Vortrag von Herrn Dr. Jörg Schnidt

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Welche Rolle spielen
Psychopharmaka bei der
Behandlung der Depression?
Dortmund 15. November 2009
Dr med. Jörg Schmidt
Evangelisches Krankenhaus Lütgendortmund
EVK Lütgendortmund
Inhalt
Allgemein
Besonderheiten der
Psychopharmakotherapie im Alter
– Stoffwechsel, Nebenwirkungen (allg.)
Spezielle Psychopharmakotherapie
– Antidepressiva, Schlaf- und
Beruhigungsmittel, Neuroleptika
Mehr-Säulen-Therapie
Psychopharmaka: Antidepressiva,
Schlaf- und Beruhigungsmittel,
Neuroleptika
Psychotherapie: tiefenpsychologisch,
verhaltenstherapeutisch
Psychoedukation, Soziotherapie, Ergotherapie,
kognitives Training, Selbsthilfegruppen
Besonderheiten der
Psychopharmakotherapie
im Alter
Besonderheiten der Therapie mit (Psycho-)
Pharmaka im höheren Lebensalter
(Hock und Müller-Spahn 1994)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Syndromdiagnose mit nosologischer Zuordnung
Körperliche Untersuchung
Sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse
Einbindung von Familienangehörigen
Aufklärung über Nebenwirkungen
Einfaches Dosiskonzept, möglichst Monotherapie
Einschleichende Dosierung
Geringere Dosis
Häufige Vorstellungstermine
Reaktionskette
Pharmazeutische
Phase
Applikation
Zerfall der Arzneiform
Auflösung der Wirkstoffe
Pharmakokinetische Phase
(Verstoffwechselung)
Ausscheidung
(Urin-pH, Saluretika
Transporterproteine)
Pharmakodynamische
Phase
Klinische
Wirksamkeit
Resorption
(Magen pH, Verweildauer,
Komplexbildung)
Verteilung
Biotransformation
(Eiweißbindung)
(z.B. Cytochrom P450)
Wirkort/Rezeptoren
Pharmakologischer
Effekt
Toxische Wirkung
nach Mutschler et al, Arzneimittelwirkungen WVG Stuttgart 2001
Checkliste Psychopharmaka bei
älteren Patienten
Sinn
Dosierung
Wirklich notwendig?
(z.B. CholesterinCholesterin-Senker, Ginkgo, ...)
niedrigste Einstiegsdosis
ggf. längere Aufdosierungsphase
Zieldosis angepasst (z.B. viele Antibiotika niedriger dosieren)
Pharmakodynamik
Keine Wirkverstärkung bereits eingesetzter Medikamente
Vorsicht bei Substanzen mit geringer therapeutischer Breite
Pharmakokinetik
Bevorzugt kurze Halbwertszeiten, hohe Bioverfügbarkeit
NierenNieren- und Leberfunktion beachten
Anwendung
Einfache Einnahme
möglichst 1x Gabe
Schluckbarkeit
Häufigste Pharmaka
bei Medikamentennebenwirkungen im Alter
n
Blutdrucksenker 36%
n
Psychopharmaka 24,8%
n
Schmerzmittel 17,8%
n
In den meisten Fällen wird eine Nebenwirkung
nicht erkannt
Mutschler: Pharmakotherapie im Alter, 3. Aufl., wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1999
Psychopharmaka-Nebenwirkungen
(mögliche)
Sedierung
è Sturzgefahr
Parkinsonoid
è Sturzgefahr
Anticholinerge NW
è Delirgefahr, Synkopen,
Tachykardie, Demenzverschlechterung
Orthostase
è Sturzgefahr
Kardiale NW
è Herzrhythmusstörungen
Stoffwechsel-NW
è Diabetesdekompensation, Risikoerhöhung
kardio- oder cerbrovaskulärer Ereignisse
è Letalität bei Stürzen bei Alterspatienten: 20%* !
*Mod. nach Schmauß: Psychopharmakotherapie für Ältere Menschen, Uni-Med Verlag, 2003
Spezielle
Psychopharmakotherapie
Wer wird psychopharmakologisch
behandelt?
Patientinnen und Patienten, die an einer
ausgeprägteren Form einer Depression
leiden.
Medizinische Versorgung
depressiver Patienten
¾ der depressiven Patienten werden in
Hausarztpraxen behandelt
In der ersten depressiven Phase oft
überhaupt nicht diagnostiziert
= keine Therapie
Nur 10 % erhalten Antidepressiva
Nur 5% erhalten Psychotherapie
Vor Beginn der Behandlung
Aufklärung des Patienten über…
Krankheit
Behandlungsplan
Dauer der medikamentösen Behandlung
Mögliche Nebenwirkungen der
eingesetzten Substanzen
Medikament und Therapieerfolg
Der mögliche
Therapieerfolg ist
sehr stark von der
Arzt-PatientenBeziehung abhängig
Welche Symptome der Depression
werden behandelt (Auswahl)?
