entwicklungen und
Entscheidungen. Die Aargauer Bildungspolitik verfügt dank
dem Leitbild über eine hohe Transparenz. Die Oberaufsicht
des Grossen Rates ist auch für diese Teilpolitik
sichergestellt. Sie kennen die Vorgeschichte im Detail.
Deshalb hier nur in aller Kürze die wesentlichsten
Eckpunkte: Am Ende der letzten Legislaturperiode, am
16.3.1993 wurde von diesem Rat ein Postulat der GPK
überwiesen, welches eine grundlegende Planung zur
Bildungspolitik im Sinne von KV § 79 zu Handen des
Grossen Rates verlangte. Im Regierungsprogramm 93 -97
hat der Regierungsrat darauf ein Grundsatzpapier über die
regierungsrätliche Bildungspolitik in Aussicht gestellt. Ab
Sommer 93 befassten sich fünf Fachkommissionen mit der
Materie, erarbeitete Materialien, welche in Form einer ersten
Leitbildfassung im Juni 94 in die Vernehmlassung ging.
(Siehe dazu Seite 4 + 5 der Botschaft 7155). Die
Vernehmlassung wurde ausserordentlich rege benutzt. 375
Eingaben unterschiedlichster Natur und Herkunft waren zu
verarbeiten. Im März 95 erschien ein Kurzbericht über die
quantitativen Resultate der Vernehmlassung, welcher bereits
etlichen Staub aufwirbelte und zu einer Interpellation führte
(Seiten 5-8 der Botschaft 7155). In der Folge wurde das
Leitbild neu überarbeitet und zusammen mit dem
detaillierten
Vernehmlassungsbericht
und
der
regierungsrätlichen Botschaft mit Datum vom 13. Dezember
1995 dem Grossen Rat zugestellt. Am 26. Januar 1996
stellte das Erziehungsdepartement das Leitbild anlässlich
einer Medienkonferenz einlässlich vor und der Herr
Erziehungsdirektor informierte an vier Veranstaltungen im
ganzen Kanton über das Leitbild Schule Aargau. Nach der
Wahl der Spezialkommission Leitbild Schule Aargau am
5. März 1996 nahm diese ihre Arbeit umgehend auf. Die
Werner Knörr, Aarau: Ich habe heute morgen in unserer
Fraktion festgestellt, dass die Entwicklung in den
angesprochenen Ländern nachdenklich stimmt. Wir sind
aber dagegen, dass alles, was im In- und Ausland passiert,
mit einer Standesinitiative korrigiert werden soll. Damit
degradieren wir dieses Instrument. Der Aargau soll nicht
Aussenpolitik machen, dies ist Bundesangelegenheit. Darum
soll auf diese Standesinitiative nicht eingetreten werden.
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit, bei 19 befürwortenden Stimmen,
lehnt den Antrag Dr. Najman ab.
1907 Leitbild Schule Aargau; Eintreten und Beginn der
Detailberatung
(Vorlage vom 13. Dezember 1995 des Regierungsrates,
Änderungsanträge vom 19. August 1996 der nichtständigen
Kommission Nr. 18 und Stellungnahme vom 11. September
1996 des Regierungsrates)
Vorsitzender: Wir behandeln das Leitbild als grundlegenden
Plan der staatlichen Tätigkeiten im Sinne von § 79 der
Kantonsverfassung, des seinerzeitigen Postulates der GPK
und eines Beschlusses des Grossen Rates zum
Regierungsprogramm 1993/97. Regierung und vorberatende
Kommission sind sich über die Art der Behandlung und
Beschlussfassung einig. Der Grosse Rat befindet
abschliessend über die Leitsätze. Ich mache auf den
einleitenden Hinweis auf der Synopse der bereinigten
Darstellung aufmerksam. Dieser Hinweis nimmt eine
entscheidende Klarstellung vor. Es heisst hier: "'Was wir
wollen' bzw. 'Was wir nicht wollen' sowie die zugehörigen
Bemerkungen
des
Regierungsrates
dienen
der
Verdeutlichung und werden mit den Leitsätzen publiziert,
sind
aber
nicht
Gegenstand
der
formellen
Beschlussfassung." Abänderungsanträge können also nur zu
den Leitsätzen gestellt werden. Es ergibt sich folgender
Ablauf: Aufgrund eines Nichteintretensantrags der Fraktion
der Grünen ergibt sich eine Eintretensdebatte. Wir werden
anschliessend, wenn wir auf die Leitsätze eintreten, diese
beraten und bereinigen und abschliessend über die
ergänzenden Anträge von Regierung und Kommission
befinden. Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall.
Lieni
Füglistaller,
Rudolfstetten,
Präsident
der
nichtständigen Kommission Nr. 18: Nun liegt Ihnen also das
Leitbild Schule Aargau zur Beratung und Beschlussfassung
vor. Eine intensive und breite Diskussion, schon in
Vorbereitung und Vernehmlassung dieses Leitbildes, zeigte
das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Bildungswesen.
Je kontroverser diese Diskussionen geführt wurden und
werden, desto stärker kommt zum Ausdruck, welch grosse
Wirkung der Politik, der Bildungsverwaltung, den Schulen,
den Lehrpersonen und den Inhalten auf das Lernen, die
400
Art. 1906
Kommissionsarbeit im Rückblick: Am 22.3.1996 hat die
Kommission mit der Arbeit begonnen und diese am
19. August 1996, also nach rund fünf Monaten
abgeschlossen. An 6 Halbtags- und 3 ganztägigen
Sitzungen, davon anderthalb Tage Hearings, haben wir den
regierungsrätlichen Entwurf eingehend beraten. Die Arbeit
der Kommission ist in rund 80 Seiten protokollarisch
war im wesentlichen begründet durch mehrheitliche Zweifel,
ob über die 11 Leitsätze Einfluss auf die in über 30 Seiten
dargestellten Massnahmen genommen werden könne. Eine
Mehrheit sah vorerst keine Möglichkeit, mit der
regierungsrätlichen Vorlage die im Postulat der GPK
geforderte Führung des Parlamentes in der Bildungspolitik
wiederherzustellen. Der Regierungsrat trug durch seine
etwas konstruierte Auffassung in der Botschaft, wonach
lediglich die Leitsätze gemäss KV § 79 dem Grossen Rat zur
Entscheidung vorgelegt werden sollen und somit die
Massnahmen gemäss § 54 GV lediglich zur Kenntnis zu
nehmen seien, einiges zu diesem Rückweisungs-Entscheid
der Kommission bei. Wir konnten uns in der Folge jedoch
verständigen.
Der
Massnahmenkatalog
des
regierungsrätlichen Leitbildentwurfes blieb in der Folge
ausdrücklich aus den Beratungen ausgeklammert und bildet
nicht mehr Bestandteil des Leitbildes. Dafür wurde eine
Rubrik "Was wir wollen, was wir nicht wollen" als
Verdeutlichung der Leitsätze und ihrer Vorgaben für spätere
Massnahmen geschaffen. Mit dieser Lösung war der Weg
frei, um trotz der mit knapper Mehrheit gefassten
Rückweisung das Leitbild materiell zu beraten und
entsprechende Beschlüsse nach Ende der Beratungen zu
fassen. Mit knapper Mehrheit wurde weiter die
Durchführung von Expertenhearings beschlossen. Diese
sollten dazu beitragen, die Kommissionsarbeit zu
versachlichen. Durch verschiedene Indiskretionen gelangten
Informationen und vorläufige erste Beschlüsse der
Kommission an die Presse. Die nachfolgenden Reaktionen
in der Öffentlichkeit sind Ihnen bekannt, ebenso die
verschiedenen Fraktions- und persönlichen Erklärungen
anlässlich der Ratssitzung vom 7. Mai 1996. In den
materiellen Beratungen traten die Differenzen klar zu Tage.
Intensive Beratungen führten aber zu Bereinigungen und
nach gewalteter Diskussion in der Kommission zu einem
relativ hohen Konsens über die Kernanliegen der künftigen
Aargauer Bildungspolitik. Vor allem die Expertenhearings
brachten unsere Arbeit entscheidend weiter. Insbesonders
bei den erwähnten Differenzen, z.B. Promotionen, 3-SModell, Schuldauer, Schulorganisation etc. konnten Dank
der Hearings Durchbrüche in den verhärteten Fronten erzielt
werden. Über die Expertenhearings herrscht, nach
anfänglicher Skeptik einer Minderheit, in der Kommission
einhellig eine sehr positive Meinung. Dem Grossen Rat
kann ich heute mitteilen, dass der vom Büro bewilligte
Budgetrahmen von Fr. 8'000.-- lediglich mit knapp
Fr. 2'000.-- beansprucht wurde. Die Expertenhearings
wurden an drei Halbtagen durchgeführt und in drei Blöcke
unterteilt. An den drei Hearings nahmen teil: Block 1: Frau
Lilli Mühlherr, lic. phil., Lehraufträge im Bereich
Gesundheits- und Krankenpflege, für Aufnahmeselektion
zuständig am Theodosianum Zürich. Herr René Lichtsteiner,
Personalchef ABB Schweiz, Vorsitzender der ABBBerufsschule, Mitglied Aufsichtskommission HWV Aargau.
Herr Thomas Stöckli, Gärtnermeister mit eigenem Betrieb,
Vorstandsmitglied Gärtnermeisterverband und Technikum
22. Oktober 1996
festgehalten. Die Vorbereitungszeit nicht eingerechnet,
haben die Kommissionsmitglieder also mehr als eine volle
Arbeitswoche in das vorliegende Ergebnis investiert.
Anfänglich herrschte grosse Uneinigkeit in der Kommission,
welche zu einem Rückweisungsbeschluss führte. Der
Rückweisungsantrag
Rapperswil. Herr Dr. Hans-Peter Zehnder, Präsident Aarg.
Industrie- und Handelskammer, Unternehmer. Block 2: Herr
Andreas Marti, Generalsekretär ED Bern, Präsident
Berufsmaturitätskommission, ehemaliger Gymnasiallehrer.
Herr Prof. Heinrich Ursprung, Staatssekretär, Direktor der
Gruppe für Wissenschaft und Forschung, ehemaliger
Biologielehrer und Präsident der ETH Zürich, Präsident des
schweiz. Schulrates, Mitglied Johann Jacobs Stiftung. Herr
Prof. Rolf Dubs, Professor und Leiter Wirtschaftspädagogik,
Uni St. Gallen, ehemaliger Lehrer an Berufs- und
Mittelschulen. Herr Stewart Deuchar, engl. Bildungs- und
Schulfachmann, ehemaliger Geschichtslehrer. Herr Prof.
Fritz Oser, Professor für Pädagogische Psychologie an der
Uni Freiburg, ehemaliger Lehrer, Institutsleiter Evaluation
Schulsysteme und Lehrerbildung. Block 3: Frau Christine
Kübler, Dozentin am Pädagogischen Seminar in Neuchâtel,
Präsident Pädagogische Kommission der EDK, Mitglied
Berufsmaturitätskommission Herr Dr. Siegfried Uhl,
wissenschaftlicher
Mitarbeiter
Allgemeine
Erziehungswissenschaft an der Uni Konstanz, ehemaliger
Gymnasiallehrer. Wir hatten die 11 Expertinnen und
Experten unter den Kriterien "Abnehmerschaft", "Schule",
"Bildungspolitik inkl. interkant. und ausländischer
Vergleich" ausgesucht. Alle Expertinnen und Experten
wurden mit einem vorbereiten Fragenkatalog zum Leitbild
befragt und konnten auch persönliche Meinungen abgeben.
Ebenfalls mussten sie zu Fragen aus der Kommissionsmitte
in den anschliessenden Diskussionen Stellung beziehen. Im
Laufe der Verhandlungen der Kommission wurden in der
Folge 51 (!) schriftliche, zum Teil ausführlich begründete
Anträge zu den 11 Leitsätzen, gemäss einem vorbereiteten
und von der Kommission verabschiedeten Schema
eingereicht. Die Anträge mussten einen allenfalls neu
formulierten Leitsatz sowie konkrete Vorstellungen dazu in
Form der Rubrik "Was wir wollen, was wir nicht wollen"
enthalten. Schliesslich waren wenn möglich auch
Massnahmen, Aktivitäten oder Konsequenzen in rechtlicher,
terminlicher oder finanzieller Hinsicht aufzuzeigen. Sie
können sich vorstellen, dass bei einer solchen Flut von
Anträgen, welche gemäss Kommissionsbeschluss an einem
Schlusstag (es war der 19.8.96) allesamt bereinigt werden
mussten, die Verfahrensfragen und Abstimmungsmodi nicht
immer ganz leicht zu bewältigen waren. Dank der guten und
konstruktiven Vorarbeit, welche in und zwischen
verschiedenen Fraktionen im Hinblick auf den
Abstimmungstag geleistet wurde, gelang es, die Anträge
abschliessend zu bereinigen. Dass dazu noch etliche
zusätzliche
Arbeit,
neben
den
normalen
Kommissionssitzungen nötig war, versteht sich von selbst.
Trotz der manchmal turbulenten Sitzungen beurteile ich die
Kommissionsarbeit insgesamt durchaus konstruktiv und
positiv. Auch im Rückblick bleibt nach wie vor der
Entscheid des Büros, das Geschäft einer Spezialkommission
zu übertragen, richtig, da meiner Meinung die
Entscheidungsfindung breiter und intensiver stattfand.
Speziell nach den Hearings haben wir uns auf einem
401
22. Oktober 1996
gemeinsamen Weg gebunden. Ich stelle nun einen hohen
Konsens in der Kommission selber fest, wurden doch auch
einige Leitsätze ohne Gegenstimmen verabschiedet.
Insgesamt wurde das Leitbild Schule Aargau von der
Kommission mit 13: 0, bei 3 Enthaltungen verabschiedet. So
besehen hat sich die Arbeit und die intensive
Auseinandersetzung durchaus gelohnt. Nun zu einzelnen
Beschlüssen der Kommission: Zum Verfahren: Die teilweise
neuen Leitsätze 1 - 12 wurden ergänzt mit der
Konkretisierung "Was wir wollen, was wir nicht wollen".
Diese bilden zusammen mit dem Leitsatz eine Einheit. Diese
elementaren Kulturtechniken (Lesen, Rechnen, Schreiben)
betont, die Forderung und Förderung von Leistung im
ganzheitlichen Zusammenhang befürwortet, auf die
Wichtigkeit von Kontinuität und Konstanz für die Schule
hingewiesen, Begabtenförderung durch frühere Einschulung
und Überspringen von Klassen ermöglicht, festgelegt,
lernauffällige Kinder weiterhin in Spezialklassen oder klar
definierten tragfähigen Regelklassen zu fördern, Entscheide
bezüglich Promotion und Selektion auf einer Basis von
Fachnoten getroffen, den Kindergarten als Vorstufe in unser
Schulsystem
miteinbezogen,
eine
interkantonale
Harmonisierung
bei
den
Strukturen
stipuliert,
Vorentscheidungen
bezüglich
Schulorganisation
(Schulleitung, Schulpflege etc.) gefällt, Bedingungen für
den Zusammenschluss von Schulen, insbesonders an der
Oberstufe
definiert,
einen
neuen
Leitsatz
zur
Qualitätssicherung verabschiedet. welcher Grundlage bildet
für das Inspektoratswesen, wesentliche Weichen bei der
Berufsbildung, für die Standorte der Berufsschulen,
bezüglich Berufsmaturität und bezüglich Fachhochschulen
gestellt, die anzustrebende Schuldauer bis zur Maturität auf
12 Jahre festgelegt, mit diesem Entscheid auch die
Grundlage für Entscheide bez. Umsetzung des MAR
vorgenommen, den Leitsatz Primarschulfranzösisch
ersatzlos gestrichen, einen neuen Leitsatz zum
Lehrerbild/Lehrerbildung ins Leitbild aufgenommen.
