Kynologie - DRK Rettungshundestaffel Säckingen

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Kynologie
Ziel:
Jeder ist sich über das Wesen, die Verhaltensweisen und die Lernfähigkeit des Hundes in
dem Masse im Klaren, dass er seinen Hund verstehen und ihn sinnvoll ausbilden kann.
Kursinhalt:
1. Abstammung des Hundes
2. Wie lernt der Hund
3. Verhalten des Hundes. Erbe des Wolfes
4. Genetische Grundlagen
5. Verhaltensbiologie, Rassenkunde
6. Hundeernährung
DRK RHS Säckingen. 2008-2009, Hans Bracher
1. Abstammung des Hundes
Ahnen des Haushundes:
Die Familie der Caniden umfasst insgesamt 38 Spezies. Darunter fallen Wölfe, verschiedene Füchse,
Schakale, Kojoten, und auch unser Haushund.
Unsere Haushunde weisen ein sehr grosse Variabilität bezüglich Aussehen und Verhalten auf, deshalb ging
man früher davon aus, dass unsere Hunde von verschiedenen Caniden abstammen würden.
Heute weiss man, dass alle unsere Hunde auf 2 Individuen von Grauwölfen zurück gehen.
Die ältesten Überreste domestizierter Hunde geht auf ca. 14‘000 v.Chr. (Spätpaläolithisches Grab in
Deutschland) und 12‘000 v.Chr. (Fundstätte in Israel, in der ein älterer Mensch zusammen mit einem
Hundewelpen beerdigt wurde). Funde aus der Zeit 9‘000 und 7‘000 v.Chr. weisen noch eine sehr
geringe Variabilität der Hunde aus.
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1. Abstammung des Hundes
Molecular clock (Mitrochondriale Uhr)
Dabei geht man davon aus, dass die Mutationsrate relativ konstant ist. So kann die Anzahl von
Nukleotidunterschieden in der Mitrochrondialen DNA von verschiedenen Spezies als sogenannte
„Mitrochrondiale Uhr“ verwendet werden. Dies „Uhr“ zeigt an, wieviele Jahre verstrichen sind, seitdem
sich 2 Spezies von einem gemeinsamen Vorfahren entfernt haben.
Verwendet werden dabei die Sequenzunterschiede zwischen Wölfen und Kojoten, deren Wege sich aufgrund
von fossilen Daten vor einer Million Jahre getrennt haben dürften, als Kalibrierung. Seit diesem
Zeitpunkt haben sich 7.5% der Sequenz der mitrochrondialen DNA geändert. Appliziert man diese
Resultat auf die beiden Spezies Wolf und Hund, kommt man auf 135‘000 Jahre. Dies wäre 10x älter,
als auf Grund der fossilen Funde angenommen.
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1. Abstammung des Hundes
Morphologische Domestikationsmerkmale:
Starker Veränderung der Schädelform, verbunden mit einem um ca. 20% geringeren Hirnvolumen des
Hundes.
Wolf
Barsoi
Chow-Chow
Betroffen von der Volumenreduktion ist vor allem das „Angstzentrum“ .
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1. Abstammung des Hundes
Morphologische Domestikationsmerkmale:
Wölfe tragen ihren Schwanz meist waagerecht oder etwas gesenkt, Hunde hingegen
oft nach oben oder eingerollt. Wölfe haben eine Violdrüse am Schwanz, die Hunden
fehlt.
Grundsätzlich ähnelt der Wolf einem großen Haushund. Verglichen mit diesen haben
Wölfe jedoch einen höheren, aber schmaleren Brustkorb. Der Kopf ist relativ groß.
Die Augen setzen schräg an, die Ohren sind eher kurz. Der buschige Schwanz hat
etwa ein Drittel der Körperlänge. Die Färbung ist sehr variabel, es gibt weiße,
cremefarbene, dunkle, gelbliche, rötliche, graue und schwarze Wölfe. In den
gemäßigten Zonen Europas und Asiens überwiegen graue Wölfe, die nördlichen
Populationen zeigen größere Anteile schwarzer und weißer Tiere. Meist überwiegen
dunkle Haare auf dem Rücken und dem Schwanz. Bauch, Beine und Schnauze sind
meist deutlich heller gefärbt.
Weitere Unterschiede:
Wölfe bekommen nur einmal jährlich Nachwuchs, Hunde meist zweimal. Wölfe setzen ihre
Hinterpfoten in die Abdrücke der Vorderpfoten (s. o.), außerdem laufen sie im Rudel
hintereinander und setzen ihre Pfoten jeweils in die Abdrücke des Vorderwolfes. Daher entsteht
oft der Eindruck, dass man der Fährte eines einzelnen Wolfes folgt, bis sich die Fährte plötzlich in
mehrere Individualfährten aufteilt.
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1. Abstammung des Hundes
Neotenitätstheorie:
Unsere Hunde bleiben in ihrer Entwicklung vom Welpen zum adulten Tier auf einer Vorstufe des
Wolfes stehen. (Modell Coppinger)
Unten ist der wilde Canide, der als Welpe
geboren wird, dann die Adoleszenz
durchläuft und letzlich sein Adultstadium
erreicht. Diese Entwicklung ist eine
Anpassung der Organsysteme und des
Verhaltens an die jeweilige Umgebung, in
welcher sich das Tier befindet. Die
Neotenitätstheorie geht nun davon aus, dass
zwar die Hunde im Welpenstadium den
Wölfen noch sehr ähnlich sind, jedoch nie
das Reifestadium der adulten Wildform
erreichen. Nach Coppinger korreliert das
rassespezifische Verhalten unserer Hunde
mit bestimmten ontogenetischen
Entwicklungsstadien des Wolfes
(COPPINGER et al., 1982).
