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Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
307
IV.SELBSTBILD UND SELBSTWERT
1. DISSONANZTHEORIE:
Hypothese über Wirkung von einstellungsdiskrepantem Verhalten
kann Wahrnehmung von Triebzuständen erklären:
o Freiwilliger (d.h. ohne Erwartung von hinreichender Belohnung)
Mangelzustand (Deprivation) ist weniger unangenehm als
erzwungener bzw. ausreichend belohnter Mangelzustand
o Akzeptieren der Deprivation (= freiwilliger Verzicht) -> Dissonanz;
Dissonanzreduktion durch Verharmlosung des Deprivationszustandes
EXPERIMENT von Cohen & Brehm (1962): „Hungerexperiment“
VPn hatten freiwillig Hungerperiode auf sich genommen, nach
einigen Stunden Stärke des Hungers angeben und
Einschätzung, wie viel nach Experiment man essen werde
- VB1: Geldbetrag für Weiterhungern (geringe Dissonanz)
- VB2: Weiterhungern ohne Geld (hohe Dissonanz)
Ergebnis:
in VB2 geringere Hungerstärke, geringere Einschätzung der
Essensmenge danach
weitere Experimente:
so kann man auch physiologische Variablen
beeinflussen; Durst-Experiment; SchmerzExperiment
2. GEFÜHLSTHEORIEN:
2.1. Gefühlstheorie von Schachter:
physiologische Prozesse bei starken Gefühlen:
- Herzklopfen
- erhöhte Atemfrequenz
- Erröten
- Schweißausbruch
- erhöhter Muskeltonus
- Zittern, usw.
gesteuert vom ZNS; haben reflexhaften Charakter (d.h. willkürlich
nicht oder nur sehr schwer beeinflussbar)
älteste Gefühlstheorien (James, 1884; Lange, 1885):
physiologische Prozesse = Gefühle, d.h. physiologische Vorgänge sind
Ursache der Gefühle (man weint nicht, weil man traurig ist, sondern
man ist traurig, weil man weint)
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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Identische somatische Prozesse bei ganz verschiedenen Gefühlen
(z.B. Zorn und Angst), d.h. allgemeine Aktivierung = typisch für Gefühl,
wurscht welches, dadurch aber keine hinreichende Erklärung von
Gefühlen -> das behebt die
Gefühlstheorie von Schachter (= Zweikomponententheorie der
Gefühle):
•
Aktivierungsgrad bestimmt NUR die Intensität des Gefühls
•
Qualität des Gefühls hängt ab von kognitiven Prozessen, d.h.
Wahrnehmung und Interpretation der momentanen Situation (vor
allem soziale Reize) bestimmen Art des Gefühls
Aktivierungszustand, der auf somatische Ursache attribuiert wird
(z.B. Einnahme von Medikament), wird NICHT als Gefühl erlebt
Aktivierungszustand, der auf kognitiv-situative Faktoren (z.B.
erfreuliche Mitteilung) attribuiert wird, wird als Gefühl erlebt.
EXPERIMENTE von Schachter & Singer (1962): Test von „Supproxin“
VPn bekamen Adrenalinspritze
- VB1: Infos über Nebenwirkungen (informiert)
- VB2: keine Infos über Nebenwirkungen (nicht informiert)
- VB3: Falsch-Info über irgendwelche Phantasiewirkungen
(falsch informiert)
- VB4: Placebo Kochsalzlösung + Falschinfo
Dann Warten auf „Wirkung“ gemeinsam mit anderer VPn (=
Mitarbeiter des VL) -> Manipulation der kognitiven und
situativen Faktoren:
- ½ VPn: andere Person ärgerte sich über Fragebogen, der
in Wartezeit ausgefüllt werden sollte, haut ihn hin
und geht laut schimpfend (Ärgerbedingung)
- ½ VPn: andere Person legt euphorisches VH an den Tag,
baut Papierflieger, wirft Papierkugeln, usw. und
sagt, dass sie sich außerordentlich wohl fühlt
(Euphoriebedingung)
VPn werden während Wartezeit beobachtet; anschließend
müssen sie Intensität verschiedener Gefühle (Ärger, Freude)
bewerten
Ergebnis:
-
Euphoriebedingung: passt genau zur Theorie: ist VP über
Ursache ihrer Aktiviertheit informiert,
wird diese nicht als Gefühl erlebt. In
Placebobedingung ist erlebte Freude
geringer (weil ja nicht WIRKLICH
aktiviert)
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
-
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Ärgerbedingung: hier Unterschied: Verhaltensdaten passen
zur Theorie: in informierter Bedingung
Widerspruch oder Beschwichtigungsversuche, in Placebobedingung weniger
Zustimmung als in nicht informierter
Bedingung
Dasselbe Aktivierungsmuster wird in Abhängigkeit
von sozialer Reizsituation verschieden erlebt bzw.
