Ethische Aspekte des e-Health - Diuf

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Ethische Aspekte des e-Health
Seminarbericht von Nicolas Fahrni
eingereicht bei:
Nicolas Werro am 27.01.05
1
Inhalt des Papers
Definition 3
Medienethik und Gesundheitsformate 4
e-Patient Communities 5
Vorteile 5
Gefahren und Nachteile der Communities 6
Moderation durch einen Spezialisten 6
Zusätzliche medizinische Betreuung 7
Informationsportale 7
E-Mail 7
Zum Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten 8
Das Expertensystem - wer trägt die Verantwortung? 9
Verantwortung 10
Geschäftsverhältnis zwischen Betreiber und Entwickler 10
Errichtung von Qualitätsstandards 11
Verantwortlichkeit des Nutzers 11
Vier Felder der moralischen Normen 11
Umgang mit Normenkonflikten 12
Beispiel mit Lösung 1 12
Beispiel mit Lösung 2 13
Beispiel mit Lösung 3 13
Erste Gehversuche eine e-Health Ethik 13
7 Postulate 14
2
Bemerkung zum Beginn
Ich werde in dieser Arbeit nicht darauf eingehen, ob es ethisch vertretbar ist in den
Gesundheitsbereich ein Medium zu integrieren, welches nicht alle Menschen nutzen. Ich setze
hiermit das Internet dem Telefon gleich. Jeder hat die Möglichkeit diesen Service zu
gebrauchen oder es zu unterlassen.
Definition von Ethik
Bevor über eine notwendige Ethik im e-Health diskutiert wird, soll zuerst genau erläutert
werden, was darunter zu verstehen ist. Ethik oder Moralphilosophie stammt vom griechischen
Ethos ab und bedeutet Gewohnheit, Herkommen, Sitte oder Brauch. "Von Kants drei
Hauptfragen der Philosophie, „1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich
hoffen?”, behandelt Ethik die zweite."1 Dabei stützt sich die philosophische Ethik weder auf
eine historisch, gesellschaftlich oder kulturell bedingte Moral (anders z.B. die theologische
Ethik, welche sich auf die Bibelauslegung der Kirche bezieht). Sie erschliesst sich rein durch
logisches Abwägen und Diskutieren einer Situation hinsichtlich einer "Verbesserung des
menschlichen (Zusammen)Lebens"2. Es wird darauf hingewiesen, dass ein solcher
Denkprozess ein grosses Wissen über gesellschaftliche Prozesse voraussetzt.
Die Ethik ist aber auch in der Philosophie nicht ganz einheitlich definiert. So kann
grundsätzlich zwischen einer Gesinnungsethik und der Verantwortungsethik unterschieden
werden. Die Gesinnungsethik betrachtet das Subjekt und dessen Handlungsabsicht. In diesem
Sinne handelt das Subjekt moralisch, wenn die Handlungsabsicht als gut definiert werden
kann. Als Beispiel steht hier zum Beispiel ein Arzt, der seinem nicht mehr heilbaren Patienten
die Wahrheit vorenthält. Womöglich hat dieses Verhalten aber trotz der edlen
Handlungsabsicht gewisse unmoralische Züge. An diesem Punkt kommt die
Verantwortungsethik zum Zug, welche sich mit den Folgen einer Handlung, bzw. dessen
möglichen Auswirkungen befasst. Es gilt abzuwägen, welche der beiden Alternativen der
Moral entsprechen. Vermutlich ist es in diesem Fall wichtiger, dass der Arzt die
1
"Ethik," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2005
http://de.encarta.msn.com © 1997-2005 Microsoft Corporation.
2
"Ethik," Microsoft® Encarta®.
3
Verantwortung wahrnimmt und seinem Patienten die Wahrheit sagt. Andernfalls bedeutete
dies ein grundsätzlicher Vertrauensbruch im Ärzte-Patienten-Verhältnis.