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1. Abstammung des Hundes
Unsere Haushunde bleiben demnach auf einer Jungtiervorstufe stehen und erreichen
nie die soziale Selbstständigkeit des Wolfes.
Sie sind zeitlebens abhängig vom Menschen und zeigen auch als ausgewachsene Hunde immer
noch Verhaltensmuster, die typisch sind für Welpen. Man denke hier z.B. an den Spieltrieb, den viele
Hunde bis ins hohe Alter beibehalten.
Der Gesichtsschädel adulter Hunde lässt die charakteristischen Merkmale des Junghundes in
unterschiedlicher Ausprägung erkennen. Besonders typisch sind diesbezüglich die Schosshunde mit
kurzen Gesichtsschädeln und weit auseinanderliegenden Augen.
Die Domestikation ging also einher mit einer Verkleinerung des Gehirnes, mit einer Einschränkung
der Wahrnehmungsfähigkeit und mit vorzeitiger Stagnation der Entwicklung.
Das klingt alles so negativ und man könnte gar meinen, dass unsere Hunde durch Verstümmelung
des Wolfes entstanden sind. Aber wie bereits angedeutet geht die Domestikation notgedrungen mit
morphologischen Veränderungen einher und dieser Entwicklungsprozess ist die Voraussetzung
dafür, dass ein Tier letztenendes überhaupt in die menschliche Sozialstruktur integriert werden kann.
Immer wieder hat es Leute gegeben, die geglaubt haben, dass Schäferhunde durch Rückkreuzung
mit Wölfen härter und schärfer gemacht werden könnten. Das Gegenteil war der Fall. Die
Nachkommen waren stets sehr scheu, stressintolerant, reagierten auf geringe Reize aggressiv und
waren kaum bereit, sich dem Menschen unterzuordnen.
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1. Abstammung des Hundes
Entstehung der Hunderassen:
Bis vor rund 4'000 |ahren existierten keine bestimmten Hunderassen. Jedoch wurden oft
Hundetypen auf Töpfen und Bildern von Aegypten und Westasien abgebildet, die uns
sehr stark an unsere Windhunde erinnern.
Daneben wurden auch Hunde des Mastifftyps als Jagd- und Schutzhunde gehalten und kleine
Schosshunde mit kurzen Beinen gezüchtet. In der Römerzeit waren die meisten der heute
bekannten Hauptrassen gut definiert und ihre besonderen Qualitäten und Funktionen wurden
beschrieben. Den Römern war bekannt, dass durch gezielte Zuchtselektion nicht nur die äussere
Form, sondern auch die Fähigkeiten und das Verhalten der Tiere beeinflusst werden kann. Die
Hunde fanden vielseitigen Einsatz, ihre wichtigste Funktion jedoch war die Begleitung des
Menschen und die Hebung seines persönlichen Status zuhause und bei der ]agd.
Die Blütezeit der Proliferation von Hunderassen ist das Mittelalter vom 13. bis 15. Jahrhundert. Das
war die Zeit des Feudalismus und der Etablierung der Aristokratie, für welche die ]agd als Statusund Machtsymbol von grösster Bedeutung war. Die Jagdgesetze wurden stark formalisiert und der
gezielte Einsatz spezifischer Hunderassen für die Jagd auf die verschiedenen Wildtiere, z.B.
Deerhounds für die Hirschjagd, Barsois und Wolfhounds für die ]agd auf Wölfe, war und ist ein
integrierender Bestandteil des Rituals.
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1. Abstammung des Hundes
Zu den ersten Hunden („Landschläge“), die in neuerer Zeit Europa auf bestimmte erwünschte
Eigenschaften hin gezüchtet wurden, zählen unter anderem die Herdenschutzhunde oder auch die
altdeutschen Hütehunde. Ein jüngeres Beispiel ist der Deutsche Schäferhund, der um 1900 aus
altdeutschen Hütehunden gezüchtet wurde. In einigen islamischen Ländern wird der gewöhnliche
Hund als unrein verachtet, der Windhund als Jagdhund hingegen wird sehr geschätzt.
Einteilung der Zuchthunderassen
Eine kynologische Systematik der Hunderassen wird von der Fédération Cynologique Internationale
(FCI) gepflegt, die derzeit 336 Rassen anerkennt (Stand: 12/2005). Diese Systematik ist allerdings
sehr willkürlich und berücksichtigt nicht den Grad der genetischen Verwandtschaft zwischen den
einzelnen Rassen. Im FCI-System werden alle anerkannten Hunderassen in 10 Gruppen eingeteilt,
die wiederum in verschiedene Sektionen unterteilt sind:
Gruppe 01: Hütehunde und Treibhunde (ausgenommen Schweizer Sennenhunde
Gruppe 02: Pinscher und Schnauzer – Molossoide – Schweizer Sennenhunde und andere Rassen
Gruppe 03: Terrier
Gruppe 04: Dachshunde
Gruppe 05: Spitze und Hunde vom Urtyp
Gruppe 06: Laufhunde, Schweißhunde und verwandte Rassen
Gruppe 07: Vorstehhunde
Gruppe 08: Apportierhunde – Stöberhunde – Wasserhunde
Gruppe 09: Gesellschafts – und Begleithunde
Gruppe 10: Windhunde
Daneben gibt es in der FCI-Systematik eine Reihe so genannter vorläufig angenommener Rassen
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1. Abstammung des Hundes
Mitochondriale DNA und Erforschung der Stammesgeschichte:
Stammesgeschichtliche Entwicklungen, die bis vor einigen Jahren hauptsächlich aus fossilen Funden und
historischen Ueberlieferungen abgeleitet wurden, können heute mit genetischen Verfahren nachgeprüft werden. Dies
geschah bei den Caniden anhand von Untersuchungen der mitochondrialen DNA (Kernsäure).