bezeichnet.
2. EXPERIMENT: VPn sahen lustigen Film
VB1: bekam Adrenalin (Aktivierung erhöht)
VB2: bekam Chlorpromazin (Aktivierung gesenkt)
VB3: bekam Placebo
Ergebnis:
Adrenalingruppe fand Film am lustigsten und lachte am
meisten
Chlorpromazingruppe fand Film am wenigsten lustig und
lachte am wenigsten
3. EXPERIMENT: VPn mit Chlorpromazin schwindelten bei Prüfung mehr
als Adrenalingruppe
Grund: unterdurchschnittlich aktivierte Person
mangelhafte Selbstkontrolle, daher kaum
imstande, antizipierte Konsequenzen
abzuschätzen, dadurch eventuell
Beeinträchtigung ihrer Lernfähigkeit
(Schachter meint daher, dass bestimmte
Kriminelle, nämlich Soziopathen,
Aktivierungsstörung haben)
2.2. Attribution der Aktivierung:
einer der zentralen Gedanken der Gefühlstheorie von Schachter bezieht
sich auf die Attributionen:
hoher Aktiviertheitsgrad wird nicht als intensives Gefühl
erlebt, wenn er extern attribuiert wird (z.B. Wirkung eines
Medikaments)
Daher:
jeder unangenehme Erregungszustand (Angst, Schmerz)
wird weniger intensiv erlebt, wenn man Symptome der
Aktiviertheit (Zittern, Herzklopfen, usw.) auf
gefühlsmäßig neutrale Ursachen zurückführen kann
(analog für angenehme Gefühle)
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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EXPERIMENT von Nisbett & Schachter (1966):
VPn erhielten elektrische Schläge, vorher Placebopillen
-
-
VB1: Pillenattribution: Info über „Nebenwirkungen“
(Herzklopfen, usw.) -> Fehlattribution der Angst- und
Aktivierungssymptome, d.h. VPn hatten die
Möglichkeit, aufkommende Angst als Pillenwirkung zu
erklären und konnten sich so „angstfrei“ halten
VB2: Schlagattribution: Nebenwirkungen der Pille =
Zucken, Kopfschmerzen, etc., also keine Aktivierung,
daher: VPn konnten auftretende Angstsymptome nur
auf elektrische Schläge zurückführen
Dann elektrische Schläge mit fortschreitender
Schmerzhaftigkeit; VPn mussten angeben, wann Schläge
schmerzhaft wurden und wann unerträglich
Ergebnis:
VPn mit Fehlattribution (VB1) höhere Schmerzschwelle
und höhere Schmerztoleranz
mehrere Experimente zur Wirksamkeit von Fehlattributionen zeigten:
Wirkung der Fehlattribution auf Erlernen und Extinktion von
bedingten Reaktionen
EXPERIMENT von Loftis & Ross (1974): rückwirkende Fehlattribution
während Lernphase elektrischer Schlag (UCS) auf
Lichtreiz (CS), dadurch Konditionierung einer
Angstreaktion; während Extinktionsphase Licht ohne
Schlag. Fehlattribution: Angstreaktion ist Folge von Lärm
In Lernphase wirkte Fehlattribution nicht -> für VPn war
es zu offensichtlich, dass sie nicht wegen des Lärms,
sondern wegen des Schlags Angst hatten,
ABER: Wirkung der Fehlattribution in der Extinktionphase
(d.h. schnellere Extinktion), wo aber gar kein Lärm
vorhanden war,
daher:
Fehlattribution kann auch rückwirkend wirken
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2.3. Wahrnehmung des Aktivierungsgrades:
Nicht Aktivierungsgrad selber bestimmt Intensität eines Gefühls,