Medienethik und Gesundheitsformate im TV
Die Medienethik befasst sich damit, wie viele Tabubrüche und Skandalisierung in den
Medien moralisch Vertretbar sind und welche nicht zu Verantworten sind. Die Medien sind
einem unglaublichen Konkurrenzdruck ausgesetzt und das Hauptaugenmerk liegt auf der
Einschaltquote, bzw. der Auflagengrösse. Oftmals werden moralisch verwerfliche Inhalte
bewusst gewählt um neue Zuschauer zu binden. Die Medien rechtfertigen dieses Handeln
durch den Marktzwang und der Mündigkeit ihrer Zuschauer.
Ein interessantes Format bezüglich e-Health sind die so genannten Gesundheitssendungen
(beratend, informierend oder unterhaltend). Sie steigern das Wissen der Patienten (Patient
Empowerment), sie fördern die Transparenz im Gesundheitswesen und steigern eventuell das
Bedürfnis der Zuschauer gesund zu sein. Nebst diesen positiven Elementen kommen einige
negative hinzu.
Da diese Sendungen auf das breite Publikum ausgerichtet sind, wird häufig von
Alltagsproblemen (Krebsrisiken, Schnarchen, Glatzenbildung und Essstörungen) oder von
ganz speziellen Krankheitsbildern berichtet. "Als besonders bedenklich sollten
Marketingstrategien angesehen werden, die versuchen, gegenüber der Ärzte- und der
Patientenschaft neue Krankheitsbegriffe zu definieren 'weibliche sexuelle Dysfunktion', [...]
'Sissi-Syndrom'."3 Auch in den beratenden Sendungen ist die Interaktivität blosse Farce. Dem
Patienten gewährt man kaum Feedbackmöglichkeiten und die Beiträge sind sehr
oberflächlich.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Massenmedien in den kommenden Jahren noch
etliche ethische Barrieren einreissen. Allerdings werden die Sendungen meist von Chatforen
und Internetberatung begleitet. Dies ermöglicht den Zuschauern nachzuhaken und Kritik
anzubringen. Aber dies bedeutet nicht, dass sich die Massenmedien ihrer Verantwortung
entziehen können.
3
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 286.
4
e-Patient Communities
Diese virtuellen Gesellschaften sind ein wichtiges Element für e-Health. Verschiedene
Formen von Foren finden sich schon seit geraumer Zeit im Internet. Einige wichtige
Grundsätze müssen bei e-Patient Communities im Besonderen gewahrt werden: Anonymität,
Authenzität, Datenschutz und Datensicherheit.4 Dabei bieten diese Communities entweder
generische Informationsdienste, personalisierte Informationsdienste oder Interaktionsdienste5
an. Die generierten Informationsdienste (z.B. Expertensysteme) wie auch personalisierte
Informationsdienste (von einem Arzt betreut) sollen erst später unter die Lupe genommen
werden. Vorab soll das Augenmerk auf die Interaktionsdienste gerichtet werden.
Vorteile
Eine solche virtuelle Gemeinschaft bringt für den Nutzer verschiedene Vorteile. Durch den
Austausch in solchen Gesundheitsforen, kann ein Patient mehr über seine Krankheit erfahren.
Er will gewisse Therapieformen verstehe, Alternativen abschätzen können - all dies führt zu
einem Patient-Empowerment. Informationen welche in einer e-Community gesammelt
werden haben den Vorteil, dass sie unabhängig von Zeit und Ort zugänglich sind.
Gerade bei Krebspatienten werden diese Foren rege genutzt(z.B. krebs-kompass.de). Die
Diagnose "Krebs" führt meist zu einem Schock des Patienten, zumal nicht abgeschätzt werden
kann, ob diese Diagnose gleichzeitig ein Todesurteil darstellt. Diese Fatalität führt dazu, dass
der Patient überaus motiviert ist, mehr über seine Krankheit zu erfahren. Zwar will auch der
Krebspatient mehr über mögliche Heilformen wissen. Doch vorab besteht der Wunsch mehr
über den Leidensweg zu erfahren, doch dies kann auch der beste Arzt nicht nachempfinden.