Die Mitochondrien sind wichtige Organellen im Zellplasma. Sie dienen als Energielieferanten und sie werden auf
ganz besondere Weise auf die Nachkommenschaft übertragen. Bei der Befruchtung dringt der Spermienkopf in die
Eizelle ein und verschmilzt mit dem Eizellkem, wobei Vater und Muttertier je die Hälfte des Erbgutes für das neue
Individuum beisteuern. Das mitochondrienhaltige Mittelstück und der Spermienschwanz dagegen werden nicht in die
Zelle inkorporiert. Die Mitochondrien der befruchteten Eizelle stammen also ausschliesslich vom Muttertier.
Eine weitere Besonderheit der Mitochondrien ist die Tatsache, dass sie ihre eigene DNA besitzen und sich innerhalb
der Zelle vermehren können. Wenn sich die ZeIle teilt, verteilen sich die Mitochondrien auf die beiden Tochterzellen.
Bei der Vermehrung der mitochondrialen DNA treten jedoch 10 mal mehr Mutationen auf als bei der Vermehrung
der DNA des Zellkerns.
Die beiden Tatsachen, dass Mitochondrien mütterlichen Ursprungs sind, und dass ihre DNA eine hohe Mutationsrate
aufweist, machen diese Organellen äusserst interessant für Forscher, die sich mit stammesgeschichtlichen
Zusammenhängen beschäftigen.
Im Juni 1997 ist eine umfangreiche Studie veröffentlicht worden, die sich mit der Abstammung des Haushundes
beschäftigt (VILA et a1., 1997). Die Arbeit beruht auf der Analyse von DNA, die aus den Mitochondrien von Hunden
und Wölfen isoliert wurde.
Untersucht wurden Gewebsproben von 162 Grauwölfen aus verschiedenen Erdteilen und 140 Hunden, die 67
Rassen angehörten. Weil sich alle Caniden verpaaren können und deshalb auch Kojoten und Schakale
möglicherweise einen Beitrag zum Genpool des Hundes geleistet haben könnten, wurden auch diese Spezies
mituntersucht.
Aus diesen Gewebsproben wurden die Mitochondrien isoliert und die Kontrollregion der mitochondrialen DNA
sequenziert. Dieser DNA-Bereich ist beim Säugetier für seine hohe Mutationsrate bekannt. Man kann also davon
ausgehen, dass sich in der Kontrollregion von nahe verwandten Tieren, wie z.B. verschiedene Spezies der Caniden,
Unterschiede in der Sequenz zeigen.
Beim Wolf wurden 27 unterschiedliche Sequenzen in der Kontrollregion, sogenannte
Haplotypen, gefunden, beim Hund deren 26.
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1. Abstammung des Hundes
Die Hundesequenzen differierten an mindestens 20 Stellen von denjenigen der Schakale
und Kojoten. Alle Wolf- und Hundesequenzen dagegen waren sich sehr ähnlich, sie
unterschieden sich höchstens an12 Stellen. Daraus lässt sich schliessery dass die Hunde mit
Bestimmtheit vom Grauwolf abstammen.
Weil die mitochondriale DNA mütterlichen Ursprungs ist, würden allfällige Verpaarungen mit
männlichen Schakalen und Kojoten durch diese Untersuchung nicht erfasst. Deshalb wurde das
Resultat durch Untersuchung von DNA aus dem Zellkern der Tiere überprüft - das Ergebnis war
dasselbe. Es steht also endgültig fest, dass der Hund etnzig und allein vom Grauwolf abstammt.
Im Anschluss an die Sequenzanalyse wurden die verschiedenen Haplotypen ihrer
verwandtschaftlichen Beziehung entsprechend gruppiert. Abb. 7 ist so zu interpretieren, dass die
genetische Verwandtschaft der Haplotypen umso enger ist, je näher sie beieinander liegen.
Bei dieser Analyse kristallisierten sich vier verschiedene Gruppen heraus, d.ie Hundehaplotypen
enthalten. Die Gruppenl.,2und 3 sind enger miteinander verwandt als mit Gruppe 4. Daraus lässt sich
ableiten, dass unsere Hunde auf mindestens zwei Stammlinien zurückgehen. Eine Mutterlinie hat die
Gruppen 1.,2und3, die andere die Gruppe 4 gegründet. Dies könnte bedeuten, dass der Mensch den
Hund aus zwei verschiedenen Wolfspopulationen isoliert hat, oder anders gesagt, dass die
Domestikation zweimal stattgefunden hat.
Im weiteren fällt auf, dass in den Gruppen 2 und 4 Hundehaplotypen vorkommen, die sehr nahe mit
Wölfen verwandt sind. Dieser Befund belegt, was verschiedene Forscher vermuteten, dass im Verlaufe
der Domestikation noch ein genetischer Austausch zwischen der Hunde- und der wolfspopulation
stattgefunden hat.
Gruppe 1 umfasst die meisten Hundehaplotypen. Das heisst, dass 3/4 der heute lebenden
Rassehunde vermutlich aus einer einzigen Mutterlinie hervorgegangen sind. In diese Gruppe fallen
auch die ältesten noch existierenden Hunde wie z.B. der australische Dingo.
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1. Abstammung des Hundes
Phylogenetischer Stammbaum.
Die Haplotypen von WöIfen (W) und Hunden (D) sind
umso enger verwandt, je näher sie beieinanderliegen.