sondern die Wahrnehmung des Aktivierungsniveaus (Valens, 1966),
d.h. ähnlich wie z.B. objektive Schallintensität nicht immer gleich laut
empfunden wird, wird auch ein- und derselbe Aktivierungsgrad
unterschiedlich empfunden
ständig überaktivierte Person gewöhnt sich an ständige
Überaktiviertheit, empfindet sie als normal und kann schließlich keine
starken Emotionen mehr erleben
EXPERIMENT von Valens (1966)
männliche VPn sahen Dias von nackten Mädchen und hören
dabei ihre eigenen Herzschläge (in Wirklichkeit Tonbänder, wo
bei ganz bestimmten Fotos Frequenzerhöhung auftrat); dann
Beurteilung der Attraktivität der Fotos
Ergebnis:
jene Fotos, bei denen höhere Herzfrequenz zu
hören war, wurden als attraktiver beurteilt
Selbstüberredungshypothese / Valens-Effekt:
Wahrnehmung eines erhöhten Aktivierungszustand, für den
man keine plausible Erklärung hat, bewirkt aktive Suche nach
erklärenden Kognitionen oder Situationsaspekten; mit ihrer
Hilfe wird dann der wahrgenommene Erregnungszustand
interpretiert
d.h. Valens-VPn stellten bei sich erhöhten Herzschlag fest, suchten
Grund, kamen zum Schluss, es müssten die Fotos sein, daher
Überzeugung: Fotos bei erhöhter Herzfrequenz müssen
attraktiver sein
ABER:
•
Suche nach kognitiven oder Situationsaspekten zur Erklärung
der erhöhten Erregung dauert eine gewisse Zeit -> falsche
Herztöne sind nur wirksam, wenn Foto 20 Sekunden (nicht nur 5
Sekunden) gezeigt wird (Experiment von Barefoot & Straub, 1971)
•
hohe Gründlichkeit der Selbstüberzeugung -> VPn von Valens
hielten auch dann an ihren Fotobewertungen fest, nachdem ihnen
die Täuschung erklärt worden war ☺
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2.4. Erweiterung der Theorie:
Gefühle
= keine eindeutige identifizierbare und unterscheidbare
Zustände, sondern allgemeiner, undifferenzierter
Erregungszustand, der in Abhängigkeit von jeweiliger
Situation und den vorhandenen Reizen interpretiert wird
das will Schachter jetzt auch für Triebe nachweisen
Anzeichen von verschiedenen Mangelzuständen (z.B. Hunger, Durst,
Schlafmangel) sind durchaus unterscheidbar. Entsprechende
Zuordnungen sind NICHT angeboren, sondern erlernt (z.B.
Magenknurren = Hunger)
Kind lernt das durch Beobachtung des Verhaltens von Erwachsenen,
vor allem der Mutter (Kind erlebt Spannungszustand, schreit, Mutter
versucht Kind zu beruhigen, sagt „Du hast Hunger“ und füttert Kind,
ABER: Mutter kann nicht WIRKLICH wissen, ob Kind vor Hunger
geschrieen hat oder ob Spannungszustand andere Ursache
hatte… Meistens interpretieren Erwachsene kindliches VH
richtig, häufige Fehlinterpretationen des Erwachsenen können
aber dazu führen, dass Kind seine „Erregungszustände“
verwechselt (z.B. wenn Erwachsener immer wieder Angst für
Hunger hält)
daher: Fettleibige essen deshalb zu viel, weil sie
Hungerempfinden nicht als solches zu identifizieren
gelernt haben und es von anderen Aktivierungsanzeichen
nicht unterscheiden können (Schachter).