Entgegen den ursprünglichen regierungsrätlichen Anträgen
hat die Kommission schliesslich auch neue Anträge zu
Handen des Grossen Rates formuliert. Die Regierung nahm
zum neuen Leitbild insgesamt und zu unseren Anträgen
positiv Stellung und hat diese konkretisiert. Ich denke, dass
die
Kommissionsmehrheit
durchaus
diesen
regierungsrätlichen Präzisierungen zustimmen kann. Damit
kann auch festgehalten werden, dass das nun vorliegende
Papier mit den 12 Leitsätzen als Leitbild Schule Aargau
durchaus eine grundlegende Planung der staatlichen
Tätigkeit darstellt und deshalb auch gemäss § 79 KV zu
behandeln ist. Schliesslich hat der Herr Erziehungsdirektor
der Kommission explizit zugesichert, das vom Grossen Rat
verabschiedete Leitbild dem gleichen Empfängerkreis
zuzustellen, der den seinerzeitigen regierungsrätlichen
Entwurf erhalten hat. Ein entsprechender Antrag der
Kommission an das Parlament wurde in der Kommission
darauf hin zurückgezogen. Damit ist sichergestellt, dass
wiederum eine breite, interessierte Öffentlichkeit auch in
den Besitz des definitiven Leitbildes Schule Aargau kommt.
Ich kann Sie darum heute im Namen der Kommission bitten,
auf die vorliegende Fassung des Leitbildes einzutreten. Für
die nun folgende Debatte möchte ich den Herrn
Erziehungsdirektor zitieren, welcher ausgeführt hat: "Wer
mit Bildung zu tun hat, hat mit Zukunft zu tun. Die Zukunft
aber kennen wir alle nur ungenügend. Deshalb ist es sehr
402
Art. 1907
Form hat zum Ziel, die Leitplanken klar zu setzen und die
daraus entstehenden Massnahmen entsprechend zu
beeinflussen. Nicht zuletzt sollen auch für die Empfänger
des zu erfolgenden Neudruckes die einzelnen Leitsätze des
neuen Leitbildes klarer und verständlicher werden. Zu den
Inhalten: Insbesonders hat die Kommission folgende
Aussagen gemacht und folgende Vorentscheide zu Handen
des heutigen Ratsplenums getroffen. Die Kommission hat
ein Bekenntnis zur Leistungsschule abgelegt, die Bedeutung
einer
breiten
Allgemeinbildung
auf
Basis
der
wichtig im Dialog darüber Konsens herzustellen, was wir
heute für unser Morgen tun müssen." Das Leitbild Schule
Aargau ist durchaus eine Antwort auf die Frage was Morgen
zu tun sei. Es ist mindestens aus Sicht der Kommission ein
guter bildungspolitischer Konsens. Das Schulhaus Aargau
steht in seinen Grundfesten nach wie vor gut gebaut da. Die
Bauherrschaft, vertreten durch die Kommission, hat nun das
Erneuerungs-Projekt
der
Architekten,
sprich
Leitbildentwerfer, auf die Bedürfnisse seiner Benutzer
angepasst. Das Projekt geht über eine Aktion Pinselstrich
hinaus und modernisiert das Schulhaus Aargau so, dass es
auch für die kommende Generation von Benutzern
zweckdienlich genutzt werden kann. Aus Sicht der Kom.
steht also das Projekt der Renovation des Hauses Schule
Aargau und harrt der nachfolgenden Umsetzung. Ich bitte
Sie also heute im Namen einer deutlichen Mehrheit der
Kommission, das Projekt abschliessend zu bewilligen. Ich
danke an dieser Stelle noch einmal offiziell den
zugezogenen Expertinnen und Experten für ihre wertvollen,
geleisteten Dienste. Danken möchte ich auch dem
Erziehungsdepartement für die Begleitung und die
Protokollführung. Ich schliesse in diesen Dank den Herrn
Erziehungsdirektor mit ein, der manchmal durch die harte
Auseinandersetzung in der Kommission sichtlich genervt
wurde, anderseits auch konstruktiv mit zu diesem
vorliegenden Papier beitrug. Ganz besonders möchte ich
mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen in der
Kommission für die geleistete Arbeit bedanken. Mit
entsprechend
grossem
Zeiteinsatz
hat
jedes
Kommissionsmitglied aus seiner Sicht einen Beitrag zum
nunmehr positiven Ergebnis beigetragen. Ich bitte Sie, auf
die Vorlage einzutreten und die Anträge der Kommission zu
genehmigen. Ich danke Ihnen.
Geri Müller, Baden: Die Grünen treten aus formellen
Gründen nicht auf dieses Leitbild ein. Mit den darin
eingeführten "Was wir wollen, was wir nicht wollen"Punkte, ist ein neues, unklares Instrument schleichend
eingeführt worden, das weder in der Geschäftsordnung noch
in einem anderen Reglement vorgesehen ist. Das mit Plus
und Minus garnierte Leitbild sehen wir als Überregulierung.
Wir sind nicht bereit, ein dem NPM widersprechendes
Verfahren - das Plus-Minus entspricht der operativen Ebene
- zu unterstützen. Egal, ob die von der Kommission
erfundenen Plus-Minus-Punkte vom Grossen Rat behandelt
und beschlossen werden - das ist nicht erheblich. Sie stehen
als parlamentarischer Fremdkörper in diesem Leitbild. Es ist
uns bewusst, dass wir mit diesem Punkt jahrelange
Diskussion darüber beenden, doch nicht nur. Angenommen,
wir würden über einen Energieartikel diskutieren und
jemand würde fordern, dass der Staat per Dekret die
Reibungs- und Wärmeverluste aufhebt, so brächen alle in
schallendes Gelächter aus. Genau so kommt mir die Debatte
Art. 1907
22. Oktober 1996
vor. Der Regierungsrat hat aufgrund verschiedener
Vorstösse ein Leitbild erarbeitet, das von Fachleuten
begleitet wurde und von allen politischen Parteien und
Betroffenen positiv, aber kritisch beurteilt worden und als
machbar erachtet worden ist. Einziger Vorbehalt war damals
die zwölf Schuljahre bis zur Maturität, wo keine Einigung
erzielt worden ist. Das Ende dieser Einigkeit begann mit der
Arbeitsaufnahme der Kommission. Nach einem Aufruf der
Bürgerlichen, die Diskussion ideologiefrei zu führen, kam
der unbegründete Antrag auf Rückweisung, verbunden mit
einem bis heute umstrittenen Auftrag an die Kommission
selbst, die Leitsätze zu überarbeiten. Das äusserst
bedenkliche, unreflektierte Resultat liegt vor Ihnen auf der
Tribüne, und draussen im Lande herrscht Unsicherheit. Es
sei an dieser Stelle gesagt, dass es dem Regierungsrat, allen
voran Regierungsrat Wertli, hoch anzurechnen ist, dass er
uns ein Leitbild Schule offeriert. Es gibt andere Bereiche,
die ohne Leitbild im freien Fall durch die Zeit schweben. Es
ist aber gleichzeitig das Problem dieser Debatte: Während
der
Erziehungsdirektor
mit
einer
anscheinend
unerschöpflichen Geduld landauf, landab den Menschen die
Grundzüge in einer differenzierten Weise begründete, in der
Kommission lang und breit die neuen Konzepte erklärte,
und zwar mit Argumenten und Erfahrungen, reichte auf der
anderen Seite ein schnödes Nein, um die Leitsätze in dieser
absolut unprofessionellen Art umzuschreiben. Der
Erziehungsdirektor liess zu jeder Zeit mit sich reden, liess
Experten
und
Ex-
pertinnen noch einmal zu, das Leitbild erneut zu kritisieren.
Er zeigte in für heutige Zustände ungewohnt offener Art
Dialogbereitschaft, die aber von der rein zahlenmässigen
Überlegenheit
der
rechtsbürgerlichen
Kommissionsmitglieder nicht aufgenommen worden ist.
Dass der Regierungsrat heute im wesentlichen auf dieses
Papier eingeht, hat mehr mit dem kalten Wind und dem
politischen Kalender zu tun, als mit der Überzeugung von
diesen Widersprüchen im Leitbild. Wir meinen, dass weder
der Erziehungsdirektor noch die Regierung sich diese
Blösse geben müssten. Das Erziehungsdepartement hat ja
anscheinend bewiesen, dass es auch nach 28jähriger SPHerrschaft nicht so daneben liegen kann, denn gemäss der
rechtsbürgerlichen Kommissionsmehrheit soll alles so
bleiben wie es war, wie es früher gut gewesen ist - die
Doppelbödigkeit
als
Grundlage
jeder
Diskussionsverweigerung. Wenn im Bildungsauftrag
viermal gesagt werden muss, dass man ihn wahrnehmen
will, dann lässt das nur auf ein abgrundtiefes Misstrauen der
Rechtsbürgerlichen schliessen. Wenn für Lehrmeister in der
Kommission nur die Rechtschreibung der Kinder wichtig ist
- und dies wurde in der Kommission bis zum Umfallen
wiederholt -, zeigt dies auch, dass von Bildung nichts
begriffen worden ist. Die Jugendlichen würden in
Telefonnotizen häufig Ortographiefehler machen - ist es
denn kein Fortschritt, dass Lehrlinge überhaupt
Telefonanrufe entgegennehmen. Es war früher nicht so, dass
Auszubildende am Kundendienst arbeiteten. Zudem stimmt
dieser Vorwurf nicht, da Studien aufzeigen, dass unsere
Schulabgängerinnen und -abgänger zum oberen Mittelmass
gehören. Was soll der Vorwurf in Leitsatz 2, man wolle
keine umstrittenen, unscharfen und ideologisch besetzten
Begriffe verwenden? Ist denn die Kopf-Herz-Hand-Idee
etwa nicht umstritten? Dann fragen Sie einmal
Pädagogikhistorikerinnen und -historiker! Verstehen hier
alle das gleiche? Ist es eine scharfe Begrenzung und ist sie
gar ideologiefrei? Das können nur die behaupten, die
Pestalozzi noch nie gelesen haben. Während im Leitsatz 2
noch stehenbleiben durfte, dass im Zentrum der Schule das
Kind und die Jugendlichen stehen, wird dieses Zentrum
Leitsatz für Leitsatz verschoben. Abnehmer - das sind
Universität und Arbeitgeber -, für die produziert die Schule!
Deshalb stehen diesem Ansinnen die Integration
Lernauffälliger im Wege, und deshalb soll mit der
Promotion das Fallbeil zwischen Gut und Schlecht gesetzt
werden, und dies, obwohl diese Abnehmer in den
Expertenhearings sagten, dass ihnen die Noten keine
eindeutigen Hinweise geben würden. Mit dem in den
Medien so hoch gelobten Kompromiss - 12 Schuljahre bis
zur Maturität - entlarvt sich die Kommission endgültig und
offensichtlich. Es mag sein, dass der eine oder andere den
Hearings diesbezüglich etwas abgewinnen konnte. Es ist
aber mehr als offensichtlich, dass es bloss als Gegenleistung
dasteht, um das Leitbild in den anderen Sätzen so
durchzupeitschen, wie es die Rechtsbürgerlichen haben
wollten. In einer Nacht- und Nebelaktion zwischen CVP
und den anderen bürgerlichen Parteien wurde dieser
Kompromiss gemacht. Die Motive sind meines Erachtens
klar: Die CVP rettet das Leitbild ihres Regierungsrates, die
anderen setzen ihren Kopf durch. Doch wie diese Forderung
umgesetzt werden soll, weiss kein Mensch. Vier Jahre Kanti
sind gesetzt, es soll aber keine Kürzung durch partielle
Streichung eines Jahres erfolgen. Mathematik! Die
Zielvorstellungen sollen jetzt bekanntgegeben werden, aber
man will alle Varianten offen lassen. Wenn jetzt jemand
behauptet, die Kommission wisse, was sie wolle, so gehört
diese Person zu den Hellseherinnen. Das heiss debattierte
Argument 12 Schuljahre ist bei uns etwa eine Viertelstunde
diskutiert worden. Für uns wäre Herr Wertli auch ohne
Leitbild glaubwürdig genug und wählbar gewesen. Den
Höhepunkt setzen die Formulierungen zur Lehrerbildung: In
einem ellenlangen Elaborat wurde der Leitsatzantrag der
Grünen zu einem ideologischen, unscharfen und
umstrittenen Begriffswirrwarr umgewandelt. Oder weiss
jemand hier, wie man emotionale Reife misst, wo die Seele
verankert werden soll, in wieviel Franken sich ethisches
Vermögen ausdrückt? Schliessen wir diese unwürdige
Diskussion ab. Ich kann das Geschäft auch nicht
zurückweisen, dafür fehlt mir die nötige Portion
Masochismus. Wenn diese Konstellation der Kommission
erneut tagen soll, kann nicht viel Schlaueres herauskommen.
Deshalb bleibt uns nicht anderes übrig als ein Nichteintreten
zu fordern. Damit haben das Erziehungsdepartement, die
Lehrerinnen und Lehrer, die heute schon ganz normal
arbeiten, die Jugendlichen und Kinder den Rücken frei,
notwendige Veränderungen voranzutreiben. Es ist dann
immer noch demokratisch genug, denn jegliche Änderungen
im Gesetz oder in der Verfassung kommen ohnehin wieder
vor den Grossen Rat oder das Volk. Sollte trotzdem auf das
Leitbild eingetreten werden, verlangen wir, dass eine
eingehende und abschliessende juristische Beurteilung über
die Bemerkungen "Was wir wollen, was wir nicht wollen"
erfolgt. So, wie es aus der Synopse zu entnehmen ist, der
Punkt diene der Verdeutlichung, gleichzeitig aber nicht der
formellen Beschlussfassung, ist es weder Fisch noch Vogel.
Da diese Anmerkungen mit dem Leitsatz oft nur schlecht
kompatibel sind, werden die armen Ausführenden oft
zwischen Stuhl und Bank stehen.
403
22. Oktober 1996
Leo Erne, Döttingen: Gestern das Regierungsprogramm
oder das Konzept zur Drogenpolitik, heute das Leitbild
Schule Aargau, morgen der Richtplan. Papier ist zwar
bekanntlich geduldig, und doch tun wir uns schwer mit
solcherlei Grundsatzpapieren; dies unter anderem deshalb,
weil wir uns selber nicht sehr treu bleiben und schon bald
wieder
von
Beschlüssen
abtriften
(Beispiel
Regierungsprogramm), weil solche Papiere zu umfassend
sowie in ihrer Fachsprache schwer lesbar sind und vor allem
auch, weil wir stets zu viel auf einmal wollen mit RichtungsVorgabe und Vollzug gleichzeitig.
Leitbilder sind erstens an ihrer Aussagekraft, sprich
Verständlichkeit, zweitens an ihrer inhaltlichen Richtigkeit
mit Blick auf die Konsequenzen im Alltag sowie in der
Zukunft und drittens an ihrer Verbindlichkeit und
Durchsetzbarkeit zu messen. Das heute zur Diskussion
stehende und vom Massnahmenkatalog befreite Leitbild
etwa dann, wenn die EDK zu sehr in die kantonale Hoheit
eingreifen möchte.