Trotz aller Anstrengungen gelang es den Forschern nicht, eine
bestimmte, heute noch lebende Wolfspopulation als Vorfahren
dieser Hundegruppe zuidentifizieren. Vermutlich sind die
Stammtiere bereits ausgestorben.
Hund D8 ist der skandinavische Elchhund, der nahe verwandt ist
mit den Wölfen W4 und W5, die in Italien, Frankreich, Rumänien
und Griechenland verbreitet sind. Der skandinavische Elchhund
könnte also als mütterliche Stammform dieser Wolfspopulation
interpretiert werden. Das heisst, dass ein früher Ahne des heutigen
skandinavischen Elchhundes auswilderte und eine eigene
Wolfspopulation gründete.
Die Gruppe 3 umfasst 3 Haplotypen, die bei äusserlich sehr
unterschiedlichen Rassen vorkommen wie z.B. beim Deutschen
Schäfer und beim Nackthund. Die Phänotypen der beiden Hunde
sind sehr unterschiedlich und es erstaunt, dass diese Rassen
genetisch so nahe verwandt sein sollen.
Interessant ist auch, dass Hunde derselben Rasse z.T.
unterschiedliche Haplotypen aufwiesen. So wurden z.B. beim
Golden Retriever die Haplotypen D 4, !5,24 und 6 gefunden.
Der Golden Retriever, den wir als "reinrassig" definieren, geht
demnach sogar auf zwei verschiedene Domestikationslinien
zurück.
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1. Abstammung des Hundes
Zucht auf Leistung:
Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Hunde auf Leistung gezüchtet. ]agdhunde mussten schnell genug
sein, um der Beute nachzujagen, Zughunde kräftig und ausdauernd, um beladene Wagen zu ziehen, Schutzhunde
stark und wesensfest, um als zuverlässige Wächter zu dienen. Aeusseriiche Kriterien wie z.b. Körpergrösse,
Ohrenform oder Fellfarbe waren eher von geringer Bedeutung. Hunde, welche die gewünschten Leistungen nicht
erbrachten, wurden eliminiert.
Da nur gesunde Tiere leistungsfäihig sind, ist Zucht auf Leistung gleichzeitig auch Zucht auf allgemeine Gesundheit.
Und da die Krankheitsanfälligkeit mit erhöhter Inzucht steigt, hält sich auch der Inzuchtgrad bei Zucht auf Leistung
automatisch in gewissen Grenzen.
Auch heute werden noch vereinzelte Rassen auf Leistung gezüchtet. Als Beispiele seien die Wind- und
Schlittenhunde erwähnt, die aufgrund ihrer Rennleistung selektiert werden. Erkrankungen der Gelenke, der Ellbogen, Schulter- und Hüftgelenke, wie sie bei vielen Hunderassen als Erbprobleme bekannt sind, wären mit der
körperlichen Leistung von Renn- und Schlittenhunden nicht vereinbar.
Die Studie von Flückiger belegt, dass Gebrauchshunde praktisch keine erblichen Hüftgelenksprobleme aufweisen
(FLUECKIGER et a1., 1995). Im Vergleich dazu ist bei den Berner Sennenhunden nur rund die Hälfte dysplasiefrei,
ein Drittel ist leichtgradig betroffen und die restlichen Hunde zeigen mittel- bis hochgradige Veränderungen.
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1. Abstammung des Hundes
Worin bestand denn das Zuchtziel beim Berner Sennenhund?
Der Berner Sennenhund geht auf die bernischen Bauernhunde zurück, die gegen Ende des letzten
Jahrhunderts vor a1lem im Ländchen Schwarzenburg, südlich von Bern, anzutreffen waren. Es
handelte sich dabei um Gebrauchstypen, um kräftige Zughunde, die auch ausgezeichnete
Eigenschaften als Wächter und Treiber aufwiesen. Anlässlich der Hundeausstellung im jahre 1904
wurden die ersten vier Hunde ins Hundestammbuch eingetragen. Am Anfang müssen die Tiere sehr
uneinheitlich gewesen sein, was ihre Körpergrösse und die Relation vom Kopf zum Körper anbelangte.
Auch hinsichtlich Fellzeichnung bestand eine grosse Variabilität, was die Züchter störend fanden.
In jahrelanger Arbeit wurde die Rasse reingezüchtet, wobei die Schönheit der Tiere als primäres
Selektionskriterium im Vordergrund stand. Der Rassestandard verlangt beispielsweise einen
braunroten Brand an den Backen, über den Augen und an allen 4 Läufen. Eine saubere, weisse
Blesse, die sich hin zur weissen Fangzeichnung verbreitert. Die Blesse darf jedoch nicht bis an die
braunen Ueberaugenflecken, und die weisse Fangzeichnung höchstens bis zu den Lefzenwinkeln
reichen... Usw. Durch gezielte Linienzuchtpaarungen konnten diese Zuchtziele rasch erreicht werden,
während die Frage der Leistungsfähigkeit in den Hintergrund rückte.
Die Zucht auf Schönheit geht auf Kosten der Gesundheit.
Durch diese einseitige Zucht auf äussere Merkmale bei gleichzeitiger Vernachlässigung der
gesundheitlichen Aspekte haben sich Erbleiden eingeschlichen, die z.T. nur schwer in den Griff zu
bekommen sind. Der Berner Sennenhund stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Genau das gleiche
Schicksal ist auch zahlreichen anderen Hunderassen widerfahren. Unsere heutigen Rassehunde sind
zwar,,schön" und äusserlich uniform, aber die Zucht bzw. Zucht auf Schönheit ging ganz klar auf
Kosten der Gesundheit.