Extremfall:
JEDER Erregungszustand wird als Hunger interpretiert
und führt zum Essen…
EXPERIMENT von Stunkard (1959):
Ballon im Magen von VPn registriert Magenkontraktionen (=
deutlich spürbares Hungersymptom), alle ¼-Stunden Frage,
ob VP hungrig ist.
bei Normalgewichtigen 71 % Übereinstimmung zwischen
subjektiven Daten (Frage nach Hunger) und
physiologischen Daten (Häufigkeit der Magenkontraktionen)
bei Fettleibigen unter 50 %
Hypothese von Schachter dazu:
•
Fettleibige essen in angsterregenden Situationen mehr als
Normalgewichtige
•
Essverhalten von Fettleibigen wird nicht davon beeinflusst, wie
weit ihr Magen gefüllt ist (d.h. wie viel Zeit seit letztem Essen
vergangen ist)
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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EXPERIMENT von Schachter, et al. (1968):
VPn sollten vor Experiment nix essen
- ½ VPn bekamen belegte Brote
- ½ VPn füllten nur Fragebogen aus
dann weitere Unterteilung:
- ½ VPn starke Angst durch Mitteilung, VP werde
schmerzhafte Stromschläge bekommen
- ½ VPn leichte Angst durch Mitteilung, elektrische Schläge
würden kaum spürbar sein
Daraus 4 VB:
- VB1: starke Angst / voller Magen
- VB2: starke Angst / leerer Magen
- VB3: leichte Angst / voller Magen
- VB4: leichte Angst / leerer Magen
Dann zu Tisch mit verschiedenen Kekssorten; VPn sollten
essen, wie viel sie wollten und Kekse beurteilen; zuerst das
Ganze mit, dann ohne elektrische Schläge (letzteres war
Täuschung, weil VPn ja eh keine Schläge hatten bekommen
sollen, sollten sich ja bloß davor fürchten)
Ergebnis:
Fettleibige aßen bei starker Angst mehr als bei
geringer Angst (-> Verwechslung von Angst mit Hunger)
Normalgewichtige zeigten bei starker Angst
Esshemmung
in beiden Angstbedingungen aßen Normalgewichtige mit
leerem Magen mehr als Normalgewichtige mit vollem
Magen
Fettleibige aßen mehr, wurscht ob Magen voll oder leer
Essverhalten von Fettleibigen wird von äußeren Reizen
gesteuert, Essverhalten von Normalgewichtigen dagegen von
inneren Reizen, d.h. Normalgewichtige essen, wenn sie Hunger
haben, Fettleibige essen weniger aus Hunger, sondern aus
verschiedenen anderen Gründen:
•
falsch gestellte Uhr im Versuchsraum beeinflusste
Essverhalten der Fettleibigen stärker als Essverhalten der
Normalgewichtigen
•
Fettleibige sind stärker durch Nahrungsquantität und –
qualität beeinflussbar als Normalgewichtige (experimentell
bestättigt von Nisbett, 1968)
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
•
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starke Abhängigkeit der Fettleibigen von äußeren Reizen
generalisiert vom Essverhalten auf nicht
nahrungsbezogenes Verhalten (Experimente von Schachter
& Rodin, 1974):
Fettleibige haben kürzere Reaktionszeiten
sind leichter ablenkbar
schenken auffälligen Reizen mehr Beachtung
lernen auffällige Reize besser
2.5. Die Theorie der Erregungsübertragung von Zillmann (1971):
= wichtige Ergänzung zu Schachters Gefühlstheorie
viszerale Erregung hört nie plötzlich auf, sondern klingt langsam ab;
Folge: nach Ende der aktivierenden Situation bleibt erhebliches
Ausmaß an Aktiviertheit, das Person in völlig neue
Situation „mitnimmt“ -> „Resterregung“ bewirkt in dieser
neuen Situation dann heftigeres Reagieren.
Egal dabei ist:
-
-
WODURCH Resterregung zustande gekommen ist (z.B. Ärger,
körperliche Anstrengung, sexuelle Erregung, usw.)