Vergessen wir im Moment eines nicht: Draussen vor der
Türe warten sie, die Eltern und Schüler, die Lehrkräfte, die
Rektorate, die Schulräte in den Bezirken, die Schulpflegen,
die Gemeinderäte, die Inspektoren, die Lehrfirmen. Sie sind
auf Entscheide des Parlaments angewiesen, um dringende
Pendenzen endlich aufarbeiten zu können.
Im teilweisen Verwirrspiel während der vergangenen
Monate stand der Massnahmenkatalog oft im Zentrum der
Auseinandersetzungen. Der Druck verschiedenster Kreise,
die zu hohe Erwartungen ins Leitbild setzten, und auch eine
Portion zu guter Wille im Erziehungsdepartement führten im
Leitbild zu einem Anhang, der zwar für das Verständnis der
Ideen wertvoll war, aber das Erkennen der politisch
wesentlichen Fragestellung wie sie Aufgabe des Grossen
Rates darstellt, erschwerte. Entschuldigen Sie den etwas
harten Begriff, aber die CVP erachtet den Katalog im
Anhang ab heute als Makulatur, als eine Art
Gemischtwarenladen von Ideen, in dem alles und jedes zu
finden ist. Nur zu leicht könnte nämlich genau das Gegenteil
des von ängstlichen Schulbild-Begleitern Geforderten
eintreffen. Via einen angeblichen Vollzugs-Katalog könnten
ungewollt Entscheidungen untergejubelt und Freipässe
erteilt werden. Ein solcher Katalog ist auch deshalb nicht
praktikabel, weil er den Entwicklungen in unserer rasanten
Zeit mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel und den
Änderungen in der Gesellschaft (z.B. Familien!) nicht
Rechnung trägt.
Der Weg in die Zukunft, der Weg zum Vollzug hat zu
geschehen im Rahmen der bekannten demokratischen
Formen mit Entwicklung und stufengerechter Mitsprache
bei Gesetzen, Verordnungen und Dekreten. Das Ja zum
Leitbild darf uns nicht in den Schlaf versetzen, keinesfalls!
Gespräche sind weiter unerlässlich und nützlich, da sich
nichts für immer zementieren lässt. Jetzt sind Regierung,
Departement, Verwaltung und der Erziehungsrat zur
Hauptsache gefordert. Die auf Antrag der CVP geänderten
Anträge auf Seite 1 der Synopse legen die Verbindlichkeit
fest, ja sie wird durch die Formulierung der Regierung noch
verstärkt. Mit Ihrem Entscheid vom 11. Juni 1996, liebe
Kolleginnen und Kollegen, die Motion der CVP betreffend
unverzüglicher Teilrevision des Schulgesetzes zu
überweisen, haben Sie zum Ausdruck gebracht wie jetzt in
404
Art. 1907
Schule Aargau entspricht aus Sicht der Fraktion der CVP,
deren Meinung ich hier vertreten darf, diesen
Anforderungen.
Das Leitbild kann und muss die Wende im Aargauer
Bildungswesen einleiten. Die Salami-Taktik in der
Vergangenheit
und
die
ideologisch
eingefärbten
Grundsatzdebatten haben grosses Misstrauen gesät. Jetzt
präsentiert sich nach der umfassenden Vorarbeit des
Erziehungsdepartements sowie der Beratung in der
Spezialkommission eine wegweisende Gesamtschau. Die
Leitplanken sind gesetzt, die Richtschnur ist ausgelegt. Nun
lassen sich Nägel mit Köpfen schmieden, Diskussionen über
kontroverse Fragen wie beispielsweise Abbau der humanen
Leistungsschule müssen der Vergangenheit angehören. Das
Leitbild verhilft dem Aargau auch zu einem starken Auftritt
nach
aussen;
brennenden Fragen wie Kompetenzen für Behörden und
Schulleitungen vor Ort, flexibleres Schuleintrittsalter,
Kantonalisierung des Kindergartens, Inspektoratswesen,
Fünf-Tage-Woche, Kreisschulbildung für die Oberstufe oder
Umsetzung des neuen Maturitätsreglementes vorzugehen ist.
Der konsequente, nur in Etappen mögliche Vollzug wird
fallweise auch nach mehr finanziellen Mitteln rufen; dies
will die CVP heute unmissverständlich zum Ausdruck
bringen.
Das Leitbild führt die Deblockierung herbei. Es ist trotz
vieler Fachbegriffe (Wissen Sie, was Kulturtechniken sind?)
lesbarer geworden. Die CVP trug übrigens dazu bei, dass
viele Insider-Redewendungen umschrieben und für die
Bürgerinnen und Bürger verständlicher gemacht wurden.
Das Leitbild konzentriert sich auf das Wesentliche und es
berücksichtigt die Hauptanliegen der CVP wie sie in der
Vernehmlassung und in Publikationen vorgebracht wurden,
dazu nur stichwortartig: Die humane Leistungsschule, das
lebenslange Lernen, die Promotionsordnung mit Noten
(Leistungsbeurteilung) und freiwilligem Bericht, das
ganzheitliche Schülerbild, die individuelle Förderung der
Schülerinnen und Schüler gemäss ihrer Begabung mit neuen
Chancen wie "Klassenhüpfen" oder Integration, die Lehrund Methodenfreiheit, vorläufiges Festhalten an der
dreigliedrigen Oberstufe mindestens bis zum Entscheid über
die Schulstrukturen, die Anerkennung der Elternarbeit, die
Stärkung der Schule vor Ort oder die Förderung der
Qualitätssicherung.
Ich wende mich nun noch den Themen Schuldauer,
Berufsbildung sowie Lehrerbild zu. Die CVP stellt sich
hinter die langzeitliche Forderung der Verkürzung der
Schuldauer bis zur Maturität im Leitsatz 7. Sie konnte dies
allerdings erst tun nach der Formulierung des Leitsatzes 6,
der im Hinblick auf die interkantonale Harmonisierung von
der Umgestaltung der Schulstrukturen spricht. Der Leitsatz
6, interessanterweise von keiner Seite bestritten, ist eine
Präzisierung des Leitsatzes 7. Vermeiden wir im Interesse
unserer Jugend die Isolation des Aargaus als
Nichthochschul-Kanton. Wir nehmen im Moment nicht
Abschied von unserer "guten" Bezirksschule, wir lancieren
via die Forderung des Parlaments einzig die Lösungssuche.
Das vorläufige Festlegen der Gymnasiums-Dauer auf vier
Jahre erlaubt die Umsetzung des eidgenössichen
Maturitätsreglementes. Bis zur allfalligen Verkürzung auf
Art. 1907
12 Jahre und der Umsetzung der neuen Lösung fliesst noch
viel Wasser durch Limmat, Aare und Rhein. Viele Wege
und Modelle sind möglich; sie bedürfen der Diskussion.
Unser Appell lautet: Statt frühzeitig zu blockieren, werden
wir kreativ und innovativ, diese Diskussion birgt Chancen in
sich!
Beim Leitsatz 11 zum Thema Berufsbildung hält die
Fraktion der CVP fest, dass sie sich nicht gegen die
Schaffung von Kompetenzzentren stellt. Diese Massnahmen
dürfen aber nicht auf eine Entleerung der Randbezirke
hinauslaufen und zu einer einzigen Bildungsachse BadenBrugg-Lenzburg-Aarau-Zofingen fahren.
Mit Genugtuung nimmt die CVP-Fraktion zur Kenntnis,
dass das Leitbild ein umfassendes Lehrerbild zeichnet. Wir
wollen Lehrkräfte und eine Lehrerbildung, welche auch die
emotionale Reife und das ethische Vermögen fordert, auch
wenn diese Begriffe nicht allen Fachleuten passen.
Lehrkräfte haben einen Erziehungsauftrag, um die Eltern in
ihrer Arbeit unterstützen zu können. Im Zentrum dieser
Berufsarbeit steht nebst der Wissenvermittlung die
wirklich wahrgenommen hat und damit der Exekutive die
Stirn bot. Diese hat fair mitgespielt. Das Milizparlament hat
ja gegenüber Regierung und Verwaltung einen
Geburtsfehler: Die Profis der Exekutive wissen einfach fast
immer alles besser. Sie verfügen über mehr und aktuellere
Informationen und bewegen sich auch sicherer auf dem
Parkett der Fachsprachen und -ausdrücke. Das kann bis zur
seltsamen
Erscheinung
führen,
dass
eine
Kommissionssitzung eher einer Schulstunde gleicht, mit
dem anwesenden Departementsvorsteher als Lehrer, an
dessen Lippen die gläubigen Grossräte hängen. Diese
Tendenz ist um so ausgeprägter, je komplexer und abstrakter
die Materie ist. Nachdem sich in den letzten Jahrzehnten
Erziehungswissenschaft uns Pädagogik immer mehr
verselbständigt haben, mit eigener Sprache und laufend
neuen Fachausdrücken - es wurde bereits darauf
hingewiesen -, wären solche Sitzungen auch in der
Leitbildkommission möglich geworden. Stattdessen wies
diese gleich zu Beginn das umstrittene Papier zurück hauchdünn zwar, aber eindeutig. Das war ein Schock. Das
gab es noch nie. Die Unterlegenen wehklagten, dies sei ja
ungeheuerlich, kräftig unterstützt von einer ungenannt sein
wollenden Zeitung, die bald zu existieren aufhört und die
den Fehler beging, sich zu früh auf eine Seite zu schlagen
und dadurch ihre Unabhängigkeit verlor. Flugs wurde darauf
die Dolchstosslegende von der zerstrittenen Kommission
erfunden und in besagtem Blatt weitergehätschelt, als die
Kommission schon längst gemeinsam mit dem
Erziehungsdirektor zu konstruktiver Arbeit übergegangen
war. Diese Rückweisung eines umfassenden Berichtes, an
dem angeblich 500 Leute gearbeitet haben sollen, und die
eine sehr breite, aber etwas komisch ausgewertete
Vernehmlassung durchlief, markiert einen Meilenstein auf
dem Weg des aargauischen Grossen Rates auf dem Weg zu
einer unabhängigen und selbstbewussten Volksvertretung,
die nicht erst den Regierungsrat fragt, ob man das oder jenes
tun dürfe. Dies verdient es, hier erwähnt zu werden. Die
Rückweisung kam allerdings nicht aus heiterem Himmel
vorausgegangen
war
eine
anderthalbjährige
Aufklärungsarbeit einer kleinen Gruppe von Grossräten und
Pädagogen. Die schwerverständliche Sprache des Leitbildes
wurde entschleiert, die dahinter schlummernden wahren
22. Oktober 1996
Anleitung zur Suche nach dem Lebenssinn und die
Entwicklung der Eigenverantwortlichkeit bei jungen
Menschen.
Vorsitzender: Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie
bitte zum Schluss.
Leo Erne, Döttingen: Ich bitte Sie, namens der Fraktion der
CVP auf die Vorlage einzutreten und für eine speditive
Beratung besorgt zu sein. Setzen wir Wegweiser für das
künftige aargauische Bildungswesen, unterlassen wir den
Griff nach den bildungspolitischen Sternen oder nach einer
unangemessenen Festlegung von Details.
Bruno Nüsperli, Aarau: Die ganze Geschichte, die den
Namen "Leitbild Schule" trägt, ist erfreulich, und zwar
erstens aus der Sicht des erreichten Resultates, zweitens
wegen des Prozesses, der zu diesem Resultat geführt hat,
wobei hier der Weg zwar nicht das Ziel war, aber doch eine
positive Nebenerscheinung, und drittens wegen der Tatsache
- dies hat mit dem Leitbild an sich nichts zu tun - ,dass die
vorberatende Kommission einmal ihre Kompetenzen
Absichten einer weitreichenden Veränderung unserer Schule
enthüllt und das Ganze rege verbreitet. Ich selbst avancierte
dabei zum Feindbild für bestimmte Kreise. Diese
Aufklärung aber war Voraussetzung, um nach dem Schock
der Rückweisung die Arbeit neu beginnen zu können. Damit
berühre ich den zweiten positiven Punkt: Den Lernprozess,
den alle Kommissionsmitglieder ohne Anwendung
erweiterter Lehr- und Lernformen durchmachten. Im
Zentrum dieses Prozesses standen die Expertengespräche.
Anfänglich heftig bekämpft, entpuppten sich diese als eine
ungeheuer effiziente Art der Meinungsbildung. Ich werde
nie den Satz von Herrn Deuchar vergessen, dessen
Erscheinen übrigens mit allen Mitteln, auch dem der
Diffamierung, verhindert werden sollte, weil er aus eigener
Erfahrung weiss, wohin eine falsch verstandene Schulreform
führen kann. Sein Satz "Ich finde das Leitbild schlecht!"
blieb unwidersprochen im Raum stehen, aber er öffnete
Augen und half mit, eine Mehrheit zu schaffen, welche sich
heute hinter das vorliegende Papier stellt. Dieses ist kein
Kompromiss. Es besteht aus Leitsätzen, die sich von der
ursprünglichen Fassung zum Teil deutlich, zum Teil weniger
deutlich unterscheiden. Weil Leitsätze infolge ihrer Kürze
immer dazu neigen, allgemein zu bleiben, wurden sie mit
dem Kommentar "Was wir wollen, was wir nicht wollen"
ergänzt. Dieser Kommentar spricht Klartext und ist für
jedermann verständlich. Wir empfehlen also, das Leitbild als
Ganzes zu genehmigen und gegen die Rückweisung
anzutreten. In Einzelpunkten allerdings kann noch diskutiert
werden, z.B. über das Wörtchen "kann" anstelle von "wird"
im Leitsatz 8. Sicher aber werden wir uns für eine
Abschwächung der Forderung nach einer Verkürzung auf
zwölf Jahre einsetzen. Diese Frage hat uns anfänglich nicht
sonderlich bewegt, und wir finden noch immer die Ansicht
richtig, durch geeignete Massnahmen einen interkantonalen
Ausgleich unseres Schulsystems zu erreichen, welche die
Mobilität der Bevölkerung nicht hindert, dass also
Schülerinnen und Schüler beim Kantonswechsel nicht ein
Jahr verlieren. Dass von einer Reduktion betroffene Lehrer
aus sogenannt standespolitischen Gründen dagegen
opponieren, ist verständlich. Auch in der Privatwirtschaft
wird erwartet, dass sich Mitarbeiter mit ihrem Betrieb
solidarisieren. Die Reduktion dieser Bezirkslehrerreaktion in
405
22. Oktober 1996
Art. 1907
den letzten Wochen auf eine blosse Brotkorbtheorie, wie es
in der Presse geschah, stellt aber nicht nur eine Beleidigung
dieser engagierten Lehrer dar, es macht auch blind für einen
weiteren Aspekt, der sich immer mehr in den Vordergrund
schiebt. Da wird nämlich mehr oder weniger offen verlangt,
im Rahmen der damit notwendigen strukturellen
Anpassungen auch gleich die Oberstufe zu reorganisieren, in
Richtung Zusammenlegung der Züge. Früher nannte man
dies Gesamtschule, heute Orientierungs- oder integrative
Stufe. Mit gleichem Lehrplan, gleichen Lehrmitteln, gleicher
Lehrerausbildung eine administrative und pädagogische
Einheit unter einem Dach. So nachzulesen im EDK-Papier
Dossier 38. Das wurde vergangene Woche von der EDK fast
im Befehlston verbreitet. Die Deutschschweizer Kantone
hätten sich da anzuschliessen. Solches konnte auch dem
Leitartikel der Presse entnommen werden, und auch
zwischen den Zeilen des Argumentatoriums des
Erziehungsdirektors. Weil noch weitere Nachteile einer
überstürzten Verkürzung offenbar wurden, werden wir uns
vorbehalten, einem Abänderungsantrag zuzustimmen. Das
vorliegende Leitbild unterscheidet sich in der Grundlinie
wesentlich von der ursprünglichen Fassung. Falls es heute
verabschiedet werden sollte, darf dies nicht ohne
Konsequenzen auf die zukünftige Bildungspolitik bleiben.
