Der Einsatz von Web 2.0 Technologien in politischen Parteien”

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Diplomarbeit zum Thema
”Der Einsatz von Web 2.0 Technologien
in politischen Parteien”
zur Erlangung des akademischen Grades
Diplom Wirtschaftsinformatiker
vorgelegt dem
Arbeitsbereich Angewandte und Sozialorientierte
Informatik der Universität Hamburg
Vasco Schultz
28. April 2011
Erstbetreuer: Prof. Arno Rolf
Zweitbetreuer: Paul Drews
Abstract
This study examines on the use of Web 2.0 in political parties in Germany.
The analysis makes use of the Mikropolis-Model, developed on the University of Hamburg extended by the new element of "Medium" that has
been elaborated in this work. It identifies six organizational parts of political parties. The analysis makes supporting use of neoinstitutionalism and
the view of political science for explanatory purposes and deliberative democracy theory as evaluative element. The study points out that political
parties are in various stages regarding the use of Web 2.0.
In dieser Arbeit wird der Einsatz von Web 2.0 in politischen Parteien in
Deutschland untersucht. Den Rahmen für die Analyse bildet dabei das
an der Universität Hamburg entwickelte Mikropolis-Modell, das um das
neue Element des "Mediums" erweitert wird. Es werden sechs organisatorische Teilbereiche in politischen Parteien identifiziert und einzeln betrachtet. Für die Analyse werden unterstützend der Neoinstitutionalismus
und die politikwissenschaftliche Betrachtung als erklärende und die deliberative Demokratietheorie nach Habermas als bewertende Elemente benutzt. Die Arbeit zeigt auf, dass politische Parteien in Deutschland in den
verschiedenen organisatorischen Bereichen unterschiedlich weit sind, was
die Nutzung von Web 2.0 betrifft.
II
Danksagung
Mein Dank gilt in allererster Linie meinen Eltern, die mir mein Studium ermöglicht
haben und mich immer wieder unterstützt und bestärkt haben. Sehr viel habe ich
auch meiner liebsten Anja zu verdanken, die mich immer wieder aufgebaut hat, wenn
es einmal schwierig war und immer ein offenes Ohr hatte.
Auch bei meinen Betreuern möchte ich mich ganz herzlich bedanken für die hervorragende Begleitung bei meiner Arbeit und dass sie es mir für meine Recherche
ermöglicht haben, am Politikkongress 2010 zum Thema "Public Affairs & Lobbying
im Web 2.0" in Berlin teilzunehmen.
III
Inhaltsverzeichnis
Abstract
1. Einleitung
1.1. Untersuchungsgegenstand
1.2. Forschungsproblem . . . .
1.3. Zielsetzung . . . . . . . . .
1.4. Forschungsmethode . . .
1.5. Aufbau der Arbeit . . . . .
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2. Theoretische Grundlagen
2.1. Grundlagen von Kommunikation und Partizipation im Netz . . . .
2.2. Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2. Web 2.0 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3. Organisatorische Aufgaben in politischen Parteien . . . . . . . . . .
2.4. Das Mikropolis-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1. Die Formalisierungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.2. Die soziotechnische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3. Das Akteurskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.4. Der Mikrokontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.5. Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Organisationen
2.4.6. Konkretisierung von Mikrokontext und Akteurskonzept . .
2.5. Der Neoinstitutionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6. Deliberative Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7. Politische Parteien im Mikropolis-Modell . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
3.1. Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2. Parteiprogramm 2.0: Raus aus dem Hinterzimmer der Klüngelrunden?
3.2.1. Parteiprogramm 1.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2. Die "elektronische Programmdebatte" in der Partei Die Linke .
3.2.3. Ahoi! Piraten geben sich ein Programm . . . . . . . . . . . . . .
3.2.4. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.3. Deliberation durch innerparteiliche Cyber-Demokratie? . . . . . . . . .
3.3.1. 509 Delegierte, 1 Tage, tonnenweise Papier . . . . . . . . . . . .
3.3.2. Der "virtuelle Parteitag" von Bündnis 90/Die Grünen . . . . . .
3.3.3. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4. "Man müsste mal...": politische Personalplanung . . . . . . . . . . . . .
3.4.1. Betriebswirtschaftliche und politische Personalplanung . . . . .
3.4.2. Nutzung von Web 2.0 Technologie im Personalmanagement . .
3.4.3. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5. Von digitalem Glanzpapier und Obama-Wahlkampf: Parteien zwischen Verlautbarung und echter Kommunikation . . . . . . . . . . . .
3.5.1. Eine kurze Geschichte der Parteien-Webseite . . . . . . . . . . .
3.5.2. Ja, wir können? Obama-Wahlkampf in Deutschland? . . . . . .
3.5.3. Der Bürger als lästiger Bittsteller? Das Projekt Abgeordnetenwatch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.4. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6. Klingelnde Kassen durch Fundraising im Web? . . . . . . . . . . . . . .