Die e-Community bietet dem Patienten die Möglichkeit Erfahrungen mit anderen
Krebspatienten auszutauschen. "Erfahrungsberichte zeigen: Mit dem besseren Wissen zur
eigenen Situation und der selbstständigen Partizipation steigt die Lebensqualität"6.
Eventuell können dank solchen Interaktionsdiensten, aber auch zum Beispiel durch
personalisieren Informationsdienste Personen erreicht werden, welche kaum Zugang zu einem
Arzt haben. Vielleicht gelingt es sogar, diese Patienten zu einem Arztbesuch zu motivieren.
4
vgl. Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 298.
5
vgl. Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 296.
6
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 289.
5
Gefahren und Nachteile der Communities
Die Unüberschaubarkeit dieses Mediums führt dazu, dass die Inhalte oftmals ungefiltert
publiziert werden. So befinden sich nebst all den seriösen und korrekten Beiträgen eine
Vielzahl von ungesicherten womöglich sogar gefährlichen Infos. Dabei fehlt im Internet
einerseits ein rechtlicher Rahmen um böswillig Aufgeführtes zu eliminieren, andererseits
verhindert die immense Datenfülle und möglicherweise limitiere Kompetenz der
Forenanbieter eine effiziente Qualitätssicherung. Das Internet wird also in dieser Beziehung
den traditionellen Arztkontakt nicht ersetzen können. Des weitern laufen die Benutzer solcher
e-Communities Gefahr, sich aus dem öffentlichen Leben zu verabschieden und zu
vereinsamen.
Ein dritter gewichtiger Punkt ist jener des Missbrauchs dieser Communities sowohl zu
kommerziellen, wie auch zu nichtkommerziellen Zwecken. Das "Patient Empowerment"
führte in der Werbestrategie von Pharmaunternehmen gerade bei rezeptpflichtigen
Medikamenten zu einer partiellen Verschiebung von der Ärztewerbung hin zur
Patientenwerbung. Einerseits geschieht das anhand des eigenen Internetauftritts, wo sich die
Patienten über verschiedene Angebote und deren Nutzen selbst informieren können.
Andererseits könnte natürlich durch das Verwenden falscher Identitäten innerhalb einer
Community geworben werden. So gibt sich ein Anbieter einer bestimmten Krebstherapie als
Krebspatient aus. Seine angepriesene Therapie hat ihm geholfen, seinen Krebs zu besiegen
oder eine bestimmte Person brachte ihm Heilung. Damit das Ganze dann noch gefestigt wird,
bestätigen dies einige weitere erfundene Mitpatienten. Ein solches Vorgehen kann für einen
Moderator eines Chatrooms nur schwer erkannt werden, da die meisten Foren aus
Datenschutz und Datensicherheitsgründen anonym geführt werden.
Eine etwas speziellere Form des Missbrauchs betreiben jene, welche sich unter der falschen
Vorgabe eines Leidens in eine e-Community aber keine Gewinnabsicht hegen. Dies sind
einerseits Anhänger von bestimmten medizinischen Ideologien oder aber Leute, welche sich
dadurch Anerkennung erhoffen. Bestimmt brauchen auch diese Menschen Hilfe, sie
untergraben jedoch das Vertrauen einer solchen e-Community.
Moderation durch einen Spezialisten
Die Integration eines Arztes in ein Diskussionsforum verbessert die Qualität, da "die
Mehrzahl der nicht ärztlich moderierten Diskussionsforen aus medizinethischer Sicht eher als
6
bedenklich einzustufen"7 sind. Dies will nicht heissen, dass Diskussionsforen nicht für einen
reinen Austausch unter Patienten geeignet sind, allerdings sollten die dort gewonnenen
Erkenntnisse sauber überprüft werden, bevor sie umgesetzt werden.