Lange genug wurde verbreitet, dass alles blockiert bleibe,
solange das Leitbild nicht behandelt sei. Viele bestehende
Projekte und Kommissionen werden über die Bücher gehen,
ihre Existenz überhaupt hinterfragen müssen. Dies reicht
von der geplanten neuen Promotionsordnung über die
Gesamtkonzeption Lehrerbildung bis hin zur weiteren
Mitarbeit in der NWEDK, deren Zielsetzung teilweise
diametral von den vorgeschlagenen Leitsätzen abweichen.
Andernfalls bleibt das Leitbild ein Papier für die Schublade,
das wäre die grosse, geleistete Arbeit kaum wert.
verbessern.
Der
Versuch
einer
knappen
Kommissionsmehrheit, all diese Vorbereitungsarbeit
hinfällig zu machen, wurde zwar erfolgreich abgewehrt,
doch auch im letzten Moment wurden während des Spiels
die Spielregeln nochmals geändert. In der grünen,
bereinigten Darstellungen wurde uns allen mitgeteilt, die
Anmerkungen "Was wir wollen, was wir nicht wollen"
würden neu mit den Leitsätzen publiziert, im Gegensatz zu
der ersten verschickten, gelben Fassung. Dies ist ein absolut
unübliches Vorgehen. Kommissionsbeschlüsse, die zum Teil
auf den Stichentscheid des Präsidenten zurückgehen, sollen
also in der Beratung des Grossen Rates nicht mehr verändert
werden, werden aber in der Publikation auf die gleiche
Ebene wie ein Grossratsbeschluss gestellt. Kann das noch
als demokratisches Vorgehen bezeichnet werden? Sie geben
damit die politische Führung in der Schulentwicklung preis,
etwas, was unter Leitsatz 3 explizit unter "Was wir nicht
wollen" abgelehnt wurde. Wer sind "Wir" eigentlich? Auch
sonst sind viele dieser Plus-Minus-Punkte einem
dreijährigen Projekt Schule Aargau nicht würdig.
Widersprüchlich sind einige dieser Begriffe, wie z.B., das
umstrittene, unscharfe und ideologisch besetzte Begriffe
nicht verwendet werden dürfen. Etwas weiter hinten werden
"Kollektiv-führungen" von Schulen als nicht gewollt
hingestellt. Hand aufs Herz: "Kollektivführungen" von
Schulen - behaupten Sie tatsächlich, dass der Begriff
"Kollektiv" nicht ideologisch besetzt ist? Was machen wir
mit all den Schulen, die heute schon im Team geleitet
werden, wenn eine Kollektivführung nicht mehr möglich
sein soll? Bei diesem Punkt und bei einigen weiteren hat
sich die Kommissionsmehrheit in einer Nacht-und-NebelAktion zu Schnellschüssen verleiten lassen, die es nicht wert
sind, auf der selben Ebene wie die zwölf Leitsätze publiziert
zu werden. Diese Plus-Minus-Punkte sind uns allen erst an
der letzten Kommissionssitzung vorgelegt worden. Zwar
konnten wir die schlimmsten sprachlichen Unebenheiten
bereinigen und einige Inhalte noch korrigieren, trotzdem
stelle ich Ihnen aber hiermit den Antrag, die Plus-MinusPunkte nicht zusammen mit dem Leitbild zu publizieren,
also so, wie es in der ersten, gelben Synopse vorgesehen
war. Behalten Sie diese Sätze in Ihrem Herzen oder
anderswo, aber spiegeln Sie breiten Bevölkerungskreisen
nicht vor, sie gingen auf eine Beschlussfassung im Grossen
Rat zurück. Falls dieser Antrag abgelehnt wird, stelle ich
Ihnen den Eventualantrag: "Die Anmerkungen 'Was wir
wollen' bzw. 'Was wir nicht wollen' sollen unter der Rubrik
'Was die Mehrheit der nichtständigen Kommission Leitbild
Schule Aargau will' im Anhang zum Leitbild publiziert
werden." So wäre wenigstens transparent gemacht, wer
hinter diesem ominösen "Wir" steht. Dieses aufwendige
Leitbild ändert in der Schule Aargau noch gar nichts. Es
setzt allenfalls Leitplanken für die Entwicklung unseres
Bildungssystems, meistens aber bleiben die Vorgaben
diffus. Es gilt nun, unverzüglich an die Arbeit zu gehen und
die notwendigen Neuerungen in unserem Schulsystem
anzupacken.
Die
Rektoratsreform,
die
neue
Promotionsordnung,
schulorganisatorische
Zusammenschlüsse an der Oberstufe, die Kantonalisierung
der Kindergärtnerinnen und einiges mehr müssen ohne
weitere Verzögerung dem Parlament vorgelegt werden.
Werden diese seit langem nötigen Änderungen noch weiter
verschleppt, läuft die aargauische Schule Gefahr, ihre hohe
Qualität einzubüssen, gerade wegen der Kräfte, die sich
anscheinend so sehr um die hohe Qualität sorgen und gerade
deshalb ein solches Leitbild gefordert haben. Für die
nachstehende Beratung behält sich die SP vor, verschiedene
Anträge zu stellen, ganz besonders auch zu Leitsatz 7, wo es
um die Verkürzung oder Beibehaltung von 13 Schuljahren
bis zur Maturität geht.
406
Marianne Herzog-Ernst, Oberhof: Die Arbeit am Leitbild
wurde im August 1993 gestartet, der ehrgeizige Zeitplan
wurde dann schon bald von der Wirklichkeit korrigiert, und
heute stehen wir einem ausgewachsenen Papiertiger
gegenüber,
der
seit
Jahren
die
Arbeit
im
Erziehungsdepartement lähmt. Dringende Neuerungen
wurden hinausgeschoben, viel Wichtiges vertagt. Tausende
von Aargauerinnen und Aargauern haben sich aber dank des
Leitbildes aktiv mit der Bildungspolitik auseinandergesetzt,
haben sich vernehmen lassen, haben nach Lösungen
gesucht, um die Qualität der Schule im Aargau zu erhalten
und
weiter
zu
Doris Fischer-Taeschler, Seengen: Worüber sprechen wir
heute? Wohl über die Schule Aargau, das Bildungssystem
Aargau, das unsere Kinder und Jugendlichen, also unsere
Zukunft, betrifft. Es betrifft unsere Gesellschaft, weil unsere
Kinder die Gesellschaft von morgen sind. Es betrifft auch,
aber nicht ausschliesslich die Lehrerschaft, weil sie zentrale
Aufgaben in dieser Schule erfüllen. Eine Schule ohne
Lehrerinnen und Lehrer wird es darum wohl in absehbarer
Art. 1907
Zeit nicht geben. Die Funktion jedes Leitbildes,
insbesondere des Leitbildes Schule Aargau, ist,
Vorstellungen über zukünftige Entwicklungen, hier im
Bildungsbereich, aufzuzeigen. Wohin soll diese Schule
Aargau führen, welche Ziele haben wir, und wie wollen wir
sie erreichen? Wir müssen, im Gegensatz zum
Erziehungsrat, die politische Verantwortung dem Volk
gegenüber wahrnehmen. Wir müssen, im Gegensatz zu den
Fachinstanzen, den politischen Willen kundtun. Wir müssen
und dürfen die Richtung aufzeigen, in die die Reise gehen
soll. Die Feinplanung und Ausarbeitung ist aber nicht unsere
Sache. Dies tun wir mit dem Leitbild, vor allem mit dem
umstrittenen Leitsatz 7, kund. Wir geben die Reise an,
machen aber nicht die Feinplanung. Wie wir dabei mit den
Ansprüchen
einzelner
Gruppierungen
und
Interessensvertretungen umgehen, ist uns anheimgestellt.
Wir müssen diese Ansprüche zumindest in einen
gesamtpolitischen Rahmen stellen. Das vorliegende Leitbild
ist vernetzt. Das haben wir auch immer gefordert. Wir
wollten weg von der Salami-Taktik der letzten Jahre, hin zu
einem Gesamtüberblick. Die einzelnen Leitsätze und der
dazugehörende Kommentar mussten gesamthaft betrachtet
werden. Sie bilden quasi ein Paket. Ich wehre mich also
dagegen, dass nur ein einzelner Leitsatz und dort auch nur
die Hälfte aus dem Zusammenhang gerissen wird. Die
Bildungspolitik ist ganzheitlich anzugehen, das fordern wir
auch von der Schule und von unseren Jungen. Wir wollen
zur Maturität vor, spuren gleichzeitig den Weg vor, indem
wir fordern, dass interkantonal harmonisiert werden soll,
dass aber auch verschiedene Varianten offen sind und die
Dreigliedrigkeit der Oberstufe beibehalten werden soll, dass
das Niveau erhalten und erhöht werden muss, dass wir keine
Gesamt- oder Orientierungsschulen wollen. Wir akzeptieren
die Forderung nach lebenslangem Lernen und ganzheitlicher
Förderung, sind also zur Erkenntnis gelangt, dass die Schule
nicht nur ausschliesslich Wissen vermittelt, sondern heute
noch anderes erbringen muss. Dies ist das Ziel der Reise.
Zum Weg sagen wir, dass lebenslanges Lernen nicht zur
Vernachlässigung des Grundwissens führen darf, dass die
Leistungsschule sichergestellt werden muss, dass Selektion
stattfinden muss. Auf einen FDP-Antrag hin wurden
Hearings durchgeführt. Diese haben in der Kommission die
Basis für eine fruchtbare Kommission gelegt und den
Durchbruch auf dem Weg zur Einigung gebracht. Die
Expertinnen und Experten aus allen politischen Lagern
haben erstaunlicherweise eine ganz ähnliche Sprache
gesprochen: Sie haben glasklar die Mängel des heutigen
Systems aufgezeigt. Eigentlich wünschte ich mir, Sie alle
hätten an diesen hochinteressanten Tagen dabei sein können.
Aus allen Voten war herauszuhören, dass unser
Bildungssystem, nicht nur das aargauische, gar nicht so gut
ist, wie wir es immer wahrhaben wollten. Die Expertinnen
und Experten haben klar und unmissverständlich gezeigt,
wo die Mängel liegen: Lehrlingsausbildner können sich
nicht mehr auf die Qualität der Schulabgängerinnen und abgänger verlassen. Spezielle Prüfungen und Tests sind
somit für Real-, Sekundar- und Bezirksschulabsolventinnen
und -absolventen an der Tagesordnung. Was stimmt heute
nicht mehr, wenn Abschlusszeugnisse nach den neun
obligatorischen Schuljahren nicht mehr als Makulatur sind?
Ich verweise hier auf den EDK-Bericht "Perspektiven für die
Sek.-Stufe II", der Abschlussprüfungen auf allen Stufen
fordert. Hochschulabsolventinnen und -absolventen aus dem
22. Oktober 1996
nun der Salami-Taktik Einhalt gebieten. Die ursprüngliche
Vorlage, der zweite Entwurf des Leitbildes Schule Aargau
genügte uns nicht. Pikanterweise war dieser Entwurf auch
nicht als solcher bezeichnet, und darum wird er heute schon
in Publikationen als Grundlage zitiert, obwohl er vom
Parlament nie abgesegnet worden ist. Dies erklärt auch
bereits unsere Forderung nach einem Neudruck und einer
Verteilung an aller Adressaten der ersten Entwürfe von dem,
was wir heute beschliessen. Wir danken dem
Erziehungsdirektor für seine diesbezügliche Zusage. Die
Vorlage war für uns nicht akzeptabel. Nicht die Leitsätze an
sich, zu denen wir ja gemäss Übungsanlage etwas zu sagen
gehabt hätten, sondern der ganze hintere Teil, das
sogenannte Massnahmenpaket, zu dem wir nur hätten nicken
dürfen. Es blieb uns in der verzwickten Situation also nichts
anderes übrig, als Rückweisung des Ganzen zu beantragen.
Dieses Damoklesschwert der Rückweisung hat in einer
ersten Phase die Kommission und teilweise auch die
Öffentlichkeit erschüttert, aber auch dazu geführt, dass wir
das Gespräch miteinander wieder gefunden haben, einen
neuen Weg eingeschlagen haben, der zu der heutigen
Vorlage führte. Wir ergänzen und konkretisieren den
politischen Willen, indem wir zu den Leitsätzen noch ein
"Was wir wollen, was wir nicht wollen" formuliert haben.
Damit sind Leitplanke und Ziele gesetzt. Wir geben das Ziel
12
Jahre
Schuldauer
bis
Aargau stehen im schweizerischen Durchschnitt nicht besser
da, sondern eher mittelmässig oder schlechter als jene, die
mit 18 oder 19 Jahren die Hochschulreife erlangt haben. Der
Aargau mit seinem langen, speziellen und hochgelobten
Schulsystem hat zu viele Versagerinnen und Versager an
den Universitäten. Sind wir nicht einmal davon
ausgegangen, dass wir eigentlich das beste System der
Schweiz haben? Stimmt das noch, oder müssen wir gar
betrübt zur Kenntnis nehmen, dass Handlungsbedarf
besteht? Müssen wir nicht unsere Situation neu überdenken,
wenn wir wissen, dass 21 von 26 Kantonen - ohne den
Aargau - eine Verkürzung auf 12 Jahre eingeführt, geplant
oder beschlossen haben? Müssten wir unser Schulsystem
nicht mit unseren 6 Nachbarn Bern, Zürich, Luzern, Zug,
Solothurn, Basel harmonisieren? Was verbindet uns mit den
Wallisern, Genfern, Freiburgern und Tessinern - das sind
nämlich die letzten "Dreizehner"? Dass heute nicht mehr nur
das reine Sachwissen zählt, davon haben wir uns überzeugen
lassen. Die Erkenntnis, dass auch Sozial- und
Selbstkompetenz wichtig sind, finden Sie im Leitsatz 2
wieder. Wir erlauben uns allerdings, diese Kompetenzen für
den Aargau zu definieren, weil wir festgestellt haben, dass
ungefähr gleich viele Definitionen wie Nennungen in der
Schweiz existieren. Da nennen wir das Kind lieber beim
Namen. Ich gehe davon aus, dass wir nach der Debatte auf
das Leitbild eintreten werden. Zu den einzelnen Leitsätzen
wird dann noch Stellung bezogen. Trotzdem nehme ich mir
die Freiheit heraus, einige inhaltliche Bemerkungen zu
machen, weil die Leitsätze vernetzt sind und ein Leitsatz für
sich allein die Leitplankenfunktion zu wenig aufzeigt. Die
FDP ist erfreut über den Grundtenor, die humane
Leistungsschule, die quer durch dieses Leitbild geht. Wir
sind keine Barbaren, wir wollen eine kindgerechte Schule
und keine Züchtigungsanstalten. Dieses Bekenntnis finden
Sie im Bildungsauftrag und in verschiedenen Leitsätzen
wieder. Im Leitsatz 1 das solide Grundwissen, die
407
22. Oktober 1996
elementaren Kulturtechniken, im Leitsatz 2 die Forderung
nach und die Förderung von Leistung, in Leitsatz 4 die
Begabtenförderung, das Überspringen von Klassen, die
individuelle Förderung, in Leitsatz 5 Promotion,
Fremdbeurteilung, Selektion, in Leitsatz 6 die dreigliedrige
Oberstufe, jedes Kind hat Anrecht auf eine seinen
Fähigkeiten entsprechende Schulbildung, in Leitsatz 10 die
Qualitätssicherung.