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1. Abstammung des Hundes
Man könnte nun argumentieren, dass doch im Falle der Berner Sennenhunde ab sofort auf
Inzuchtpaarungen verzichtet werden könnte, weil doch von dieser beliebten Schweizer Rasse noch
Hunderte von Hunden existieren. Auf diese Weise könnte der Heterozygotiegrad erhöht werden und
die Nachkommen müssten gesünder sein. Gute Idee, nur stellt sich das Problem, dass überhaupt
keine nicht verwandten Berner Sennenhunde mehr vorhanden sind. Wegen der jahrelangen Inzucht
sind alle Vertreter dieser Rasse miteinander verwandt und die genetische Basis ist sehr eng, obwohl in
der Schweiz gegen 200 Zuchthunde existieren.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.1. Grundsätze der Lerntheorien
Lernen:
Findet immer statt!
Lernen findet aufgrund biologischer Gesetzmässigkeiten statt.
Die Grundlage des Verständnisses des Lernens bilden die Lerntheorien.
- Ein Organismus verarbeitet bestimmte Stimuli und passt sein Verhalten daraufhin an.
- Die Stimuli werden über alle Sinnesorgane aufgenommen
- Dient der Optimierung des eigenen Zustandes
- Sichert das Überleben
- Sichert die Weitergabe der eigenen Gene in die nächste Generation
Individuelle Fitness:
- Grundmotiv: Eigene Gene in die nächste Generation weitergeben =
individuelle Fitness.
- Daraus entstehen lebensnotwendige Ansprüche, wie: Raum, Nahrung, Wasser,
Fortpflanzungspartner usw. = Ressourcen.
- Diese Ressourcen zu erwerben oder gene Konkurrenten zu verteidigen, bezeichnet
man als Ressource Holding Potential.
Hierfür kann aggressives Verhalten notwendig sein.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.2. Klassische Konditionierung
Asoziationen:
Zwei Ereignisse, die gleichzeitig oder in sehr kurzem zeitlichen Abstand voneinander
geschehen, werden im Gehirn miteinander verknüpft.
Klassische Konditionierung:
Bei der klassischen Konditionierung werden Reflexe des Organismus auf einen vormals
unbedeutenden Auslösereiz konditioniert.
Ein reflexauslösender (unbedingter) Reiz/Stimuli US wird mit einem neutralen Reiz
gekoppelt.
Der vormals neutrale Reiz wird dadurch zum bedingten (konditionierten) Reiz CS und
löst nun eigenständig die Reflexantwort CR aus.
Zu beginn:
US
-UCR
Lernprozess:
CS +US -UCR
Zum Schluss:
CS
-CR
Bedingung:
Die erwünschte Reaktion muss eine Reflexhandlung bzw. unwillkürliche Reaktion sein.
Timing:
- 0.5 Sekunden
- CS muss vor US erfolgen (Ausnahme Geschmackaversion)
- Braucht keine Belohnung aus der Umwelt
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.2. Klassische Konditionierung
Klassische Konditionierung:
Es besteht eine biologische Bereitschaft, bestimmte Assoziationen herzustellen.
Generell erfolgen angstauslösende Assoziationen sehr schnell. (Schutz vor Schaden).
Auch die Entstehung von Phobien folgt möglicherweise den Gesetzmässigkeiten der
klassischen Konditionierung
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.3. Instrumentelle (operante) Konditionierung
Bei der instrumentellen Konditionierung werden Assoziationen geknüpft zwischen einer
bestimmten (kontrollierten) Handlung des Hundes und einer bestimmten Reaktion der
Umwelt auf diese Handlung: Der Hund lernt etwas über die Konsequenzen seines
eigenen Handelns.
Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Handlung in Zukunft gezeigt wird, kann durch
Belohnung oder Strafe beeinflusst werden.
Ein Belohnung bewirkt, dass ein Verhalten öfters, eine Bestrafung, dass ein Verhalten
seltener gezeigt wird.
Bedingung:
Folgende Faktoren müssen zusammentreffen:
- Ein Reiz (im Training ein Befehl oder Signal).
- Die Reaktion (imIdealfall, das gewünschte Verhalten)
- Die Verstärkung (z.B. ein Leckerchen)
Die Verstärkung ist die Triebfeder der instrumentellen Konditionierung. Sie muss
während oder binnen einer Sekunde nach der Reaktion erfolgen, sonst stellt der Hund
keine Verknüpfung her.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.3. Instrumentelle (operante) Konditionierung
Verstärker. Definition Lerntheorie, ohne Wertung:
Positiv heisst:
Es wird etwas hinzugefügt.
Negativ heisst:
Es wird etwas entfernt.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.3. Instrumentelle (operante) Konditionierung
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.3. Instrumentelle (operante) Konditionierung
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.3. Unterschiede Klassische-Instrumentelle Konditionierung
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Motivation
Motivation ist die Bereitschaft ein Ziel durch eine bestimmte Handlung zu erreichen!
Dabei wird grundsätzlich unterschieden zwischen
Eigenmotivation:
Fremdmotivation:
Ist geprägt durch das Interesse /
Neugierde an der Umwelt.
Dabei spielt die
Sättigung/Übersättigung der
Bedürftnisse eine entscheidende
Rolle.
Durch den Trainer/Hundeführer wird
ein Verhalten, durch das der Hund
seinen Zustand erreichen kann,
„erzwungen“.
Der Hund ist motiviert Strafe oder
Druck zu entgehen.
Zuwendung, Locken mit Futter oder
Spielzeug sind ebenfalls Formen der
Fremdmotivation.
Motivation basiert auf dem Bestreben bestimmte Bedürftnisse zu sättigen.