Die ärztliche Moderation bringt den bereits erwähnten Vorteil, Patienten anzusprechen,
welche sonst kaum Zugang zu einer medizinischen Versorgung hätten. Allerdings ersetzt auch
dieses Forum nicht den persönlichen Arztbesuch, er kann aber einen Arztbesuch vor- oder
nachbereiten
Zusätzliche medizinische Betreuung
Das Internet ermöglicht dem Arzt wie auch dem Patienten einfach an gewisse Informationen
zu gelangen oder diese zu verbreiten. Hier zwei Alternativen:
Informationsportale
Studien zeigen, dass bis zu 80% der chronisch Kranken das Internet nutzen, um mehr
Informationen zu erhalten. 40% fühlen sich durch ihren Hausarzt schlecht informiert. Diese
Tatsache nutzen die Pharmakonzerne aus, indem sie hervorragende Informationsportale
bereitstellen, so können sie ohne Werbegebühren ihre Produkte bewerben. Unabhängige
Portale haben es ungleich schwerer sich zu behaupten, da der Benutzer kaum bereit ist, für
diese zusätzliche Objektivität zu bezahlen.
Abgesehen davon sollten solche Systeme eigentlich die Gesundheitskosten senken können.
Hier hinkt allerdings das Krankenversicherungsgesetzt, welches zurzeit solche Dienste nicht
finanziert.
E-Mail
Umfragen haben ergeben, dass sich viele Patienten einen e-Mail-Kontakt mit ihrem Arzt
wünschten. Da aber auch hier die Vergütung nicht gesetzlich geregelt ist, zahlen die Unkosten
entweder Arzt oder Patient selber. E-Mail bietet besonders in der Vor- und Nachbereitung von
Konsultationen, aber auch beim Betreuen von chronisch kranken Patienten Vorteile. Im
Vergleich zum Telefonat erhält der Patient genügend Zeit, seine Frage präzise
auszuformulieren. Er kann dies räumlich und zeitlich ungebunden tun. Andererseits kann sich
7
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 305-306..
7
der Arzt ebenfalls die Zeit nehmen, gründlich auf diese Frage einzugehen und eventuell Rat
bei Kollegen einzuholen.
Die Datensicherheit ist auch hier ein kritisches Element. Da e-Mail kein sicheres Medium
darstellt, müssen einige Vorbedingungen erfüllt werden. Die USA haben den Mailkontakt
offiziell in die Ärztebetreuung integriert. Dabei gelten folgende Abmachungen für den
Patienten bezüglich e-Mails:
•
sie werden innerhalb von 3 Tagen bearbeitet.
•
diese Art von Korrespondenz ist nicht für dringende Angelegenheiten geeignet
•
andere Personen werden diese Nachricht betrachten (Ärztekollegen)
•
angeben eines "Betreffs" vereinfacht die Verarbeitung der Nachricht
Der Arzt seinerseits muss sich auch an gewisse Regeln halten:
•
automatische Antwortfunktion bei Abwesenheit
•
Hinweis auf die Unpersönlichkeit dieses Mediums, welches für dringende Fragen
ungeeignet ist
•
umgehende kurze Empfangsbestätigung
•
Ausdruck sämtlicher Korrespondenz8
Da gerade bei e-Mail die Hemmschwelle tiefer liegt, sollte versucht werden möglichst
sachlich zu argumentieren.
Fazit: E-Mail ist wohl jenes Internetmedium, welches sich am meisten durchgesetzt hat.
Deshalb wird sich früher oder später auch die Ärzteschaft oder Spitäler dieser Entwicklung
entziehen können. Wie bei all den anderen Konzepten darf auch e-Mail die persönliche
Konsultation niemals ersetzen, sondern bloss ergänzen.
Zum Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten
Das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten hat sich in den letzten hundert Jahren stark
gewandelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Verhältnis rein paternalistisch, das heisst,
der Arzt geniesst uneingeschränktes Vertrauen des Patienten, welcher ein sehr kleines Wissen
bezüglich Körper und Krankheiten hat. Der Wandel zu einer demokratisch-humanistischen
8
vgl. Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 318.