Die
nächste
Generation
von
Schülerinnen und Schülern hat den Anspruch auf die gleich
gute Schule. Die Reduktion der Schulzeit bis zur Matura
und die Forderung nach Harmonisierung können ebenfalls
in diesem Zusammenhang genannt werden. Wenn die
Grundsätze der humanen Leistungsschule bis zur Maturität
durchgezogen werden - das müssen sie - gibt es auch keine
unkontrollierbare Mengenausweitung. Wenn Promotion und
Selektion korrekt durchgeführt werden, gibt es keine
Inflation für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten.
Vorsitzender: Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie
bitte zum Schluss.
Doris Fischer-Taeschler, Seengen: Ich möchte Sie bitten,
auf die Vorlage einzutreten und den SP-Antrag abzulehnen.
Bleiben wir bei der Beratung so sachlich wie möglich und
schauen wir vorwärts.
Erich Vögeli, Kleindöttingen: Leitbild Schule Aargau oder
auch der Wegweiser für die Schule Aargau ins nächste
Jahrtausend: Wegweiser sollen eindeutige Angaben und
Richtungen angeben. Das vorliegende Werk erfüllt diese
vorgelegt wurde, sondern das neue, von der Kommission
abgeänderte und zum Beschluss erhobene Leitbild. Ich habe
immer Probleme mit Leitbildern und Konzepten. Wir haben
hier einige Beispiele, so das Polizeikonzept, das nicht so
durchgeführt wird, wie wir beschlossen haben. Mit dem
heute vorliegenden Leitbild Schule Aargau kann ich aber
leben. Unsere Fraktion ist für Eintreten. Wir haben lediglich
bei einem Leitsatz einige Differenzen, die aber heute sicher
ausgeräumt werden. Es wurde schon sehr viel gesagt zu
diesem Leitbild. Ich bitte Sie, die Beratungen jetzt
aufzunehmen. Wir stellen den Antrag, das Leitbild so zu
beraten und zum Beschluss zu erheben, wie es die
Kommission vorschlägt, bis auf den Leitsatz 7, wo wir uns
nicht ganz einig sind.
Sämi Müller, Gontenschwil: Allen Leuten recht getan, ist
eine Kunst, die keiner kann. Dieses Sprichwort trifft auch
auf das Leitbild und dessen Vorberatung zu. Es sind heute
viele schöne Worte gemacht worden, viele plausible
Argumente dafür und dagegen wurden geäussert. Sicher ist
in der Kommissionsarbeit nicht immer alles optimal
gelaufen. Man kann mit Entscheiden der Kommission nicht
einverstanden sein. Trotzdem möchte die EVP Sie bitten,
das Leitbild als Gesamtes, wie von der Kommission
vorgeschlagen, zu beraten und die davon abweichenden
Anträge abzulehnen .
Eva Kuhn-Wittig, Full: Es wurde bereits viel über die
Bedeutung und den Stellenwert des Leitbildes Schule
Aargau gesagt. Ich möchte mich in meinem Votum vor
allem auf den Inhalt, die Aussagen und deren Tragweite und
die sich daraus ergebenden Konsequenzen konzentrieren.
Dazu
stelle
ich
fest,
dass
das
vorliegende
Kompromissleitbild noch mehr zu einem Kompromisspapier
geworden ist und dabei auch der letzten visionären Ansätze
408
Art. 1907
Anforderung einfach mit klaren Vorgaben. Kinder und
Jugendliche sind unsere Zukunft. Sie werden in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten werken und wirken. Dazu
brauchen sie eine sehr gute Grundausbildung, auf die sie
stets zurückgreifen können. Diese bildet das Fundament für
jede weitergehende Ausbildung und Entwicklung.
Lebenslanges Lernen ist angesagt. Das Leitbild Schule
Aargau bildet die Grundlage für den zukünftigen Bau und
Ausbau der Schule Aargau. Fängt man an, daran
herumzuflicken, verkommt es zu einem Flickwerk. Mit
einem solchen kann man nicht führen. Die Diskussionen um
die 4. Klasse Bezirksschule im Zusammenhang mit der
Schulzeitverkürzung von 13 auf 12 Jahre wurde auch bei der
SVP geführt. Unsere grossmehrheitlichen Vorstellungen
gehen dahin, die 4. Klasse Bezirksschule in Hinsicht auf die
zukünftige Fachhochschule Aargau neu zu strukturieren und
auszubauen.
Berufsbildung
mit
Abschluss
und
nachfolgender Berufsmatura sollen für den Eintritt in die
Fachhochschule die alleinige Voraussetzung sein. Das
Modell 5.3.4 bildet dazu die besten Voraussetzungen. Bei
den sicher nachfolgenden Diskussionen um die
Ausgestaltung der Schule Aargau werden wir uns in diesem
Sinne gerne konstruktiv und aktiv beteiligen. Die SVP ist
für Eintreten und bittet Sie, den Anträgen zuzustimmen.
Rolf Urech, Hallwil: "Dieses Leitbild ist nichts Wertli",
waren meine Gedanken, als ich es zum ersten Mal gesehen
habe. Heute muss ich das revidieren. Das Leitbild ist doch
besser als sein Ruf. Aber nicht das Leitbild, das uns zuerst
beraubt wurde. Statt mutig neue Wege und Horizonte
aufzuzeigen, wie die Schule Aargau in Zukunft auszusehen
hat, verharrt es weitgehend in bestehenden und alten
Mustern. Der bereits zahme Entwurf seitens der Regierung
wurde von der Kommission in grossen Teilen weiter
verwässert, und die wenigen zaghaften Ansätze zu einer
Chance für Veränderungen weiter entschärft oder ganz
eliminiert. So geschehen bei der Beurteilung von
Schülerinnen und Schülern, die weiterhin aufgrund von
Noten basieren soll, obwohl in der heutigen Pädagogik das
völlige Ungenügen dieser Beurteilungsform längst
anerkannt ist. So geschehen im Leitsatz 1, wo die
Vermittlung von elementaren Kulturtechniken - damit ist
übrigens Rechnen, Lesen und Schreiben gemeint, für die,
die das immer noch nicht wissen - als erste Aufgabe der
Volksschule erscheinen. So geschehen bei der
Notwendigkeit von Tagesschulen, 5-Tage-Woche und
Blockzeiten, die nun nur noch in der Kann-Formulierung
vorhanden sind. Hier beharrt die Regierung für einmal auf
ihrem ursprünglichen Antrag. So geschehen bei dem neuen
Leitsatz 12, dem ein Lehrerinnen- und Lehrerbild zugrunde
liegt, das, statt in die Zukunft zu weisen, aus der
Mottenkiste des letzten Jahrhunderts stammt. Der einzige
Leitsatz, der weitreichende Folgen hat, Leitsatz 7, erscheint
innerhalb der braven und biederen Leitsätze wie ein
umstürzlerischer Rebell, allerdings wie ein sehr
pubertierender, unreifer und kopfloser Rebell, der sich über
die Konsequenzen seines Tuns und Handelns kaum im
klaren ist. Frau Fischer erwähnte vorhin, wir gäben hier das
Ziel an, nicht die Reise. Ich möchte doch fragen, ob es nicht
ein Unterschied ist, ob man mit Dampfer oder Jumbo-Jet
reist und ob der Koffer gepackt oder das Gepäck nur sehr
spärlich ist. Letzteres ist der Fall. Der Regierungsrat ist
sicher darauf vorbereitet, dass sich hierzu eine sehr
Art. 1907
umfassende Debatte ergeben wird, und ich erwarte klare
Aussagen, wie sich der Regierungsrat das Prozedere
vorstellt, vor allem, inwiefern das Volk etwas dazu zu sagen
hat. Um nicht nur Negatives zu sagen, seien hier
ausdrücklich einige übriggebliebene Aussagen, die für eine
offene Schule und Pädagogik im Aargau stehen, erwähnt,
nämlich die Aussage, dass sich die Schule Aargau um
Gleichstellung
der
Geschlechter
sowie
um
Chancengleichheit von Schülerinnen und Schülern bemüht,
die Aussage, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist, dass
sich die Schule um eine ganzheitliche Förderung der
Schülerinnen und Schüler bemüht, mit dem Ziel,
Selbstkompetenz, Sachkompetenz und Sozialkompetenz zu
erlangen. Das Leitbild Schule Aargau hat eine lange und
bewegte Phase hinter sich. Das Ergebnis sollte sich deshalb
innerhalb der Schweiz sehen lassen können und nicht nur
ein Konglomerat von nichtssagenden Sätzen sein. In der
heutigen Debatte und in Abstimmungen haben Sie es
wenigstens teilweise in der Hand, dem vorliegenden Leitbild
wenigstens ein wenig mehr Substanz zu geben, als es jetzt
enthält. Die SP-Fraktion wird sich für diese Substanz
einsetzen und einige entsprechende Anträge stellen.
Judith Bigler, Rupperswil: Ich spreche heute nicht im
Namen der SP-Fraktion, sondern in meinem ganz
persönlichen. Den Standpunkt, den ich einnehme, ist
eigentlich nicht innerhalb des Geschehens, sondern
ausserhalb, sozusagen beobachtend. Als das Leitbild das
Licht der Welt erblickte, ging ein fürchterliches Geschrei
und Gejaule durch unseren Kanton. Warum eigentlich?
Verschiedene Meinungen zu haben ist ja eigentlich ganz
legitim und einer Demokratie würdig. Aber wie sieht es
Kindes und der Eltern. Da kann es doch nicht sein, dass die
Verantwortung bei der Wohnungstür aufhört! Als mir
einmal hier eine Diskussion hatten, ging es auch um Kinder.
Aus Ihren Reihen wurde gesagt, Kinderhaben sei eine
Privatangelegenheit. In bestimmten Bereichen bin ich der
gleichen Meinung. Darum müssen die Eltern eben auch frei
wählen können, natürlich innerhalb von einem gesetzlich
bestimmten Rahmen. Ich weiss, dass das hier und heute
nicht Gegenstand der Diskussion ist, aber ich möchte Sie
bitten, einmal darüber nachzudenken. Hätten wir so etwas,
gäbe es das ganze Gezänke nicht, sondern wir könnten in
einer Atmosphäre der Toleranz ein friedliches Miteinander
haben, und das wäre weitaus sinnvoller. In der Diskussion in
den Medien war ja sehr oft die Rede von Wirtschaft und
Bildung. Selbstverständlich hat das etwas miteinander zu
tun. Die Jugendlichen müssen einen Weg im Berufsleben
finden. Es ist sinnvoll, dass immer wieder neue Ideen von
jungen Leuten ins Wirtschaftsleben eingebracht werden. Die
Wirtschaft ist doch aber nicht das Ziel unseres Daseins,
sondern Mittel zum Zweck! Unser Leben umfasst doch viel
mehr als nur die Wirtschaft! Daher muss die Bildung, die
unsere Kinder bekommen, auch eine ganzheitliche sein und
nicht nur einen bestimmten Bereich umfassen. Ich möchte
Sie bitten, diesen Umstand in der Detailberatung zu
berücksichtigen.
Hans Feldmann, Boniswil: Auch ich erachte das Leitbild
Schule Aargau, wie es aus der Kommissionsberatung
hervorgegangen ist, als gute und zweckmässige Grundlage
für die Zukunft unseres Bildungswesens, mit einer
Einschränkung bei den Schulstrukturen, wie sie im Leitsatz
7, zum Teil auch im Leitsatz 6 zum Ausdruck kommen. Ich
22. Oktober 1996
dann beim Umsetzen aus? Dort ist es in er Regel so, dass ein
Mehrheitskompromisskonglomerat seine Gültigkeit hat und
gelebt wird. Dagegen ist in der Regel nichts einzuwenden.
Aber ich wage nun, die ketzerische Frage zu stellen, wie das
im Bildungswesen ist. Ist es denn richtig, dass es nur eine
einzige Wahrheit gibt, und die gilt für alle? Nein, das ist
nicht so. Es gibt andere sinnvolle Möglichkeiten, nämlich,
dass gleichberechtigt verschiedene Möglichkeiten da sein
können und die Eltern frei wählen können, was sie richtig
finden. Wir haben ja schon oft über erweiterte Lehr- und
Lernformen diskutiert. Es könnte z.B. sein, dass es Schulen
mit und andere ohne solche Formen gäbe, oder Schulen mit
Frühfranzösisch, andere ohne, und die Eltern könnten frei
wählen. Nicht nur das, die Eltern sollten auch in erweiterten
Bereichen frei wählen können, nämlich auch Schulen, die
öffentlich sind, aber eine private Trägerschaft aufweisen,
z.B. Montessori-Schulen, Freie Volksschulen oder RudolfSteiner-Schulen. Sie haben heute schon die Wahl, aber es ist
keine echte Wahl, weil Sie nämlich bestraft und
diskriminiert sind, da Sie das ganze Schulgeld selber
bezahlen müssen, weil Sie Steuern für die öffentliche, vom
Staat getragene Schule bezahlen und weil Sie das Schulgeld
nicht einmal von den Steuern absetzen können. Warum eine
freie Schulwahl? Nahrung hat etwas mit Gesundheit zu tun
und liegt in Ihrer eigenen Verantwortung. Sie können selber
entscheiden, wie Sie sich ernähren wollen. Sie können Junk
Food essen, bürgerliche Hausmannskost, aber auch
Vollwertnahrung. Wie ist das mit der Erziehung? Hat denn
das nicht auch mit jedem Einzelnen etwas zu tun? Doch, das
hat mit den Meinungen und Wertvorstellungen der Eltern zu
tun,
mit
der
Individualität
des
finde es zweckvoll, dass ich Sie über einen Antrag kurz
informiere, den ich zum Leitsatz 7 stellen werde. Ich finde,
dass der Entscheid über die zukünftigen Schulstrukturen
noch nicht reif ist. Es fehlen die Folgen, Konsequenzen und
Auswirkungen. Es hat in den letzten Tagen ein intensiver
Dialog über das Leitbild stattgefunden. Dieser Dialog mit
der Bevölkerung, den Schulbehörden und der Lehrerschaft
ist zu Ende zu führen. Ich möchte hier nicht Gesagtes
wiederholen, sondern nur aufzeigen, wie wichtig dieser
Dialog ist, am Beispiel der Berufslehre und Berufsbildung,
die immerhin von 80% unserer Jugendlichen gewählt wird.