um welche Gefühle es sich in der neuen Situation handelt
viele Experimente dazu, z.B. Resterregung aufgrund von körperlicher
Anstrengung steigert in neuer Situation Ärger und Aggression (Zillmann,
1971) [Damit ist erklärbar, wieso es gar so schwierig ist, nach einer Turnstunde
Deutsch zu unterrichten…]
ABER:
gefühlsintensivierende Wirkung der Resterregung
NICHT bei jeder Erregungsübertragung -> hier wiederum
Einfluss der Attributionen:
Resterregung intensiviert Gefühle (und Verhalten)
nur dann, wenn sie NICHT auf früheren Auslöser
zurückgeführt wird [d.h. wenn ich Schülern Grund für ihre
Resterregung, d.h. Turnstunde klarmache, dann kann ich in
himmlischer Ruhe meine D-Stunde halten ☺]
EXPERIMENT von Zillmann, et al., (1975)
VPn mussten sich körperlich anstrengen, dann:
Phase 1: es wurde ihnen erklärt, worauf ihre Aktivierung
zurückzuführen ist
Phase 2: erhöhte Aktivierung ist noch vorhanden; VPn
gaben aber an, sie hätten sich schon erholt
Phase 3: Aktivierung ist abgeklungen
In allen 3 Phasen Vorgabe von erotischen Bildern
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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Ergebnis:
In Phase 2 gaben VPn erhöhte sexuelle Erregung an, nicht
aber in Phase 1 -> hier Attribution der Erregung auf äußere
Umstände der körperlichen Anstrengung; in Phase 1 und
Phase 3 gleich hohe sexuelle Erregung
Kritik von Zillmann an Schachter:
Gefühlstheorie ist einseitig und unvollständig
Schachter berücksichtigt ganz bestimmte komplizierte Formen
emotionalen Verhaltens, nicht aber einfache und im Alltag
vermutlich wesentlich häufigere Gefühle
Großteil der Gefühle kommt nicht durch Suche nach erklärenden
Kognitionen (z.B. Situationsaspekte) zustande, sondern wesentlich
gedankenloser
3 Typen von Situationen nach Zillmann:
(1) Situationen, die bestimmtes motorisches Verhalten auslösen,
aber KEINE Erregungsprozesse (= „reine“ Operanten ohne
gefühlsmäßige Färbung)
(2) Situationen, die bestimmtes motorisches Verhalten UND
Erregungsprozesse auslösen (z.B. bestimmter Reiz, der durch
Klassisches Konditionieren zu Angstauslöser wurde, löst
motorisches Flucht-Verhalten UND ängstliche Erregung aus)
Gefühle in solchen Situationen können SOFORT und
EINDEUTIG identifiziert werden [ohne irgendwelche
großartigen Suchen nach Kognitionen usw.]
(3) Situationen, die Erregung auslösen, ohne dabei motorisches
Verhalten auszulösen -> solche Situationen sind mehrdeutig
und/oder Person hat für diese konkrete Situation noch kein
adäquates Verhalten erlernt -> Situation bewirkt ziellose
Erregung. NUR hier Suche nach erklärenden Kognitionen!
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2.6. Die Theorie von Weiner:
316
[schon wieder…]
Attributionstheorie von Weiner ist AUCH eine Gefühlstheorie
Ergebnis (z.B. Erfolg / Misserfolg) setzt Attributionsprozesse in
Gang. Auf welche Ursache das Ereignis zurückgeführt wird, hängt u.a.
ab von Infos (z.B. über Konsensus) und dem individuellen
Attributionsstil der Person. Wahrgenommene Ursache (bzw. ihre
Position auf den einzelnen Attributionsdimensionen intern/extern,
kontrollierbar/unkontrollierbar, stabil/labil) bestimmt:
welche Gefühle erlebt werden
welche Erwartungen für ähnliche zukünftige Situationen entwickelt
werden
Gefühle und Erwartungen bestimmen GEMEINSAM:
welches Verhalten auftritt (z.B. Aufsuchen / Vermeiden von
Leistungssituationen)
welche Eigenschaften das Verhalten hat (z.B. Ausmaß der
Intensität und der Ausdauer)
wesentliche Veränderungen der ursprünglichen Theorie:
(1) nicht alle Ereignisse lösen Attribuierung aus:
Gedanken über Ursache macht man sich nur bei unerwarteten,
negativen oder wichtigen Ereignissen
(2) es gibt 3 Attributionsdimensionen anstatt früher 2
(neu = Kontrollierbarkeit):
Dimension Kontrollierbarkeit darf man nicht verwechseln mit
Kontrollierbarkeit in der Hilflosigkeitstheorie:
Hilflosigkeitstheorie: Kontrollierbarkeit von Ereignissen
Attributionstheorie: Kontrollierbarkeit von Ursachen
(3) höhere Bedeutung der Gefühle -> differenziertere
Beschreibung und Erklärung
(4) Theorie wird nicht mehr nur in erster Linie zur Erklärung von
Leistungsverhalten herangezogen, sondern immer mehr zur
Erklärung von sozialem Verhalten (Weiner nennt als
Hauptanwendungsbereiche seiner Theorie „Arbeit“ und „Liebe“)
Welches Gefühl in welcher Situation ausgelöst wird, hängt ab
von:
-
Qualität des Ereignisses (positiv / negativ)
wahrgenommener Ursache (wichtig hier sind die Dimensionen
intern/extern und kontrollierbar/unkontrollierbar; Dimension
Stabilität beeinflusst dagegen mehr die Erwartungen:
stabile Ursache -> realistischere Erwartungen)
ABER:
Es gibt auch Gefühle, die OHNE Ursachenanalyse
entstehen (d.h. auf einfache Art)
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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Unterscheidung von ergebnisabhängigen und
attributionsbezogenen Gefühlen (Weiner, 1979)
(a) ergebnisabhängige Gefühle:
= „primitive“ Gefühle (es gibt nur sehr wenige und sehr
allgemeine); sind Gefühle, die NUR von Ergebnisqualität
abhängen
wahrgenommene Ursachen spielen hier keine Rolle
BEISPIEL: bei positivem Ergebnis ist man froh und glücklich,
wurscht auf welche Ursache man es zurückführt; bei
negativem Ergebnis umgekehrt
(b) attributionsbezogene Gefühle: (= Mehrzahl der Gefühle)
•
Dimension intern / extern:
Einfluss auf selbstwertbezogene Gefühle (Stolz,
Selbstzufriedenheit)
positives Ergebnis, das auf interne Ursache attribuiert
wird, löst Stolz aus
negatives Ergebnis, das auf interne Ursache attribuiert
wird, bewirkt Selbstwertminderung
•
Dimension Kontrollierbarkeit:
o Fremdwahrnehmung:
Reizperson verursacht negatives Ergebnis, das löst aus
Ärger bei Attribuierung auf kontrollierbare Ursache
(z.B. Versagen wegen mangelnder Anstrengung)
Mitleid bei Attribuierung auf unkontrollierbare
Ursache (z.B. Versagen wegen mangelnder Fähigkeiten)
BEISPIEL:
Entschuldigung wird eher akzeptiert, wenn
Ergebnis auf unkontrollierbare Ursache
zurückgeführt wird (z.B. Person hat mich
versetzt, weil Auto defekt war)
Entschuldigung löst Ärger aus, wenn
Ergebnis auf kontrollierbare Ursache
zurückgeführt wird (z.B. Person hat mich
versetzt, weil sie lieber ein Buch zu Ende
lesen wollte)
EXPERIMENT von Weiner, Chandler & Graham (1982):
4 negative Ereignisse + 8 verschiedene Ursachen -> 32
Beschreibungen von Situationen; VPn mussten angeben, in
welchem Ausmaß sie Ärger bzw. Mitleid hervorrufen
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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Ergebnis:
-
bei kontrollierbarer Ursache überwiegt Ärger, bei
unkontrollierbarer Ursache überwiegt Mitleid
Ärger und Mitleid sind am größten bei internen und
stabilen Ursachen
größter Ärger bei kontrollierbar / intern / stabil
größtes Mitleid bei unkontrollierbar / extern /
stabil
o Selbstwahrnehmung:
d.h. negatives Ergebnis von mir selber verursacht; löst
aus Scham oder Schuld, was genau hängt ab von der
Kontrollierbarkeit:
Scham: eigener Misserfolg und negative Handlung (z.B.