3.6.1. Die Finanzierung und das Fundraising politischer Parteien . .
3.6.2. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7. Defragmentierung der Parteiarbeit durch Koordination über das Netz?
3.7.1. Wie sind Parteien organisiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7.2. Das Netzwerk linksaktiv.de . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7.3. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.8. Hypothesen und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Reflexion
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5. Fazit und Ausblick
124
Abkürzungsverzeichnis
i
Abbildungsverzeichnis
ii
Literaturverzeichnis
iii
A. Kennzahlen der betrachteten Parteien
xv
Eidesstattliche Erklärung
xvii
Kapitel 1.
Einleitung
Das Internet ist weder Teufelszeug, das zu einer massenhaften Verblödung der Bevölkerung führt, noch ist es der Stein der Weisen, der quasi automatisch den Weg ins
demokratische Paradies vorzeichnet (vgl. zu dieser These beispielsweise [Yan08]).
Ausgehend von dieser grundsätzlichen Überlegung stellt sich die Frage: Wie können denn nun die Möglichkeiten der neuen Medien und insbesondere des "MitmachNetzes" (vgl. [Spi07]), des Web 2.0 positiv für die Demokratie in Deutschland nutzbar
gemacht werden? Wie können insbesondere politische Parteien das Internet nutzen,
um die durch die Verfassung ihnen zugesprochene Aufgabe, nämlich an der politischen Willensbildung mitzuwirken, zu erfüllen (vgl. [Bun11b])? Welche Potentiale
bieten die neuen Möglichkeiten für die Organisation der politischen Beteiligung innerhalb politischer Parteien und in der Kommunikation mit der Bevölkerung? Welche
Potentiale eröffnen sich allgemein für die Parteiorganisationen?
Mit dieser Arbeit versuche ich, in der Breite das gesamte Feld der oben betrachteten
Fragen zu erfassen. Sie soll ein erster Schritt sein, dieses in dieser Hinsicht und dieser
Breite bisher kaum betrachtete Forschungsfeld querschnittsartig aus Sicht der Wirtschaftsinformatik, politischer Wissenschaft, Soziologie und Philosophie zu erkunden.
Meine Hoffnung dabei ist, einen Beitrag dazu zu leisten, dass interessierte Leser und
insbesondere auch Vertreter politischer Parteien eine realistischere Einschätzung davon gewinnen können, was das Web 2.0 kann und was es eben nicht kann.
Die fortschreitende Erosion der Parteienlandschaft in Deutschland, fest zu machen
beispielsweise an seit Jahren drastisch sinkender Wahlbeteiligung und sinkenden
Mitgliederzahlen der Parteien (vgl. beispielsweise [Kle09], S. 32), lässt den politischen
Parteien in Deutschland aus meiner Sicht keine andere Wahl, als die Beteiligungsmöglichkeiten der neuen Medien in ihr Repertoire mit aufzunehmen. Nicht zuletzt
die Erfolge der Piratenpartei und verschiedenster politischer Vorfeldorganisationen
zeigen, dass das Internet mehr und mehr Einfluss auf die politische Diskussion gewinnt.
1
Kapitel 1. Einleitung
Um es auf den Punkt zu bringen: Werden Parteien überflüssig, wenn sie sich nicht
mit Web 2.0 beschäftigen?
1.1. Untersuchungsgegenstand
Diese Arbeit beschäftigt sich damit, wie politische Parteien das Web 2.0 bereits nutzen und welche Potentiale es für politische Parteien gibt, Web 2.0 für ihre organisatorischen Aufgaben nutzbar zu machen.
1.2. Forschungsproblem
In der Literatur finden sich zahlreiche Untersuchungen und Abhandlungen, die einigen organisatorischen Teilbereichen politischer Parteien zuzuordnen sind. Diese fokussieren sich allerdings insbesondere auf die Bereiche des Politmarketings und der
innerparteilichen Interessensartikulation und -aggregation. Andere Teilbereiche wie
die Finanzierung, das Personalmanagement oder die Koordination der verschiedenen Organisationseinheiten in politischen Parteien sind im Bezug auf das Web 2.0
bisher kaum wissenschaftlich untersucht worden. Des Weiteren gibt es eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten zu der Frage, ob und wie die neuen Medien demokratische
Prozesse positiv oder negativ beeinflussen können. Diese Untersuchungen eint allerdings, dass sie im Bezug auf politische Parteien eine Außensicht einnehmen.