Beispiel: Schlechte Motivation eines satten Hundes mit Futter!
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Fremdmotivation
Gefahr bei jeglicher Fremdmotivation:
-Verlust der Eigeninitiative des Hundes. (Bei Rettungshunden sehr gefährlich)
- Der Hund wartet auf mehr Hilfestellung, Kontrolle. (Kann beim Signalaufbau zur
Stolperfalle werden.)
- Oft ist eine zunehmende Steigerung der Motivatoren, im Laufe der Zeit, erforderlich.
- Motivationsmittel haben nur dann einen hohen Stellenwert, wenn sie dosiert
eingesetzt werden.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Konkurrenz der Motivatoren
Grundsätzlich:
Alle körperlichen Gründe wie Angst, Stress, Neues, Krankheiten.
Beispiele:
- Bedürfnis Wasser zu lösen.
- Fressen, Trinken, Pausen
- Sexuelle Erregung
- Ablenkung aus der Umgebung
- Energieüberschuss
- Jagen und andere selbstbelohnende Verhalten
-…
-…
-…
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Neurophysiologische Abläufe
Um Motivation zu verspüren, muss der Hund über seine Sinnesorgane angeregt
werden. Der Neurotransmitter der für die Erregungslage verantwortlich ist, heisst
Noradrenalin. Die Ankurbelung dieses Prozesses entspricht der Stressachse. Im Fall
der positiven Erregung sprcht man von positivem Stress.
Der Neurotransmitter, der bei positiven Situationen ausgeschüttet wird, ist das
Dopamin, aber auch körpereigene Endorphine spielen eine Rolle.
Die Ankurbelung der Stressachse führt zur Stärkung der Leistungsbereitschaft.
Achtung: Es ist auch eine Überstimulation möglich!
Wenn eine Trainingseinheit positive Emotionen hervorruft, wird sie länger und sicherer
abgespeichert.
Dies bedeutet:
-Positive Erlebnisse führen in der Zukunft zu leichterer Motivation.
- Um Bestleistungen zu erreichen, muss man den Hund ausreichend aber nicht zu hoch
motivieren.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Begriffserklärungen
Neurotransmitter:
Sind heterogene biochemische Stoffe, welche die Information von einer Nervenzelle zur anderen über die
Kontaktstelle der Nervenzellen, der Synapse, weitergeben. In die Synapse einlaufende elektrische Impulse
(Aktionspotenziale) veranlassen die Ausschüttung der chemischen Botenstoffe aus ihren Speicherorten, den
synaptischen Vesikeln. Das geschieht durch einen exocytotischen Mechanismus. Durch die Fusion der
Vesikelmembran mit der präsynaptischen Membran gelangen die Transmittermoleküle in den synaptischen Spalt,
durch den sie zu den Rezeptoren des nachgeschalteten postsynaptischen Neurons diffundieren. Die
Neurotransmitter werden nach ihrer Ausschüttung auf verschiedene Weise deaktiviert und/oder abgebaut.
Der wichtigste erregende Transmitter im zentralen Nervensystem (ZNS) ist Glutamat. Die wichtigsten hemmenden
Transmitter im ZNS sind Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glycin. Andere bekannte Transmitter sind
Noradrenalin oder Acetylcholin, Dopamin, Serotonin.
Noradrenalin:
Auch Norepinephrin (INN), ist einerseits ein Neurotransmitter des sympathischen Nervensystems und andererseits
ein Hormon des Nebennierenmarkes. Es wirkt vorwiegend an den Arteriolen und führt über Aktivierung von
Adrenozeptoren zu einer Engstellung dieser Gefäße und infolgedessen zu einer Blutdrucksteigerung. Noradrenalin
wird im peripheren Nervensystem von sympathischen Nervenfasern ausgeschüttet.
Noradrenalin ist eng verwandt mit dem Adrenalin und gehört wie dieses zu den Katecholaminen. Es ist eine
Überträgersubstanz (Neurotransmitter) der postganglionären Synapsen des sympathischen Nervensystems und
entfaltet dort weitgehend die gleiche Wirkung wie Adrenalin. Die Eliminierung des Noradrenalins aus dem
synaptischen Spalt erfolgt hauptsächlich durch Wiederaufnahme in die präsynaptische Zelle über den Transporter,
kann aber auch enzymatisch inaktiviert werden. Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer führen zu einer Erhöhung
der Noradrenalin-Konzentration und somit zu einer Erhöhung des Sympathikotonus.
Im Locus caeruleus, einer relativ kleinen, dunkelfarbigen Zellgruppe im Mittelhirn, wird ein Großteil des Noradrenalins
des ZNS produziert. Benzodiazepine vermindern die Aktivität des Locus caeruleus und reduzieren damit den
Transport von Noradrenalin zum Vorderhirn.
Erhöhte Spiegel des Noradrenalins im Blut finden sich bei der Herzinsuffizienz und beim Phäochromozytom.
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Begriffserklärung Dopamin
Dopamin (DA): Ist ein biogenes Amin aus der Gruppe der Katecholamine und ein wichtiger Neurotransmitter. Im
Volksmund gilt es als Glückshormon, das z. B. bei intensivem Flow-Erlebnis ausgeschüttet wird.