Verweigerung von Hilfeleistung), die auf
unkontrollierbare Ursache (z.B. mangelnde
Fähigkeiten) zurückgeführt werden
Schuld: eigener Misserfolg und negative Handlung, die
auf kontrollierbare Ursache (z.B. mangelnde
Anstrengung) zurückgeführt wird
•
Dimension Stabilität:
beeinflusst in erster Linie die Erwartungen;
ABER: Erwartungen haben auch Auswirkungen auf die
Gefühle:
hohe Erwartung eines positiven Ergebnisses,
niedrige Erwartung negativer Konsequenzen bewirkt
Hoffnung
niedrige Erwartung eines positiven Ereignisses,
hohe Erwartung negativer Konsequenzen bewirkt
Hoffnungslosigkeit
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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2.7. Andere theoretische Standpunkte:
Kritik an Schachters Gefühlstheorie:
globale Behauptung, jedes Gefühl entsteht durch
Zusammenwirken von Aktivierung und Kognitionen, aber KEINE
genauen Angaben, welche Kognitionen welche Gefühle
bewirken
Lösung: Verbindung mit der Attributionstheorie von Weiner
schwache empirische Basis der Theorie (Replikation der
Schachter-Experimente gelingt meist nur teilweise), daher:
• starke Aktivierung ist nicht beliebig interpretierbar
• extrem hohe Aktivierung ist meistens unangenehm
• Überbetonung der Aktivierung bei Schachter (Resenzein,
1983)
Kritik von Zajonc an ALLEN Gefühlstheorien, die kognitive
Prozesse für notwendige Bedingung von Gefühlen halten:
Nach Zajonc ist es umgekehrt:
•
Gefühle sind unmittelbare Reaktionen auf bestimmte Reize,
die NICHT durch kognitive Prozesse vermittelt werden
•
kognitive Prozesse setzen erst NACH dem Beginn des Gefühls
ein
•
Gefühle und Kognitionen sind prinzipiell voneinander
unabhängig
Darbietungseffekt:
Experimente zur „bloßen Darbietung“ (= mere exposure)
(Zajonc, 1968):
Häufigkeit der Darbietung eines Reizes beeinflusst dessen
Bewertung: Je öfter der Reiz dargeboten wird, desto positiver
wird er bewertet (Experimente mit chinesischen
Schriftzeichen, sinnlosen Silben, Wörtern und
Fotos)
ABER:
Effekt umso seltener und schwächer:
je einfacher Reize sind und
je kürzer Zeitintervall zwischen Reizdarbietung und
Reizbewertung
BEISPIEL:
wiederholte Darbietung einer einfachen
Melodie bewirkt keine positive Bewertung,
sondern Langeweile
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
Herkner dazu:
320
Zajonc und Schachter stehen NICHT in
Widerspruch zueinander, sondern ergänzen
einander:
•
erste unmittelbare und unüberlegte
Reaktion auf ein Ergebnis = Bewertung gut /
zufrieden vs. schlecht / unzufrieden; d.h. eine
allgemeine, undifferenzierte Bewertung
(Zajonc)
•
danach differenziertere, kognitiv
vermittelte Gefühle, sind komplexer und
langsamer (Schachter & Weiner)
Gefühlstheorie von Leventhal:
•
Es gibt angeborene emotionale Reiz-Reaktionsmuster; d.s.
Beziehungen zwischen:
auslösendem Reiz (z.B. plötzlicher Knall)
Gefühlserlebnis (z.B. Angst)
mimischem Ausdruck (z.B. Weinen)
motorischen Reaktionen (z.B. Zusammenzucken)
Diese Art von negativen und positiven Gefühlsreaktionen ist schon
beim Neugeborenen vorhanden; sind schnelle Gefühle mit sehr
geringem kognitivem Anteil (Reizwahrnehmung und
Reizkategorisierung)
•
Später Erweiterung des Gefühlsspektrums durch Klassisches
Konditionieren:
angeborene (unkonditionierte) Gefühlsreaktionen werden
durch Konditionierung auf neue Reize übertragen
dann weitere Ausdifferenzierung der Gefühle durch
kognitive Prozesse (= propositionales Wissen über Gefühle,
das netzwerkartig in Gehirn gespeichert ist)
So entsteht größere Anzahl qualitativ verschiedener und
langsamerer Gefühle;
Ergebnis: 3 Arten von Gefühlen:
angeborene Reaktionen
konditionierte Reaktionen
kognitiv vermittelte Reaktionen
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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Hypothese: Qualität erlebter Gefühle wird vom Gesichtsausdruck