1.3. Zielsetzung
Ziel der Arbeit ist es, einen Gesamtüberblick über die vorhandenen und möglichen
Verknüpfungen zwischen Web 2.0 und politischen Parteien zu geben. Dazu werden
die organisatorischen Aufgaben in politischen Parteien angelehnt an die Organisation
von Unternehmen identifiziert und jeweils einzeln untersucht. Hierbei soll explizit
die Innensicht politischer Parteien angenommen werden.
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Kapitel 1. Einleitung
1.4. Forschungsmethode
Es gibt organisatorische Teilbereiche in politischen Parteien, für die es bereits eine
Fülle an Forschungsergebnissen gibt. In anderen Bereichen wurde hingegen so gut
wie keine Forschung betrieben. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wird in dieser Arbeit eine Methodenvielfalt verwendet.
Die Grundlage insbesondere der theoretischen Arbeit bildet eine eingehende Auseinandersetzung mit der vorhandenen Literatur und die Entwicklung eines Modells für
die analytische Arbeit im zweiten Hauptteil.
Im weiteren Verlauf der Arbeit kommt die Darstellung von Fallstudien zur explorativen Untersuchung des Forschungsgegenstands für die Gewinnung qualitativ untermauerter Hypothesen hinzu. Die Auswahl der Fallstudien erfolgte hierbei insbesondere vor dem Hintergrund einer teilweise sehr begrenzten Zahl an möglichen Fallstudien und dem eingeschränkten Zugriff auf parteiinterne Anwendungen. Des Weiteren wurden Experteninterviews geführt um insbesondere diejenigen Bereiche, zu
denen es bisher wenig Forschungsmaterial gibt, mit qualitativem Material anzureichern. Experteninterviews sind gut geeignet für explorative Forschung, in der es vor
allem darum geht, den Forschungsgegenstand möglichst in seiner gesamten Breite zu
erfassen (vgl. z.B. [LT09], S. 47). Detaillierter wird auf die Auswertung der verschiedenen Quellen in der Einführung zu Kapitel 3 eingegangen.
Zitiert wurde angelehnt an die Zitierrichtlinien der Gesellschaft für Informatik e.V.
Aus den Interviews wurde in der Form [X:Y] zitiert. Wobei X die Nummer des Interviews angibt und Y die Blocknummer.
1.5. Aufbau der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich neben Einleitung und Schlussteil insbesondere in zwei
Hauptteile. Im ersten Hauptteil werden die theoretischen Grundlagen dargelegt und
in ein Modell für die spätere Analyse destilliert. Im zweiten Hauptteil werden die
identifizierten organisatorischen Aufgabenbereiche politischer Parteien in Beziehung
zum Phänomen "Web 2.0" gesetzt und mit Hilfe der theoretischen Grundlagen analysiert.
3
Kapitel 2.
Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit vorgestellt. Am
Anfang steht eine kurze Zusammenfassung der Grundlagen von Kommunikation
und Partizipation im Netz. Es folgt eine Beschreibung des Phänomens Web 2.0 und
seiner Möglichkeiten sowie eine Identifizierung wichtiger organisatorischer Aufgaben, die in politischen Parteien anfallen. Dies wird ergänzt um die politikwissenschaftliche Betrachtungsebene von Parteien als Organisationen nach Wiesendahl. Eine wichtige theoretische Grundlage ist darüber hinaus das an der Universität Hamburg entwickelte Mikropolis-Modell. Die vor allem im angelsächsischen Raum verbreitete Theorie des Neoinstitutionalismus soll weitere Erklärungsmuster für den
Einsatz neuer Medien in politischen Parteien eröffnen, die das eher systemtheoretisch fundierte Mikropolis-Modell ergänzen. Anschließend wird für die spätere Bewertung des Einsatzes von Web 2.0 Technologien in politischen Parteien hinsichtlich
ihrer demokratiefördernden oder -hemmenden Tendenzen ein kurzer Exkurs zu dem
Konzept der deliberativen Demokratie nach Habermas durchgeführt. Den Abschluss
bildet eine Integration der erworbenen Erkenntnisse in ein handhabbares Modell für
die analytische Arbeit im zweiten Hauptteil der Arbeit.
2.1. Grundlagen von Kommunikation und Partizipation
im Netz
Als Kommunikation soll in dieser Arbeit nicht die Datenübertragung zwischen Computern verstanden werden sondern soziales Handeln zwischen Menschen im Sinne
Max Webers. Der Akteur verbindet mit seinem Handeln einen subjektiven Sinn, der
sich in seinem Ablauf am Verhalten anderer orientiert (vgl. [Wik11l], S. 18 f.). Wichtig ist hierbei, dass die körperliche Anwesenheit derjenigen Personen, die mit dieser Handlung verknüpft sind nicht erforderlich ist. Als Netzbasierte Kommunikation
(NbK) versteht man die Teilmenge der Kommunikation, die über das Internet über-
4
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
tragen wird (vgl. [Mei09], S. 35 f.).