2.5. Faktoren die die Motivationsfähigkeit beinflussen
- Rasse, Rassetyp, Zuchtgeschichte des Hundes
- Erfahrungen während der Neugeborenenphase (besonders
Stresstoleranz)
- Erfahrungen aus der Sozialisationszeit
- Negative Erfahrungen
- Krankheiten, Schmerzen, Unwohlsein, Juckreiz ……
- Selbstvertrauen und Möglichkeit der Eigenkontrolle
- Kontrolle von aussen, Druck, Unterbrechungen im Arbeitsfluss
- Grad der Stimulatinen aus der Umwelt (Hunde, Menschen)
- Ruhepausen
- Art und Einsatz der Belohnungen
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Art der Motivatoren
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2. Wie lernt der Hund, Lerntheorien
2.5. Motivation im Training
Teufelskreis:
Ist der Hund nicht oder nur mangelhaft motiviert, wird auch der Hundeführer durch das
Verhalten des Hundes frustiert, was wiederum zu einer schlechteren Motivationslage
führt.
Ein gut motivierter Hund lernt schneller und sicherer.
Deshalb ist ein Motivationsaufbau in jeder Hinsicht lohnend:
-Stärkung des Hund-Hundeführer-Teams
-Verbesserung der Leistung
Das Gefühl von Eigenkontrolle des Hundes kann durch die Anwendung von Techniken,
bei denen der Hund mitdenken muss und/oder darf gefördert werden.
Bei ständiger Verhinderung des Gefühls von Eigenkontrolle des Hundes, kommt es zu
neurotischen Veränderungen, die eine Ausbildung zum Rettungshund absolut
verhindern. Zum Beispiel der erlernten Hilflosigkeit.
Tip:
Verhältnis der eigenmotivierten Übungen zu fremdmotivierten Übungen im Verhältnis
von 7 : 3 gestalten.
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2.5. Begriffserklärung „erlernte Hilflosigkeit“
Erlernte Hilflosigkeit bezeichnet das Phänomen, dass Menschen und Tiere in Folge von Erfahrungen der Hilf- oder
Machtlosigkeit ihr Verhaltensrepertoire dahingehend einengen, dass sie negative Zustände nicht mehr abstellen,
obwohl sie es (von außen betrachtet) könnten. Der Begriff wurde 1967 von den amerikanischen Psychologen Martin
E. P. Seligman und Steven F. Maier geprägt, die auch Versuche mit Hunden durchführten.
Erlernte Hilflosigkeit bietet ein Modell, um menschliche aber auch hundliche Depressionen zu erklären, die eine
Folge sein können, wenn Lebensumstände einen Hund dazu verleiten, persönliche Entscheidungen als irrelevant
wahrzunehmen:
Umgebungen, in denen Hunde Ereignisse erleben, bei denen sie sich hilflos fühlen oder tatsächlich hilflos sind:
Wiederholtes Versagen, Behinderung, können erlernte Hilflosigkeit herbeiführen. Weitere menschliche Beispiele sind
Gefangene von Konzentrationslagern oder Arbeitslagern. Moderne Beispiele sind u.a. psychiatrische Anstalten und
Pflegeheime, in denen die Patienten lange genug handlungsunfähig waren, um bleibende Minderwertigkeitskomplexe
hervorzurufen.
Nicht alle Individuen reagieren mit Depression auf eine Situation der Hilflosigkeit; laut Seligman betrachten Personen
/Hunde in einem Zustand der erlernten Hilflosigkeit Probleme als persönlich, generell oder permanent:
persönlich: Sie sehen (in) sich selbst als das Problem.
generell: Sie sehen das Problem als allgegenwärtig und alle Aspekte des Lebens betreffend.
permanent: Sie sehen das Problem als unveränderlich.
Seligman ist wohl am bekanntesten für seine Arbeit an der Idee der „erlernten Hilflosigkeit“ und für seine Beiträge auf
dem Gebiet der positiven Psychologie, wo er eine Pionierfunktion übernommen hat.
Im Rahmen seiner Forschung zum Phänomen der "erlernten Hilflosigkeit" hat Seligman diverse Hunde mit
Elektroschocks behandelt, um die Auswirkungen aversiver Reize auf Psyche und Verhalten dieser Tiere zu
untersuchen. Hierbei zeigte sich, dass Tiere, die aversive Reize nicht kontrollieren konnten, in späteren Situationen
Passivität und Hilflosigkeit zeigen. Er lieferte somit entscheidende Fortschritte für die Behandlung der Depression,
die insbesondere durch psychoanalytische Verfahren nicht hinreichend behandelt werden konnte.
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2.5. Motivation im Training
Die grösste Motivation ist im Training durch Übungen zu erreichen, die weder
zu einfach noch zu schwierig sind.
Ein schrittweiser, strukturierter Trainingsaufbau verhindert hier Fehler!
Einsatz von Belohnungen, die motivierend wirken , aber keine Übermotivation
erzeugen.
Steigerung der Belohnung in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad der
Übung (Jackpots einsetzen)
Die Wirkung von Belohnungen zu konkurrierenden Motivationslagen muss bei
Trainingsproblemen überprüft werden.
Die Gefahr hoher Erregungslage (Stress) beim Einsatz von Spielbelohnung
ist bei unbedachtem Einsatz je nach Veranlagung des Hundes unter
Umständen sehr gross.
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2.6. Deprivation
Entzug, herbeigeführter Mangel:
- Ein hungriger Hund wird eher für Futter arbeiten als ein satter Hund
- Aufmerksamkeit ist eine wichtige Ressource
- Sicherstellen, dass der Deprivationslevel für die Belohnung des jeweiligen Trainings
gross ist.
- Grundsätzlich:
2.7. Beeinflussende Faktoren des Lernens
- Motivation
- Deprivation
- Belohnung
- Timing
- Belohungsintervalle
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2.8. Stress
Ein Umweltreiz (Stressor) übt auf ein Individuum einen belastenden Einfluss aus. Die
Reaktion, die beim Individuum hervorgerufen wird, wird Stress genannt.