Nach dem Leitsatz 7 in der Version der Kommission stossen
wir die Attraktivität der Berufslehre in den Keller und
quartieren die Mittelschulabsolventen in der Attikawohnung
ein. Das ist sicher überzeichnend, aber wir gehen in diese
Richtung. Seit Monaten werden in unserem Lande vom
Bundesrat über die Politiker bis zu Wirtschaftsverbänden
aller Richtungen die KMU besungen und deren Bedeutung
gelobt, zusammen mit unserer Berufsbildung immer noch
ein entscheidender Vorteil für unser Land. Eine hohe
Qualität in der Berufsbildung, dazu die Berufsmittelschule
und Berufsmaturität, schaffen die Voraussetzung für die
Fachhochschulabsolventen. Ich finde das gut, ich bilde
selber seit Jahren BMS- oder BMA-Lehrlinge aus, die
bereits die HWV Olten absolviert haben, heute zum Teil an
der HWV in Baden sind oder die HTL Windisch
durchlaufen haben. Mit dem vorgeschlagenen Modell wird
nun ausgerechnet das Potential und die Basis von gut
qualifizierten Lehrlingen weg in eine attraktivere
Mittelschulausbildung gelockt. Ein Berufsabschluss würde
in der Regel ein Jahr länger dauern als der Maturaabschluss
an der Mittelschule. Dabei sollte das Gleichgewicht meines
409
22. Oktober 1996
Erachtens eher umgekehrt gelagert werden. Wo sollen
unsere zukünftigen mittleren Kader herkommen? Wozu
richten wir Fachhochschulen ein, wenn wir den Zugang in
bezug auf Dauer und Leistung unattraktiv gestalten und
dafür den Besuch einer Mittelschule schmackhafter
ausgestalten? Mit einem entsprechenden Antrag zum
Leitsatz 7 soll vor allem diese Fehlentwicklung für unsere
Berufsbildung aufgedeckt und verhindert werden. Ich weise
in diesem Zusammenhang auf den Leitsatz 7 hin. Es ist nicht
so, dass wir diese Diskussion später noch führen. In Leitsatz
7 wird ausgeführt, die entsprechenden inhaltlichen und
strukturellen Massnahmen seien einzuleiten; in Leitsatz 6
steht, es sei im Hinblick auf eine interkantonale
Harmonisierung umzugestalten. Ich bin auch der Meinung,
dass wir die Verkürzung der Schulzeit ernsthaft prüfen und
anvisieren müssen, aber ich glaube, dass wir diesen grossen
Schritt in unserem Schulwesen erst auslösen sollen, wenn
die Konsequenzen für unsere Schulstrukturen vorher im
Grossen Rat dargelegt worden sind. Ich danke Ihnen für die
Berücksichtigung meines Antrages.
Patrizia Bertschi-Hitz, Ennetbaden: Das Hohe Lied der
konstruktiven und sachlichen Kommissionsarbeit wurde mir
etwas zu stark gesungen. Darum bin ich hier. Der Weg über
den umstrittenen Rückweisungsantrag habe zu einer
sachlichen Auseinandersetzung geführt. So habe ich es
einige
Male
gehört.
Ich
behaupte
nun,
der
Rückweisungsantrag, die skandalöse erste Expertinnen- und
Expertenliste, die Meldungen an die Presse und die damit
verbundene, sicher aussergewöhnliche Pressekonferenz
haben die Kommissionsmehrheit aufgeschreckt und zum
Nachdenken angeregt. Die Art und Weise bzw. der Zeitplan
relativiert
das
Gewicht
der
Expertinnenund
Expertenhearings. Zuerst wurde nämlich das Leitbild
unser Dokument Leitbild Schule Aargau - ich meine das
Dokument, das die Regierung dem Grossen Rat zur
Beratung zugeleitet hat -, offenbar doch nicht so schlecht
war, doch eine taugliche Grundlage und eine wertvolle
Diskussionsbasis für die Beratung in der Kommission und
im Parlament war und ist. Als ich ein Vierteljahr nach
meinem Amtsantritt als Erziehungsdirektor im Sommer
1993 die Erarbeitung eines Leitbildes für die Aargauer
Schule initiiert habe, war ich überzeugt, dass die
Bildungspolitik Aargau eine grundlegende Diskussion und
eine neue Orientierung nötig hatte. Die bisherigen
politischen Auseinandersetzungen, die bekanntlich engagiert
und teilweise auch sehr heftig, im wesentlichen aber doch
konstruktiv waren, haben meine damalige Einschätzung
vollauf bestätigt. Ich freue mich nun wirklich, dass dieses
ambitiöse Vorhaben nun zu einem Abschluss kommen soll,
indem nach den ausgiebigen Beratungen in der Kommission
die Beratung und Beschlussfassung im Grossen Rat erfolgen
soll. Meine Grundthese bezüglich Erziehung allgemein und
für den Aargau speziell lautet: Wir müssen und wieder klar
und bewusst werden, wie elementar und existentiell wichtig
Bildung für uns und unser Land, unsere Gemeinschaft und
unsere Zukunft ist. Man hört zwar sehr oft, Bildung sei der
wichtigste Rohstoff in der rohstoffarmen Schweiz, dennoch
bestehen über den Stellenwert der Bildung unterschiedliche
Vorstellungen und Unklarheiten. Ich hoffe daher, dass das
Leitbild und die damit ausgelösten Diskussionen zu einer
diesbezüglichen Klärung und Verständigung beigetragen
haben. Der gesellschaftliche Wandel und seine
410
Art. 1907
durchdiskutiert, dann die Expertinnen und Experten
angehört, die zum Teil hochinteressante Referate hielten,
was ich als eine gute Weiterbildung betrachtet habe, aber die
Diskussion wurde dann in einem einzigen Tag abgehandelt.
Das ist für mich nicht gute Kommissionsarbeit. Weiter
wurden Spielregeln während des Spiels geändert, was für
mich auch nicht zu einer guten Arbeit in einer Kommission
gehört.
Annette Heuberger, Menziken: Nach der Eintretensdebatte
ist mir eine Besonderheit, die in der Politik aber leider
langsam zur Gewohnheit wird, aufgefallen, nämlich, von
denen, die all das ausbaden müssen, was wir heute
beschliessen, also den Kindern, war nur selten die Rede.
Vertreten mit ihren Anliegen sind sie auch nicht. Ich bitte
Sie deshalb, im Namen der Kinder ausnahmsweise
Sachpolitik zu betreiben und nicht, wie leider auch schon
bald zur Gewohnheit geworden, Parteipolitik. Denken Sie
also an Ihre Kinder, oder falls der Bezug zu lang her ist oder
fehlt, an Ihre Gross- oder Patenkinder. Hier geht es um die
zukünftige Schulbildung und den Rucksack, den die Kinder
auf dem Lebensweg erhalten, der ihnen helfen soll, dort zu
bestehen. Bitte vergessen Sie das nie während der Beratung.
Kinder sind keine Wählerinnen und Wähler, sie haben auch
keine Lobby. Gerade deshalb müssen wir in ihrem Interesse
Entscheide fällen.
Regierungsrat Peter Wertli: Ich habe mich auf diesen Tag
gefreut. Nach Jahren der Planung, Erarbeitung und Beratung
in den Fachkommissionen, nach der Vorberatung in der
Spezialkommission ist es nun an der Zeit, das Leitbild als
ein wegweisendes Dokument zu beraten und darüber zu
entscheiden. Ich freue mich über die heutige Diskussion und
Beratung. Ich stelle zugleich mit Genugtuung fest, dass
Auswirkungen auf Schule und Bildung wird oft
angesprochen. Auch wenn es einige nicht wahrhaben
wollen: Wir befinden uns in Zeiten tiefgreifender
Veränderungen, die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft
gleichermassen erreichen und fordern. Für das 20.
Jahrhundert, in dem wir uns noch befinden, ist es
charakteristisch, dass mehrere tiefgreifende Veränderungen
zur gleichen Zeit auf verschiedenen Ebenen geschehen und
dass das Tempo dieser Veränderungen zunimmt. Der
gesellschaftliche Wandel wird oft angesprochen, aber wohl
niemand hat ein Patentrezept für Gegenwart und Zukunft.
Dies machen so unterschiedliche Bezeichnungen wie
moderne
oder
postmoderne,
Informations-,
Kommunikations- und Risikogesellschaft deutlich. Ich fasse
unsere heutige Gesellschaft als offen und pluralistisch auf,
eine Gesellschaft, in deren Dienst dieses Bildungswesen
stehen soll. Eine Folge dieser Pluralisierung ist die
Möglichkeit des Einzelnen, in sehr unterschiedlichen
Welten zu leben, in der Familie, im Beruf, in der Freizeit,
oder auch in der Politik. Ich habe oft den Eindruck, diese
Bereiche entwickelten sich auseinander. Ein klassisches
Beispiel dafür ist die Familie, die verschiedene und
unterschiedliche Formen erhalten hat. Gleichzeitig zeigt sich
aber, dass die notwendige Tragfähigkeit dieser Familie nicht
mehr überall gegeben ist. Pluralisierung birgt Chancen und
Gefahren. Sie erweitert auf der einen Seite den individuellen
Handlungs- und Entscheidungsspielraum, sie verbessert die
Chancen für ein selbstbestimmtes Leben. Zugleich
konfrontiert uns diese Pluralisierung mit Anforderungen und
Art. 1907
Risiken der Freiheit. Die Verantwortung für sich selbst muss
wieder vermehrt wahrgenommen werden. In einer
Gesellschaft, in der bekanntlich weitgehend der Erfolg zum
Massstab für Anerkennung geworden ist, und die Ursachen
für Misserfolg und Defizite in Fehlern des Einzelnen
gesucht werden, können sich die einzelnen Menschen leider
der Solidarität anderer eher weniger sicher sein. Das Tempo
des Veränderungsprozesses lässt Reflexion und ruhiges
Abwägen kaum mehr zu. Die Leitdisziplinen des
technischen Fortschrittes haben ihre Auswirkungen auf
Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Eine
Schwierigkeit ist die Ungleichzeitigkeit der Prozesse, die
wir erleben. Während sich einerseits die Märkte weltweit
vernetzen, neue Kommunikationstechnologien den globalen
Austausch von Informationen ermöglichen, nehmen auf der
anderen Seite bekanntlich nationale und ethnische Konflikte
zu, gewinnt die übernationale politische Integration in
Europa nur langsam Gestalt. Globalisierung auf der einen
Seite, Rückzug in den eigenen, vertrauten Lebensbereich auf
der anderen Seite. Die Faktoren des gesellschaftlichen und
sozialen Wandels haben Auswirkungen auf unser
Schulsystem. Heute fehlt uns weitgehend ein allgemein
reflektiertes und akzeptiertes Menschenbild, das als Basis
für ein gemeinsames Zusammenleben dienen könnte. Der
Verlust an Gemeinschaftlichkeit ist als Folge eines
übertriebenen Individualismus' gewachsen, der lebendige
Kontakt mit der Umwelt, mit den Mitmenschen nimmt leider
in dem Ausmasse ab, je intensiver andererseits mögliche
Formen der Massenkommunikation eingesetzt werden
können. Schulische Bildungs- und Erziehungsarbeit hat
heute ihre unangefochtene Stellung zu einem guten Teil
verloren, muss sich neu orientieren, wie sie es seit Gründung
dieser Volksschule wohl noch nie hat tun müssen. Schule ist
in diesen Wandel eingebettet, und die Ziele des
Bildungswesens werden durch die zentralen Werte der
Gesellschaft und des Einzelnen bestimmt. Der Wertewandel
stellt das Bildungswesen vor grosse Anpassungs-,
Kohärenz- und Erscheinungsfragen. Wir werden im
sungen erging, oft gefragt, ob ich eigentlich nicht besser
spazieren ginge, als in der Kommissionsberatung zu sein.
Aber mein Ausharren hat sich gelohnt. Wir sind heute da,
um dieses Leitbild zu beraten und hoffentlich zu einem
Abschluss zu bringen. In der Eintretensdebatte wurde eine
Frage gestellt, die möglicherweise für die weitere Beratung
von Bedeutung sein kann und die ich einleitend deutlich
beantworten möchte. Es ging um die Verkürzung der
Schulzeit bis zur Matur in Verbindung mit der Überprüfung
der Schulstrukturen. Frau Kuhn hat gefragt, was das Volk
dazu zu sagen habe. Es wird eine Schulgesetzrevision
geben, die diesen Aspekt enthält. Wir haben im Schulgesetz
die Volksschulpflicht in § 4 mit neun Jahren verankert.
Wenn
Teile
dieser
Volksschulpflicht
nun
an
weiterführenden Schulen absolviert werden sollen, müssen
wir das Schulgesetz entsprechend ändern. Diese Änderung
wird auch nötig, weil wir gleichzeitig im Zusammenhang
mit der Begabtenförderung die Flexibilität des
Schuleintrittsalters wollen, die ebenfalls in § 4 enthalten ist.
In dem Sinne kann ich Ihnen sagen, dass der Grosse Rat und
das Volk über die Frage der Verkürzung diskutieren und
entscheiden kann, und wir werden Ihnen die Strukturen für
eine mögliche Verkürzung vorlegen. Wir werden nach dem
Entscheid des Grossen Rates, der hoffentlich noch heute
erfolgt, unmittelbar eine Projektorganisation einsetzen, die
22. Oktober 1996
Bildungswesen dauernd vor neue Forderungen gestellt, es
wird dadurch eine Dynamik ausgelöst, die bei allen Rufen
nach Kontinuität nicht aufgehalten werden kann. Der Weg
und Wandel im Bildungswesen gleicht einer dauernden
Gratwanderung zwischen Anpassung an wirtschaftliche und
soziale Gegebenheiten und Veränderungen und der
Bewahrung der Werte, die tief in unserem Volksschulwesen
verankert sind. Ich habe Ihnen diese Zusammenhänge
aufzeigen wollen, um Ihnen zu zeigen, in welchem Umfeld
sich die heutige Diskussion und das heutige Bildungswesen
bewegt. Ich könnte Ihnen Ausführungen zur Bedeutung von
Bildung für das Individuum und den Staat machen, zur
Befähigung mit Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz. Ich
möchte all dies aus zeitlichen Gründen nicht tun, aber ich
möchte Ihnen etwas aus einem Maturandenaufsatz vorlesen,
den ich kürzlich in Händen gehalten habe: "Wir haben
gelernt, dass eins und eins zwei sind, doch haben wir auch
gelernt, einmal fünf gerade sein lassen zu können. Wir
haben gelernt, dass Pflanzen mit Hilfe von Blattgrün
Sonnenenergie in chemische Energie umwandeln, doch
haben wir auch gelernt, die Natur zu geniessen und über sie
zu staunen. Wir haben gelernt, dass Atome bis an die Grenze
der Messmöglichkeiten zerlegt werden können, doch haben
wir auch gelernt, unsere eigenen Grenzen wahrzunehmen
und anzuerkennen. Wir haben gelernt, zu diskutieren und
andere Meinungen darzustellen, doch haben wir auch
gelernt, einmal zuzuhören." Ich wollte Ihnen diese
Fragestellungen nicht vorenthalten, wenn wir heute über
Bildungsfragen diskutieren. Ich danke allen am Leitbild
Beteiligten,
namentlich
den
seinerzeitigen
Fachkommissionen und dem Erziehungsrat, besonders aber
auch der Spezialkommission und ihrem Präsidenten. Die
Leitbildarbeit war für uns alle ein sehr intensiver,
anspruchsvoller, aber auch interessanter und wertvoller
Prozess. Ich habe mich tatsächlich zu Beginn der
Kommissionsarbeit, als man sich in gegenseitigen
Vorwürfen
und
Schuldzuweiin
Zusammenarbeit
mit
Schulbehörden
und
Lehrorganisationen die Frage der Strukturreform
wohlbedacht, aber dezidiert angehen soll. Ich danke für die
Offenheit, die zum Ausdruck gebracht worden ist, für die
signalisierte Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit.