8
Gesellschaft, aber auch das "Patient Empowerment" veränderte diese Beziehung und der
Patient nimmt heute eher die Rolle eines Kunden ein (partnerschaftliches Verhältnis). Dabei
kennt das "Patient Empowerment" 5 verschiedene Intensivierungsgrade: "Einwilligung in eine
Behandlung, Vorschlagsrecht, Auswahlrecht, Mitbestimmung und schliesslich die
Selbstbestimmung"9. Der Patient interessiert sich heute für seine Gesundheit und möchte
mehr über eine Therapie erfahren. Eine Studie hat gezeigt, dass viele Ärzte das Volumen ihrer
abgegebenen Informationen überschätzen. Der Patient will genau wissen, was mit ihm
passiert und so informieren sich rund 50% aller Internetbenutzer nach oder vor einem
Arztbesuch in einem Gesundheitsportal.
Positiv an dieser Entwicklung ist die erhöhte "Compliance". Dies bedeutet, dass interessierte
Patienten ihre Therapie gewissenhafter vollziehen. Zudem sichern informierte Patienten
indirekt die Qualität eines Arztes, denn dieser muss sich bemühen, ebenfalls auf dem neuesten
Stand zu bleiben.
Andererseits sind die auf dem Netz zugänglichen Informationen, wie bereits erwähnt, zum
Teil falsch. Informationen auf dem Netz können Misstrauen erwecken, Widersprüche
aufwerfen und generell Ängste verstärken. Es kann dazu kommen, dass der Arzt sich dem
Druck des Patienten beugt und irrtümlich die falsche Behandlungsmethode wählt.
Zu guter letzt tendieren Patienten, welche sich regelmässig im Internet erkundigen eher dazu,
ihren Arzt zu wechseln. Ob dies eine positive oder negative Entwicklung darstellt, ist zu
Diskutieren.
Das Expertensystem - wer trägt die Verantwortung?
E-Health Datenbanken, so genannte Expertensysteme helfen dem Patienten beim Stöbern
durch die Informationen, mögliche Behandlungsmethoden. Die Frage der Verantwortung wird
bei den meisten solchen Systemen auf den Benutzer abgewälzt. So steht zum Beispiel in den
Richtlinien von nexcura.com folgendes: "It remains the patient's sole responsibility to
evaluate the accuracy, completeness, and usefulness of all information provided in the
NexProfiler Tool."10 Kann aber aus einer ethischen Sichtweise die Verantwortung einfach so
auf den Healthseeker abgewälzt werden?
9
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 321.
10
http://www.nexcura.com/NexCura/Nexcura_Terms.asp, 27.01.05.
9
Verantwortung
Bezüglich Verantwortung einer Handlung muss unterschieden werden: "die Verantwortung
für das Erteilen des Ratschlags einerseits, und die Verantwortung für die Umsetzung eines
Ratschlags andererseits."11 Diese beiden Verantwortungsbereiche dürfen nicht miteinander
vermengt werden. So kann bei einem falschen Ratschlag seitens des Expertensystems nicht
der Patient alleine Verantwortlich gemacht werden. "Die Verantwortung für die Erteilung der
Ratschläge verbleibt bei Entwicklern und Betreibern des ES."12
Jeder Entwickler ist im Prinzip für seinen jeweiligen Teilbereich verantwortlich. Da im ES
nun aber Fehler entstehen können, welche nicht auf einen bestimmten Teilbereich der
Entwicklung zurückzuführen ist, sondern rein weil auf eine bestimmte Anfrage des Benutzers,
das System eine falsche Antwort liefert, welche auch durch eine sorgfältigere Entwicklung
nicht hätte verhindert werden können. Somit bleibt ein Risikofaktor bestehen, der mit dem
Risiko eines Blitzes gleichzusetzen ist.