Furcht, Einsamkeit und Langeweile haben auf endogene Zeichen von Stress mehr
Einfluss als Schmerzen (Wolfe 1990)
Symptome:
Stressoren:
- Zurückziehen der Ohren,
- Ungewissheit
Gesichtsmuskulatur
- Missverständnisse
- Einknicken in den Gliedmassen
- Misserfolge
- Einziehen der Rute
- Unbekanntes
- Vermeiden der Situation
- Angst / Furcht
- Hoher Erregungszustand (Zittern,
- Mangelndes Wohlbefinden (Hunger,
Hecheln, Winseln, Harn
Durst etc.)
unfreiwillig absetzen)
- Zeigen von Beschwichtigungsgesten
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2.8. Stress
Die 4 F‘s
Beschwichtigungsgesten:
- Blick und Kopf abwenden
- Gesamten Körper abwenden
- Hinsetzen oder Hinlegen
- Schlecken der eigenen Schnauze
- Gähnen
- Zwinkern
- Schnüffeln
- Langsame Bewegungen und
Ausweichen
- Spielaufforderung
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2.8. Stress
Häufige Stressoren im Hundetraining:
- Direkte Bedrohung durch andere Hunde
- Direkte Bedrohung durch Menschen (Trainer, Hundeführer) durch unsachgemässen
Einsatz von Strafe
- Direkte Bedrohung durch Körpersignale, Wut und Ärger des Menschen.
- Druckmittel wie z.B. der Leinenruck
- Zu hohe Anforderung im Training
- Hoher Lautstärkepegel
- Starke Ablenkung z.B. durch die Grösse der Gruppe
- Plötzliche Veränderungen
- Spezifische Reize die Angst auslösen
Verbesserungsmöglichkeiten:
- Freundlicher, geduldiger Umgang mit dem Hund.
- Einzeltraining
- Verzicht auf unsachgemässe Strafe
- Stressabbau durch Bewegung und Spiel.
- Bedachter Einsatz von Körpersignalen und Hilfsmittel.
- Belohnung von angebotenem Verhalten.
- Einzeltraining.
- Genaue Diagnose des Problems.
- Strukturierter Aufbau des Trainings
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2.9. Struktur
Grundsätzlicher Aufbau:
Die zu beachtenden Elemente sind:
- Motivation
- Elemente der klassischen Konditionierung
- Element der instrumentellen Konditionierung
- Der diskriminativer Stimulus
- Die Belohnung
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2.5. Begriffserklärung „diskriminativer Stimuli“
Bevor man einen Generalisierungsgradienten experimentell ermitteln kann, muss der Organismus eine
Diskriminationslernphase durchlaufen. Diskriminationslernen ist eine spezielle Form der Instrumentellen und Operanten
Konditionierung, wobei der Organismus lernt, nur bei Darbietung bestimmter Reize die instrumentelle Reaktion zu zeigen.
Versuchsanordnung [Bearbeiten]
Die Taube befindet sich während der instrumentellen Lernphase in einer Skinner-Box. Das ist ein kleiner Käfig, der in unserem
Beispiel mit einem kleinen Futterspender, in welchem Futterpellets dargeboten werden können, ausgestattet ist. Außerdem
befindet sich vor der Taube eine kleiner beleuchtbarer Knopf und eine weitere Leuchtdiode bzw. Glühbirne.
Einfache operante Konditionierung [Bearbeiten]
Bei einer „einfachen“ operanten Konditionierung könnte die Taube dafür verstärkt werden, dass sie auf den beleuchteten
kleinen Knopf pickt. Sobald sie eine Pickreaktion zeigt, wird ein Verstärker – ein Futterpellet – im Futterspender dargeboten. Mit
der Zeit lernt die Taube, die Pickreaktion sehr oft und andauernd zu zeigen, um den Verstärker zu erhalten. Wie oft die Taube
die Reaktion zeigen muss bzw. wieviel Zeit nach der Reaktion vergehen muss, bis ein Verstärker verfügbar wird, bestimmt der
festgelegte Verstärkerplan. Hier unterscheidet man grob in Verhältnispläne (hier ist die Anzahl der Reaktionen bis zur
Verstärkergabe entscheidend) und Intervallpläne (hier wird der Verstärker nach einer bestimmten Zeitspanne nach einer
Reaktion verfügbar).
Arten von Diskriminationslernen [Bearbeiten]
Diskriminationslernen ist eine Form der Reizkontrolle des Verhaltens. Kommt eine Verhalten und Reizkontrolle, dann heißt das,
dass der Organismus bei Änderung der Stimuli Änderungen in seinem Verhalten zeigt. Diskriminationslernen kann man auch
sehr oft in der Realität beobachten, z. B. Verhalten wir uns in Gegenwart unserer Freunde anders, als in Gegenwart einer
Vorgesetzten. Die anwesenden Personen werden somit zu diskriminativen Stimuli. Im Experiment mit unserer Taube wollen
wird das zweite kleine Licht als diskriminativen Simulus verwenden.
S+ Lernen
Die einfachste Form des Diskriminationslernens ist die Einführung eines sogenannten S+ (auch S-D oder S* genannt). Bei
Darbietung dieses Reizes wird die instrumentelle Reaktion verstärkt – bei Abwesenheit des Reizes wird sie nicht verstärkt. Mit
andauerndem Training lernt der Organismus, die instrumentelle Reaktion nur bei Anwesenheit des S+ zu zeigen. Im Beispiel
mit der Taube könnten wir das zweite kleine Licht als S+ einführen. Immer wenn es erleuchtet ist, wird das Picken auf den
Knopf verstärkt. Wenn das Licht erloschen ist, wird das Picken nicht verstärkt.
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