Herr Nüsperli hat vorgebracht, dass das Leitbild erst in der
Vorbereitung der Leitbildarbeit entschlüsselt und entnebelt
worden ist. Das Leitbild, das wir Ihnen vorgelegt haben, war
offen und transparent, es hat nichts verschleiert oder
verschwiegen. Wenn Herr Nüsperli den Experten Deuchart
gelobt hat, der der Kommission die Augen geöffnet habe, so
muss ich einfach feststellen: Wenn ein Experte im Hearing
ausführt, dass der Beginn der linken Weltrevolution JeanJacques Rousseau zuzuschreiben und anzulasten sei, so hat
dieser Experte Anspruch auf Glaubwürdigkeit verloren. Die
EDK hat die integrierte Oberstufe nicht gefordert. Was
geschehen und letzte Woche publiziert worden ist, ist das
Resultat einer Arbeitsgruppe, die sich im Auftrag der EDK
Gedanken zur Sekundarstufe 1 gemacht hat. Die EDK hat
das Resultat dieser Arbeitsgruppe publiziert und
freigegeben. In diesem gleiche Dokument steht, dass neben
der integrierten Oberstufe ein anderes Modell, eine
sogenannte kooperative Oberstufe möglich ist, wie wir sie
haben, nämlich mit gegliederten Leistungszügen. In dem
Sinne behalten wir, EDK hin oder her, die Freiheit zur
411
22. Oktober 1996
Entscheidung, was mit unserer Oberstufe zu geschehen hat.
Zu Herrn Feldmann möchte ich nur sagen, dass wir über den
Verkürzungsleitsatz sicher noch detailliert diskutieren
müssen, dass die Zeit bezüglich dem Entscheid zur
Verkürzung aber reif ist. Es geht heute nicht um den
Detailentscheid, sondern um den politisch-strategischen
Entscheid, um eine klare Planungsvorgabe für die nun
notwendige konzeptionelle und strukturelle Arbeit. Deshalb
ist dieser Entscheid unaufschiebbar und kann nicht anders
erfolgen. Ich habe Ihnen eine Graphik über die Situation mit
der Schuldauer austeilen lassen. Wenn der Aargau hier nicht
dabei ist, manövriert er sich eine weitere isolierte Position.
Wir haben bereits heute eine Sonderstellung im Schulwesen.
Im Prinzip könnte uns das ja gleichgültig sein, aber diese
Stellung gibt uns zunehmend Probleme im Zusammenhang
mit der Mobilität von Eltern und Lehrkräften, mit der
Lehrerbildung, den Lehrmitteln, die wir spezifisch für den
Aargau haben müssen, und den entsprechenden Kosten. Wir
müssen nun dafür sorgen, dass wir nicht in einem weiteren
Bereich in eine gesamtschweizerische Sonderstellung
geraten. Es ist gesagt worden, wenn von 26 Kantonen 21
und die ganze Deutschschweiz und all unsere
Nachbarkantone diesen Weg bereits gegangen sind oder
noch gehen werden, dann kann der Aargau hier nicht
ausscheren. Es besteht auch kein Grund dazu. Es ist
durchaus möglich, die Maturität nach 12 Jahren zu machen,
wie es andere Kantone mit Erfolg vorzeigen. Die
aargauischen Schülerinnen und Schüler sind nicht dümmer
als die in anderen Kantonen, und die aargauischen
Lehrkräfte sind kaum weniger kompetent als die anderer
Kantone. Wir haben die Voraussetzung, auch bei uns diesen
Weg zu gehen. Wenn wir noch feststellen, dass unsere
aargauischen Hochschulabsolventen nicht mit grösserem
Erfolg abschliessen, dass prozentual nicht weniger
Studienabbrüche
bei
den
aargauischen
Hochschulabsolvierenden vorhanden sind als bei anderen,
die bereits mit 18 Jahren ihre Matur gemacht haben, dann
kann man wirklich sagen, dass es verantwortbar ist. In dem
Sinne möchte ich Sie bereits jetzt bitten, uns grünes Licht zu
geben, diesen politischen Entscheid zu fällen und uns damit
den Auftrag zu geben, die Umsetzung in harter, schwieriger
ten getilgt? Die formal juristische Situation ist einmalig. Ich
bin weiss Gott kein Anfänger. Aber Sie werden es
beschliessen.
Vorsitzender: Herr Wernli, ich darf Sie darauf verweisen,
was hier steht. Die Bemerkungen des Regierungsrates
werden nicht aus der Vorlage gekippt, sondern zusammen
mit den Anmerkungen publiziert, sind aber nicht
Gegenstand der formellen Beschlussfassung. Dazu kann
vielleicht der Herr Erziehungsdirektor noch Ausführungen
machen.
Regierungsrat Peter Wertli: Ich will nicht um Verfahrensund Formfragen streiten, aber ich möchte Wert darauf legen,
dass die Regierung nur gewillt ist, das Leitbild in dieser
Form zu veröffentlichen, wenn integral auch die
Bemerkungen des Regierungsrates, die wertvolle Klärungen
in einigen Fragen bringen, mit publiziert werden. Aber wir
haben in der Kommission damit meines Wissens keine
Differenz gehabt. Daher kann sich die Regierung der
Vorgehensweise, wie sie die Kommission beschlossen hat
und der auch ich zugestimmt habe, anschliessen. Aber es ist
412
Art. 1907
Knochenarbeit anzugehen. Ich bitte Sie, auf dieses Leitbild
einzutreten, dem Antrag der Grünen nicht zu entsprechen
und nun an die inhaltliche Arbeit zu gehen, das Leitbild
materiell zu beraten und zu beschliessen.
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit, bei 13 Gegenstimmen, stimmt für
Eintreten auf die Vorlage.
Vorsitzender: Ich schlage Ihnen vor, über die Anträge von
Frau Herzog zu befinden. Es ist etwas ungewöhnlich,
darüber abzustimmen, was im Anschluss an eine
Grossratssitzung publiziert werden soll, aber dieses Geschäft
hat so viele Emotionen wachgerufen, dass diese
Ausnahmesituation auch gewürdigt werden kann.
Lieni
Füglistaller,
Rudolfstetten,
Präsident
der
nichtständigen
Kommission
Nr.
18:
Der
Rückweisungsantrag
in
der
Kommission
wurde
insbesondere darum zurückgezogen, weil wir in den
Rubriken "Was wir wollen, was wir nicht wollen" die
Stossrichtung der einzelnen Leitsätze festlegen und
festhalten. Das war ein wesentlicher Grund, weshalb die
Antragssteller ihren Rückweisungsantrag zurückgezogen
haben. Der Herr Erziehungsdirektor hat explizit versichert,
dass er diese Leitsätze und die Rubriken "Was wir wollen,
was wir nicht wollen" der Öffentlichkeit darlegt. Ich bitte
Sie, diesen Antrag zu unterstützen und das Leitbild in dieser
klaren Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Kurt Wernli, Windisch: Ich habe eine andere Auffassung als
der Grossratspräsident: Das ist eine einmalige Situation, was
Sie hier allenfalls beschliessen: Eine Sache zu publizieren,
die in der Kommission weder der demokratischen
Vorberatung unterlegen hat, noch hier zur Debatte steht. Es
ist eine klare Mehrheitsmeinung der Kommission, das ist
unbestritten. Ich möchte wissen, ob die Bemerkungen des
Regierungsrates zu den einzelnen Bemerkungen auch
publiziert werden, die ja manchmal eine abweichende
Vorstellung beinhalten. Was machen Sie dann damit?
Werden die dann einfach durch Federstrich des
Grossratspräsidenconditio sine qua non, dass die Bemerkungen des
Regierungsrates mit veröffentlicht werden.
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit, bei 53 befürwortenden Stimmen,
lehnt den Hauptantrag Herzog ab.
Vorsitzender: Nun zum Eventualantrag von Frau Herzog,
diese Anmerkungen und Bemerkungen in den Anhang zu
verbannen.
Marianne Herzog-Ernst, Oberhof: Ich wehre mich gegen
die Wertung "verbannen". Ausserdem hat mein Hauptantrag
einen anderen Inhalt. Ich möchte, dass dieses "Wir"
ausgedeutscht wird, dass dort ganz klar steht, dass "Wir"
eine Mehrheit der nichtständigen Kommission Leitbild
Schule Aargau ist, damit die Leute auch begreifen, dass das
nicht im Grossen Rat besprochen wurde und eine
grossrätliche Mehrheit hinter diesem Plus-Minus steht. Ich
habe diesen Antrag in schriftlicher Form eingegeben und
erwarte, dass er genau so vorgelesen wird und man korrekt
darüber abstimmt, ohne eine Wertung vorzunehmen.
Art. 1907
22. Oktober 1996
Vorsitzender: Wir stimmen über folgenden Antrag ab: "Die
Anmerkungen 'Was wir wollen' brw. 'Was wir nicht wollen'
sollen unter der Rubrik 'Was die Mehrheit der
nichtständigen Kommission Leitbild Schule Aargau will' im
Anhang zum Leitbild publiziert werden."
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit, bei 56 befürwortenden Stimmen,
lehnt den Eventualantrag Herzog ab.
Detailberatung
Bildungsauftrag der Aargauer Schulen
Die Schule Aargau, im Einklang mit Kantonsverfassung und
Schulgesetz
- erfüllt den Anspruch jedes Kindes und Jugendlichen auf
eine seinen Fähigkeiten angemessene Bildung.
- vermittelt ihnen Wissen, stärkt sie in ihrer
Persönlichkeitsentwicklung und fördert sie in ihrem sozialen
Verhalten.
- fordert ihren Leistungswillen und bestärkt sie in ihrer
Leistungsfähigkeit.
- leitet sie an zu Ehrfurcht und Achtung vor den
Mitmenschen, der Natur und der Umwelt.
- bildet sie zu selbständigen, verantwortungsbewussten,
mündigen, gemeinschaftsfähigen und toleranten Menschen.
- befähigt sie, ihre schöpferischen Kräfte zu entfalten.
- fördert ihren Geist und ihr Gemüt.
- macht sie mit der Welt des Wissens und der Arbeit
vertraut.
- arbeitet mit den Eltern zusammen und respektiert deren
Erziehungsauftrag.
- respektiert das Gebot religiöser, politischer und
weltanschaulicher Neutralität.
- bemüht sich um die Chancengleichheit aller Schülerinnen
und Schüler und um die Gleichstellung der Geschlechter.
Kommission:
Was wir wollen (+)
a. Bildungsauftrag bekräftigen.
b. Bildungsauftrag in Erinnerung rufen.
c. Massnahmen in Form einer
Schulgesetzes umsetzen.
Teilrevision
des
lich. Auch der Religionsunterricht der Landeskirchen
innerhalb des Stundenplans soll weiterhin möglich sein.
Vorsitzender: Liegen weitere Wortmeldungen vor? Das ist
nicht der Fall. Sie haben dem Bildungsauftrag zugestimmt.
Leitsatz 1 - Lebenslanges Lernen und Volksschule
Die Schule vermittelt solides Grundwissen und die
elementaren Kulturtechniken. Sie befähigt Kinder und
Jugendliche zum Umgang mit neuen Anforderungen und
Veränderungen, zu selbständigem und lebenslangem
Lernen. Die Volksschule ist Grundlage und Voraussetzung
für jede weiterführende Bildung.
Version Kommission:
Was wir wollen (+)
a. Bedeutung einer breiten Allgemeinbildung betonen (keine
frühe Spezialisierung).
Was wir nicht wollen (-)
a. Bildungsauftrag aushöhlen.
b. Grundlagen des Bildungsauftrages ändern.
Lieni
Füglistaller,
Rudolfstetten,
Präsident
der
nichtständigen Kommission Nr. 18: Es herrscht allgemeiner
Konsens darüber, dass der bestehende Bildungsauftrag,
definiert in Kantonsverfassung und Schulgesetz, nach wie
vor eine taugliche Grundlage darstellt. In der Kommission
wurde insbesondere darüber diskutiert, ob der in der
Verfassung stehende Bildungsauftrag wörtlich als Leitsatz 1
wiedergegeben werden solle. In der Folge einigte man sich
auf den nun vorgeschlagenen Text und beschloss, ihn als
eigentliche Präambel zum Leitbild zu verwenden. Im
Gegensatz zum regierungsrätlichen Vorschlag ist der erste
Satz direkter formuliert und enthält den expliziten Hinweis
auf Kantonsverfassung und Schulgesetz. Der erste
Abschnitt, welcher zusätzlich eingebracht wurde, entspricht
§ 28 Abs. 1 der KV: "Jedes Kind hat Anspruch auf eine
seinen Fähigkeiten angemessene Bildung." Ebenfalls hat die
Kommissionsmehrheit den letzten Abschnitt zusätzlich
aufgenommen, welcher die Chancengleichheit und die
Gleichstellung der Geschlechter festhält. Im Block "Was wir
wollen, was wir nicht wollen" ersehen Sie die Stossrichtung
des oben formulierten Bildungsauftrages, welcher im
Grundsatz nicht geändert werden soll. Die aus dem Leitbild
abzuleitenden
Massnahmen
sollen
gemäss
den
nachfolgenden Leitsätzen in Form einer Teilrevision des
Schulgesetzes umgesetzt werden. Der Bildungsauftrag
wurde in diesem Sinne von der Kommission einstimmig
beschlossen. Der Regierungsrat stimmt vorbehaltlos zu.
Sämi Müller, Gontenschwil: Ich möchte mich zum
zweitletzten Punkt kurz äussern. Die EVP ist mit dem Satz:
"(...) respektiert das Gebot religiöser, politischer und
weltanschaulicher Neutralität soweit einverstanden. Es ist
ihr aber ein Anliegen, dass man Folgendes beachtet: Der
Wortlaut dieses Punktes darf nicht als Argument dazu
missbraucht werden, dass in einem traditionell christlich
geprägten Land der Religionsunterricht aus dem Lehrplan
gestrichen wird. Die Dispensation von diesem für
Schülerinnen und Schüler anderer Religionen ist
bekanntlich
jederzeit
mögb. Erfolgreiche Lebensbewältigung durch die Vermittlung
von tragfähigem Grundwissen ermöglichen.
c. Lebenslanges Lernen durch die Vermittlung von
Lernstrategien und Lernmethoden ermöglichen.
d. Lebenlanges Lernen im Erwachsenenbereich muss auch
von Eigenverantwortung und privater Initiative getragen
sein.
Was wir nicht wollen (-)
a. Das Postulat des „Lebenslangen Lernens“ darf nicht zur
Vernachlässigung des Grundwissens führen.
Version Regierungsrat:
Was wir wollen (+)
a: Eine Vernachlässigung des Grundwissens war mit dem
Leitsatz 1 nie beabsichtigt; es ist aber festzuhalten, dass in
Volks- und Mittelschule eine Verwesentlichung der
Stoffpläne, vor allem mittels Basislernzielen, gelingen muss,
414
22. Oktober 1996
wenn sowohl Verkürzung wie auch der Punkt (+) c realisiert
werden sollen.
