«Die Technik ist im Zuge der 2.0

Werbung
EDUCATION FORUM
«Die Technik ist im Zuge der
2.0-Revolution sozial geworden»
Das Interesse an E-Learning landete nach dem Dotcom-Crash auf dem Boden. Unter dem Label «E-Learning
2.0» ist das computergestützte Lernen wieder en vogue. Die promovierte Theologin und E-Learning-Spezialistin
Andréa Belliger erläutert im Interview mit der Netzwoche warum. Interview: Hans Fischer
E-Learning erlebt ein veritables Revival.
Warum?
Während es in den Jahren 2001 bis 2005 um
das Thema etwas ruhiger geworden war,
konnten sich E-Learning und die tangierten Technologien in Ruhe weiterentwickeln.
Interessant sind insbesondere zwei Trends:
Die Lerntechnologien sind einfacher und sie
sind sozialer geworden. Das ist vermutlich die
Basis des neuen E-Learning-Booms, den wir
nun beobachten können.
E-Learning wird als «Anwendung von
Informations- und Kommunikationstechnologien im Lernprozess» definiert. Was
bedeutet «2.0» in diesem Kontext?
Der Begriff 2.0 betont neue Anwendungen und
Technologien. Wobei vieles in Ansätzen schon
bereit lag und lediglich auf Neuerungen wie
zum Beispiel Breitbandverbindungen warten
musste. Neu ist zudem die Wahrnehmung
von E-Learning: Es bedeutet nicht mehr nur
das «klassische» Durcharbeiten von OnlineLerneinheiten wie ein «Word-Kurs» oder eine
«Einführung in das Staatskirchenrecht». Heute
umfasst E-Learning auch informelles Lernen.
Das klingt mehr nach Segen, denn nach
Hype?
Where there's smoke there's fire. In diesem
Sinne ist E-Learning 2.0 als Hype ein Segen. Es
wird wieder übers Lernen gesprochen, neue
Ansätze werden ausprobiert, Firmen investieren in neue Formen der Ausbildung, wissenschaftliche Studien entstehen, Konferenzen
beschäftigen sich mit dem Thema – E-Learning
2.0 bewegt sich auf interessanten Pfaden.
Andréa Belliger leitet den Bereich
Dienstleistungen der Pädagogischen
Hochschule Zentralschweiz Luzern.
«Kommunikation ist in der
heutigen Wissensgesellschaft
immer ein Lernprozess»
Lernen 2.0 geschieht jenseits von Lernobjekten und Lernplattformen. Wissen «fliesst»
bottom-up in Netzwerke, verbreitet sich dank
der neuen Interaktionsmöglichkeiten und
emergiert so aus Kommunikation.
Die berühmte Weisheit der Masse also?
Ja, in dem Sinne, dass Lernen 2.0 durch UserBeiträge ermöglicht wird, die sich zu einem
höheren Ganzen zusammenfügen und nach
einer gewissen Zeit als Einzelbeiträge nicht
mehr wahrgenommen werden.
Diese Aggregation bedingt ein enges Zusammenspiel von Mensch und Maschine.
Gibt es weitere Herzstücke?
Technik ist ganz Allgemein ein wesentlicher
Bestandteil unserer Interaktionen. Die Social
Networks sind in diesem Sinne nicht sozial,
sondern vielmehr soziotechnisch. Sie setzen sich aus menschlichen und technischen
Komponenten zusammen. So gesehen, sollten wir eigentlich von hybriden Netzwerken
sprechen. Neu ist auch die verstärkte Auflösung der Grenzen zwischen E-Learning
und Wissensmanagement. Lernen geschieht
zunehmend und bewusst als Wissensaustausch.
Aufgrund der Erfahrungen mit Web 2.0-Anwendungen nehmen wir Lernen anders wahr.
Was macht E-Learning 2.0 letztlich erfolgreich?
Welche sind diese konkret?
Die Technik ist im Zuge der 2.0-Revolution
sozial geworden. Social Bookmarking, Social
Navigation, Social Networks, Social Mapping
– Begriffe, hinter denen sich eine einfache,
aber bestechende Philosophie verbirgt: Die
Idee des Teilens, des Mitteilens, des Interagierens und des Partizipierens. In diesem
breiten Verständnis ist virtuelle Kollaboration
das Herzstück von E-Learning 2.0.
Lernen ist grundsätzlich dann erfolgreich,
wenn es dazu beiträgt, bei Lernenden, die
bestimmte Voraussetzungen mitbringen und
sich in einem ganz bestimmten Kontext befinden, Kommunikation zu initiieren und zu
fördern. In einer Gesellschaft, in der die Lösung komplexer Probleme von erfolgreicher
Kommunikation abhängt, wird Lernen zum
Synonym für Kommunikation. Kommunikation ist in der heutigen Wissensgesellschaft
immer ein Lernprozess. E-Learning 2.0 bietet
eine ganze Palette an Werkzeugen, die Kommunikation und damit Lernprozesse ermöglichen, um sie individueller, adaptiver und
lösungsorientierter zu gestalten.
An Universitäten und Schulen haben sich
E-Learning 2.0 oder zumindest Fragmente
davon etabliert. Wie können Unternehmen profitieren?
Viele Unternehmen setzen 2.0-Technologien
sowohl im Bereich der Innovationsförderung,
der Personalausbildung, als auch im Bereich
des Marketings bereits ein. Insbesondere im
Bereich von Innovation spielen 2.0-Technologien eine wichtige Rolle, weil sie den selbstgesteuerten Wissensaustausch und die Kreativität der Mitarbeitenden fördern.
Was ist der Nutzen von E-Learning 2.0?
Im Bereich der Ausbildung lassen sich Lernprozesse individualisieren und damit an die
persönlichen Vorkenntnisse und konkreten
Problemstellungen der Arbeitsumgebung anpassen. Im Sinne des Wissensmanagements
bieten die Technologien Möglichkeiten für Wissenstransfer durch Interaktion und Kommunikation zwischen Mitarbeitenden. Einerseits ist
eine lernende Organisation ohne Einsatz dieser
Technologien kaum denkbar und andererseits
profitiert das Unternehmen von der zugestandenen Eigenverantwortung in Form von Motivationssteigerung bei den Mitarbeitenden.
Hans Fischer ist für die Bieler
Rolotec AG in den Bereichen Business
Development, Marketing und Kommunikation mit Fokus auf Wissensmanagement und Börseninformation tätig.
03/2008 © netzmedien ag
35
Herunterladen