bestimmt (mehrfach experimentell bestätigt)
EXPERIMENTE von Strack, et al. (1988):
VPn mussten humoristische Zeichnungen betrachten und
bewerten und dabei ein Schreibgerät halten:
VB1: mit Lippen (d.h. Mundwinkel können nicht nach
oben gezogen werden)
VB2: mit Zähnen (d.h. Mundwinkel sind dabei
automatisch nach oben gezogen)
Ergebnis:
Beim Festhalten mit den Zähnen (d.h. nach oben gezogene
Mundwinkel) beurteilten VPn die Zeichnungen als lustiger
Gefühlskreis von Plutchik (1980):
= Klassifikationsschema; aufgrund von Urteilen von VPn über
Ähnlichkeit von Gefühlen erstellt:
•
gegenüberliegende Gefühle
= unvereinbare Gegensätze (d.h. sie können nicht gleichzeitig
auftreten)
•
Gefühle im rechten Winkel zueinander
= unabhängig voneinander (weder ähnlich noch unähnlich)
•
nebeneinander liegende Gefühle
= ähnlich; können gemeinsam auftreten -> bei gleichzeitigem
Auftreten entsteht aus 2 „Primärgefühlen“ ein Mischgefühl
(= Bezeichnungen außerhalb des Kreises)
insgesamt 8 Primärgefühle (von Plutchik evolutionsbiologisch
begründet), und zwar:
Vertrauen (Akzeptieren)
Angst
Überraschung
Trauer
Ekel
Ärger
Erwartung
Freude
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322
2.8. Wirkung von Gefühlen:
Gefühle beeinflussen viele Aspekte der Informationsverarbeitung:
positive Stimmung fördert Wiedergabe von positiven
Inhalten (Forgas & Bower, 1974)
BEISPIEL: Bei guter Laune erinnert man sich an mehr angenehme
Dinge (z.B. gute Eigenschaften von Mitmenschen), bei
schlechter Laune an mehr unangenehme Dinge
positive Stimmung beeinflusst Bewertung von
wahrgenommenen Handlungen und Objekten, d.h. sie
werden positiv gesehen (Experimente dazu mit AutoBewertungen)
positive Gefühle erleichtern Entscheidungen:
man entscheidet bei guter Laune schneller,
sparsamere Informationsverarbeitung, d.h. unwichtige
Aspekte werden ignoriert, seltenere Beachtung von bereits
verarbeiteten Infos [vgl. dazu aber Cialdini-Buch und die Tricks
der Überzeugungs-Profis!].
Positive Gefühle begünstigen eher Handlungsorientierung als
Lageorientierung
positive Stimmung macht kreativer (höhere Anzahl von
Assoziationen)
bei positiver Stimmung sieht man mehr Ähnlichkeiten und
Gemeinsamkeiten
Bildung von breiteren Kategorien
periphere Kategoriemitglieder werden als weniger typisch
eingestuft
weniger Orientierung an Prototypen
Einfluss von Gefühlen auf Verhalten:
in positiver Stimmung hilft man anderen Menschen mehr
(aber NICHT, wenn Hilfeverhalten so unangenehm ist, dass
dadurch negative Gefühle entstehen!)
Abnahme der Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens bei
positiver Stimmung
höhere Zugänglichkeit:
bei positiver Stimmung leichtere Abrufbarkeit von positiven
Gedankeninhalten und positiven Verhaltensweisen
Herkner / Kapitel 5 / Teil 4A
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ABER: Asymmetrie zwischen Wirken von positiven und
negativen Gefühlen ist noch nicht völlig erklärbar:
Wirkungen positiver Gefühle treten zuverlässig auf
Wirkungen negativer Gefühle (z.B. bessere Wiedergabe
von negativen Inhalten bei negativer Stimmung) relativ
schwach und auch nicht immer nachweisbar
mögliche Erklärung:
-
-
bei negativen Gefühlen:
Prozess der größeren Zugänglichkeit wird bei negativen
Inhalten von aktiver Suche nach positiven Inhalten
überlagert
bei positiven Gefühlen:
man wünscht sich, diese beizubehalten und sucht nicht nach
irgendwelchen Inhalten
Einfluss von Gefühlen auf andere Gefühle:
EXPERIMENT von Diener & Iran-Nejad (1986):
VPn mussten 6 Wochen lang 1x pro Tag ihre Gefühle
bewerten (9 Gefühle, davon 4 positive und 5 negative)
positive und negative Gefühle treten nie mit
hoher Intensität gleichzeitig auf
bei niedriger Intensität eines Gefühls häufiger
„gemischte Gefühle“
starke Gefühle sind immer konsistent
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