Lieni
Füglistaller,
Rudolfstetten,
Präsident
der
nichtständigen Kommission Nr. 18: Zum Leitsatz 1 wurden
in der Kommission 5 Anträge eingereicht, welche letztlich
zum vorliegenden, schlanken Vorschlag führten.
Insbesonders
verzichtet
die
Kom. darauf, den
Allgemeinplatz des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Wandels im Leitsatz festzuhalten. Auch will eine Mehrheit
der Kom. ausdrücklich an den beiden Ausdrücken "solides
Grundwissen" und "elementare Kulturtechniken" (sie
umfassen die Fertigkeiten des Lesens, Rechnens und
Schreibens) festhalten. Die Stossrichtung des Leitsatzes 1
ersehen Sie vor allem aus dem Block "Was wir wollen, was
wir nicht wollen". Diese grundsätzlichen Überlegungen
kamen ebenfalls recht deutlich in den Expertenhearings zum
Ausdruck. Verschiedene Experten haben ausdrücklich ein
heute vermehrtes Fehlen von elementarem Wissen und
Können in den Bereichen Lesen, Rechnen und Schreiben
beklagt. In der Kom. wurde auch zum Ausdruck gebracht,
dass "Lebenslanges Lernen" nicht ausschliesslich zur
Staatsaufgabe gemacht werden dürfe: Lebenslanges Lernen
kann nicht heissen, dass jeder nach Belieben sich ein Leben
lang auf Kosten des Staates aus- und weiterbilden kann.
Nach wie vor hat die Eigenverantwortung, vor allem in der
nachobligatorischen Schulung und Bildung im Vordergrund
zu stehen. Der Staat hat vor allem die Grundlagen für eine
erfolgreiche Lebensbewältigung zu vermitteln, indem die
Volksschule die Kinder und angehenden Jugendlichen
befähigt,
den
laufenden
Veränderungen
und
Herausforderungen ein Leben lang gerecht zu werden. Der
Regierungsrat präzisiert dazu in seiner Stellungsnahme, dass
zur Zielerreichung dieses Leitsatzes in Verbindung mit der
Verkürzung der Erstausbildung auch eine Verwesentlichung
der Stoffpläne durch Festlegung von Basislernzielen
einhergehen muss. Im übrigen stimmt er dem Vorschlag der
Kommission zu. Die Kommission hat dem Leitsatz mit 13: 4
Stimmen zugestimmt.
Geri Müller, Baden: Nun ist die Debatte doch
weitergegangen. Man kann jetzt vielleicht retten, was noch
zu retten ist. Zu Leitsatz 1 muss man sagen, dass der erste
und der letzte Satz Selbstverständlichkeiten sind. Wenn das
die Schule nicht gewährleistet, dann ist sie sowieso
fragwürdig. Fragwürdig ist vor allem das Wort "solides
Grundwissen". Was heisst das überhaupt? Gefährlich finde
ich auch, wenn Allgemeinbildung unter "elementare
Kulturtechniken" zusammengefasst wird. Allgemeinbildung
Lieni
Füglistaller,
Rudolfstetten,
Präsident
der
nichtständigen Kommission Nr. 18: Hier hat die
Kommission den Titel geändert und damit im wesentlichen
dokumentiert, was Sie unter " Was wir nicht wollen " eben
nicht will, nämlich in einem für die breite Öffentlichkeit
bestimmten Leitbild zur Bildungspolitik umstrittene,
unscharfe und ideologisch besetzte pädagogische
Modebegriffe verwenden. Ein Antrag, dem Leitbild ein
entsprechendes
Glossar
mit
Defini-tionen
dieser
Fachbegriffe anzuhängen, wurde deutlich abgelehnt. Im
Leitsatz kommt zum Ausdruck, dass die Kinder und jungen
Menschen im Mittelpunkt zu stehen haben. Ebenso ist dieser
Leitsatz 2 ein klares Bekenntnis zur Leistung. Die
formulierten Ziele sollen von der Schule ausdrücklich in
Zusammenarbeit mit den Eltern angestrebt werden. Damit
414
Art. 1907
ist weiter gefasst. Ich stelle Ihnen daher Antrag, den
Kernsatz zu belassen und leicht zu modifizieren: "Bildung
stellt das Postulat des lebenslangen Lernens in den
Mittelpunkt, indem sie insbesondere die Fähigkeit zum
selbständigen Lernen, zu sozialem und ökologischem
Verhalten fördert. Die Volksschule ist Grundlage für jede
weiterführende Bildung." Selbständiges Lernen ist auch
beim Grundsatz drin, und mit sozialem und ökologischem
Verhalten meinen wir natürlich den Umgang mit dem, was
die Kinder rundherum betrifft. Ich bin Annette Heuberger
dankbar für ihren Wunsch, dass die Kinder im Zentrum
dieses Leitbildes stehen, und das muss damit auch
herausgestellt werden. Der Antrag lautet auf Ersetzung des
Leitsatzes 1.
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit stimmt dem Antrag von Regierung
und Kommission zu.
Leitsatz 2 - Ganzheitliche Förderung und Forderung von
Leistung
Im Zentrum der Schule stehen die Kinder, die jungen
Menschen und deren ganzheitliche Förderung. Sie eignen
sich Wissen und Können an und lernen, Urteile sachlich zu
begründen
(Sachkompetenz),
mit
anderen
zusammenzuarbeiten (Sozialkompetenz) und ihre eigenen
Fähigkeiten einzusetzen (Selbstkompetenz) sowie die Kultur
und die Werte unserer Gesellschaft und Umwelt zu achten.
Die Forderung von Leistung und die Förderung der
Leistungsbereitschaft sind zentrale Elemente der Schule.
Diese Ziele werden in Zusammenarbeit mit dem Elternhaus
angestrebt.
Kommission:
Was wir wollen (+)
a. Die Schule stellt die Interessen der Kinder und jungen
Menschen in den Mittelpunkt.
b. „Kopf-Herz-Hand-Idee“ zeitgemäss umschreiben.
c. Leistungsschule sicherstellen.
d. Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus fördern.
e. Funktion der Schule im Bereich der Vermittlung
kultureller, geschichtlicher und staatsbürgerlicher Werte
ergänzen.
Was wir nicht wollen (-)
Umstrittene, unscharfe und ideologisch besetzte Begriffe
verwenden.
kommt zum Ausdruck, dass nicht nur die Schule
Verantwortung zu übernehmen hat, sondern dass auch die
Eltern, vor allem bei der Entwicklung der Persönlichkeit des
Kindes in Form von Sozial- und Selbstkompetenz ihre
Aufgaben und Verantwortungen ebenso wahrnehmen
müssen. Auch möchte die Kommission die Aufgaben der
Schule im Bereich der Vermittlung von kulturellen,
geschichtlichen und staatsbürgerlichen Werte bestätigen. In
der Kommission waren wie ausgeführt vor allem die
Begriffe der 3-S umstritten. Per Mehrheitsbeschluss wurden
sie nur in Klammern im Leitsatz aufgeführt. Die
entsprechend beabsichtigte Stossrichtung ersehen Sie
wiederum im Block "Was wir wollen, was wir nicht wollen".
In der Kommission wurden 4 Anträge eingereicht, welche
letztlich alle zugunsten des vorliegenden Vorschlags
Art. 1907
zurückgezogen wurden. Die Regierung stimmt ebenfalls
vorbehaltlos zu.
Eva Kuhn-Wittig, Full: Die SP begrüsst ausdrücklich die
ganzheitliche
Förderung,
die
von
einem
rein
leistungsorientierten Denken und Beurteilen wegführt.
Wenn eine ganzheitliche Beurteilung, dann muss man sie
auch beim Namen nennen, nämlich mit den drei Begriffen
der Sachkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz.
Über diese Begriffe wurde in der Kommission lange
gestritten. Diese drei anerkannten Fachbegriffe sind
allerdings im Bildungswesen und in der Pädagogik überall
längst gewöhnliche Ausdrücke, die alle verstehen, und sie
haben auch in der Wirtschaft bei der Beurteilung von
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen längst Einzug gehalten.
Man hat dort nämlich bereits vor längerem bemerkt, dass
sich fähige Leute nicht allein durch grosses Fachwissen
auszeichnen, sondern dass ihre Selbst- und Sozialkompetenz
für ein gutes Funktionieren des Betriebes und damit für
Erfolg und Gewinn unerlässlich sind. Diese Begriffe haben
eine ganz klare Aussage für alle im Bildungswesen Tätigen.
Sie gehören längstens zum Ausbildungsrucksack der
heutigen Pädagogik. Die SP möchte ausdrücklich darauf
hinweisen, dass sie auf der expliziten Nennung der drei
Begriffe beharrt und sich nicht mit der sehr ungenügenden
Umschreibung zufriedengibt.
Liset Lämmler, Wettingen: Der zentrale Begriff in der
ganzen Diskussion ist sicher die Leistung. Wer behauptet
denn immer, die Leistungsschule solle abgeschafft werden?
Alle sind sich einig, dass in der Schule etwas geleistet
werden soll, nur was, wie und wie lange ist das Problem.
Wir alle sind einst zur Schule gegangen und wurden in
Jahrgangsklassen über den selben Leisten geschlagen und
einem nivellierenden Leistungsdruck ausgesetzt. Die
schönen Erinnerungen verdanken wir Lehrerinnen und
Lehrern, die trotz und nicht dank dem System Besonderes
leisteten. Alle Parteien sind sich wohl einig, dass in einer
Schule Leistung und Menschlichkeit entwickelt werden
müssen. Eine der zentralen Fragen lautet darum nicht
Leistungsschule Ja oder Nein, sondern: Wie muss eine
Schule sein, damit jedes Kind seine individuelle
Höchstleistung erbringen kann. Muss es wirklich die
nivellierende Leistungsschule sein, die mit den Mitteln der
Selektion und Konkurrenz arbeitet, die wir schon kennen?
Abgesehen von den unbestreitbar positiven Auswirkungen
unseres Schulsystems kennen wir auch die negativen Folgen
davon. Die Untersuchung Prof. Dr. Steinhausens von der
Universität Zürich zeigt auf, dass jedes fünfte Schulkind
Therapie nötig hat, z.B. wegen Depressionen,
psychosomatischen
Beschwerden,
Aggressionen,
Konzentrationsstörungen und anderes mehr. Zu Denken gibt
in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass in der
(Inspektorate, Erziehungsrat, andere) wahrgenommen. Bei
Schulversuchen gemäss §§ 84 und 91 ist eine vermehrte
Evaluation durch Aussenstehende sinnvoll.
Lieni
Füglistaller,
Rudolfstetten,
Präsident
der
nichtständigen Kommission Nr. 18: Die imperative
Forderung, dass sich Schulen mit Gesellschaft und
Wirtschaft wandeln müssen, wurde von der Kommission in
eine Feststellung geändert. Die Offenheit der Schulen für
entsprechende Entwicklungen wird positiv zum Ausdruck
gebracht, allerdings mit der klaren Einschränkung, dass
22. Oktober 1996
Schweiz mehr junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren
durch Selbstmord als durch Unfälle umkommen. Dieser
Befund ist ein Alarmzeichen und ruft nach Abhilfe. Es gilt
nun nicht, einfach dem Schulsystem die Schuld zuzuweisen,
sondern die heutige Schule muss aus den Fehlern der
Vergangenheit lernen, und gemeinsam müssen neue Wege
gesucht werden, wie junge Menschen auf das Leben
vorbereitet werden können und zu ihrer Leistung kommen,
ohne dabei die Freude am Lernen zu verlieren. Mit diesem
Leitsatz haben wir jetzt die Gelegenheit, uns über dieses
Wie Gedanken zu machen und mutige Entscheide für eine
leistungsfähige Schule zu fällen. Was ist eine
leistungsfähige Schule? In einer sol-chen werden Kinder zu
ihrer individuellen Höchstleistung hingeführt. Dieses hohe
Ziel sollten wir anstreben, doch dies ist nur unter Beachtung
der Persönlichkeit jedes Kindes möglich. Bestrebungen in
dieser Richtung sind bereits im Gange. Ein weiterer,
wichtiger Schritt dazu ist die Einführung von
Integrationsklassen.
Vorsitzender: Liegen weitere Wortmeldungen vor? Das ist
nicht der Fall. Sie haben dem Leitsatz 2 stillschweigend
zugestimmt.
Leitzatz 3 - Schulentwicklung
Schulen wandeln sich wie Gesellschaft und Wirtschaft. Sie
sind offen für Entwicklungen. Es bleibt das Ziel der Schule,
junge Menschen auf Beruf und Verantwortung im privaten
Leben, in Gemeinwesen und Staat vorzubereiten. Der
Veränderungs- und Erneuerungsprozess trägt den Anliegen
von Kontinuität und Konstanz Rechnung.
Version Kommission:
Was wir wollen (+)
a. Grundlegende Neuerungen (KV 79) werden vom Grossen
Rat entschieden.
b. Schulversuche auf Kernprojekte beschränken und
terminieren.
c. Schulversuche von unabhängigen Fachleuten überprüfen
und auswerten lassen.
Was wir nicht wollen (-)
a. Methodenfreiheit antasten.
b. Politische Führung in der Schulentwicklung preisgeben.
Version Regierungsrat:
Was wir wollen (+)
c: Die Schulqualität ist durch dauernde Aufsicht und
Evaluationen gemäss Leitsatz 10 sicherzustellen; diese
Massnahmen werden vor allem durch interne Instanzen
grundlegende Neuerungen durch den Grossen Rat
entschieden werden und dieser damit seine politische
Führung wahrnehmen will und muss. Anderseits haben sich
künftig Schulversuche auf Kernprojekte zu beschränken uns
sind durch verwaltungsunabhängige Fachleute zu beurteilen
und auszuwerten. Den im Leitsatz erwähnten Anliegen von
Kontinui-tät und Konstanz soll verbindlich Rechnung
getragen werden. Dies entgegen dem im Vorschlag der
Regierung
formulierten
blossen
Wunschgedanken.
Insbesonders wollte die "Spezialkommission Leitbild" die
Methodenfreiheit der Lehrkräfte in keiner Art und Weise
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22. Oktober 1996
Art. 1907
beschneiden und sich keinesfalls zugunsten der einen oder
Stellungsnahme können wir so zur Kenntnis nehmen. Die
andern
pädagogischen
Methode
festlegen.
Die
Kommission hatte 3 Anträge zu bereinigen, welche allesamt
Expertenhearings haben auch hier wesentlich zur
zurückgezogen wurden und diesem Leitsatz einstimmig
Meinungsbildung beigetragen. Es kann wissenschaftlich bis
zugestimmt. Ebenso erklärt die Regierung Zustimmung.
heute nicht belegt werden, dass neue Lehrmethoden zu
Vorsitzender: Liegen Wortmeldungen vor? Das ist nicht der
besseren Ergebnissen geführt hätten, als bisherige. Auch das
Fall. Sie haben dem Leitsatz 3 stillschweigend zugestimmt.
umgekehrte ist nicht beweisbar. Vielmehr spielt offenbar die
Wir werden am Nachmittag weitermachen. Ich schliesse die
Methode nur eine untergeordnete Rolle in einer Vielzahl
Sitzung und wünsche Ihnen guten Appetit.
von Faktoren. Die Kommission hat überdies eine Liste aller
Schulentwicklungsprojekte des Kantons vom ED erhalten.
(Schluss der Sitzung um 12.30 Uhr)
Stand 1995. Die Präzisierung der Regierung in seiner
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