Geschäftsverhältnis zwischen Betreiber und Entwickler
Eben noch lag die Verantwortung also beim Entwickler dieses Expertensystem. Nun kommen
allerdings einige wirtschaftethische Überlegungen hinzu. Die Wirtschaftsethik beschäftigt
sich mit dem Verhältnis zwischen Professionellen (hier Entwickler) und Klienten (Betreiber).
Wenn nun ein paternalistisches Verhältnis vorherrscht, kann sich der Betreiber eines
Expertensystems vermutlich aus seiner Verantwortung lösen. Man darf allerdings davon
ausgehen, dass das Geschäftverhältnis wohl partnerschaftlich (durch die Mitarbeit oder
Mitbestimmung des Betreibers) ausgerichtet ist. Ein Vertragsverhältnis ist kaum denkbar, da
der Betreiber vermutlich über zu wenig Wissen verfügt. Er muss also den Entwickler in die
Planung einbeziehen.
Bei genauerer Betrachtung ist der Betreiber des ES selbst dann verantwortlich, wenn er dem
Entwickler ein fertiges System abkauft (in diesem Sinne paternalistisch). Der Autofahrer
(Betreiber) eines Wagens, welcher auf seiner Fahrt jemand tötet, trägt für diese Tat die
Verantwortung - nicht der Erbauer des Wagens (Entwickler). Ausser der Unfall ist eindeutig
auf einen Konstruktionsfehler zurückzuschliessen.
11
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 326.
12
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 327.
10
Das ES ersetzt die herkömmliche Beratung und entlastet dem Betreiber (z.B. ein Spital) somit
finanziell. Der Betreiber kann aber durch den Einbezug von einigen Ärzten, die Ergebnisse
des ES überwachen lassen und kann somit die Verantwortung auf diese Experten abwälzen.
Errichtung von Qualitätsstandards
Ein Expertenteam benennt Qualitätsrichtlinien, an welche sich ein Expertensystem halten
muss, um ein Zertifikat zu erhalten. Durch die Setzung von Standards werden die Betreiber
von Expertensystemen teilweise entlastet. Die Verantwortung, solange zumindest die
vorgegebenen Richtlinien eingehalten werden, wird somit auch durch jene getragen, welche
den Standard gesetzt haben.
Verantwortlichkeit des Nutzers
Solange der Healthseeker über zu wenig Wissen verfügt, damit er das Expertensystem
qualifiziert kritisieren kann, liegt die volle Verantwortung beim Betreiber. Der blosse
Hinweis, dass der Nutzer die volle Verantwortung trägt ist unhaltbar. Falls es sich jedoch
beim Benutzer des ES um einen praktizierenden Arzt handelt, liegt in diesem Fall die
Verantwortung teilweise auf seinen Schultern. Die Fähigkeit, die Informationen qualifiziert zu
hinterfragen, verschiebt die Verantwortung.
Vier Felder der moralischen Normen
Beauchamp und Childress haben 1997 die folgenden vier Elemente der medizinischen Ethik
bestimmt.
•
Achtung vor Selbstbestimmung / Gewährleistung von Autonomie - Das Individuum
soll jeweils frei über eine Handlung die es betrifft entscheiden können
•
Wohltun - Ziel einer Handlung ist das Wohlergehen eines Individuums
•
Nichtschaden, bzw. es soll einem Individuum keinen Schaden zugefügt werden
•
Gerechtigkeit - Dies ist die schwierigste Definition. Man könnte Gerechtigkeit
insofern auslegen, dass kein Individuum dem anderen bevorzugt werden sollte. Nach
Vilfredo Pareto besteht Gerechtigkeit bereits, sofern es einem Individuum nicht
schlechter geht als vorher, auch wenn es einem anderem Individuum dadurch deutlich
besser geht.