Gedächtnisstörungen, Denkstörungen,
wahnhafte Symptome (z. B. Schuld- oder
Verarmungswahn), Traurigkeit, Freud- und
Mutlosigkeit, Antriebsstörungen,
Lebensmüdigkeit, Schlafstörungen
Antidepressiva
Einsatzgebiete:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Depressive Erkrankungen
Angststörungen
Panikstörung
Zwangsstörung
Chronische Schmerzsyndrome
Schlafstörungen
Wirkmechanismus
Antidepressiva
Ca. 40 Wirkstoffe verschiedener Substanzklassen stehen zur Verfügung
Substanzvielfalt
Agomelatin, Aurorix, Anafranil, Doxepin, Mirtazapin,
Opipramol, Ludiomil, Venlafaxin, Remergil, Trevilor
retard, Citalopram, Cymbalta, Amitryptilin, Aponal,
Cipralex, Bupropion, Fluctin, Paroxetin, Sertralin,
Fluoxetin, Edronax, Elontril, Jatrosom, Nortryptilin…
Die Substanzen unterscheiden sich zum Teil
deutlich in ihrer Beeinflussung vorhandener
depressiver Symptome.
Welche Substanz wird
eingesetzt?
Problem: es existieren nur wenige
Medikamentenstudien zur Behandlung der
Altersdepression
Entscheidung beim Einsatz
Welche Symptome stehen im Vordergrund?
Wirkungsspektrum der
Antidepressiva
Angstlösend = anxiolytisch
Psychomotorisch dämpfend, sedierend
Stimmungsaufhellend, depressionslösend
Aktivierend
Differentialtherapeutische Zuordnung der
Antidepressiva
Vital-depressiv verstimmt:
bedrückt, traurig, niedergeschlagen, ohne
Antriebsstörung
Gehemmt-apathisch, depressiv:
Gehemmt, antriebsschwach, verlangsamt, apathisch,
Entschlusslosigkeit
Agitiert-ängstlich, depressiv:
Angst, innere Unruhe, Anspannung,
Schlafstörungen
Weitere Auswahlkriterien
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Frühes Ansprechen
Nebenwirkungsprofil/Kontraindikationen
Akzeptanz und Präferenz des Patienten
Schweregrad der Depression
Zielsymptome/aktuelles klinisches Bild
Pharmakokinetisches Profil
Dauer bis zum Wirkeintritt 2-3 Wochen!
Antidepressiva – Mögliche
Nebenwirkungen
Medikamentennebenwirkungen generell
bei über 70jährigen ca. 7mal häufiger als
bei 20-29jährigen (Pollock 1999).
Nebenwirkungen treten häufig in den
ersten Behandlungstagen auf und klingen
dann ab.
Antidepressiva – Mögliche
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen beachten (Auswahl):
Ältere Antidepressiva:
Blutdrucksenkung, Müdigkeit,
Verstopfungen, Sturzgefahr,
Herzrhythmusstörungen
Neuere Antidepressiva (Auswahl):
Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit,
Appetitzunahme, Beinunruhe, Ödeme,
Schwitzen, Harnverhalt, Blutdruckerhöhung
Antidepressiva machen nicht abhängig!
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Einsatzgebiet:
1. Angst- und Unruhezustände bei z. B.
Depressionen, Manien, Schizophrenien
2. Schlafstörungen
3. Anfallsleiden
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Problemstellung:
In erheblichem Ausmaß wird diese
Medikamentengruppe Alterspatienten
verordnet
Ø 50 % der Benzodiazepinverordnungen
werden an Patienten über 60 Jahre
vorgenommen (Arzneimittelreport)
Häufig Parallelverordnungen: „Tagsüber
ein Beruhigungsmittel, abends ein
Schlafmedikament!“
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Benzodiazepine:
Tranxilium, Diazepam, Rohypnol, Noctamid,
Tavor, Oxazepam, Bromazepam…
Problem:
Abhängigkeitspotential, keine
Langzeitbehandlung
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Unerwünschte Begleitwirkungen:
1. Tagessedierung, Tagesmüdigkeit
2. Verwirrtheit, Konfusion
3. Kognitive Störungen
4. Motorische Störungen (Stürze,
Koordination, Ataxie)
5. Suchtpotential (Benzodiazepine)
Neuroleptika
Einsatzgebiete:
Schizophrenien
Erregungszustände
Wahnvorstellungen (auch bei
depressiven Patienten)
Aggressivität
Verhaltensstörungen bei Demenz
andere: Schmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen
Neuroleptika
1. Welche Substanz wird eingesetzt?
2. Unterschiede in Stärke und
Verträglichkeit müssen beachtet werden
„Was will ich behandeln?“
3. Schlafstörungen vs. ausgeprägter Wahnsymptome
4. Es existieren nur wenige
Untersuchungen zum Einsatz von
Neuroleptika bei älteren Patienten
Neuroleptika
Unerwünschte Begleitwirkungen (Auswahl)
1. Bewegungsstörungen
2. Blutdruckprobleme
3. kognitive Beeinträchtigung, Harnverhalt,
Verwirrtheit
Neuroleptika (Auswahl)
Sedierend,
schlafanstoßend:
z.B. Pipamperon,
Melperon
Wahnsymptome:
Risperidon
Quetiapin
Im Notfall:
Haloperidol, auch
intravenös
Schlußbetrachtung I
Antidepressiva sind unverzichtbar bei der Behandlung
ausgeprägterer Depressionen
Indikations- und nebenwirkungsgeleiteter Einsatz der
Antidepressiva
Möglichst nur kurzer Einsatz von Schlaf- und
Beruhigungsmitteln
Neuroleptika bei ausgeprägteren Unruhe- und
Wahnzuständen
Die (psychopharmakologische) Behandlung bedarf eines
erfahrenen Arztes
Fragen Sie Ihren Behandler, wenn sie unsicher sind
(Wirkung, Nebenwirkungen)
Nur die Gabe von Psychopharmaka ohne
Begleittherapie ist keine leitliniengerechte Behandlung
der Depression
Schlussbetrachtung II
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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