11
Diese Einteilung erlaubt nun die Diskussion von verschiedenen Handlungen. Falls jedes
dieser vier Elemente einer Handlung zugeschrieben werden kann, darf man von einer ethisch
korrekten Handlungsweise sprechen. Andernfalls entstehen Normenkonflikte.
Umgang mit Normenkonflikten
1. Zuerst erfolgt die "Klärung der empirischen Basis"13 "Viele Normenkonflikte werden
sich bereits nach Klärung der empirischen Grundlagen der getätigten Prognosen
auflösen oder aber stark verschieben"14
2. "Klärung der Begriffe"15
3. Anpassen der moralischen Überzeugung. Versuchen"die nötigen Änderungen so
gering wie möglich zu halten"16. Dabei muss das veränderte Normensystem nicht
bloss konsistent, sondern kohärent bleiben. Zur Klärung der Begriffe: ein konsistentes
System im philosophischen Sinne bedeutet, dass es frei von Widersprüchen ist, bzw.
keine Norm durch eine andere in Frage gestellt wird. Kohärenz basiert ebenfalls auf
der Konsistenz der Normendefinition, verlangt jedoch zusätzlich, dass diese Normen
miteinander verknüpft sind.
Beispiel mit Lösung 1
Man könnte davon ausgehen, dass Patientencommunities beginnen persönliche Daten der
Benutzer zu erheben, um somit Missbrauch vorzubeugen. Dies weil die konsequente
Beitragsprüfung zu viele Ressourcen beanspruchen würde. Dabei taucht womöglich das
Problem des Datenschutzes auf. Hier muss vorerst untersucht werden, wie viele Ressourcen
tatsächlich durch ein solches Anmeldeverfahren eingespart werden könnten. "Viele
Normenkonflikte werden sich bereits nach Klärung der empirischen Grundlagen der
getätigten Prognosen auflösen oder aber stark verschieben."17
13
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 333.
14
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 334.
15
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 334.
16
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 335.
17
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 332.
12
Beispiel mit Lösung 2
Dank e-Health wird das Verhältnis zwischen Arzt und seinem Patienten zusehend
partnerschaftlich. Diese Aussage erhält ihre Richtigkeit allerdings bloss, wenn die ArztPatienten-Beziehung klar begrifflich definiert wird. Zum einen wird das klassische Modell, in
welchem der Arzt in direktem Kontakt mit dem Patienten steht. Der Arzt ist eine reale Person,
der Patient erhält die Möglichkeit direkt zurückzufragen. Anders schaut das Verhältnis
innerhalb einer Internetcommunity aus. Durch die mangelnde Sicherheit im Internet, stehen
sich zwei Anonyme Personen gegenüber. Der Patient stellt eine Anfrage worauf er eine
Expertenmeinung erhält. Je nachdem ob die digitale Konsultation die klassische Relation
zwischen Arzt und Patient ersetzt oder bloss ergänzt, ändert sich die Art der Beziehung.
Durch die Klärung der Begriffe wird deutlich, dass e-Health vorab die partnerschaftliche
Arzt-Patienten-Beziehung im klassischen Sinne stärkt.
Beispiel mit Lösung 3
Um den medizinischen Nutzen zu steigern, soll die Autonomie des Patienten eingeschränkt
werden. Während in der klassischen Beratung, dem Arzt nach wie vor eine gewisse Autorität
zugeschrieben wird, wird der Patient, welcher sich in einer Internet-Community beraten lässt,
sich alleine überlassen.
"Es ist offensichtlich, dass moralische Überzeugungen hinsichtlich der Probleme des e-Health
nicht unabhängig vom System moralischer Überzeugungen bezüglich der Medizin im
Allgemeinen sind"18. Das würde also bedeuten, dass wenn im Bereich des e-Health einem
Patient mehr Autonomie zugemutet wird als sonst im Rahmen der Medizin, dies zu einem
inkohärenten moralischen System führen würde. Die Normen des e-Health (oder jene der
Medizin im Allgemeinen) müssen angepasst werden.
Erste Gehversuche eine e-Health Ethik
Der e-Health Ethik-Kodex der ©eHealth Ethics Initiative hat bereits im Jahre 2000 einige
Richtlinien zur Ethik im Umgang mit Gesundheit und Internet publiziert. Das Ziel der Papers
war, "dass Menschen weltweit vertrauensvoll und in voller Kenntnis bekannter Risiken das
Potenzial des Internet für den Umgang mit ihrer eigenen und der Gesundheit derer, für die sie
18
Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 335
13
sorget, nutzen können."19 Der Kodex unterscheidet grundsätzlich zwischen drei verschiedenen
medizinischen Angeboten im Internet. Die Gesundheitsinformationen welche wie digitale
Lexika funktionieren, Gesundheitsprodukte, dies wären zum Beispiel Onlineapotheken und
schliesslich die Gesundheitsdienstleistungen, dies wären unter anderem Diskussionsforen.
7 Postulate
Der e-Health Ethik-Kodex formuliert sieben Richtlinien von unterschiedlichem Volumen. Mit
Offenheit wird verlangt, dass die Urheber gut ersichtlich sind und welchen Zweck ein Dienst
erfüllen möchte. Dabei sollten auch Partner genannt werden. Absolute Ehrlichkeit wird
verlangt, so sollen die wissenschaftlichen Elemente klar ersichtlich von beworbenen
Elementen getrennt sein. Qualität ist ein weiteres zentrales Anliegen, dies bedeutet die
Sorgfalt und Genauigkeit der Informationen, diese müssen zudem für den Benutzer
verständlich sein (Inhalt und Darstellung). Des weitern sollten die Informationen möglichst
aktuell sein und es muss klar ersichtlich sein, aus welcher Quelle der Betreiber diese
Information bezogen hat. Das informierte Einverständnis bezieht sich auf den Datenschutz.
Ein Betreiber muss einerseits darauf hinweisen, dass das Internet gewisse Risiken birgt, er
muss aber auch klar deklarieren, was mit den verschieden Daten der Healthseeker geschieht.
Falls die Daten zu einem weiteren Zweck verwendet werden (z.B. zu statistischen
Erhebungen), muss der Nutzer informiert werden. Der Datenschutz ist so zu verstehen, dass
ein Anbieter alle nötigen Schritte unternimmt, unbefugte Zugriffe zu verhindern. Persönliche
Daten die gespeichert werden sollten, weder einer e-Mailadresse noch einem Namen
zugeordnet werden können (de-Identifizierung). Berufsausübung in der OnlineGesundheitsversorgung bedeutet, dass die sonstigen beruflich bedingten ethischen
Richtlinien weiter zu befolgen sind. Die Sponsorenschaft muss benennt werden können, die
Privatsphäre der Klienten respektiert und es muss offen dargelegt werden wie entlöhnt wird.
Zu guter Letzt bedeutet Verantwortungsvolle Partnerschaften, dass die Betreiber nur mit
Personen oder Organisationen eine Verbindung eingehen, welche selber diesen ethischen
Standard verfolgen. Zudem sollte klar dargelegt werden ob Links zu Partner oder bloss zu
weiteren Informationen führen.
19
©eHealth Ethics Initiative, S. 1.
14
Literatur
•
Karl Jähn, Eckhard Nagel: "e-Health", Springer Verlag, 2004
•
http://www.nexcura.com/NexCura/Nexcura_Terms.asp?nexcura=true&CB=10&Dise
aseTypeName=Cancer&DT=1. 10.01.05.
•
Urs Wiedemann: Kohärenztheorie.
http://www.pyrrhon.de/cohere/index.htm#konsistenz. 13.01.05.
•
©eHealth Ethics Initiative 18.05.2000.
http://www.ihealthcoalition.org/ethics/ethics.html. 25.01.05.
•
"Ethik," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2005. http://de.encarta.msn.com
© 1997-2005 Microsoft Corporation. 24.01.05.
15
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