Es würde den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem sprengen, die kommunikationswissenschaftlichen Grundlagen des netzbasierten Informationsaustausches in aller
Ausführlichkeit darzulegen. Eine gute Zusammenfassung liefert Meißelbach (vgl.
[Mei09], S. 11 f.):
Netzbasierte Kommunikation bedient sich der Globalen KommunikationsInfrastruktur (GKI), die das Internet zur Verfügung stellt. Diese wird häufig als
Medium erster Ordnung bezeichnet. Sie findet ihre Entsprechung in den unteren
sechs Schichten des ISO/OSI Modells der Informatik. Die Anwendungsschicht des
ISO/OSI Modells hingegen entspricht der in den Sozialwissenschaften als Medium
2. Ordnung bezeichneten Ebene. Sozialwissenschaftliche Betrachtungen fokussieren
sich meistens auf die Medien zweiter Ordnung, weil sie die Kommunikation erst auf
eine durch die Sozialwissenschaften analysierbare Ebene hieven. Nichtsdestotrotz
bestimmen die Medien erster Ordnung ganz entscheidend, was, wie, wann und wo
und in welchem Ausmaß machbar ist. Die GKI zeichnet folgende Merkmale aus:
• Dezentralität: Die GKI hat keine um ein Zentrum angelegte Struktur und wird
insbesondere auch nicht zentral gesteuert. Sie besteht hingegen aus vielen einzelnen Knoten. Es gibt keine festgelegten Kommunikationswege zwischen Sender und Empfänger (vgl. [Mei09], S. 17 f.).
• Globalität: Ein Nutzer, der an einem beliebigen Punkt der GKI Zugang erhält,
kann prinzipiell sofort die GKI in seiner Gesamtheit nutzen. Auf die Problematik verschiedenster Zensurversuche soll hier nicht eingegangen werden (vgl.
[Mei09], S. 18 f.).
• Digitalität: Die Kommunikation im GKI findet in Form digitalisierter Datenpakete statt. Die Konsequenz ist unter anderem, dass die Übertragungseffizienz
steigt, die Synchronisierung erleichtert wird und Speicherung sowie Weiterleitung von Daten ermöglicht wird, egal aus welcher Quelle sie stammen (vgl.
[Mei09], S. 19 f.). Daraus ergibt sich auch, dass digitalisierte Daten ohne Qualitätsverlust beliebig oft kopiert werden.
Medien zweiter Ordnung sind schließlich diejenigen Anwendungen, mit denen der
Nutzer direkt in Verbindung steht. Ihnen ist gemein, dass sie die unteren Schichten
der technischen Realisierung in Form der GKI weitestgehend verbergen. Zu nennen
sind hier die bekannten Dienste wie Email-Programme, Webbrowser oder Onlinespiele. Aber auch all diejenigen Dienste, die im folgenden Kapitel unter der Rubrik
"Web 2.0" vorgestellt werden.
Die NbK besitzt eine Reihe von Merkmalen:
5
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
• Zeitliche, räumliche und körperliche Entgrenzung: Die Kommunikation muss
weder zeitgleich noch bei körperliche Präsenz stattfinden. NbK sorgt zudem
häufig dafür, dass die körperlichen Eigenschaften der Kommunikation in den
Hintergrund treten. So fehlt beim rein Text-basierten Chatten sowohl das Bild
des Gegenübers als auch Stimme, Geruch etc. (vgl. [Mei09], S. 36 ff.).
• Kanalbeschränkung und Multimedialität: Nicht nur die Körperlichkeit tritt in
den Hintergrund sondern es findet in der NbK in den meisten Fällen auch eine Reduktion des Informationsgehalts statt. Lachen und Gesichtsausdruck beispielsweise vermitteln dem Gegenüber eine Reihe von Informationen. Die Multimedialität, die insbesondere durch größere und schnelere Internetverbindungen ermöglicht wird, wirkt dieser Kanalbeschränkung allerdings wieder entgegen (vgl. [Mei09], S. 38 f.).
Kommunikation und Netzbasierte Kommunikation können in verschiedenen Dimensionen betrachtet werden (vgl. u.a. [Mei09], S. 39 ff.):
Akteurskonfiguration:
• Im persönlichen Kontakt findet Kommunikation Face-to-Face statt.
• Die Kommunikation findet One-to-One zwischen zwei Personen über ein technisches Medium statt.
• Insbesondere die klassischen Massenmedien funktionieren nach dem Prinzip
One-to-Many.
• In Chatrooms und Foren kommunizieren die Teilnehmer hingegen nach dem
Grundsatz Many-to-Many.
Synchronitätsaspekte:
• Findet die Kommunikation annähernd zeitgleich statt wie beispielsweise beim
Telefon, spricht man von einer synchronen Kommunikation.
• Asynchron ist die Kommunikation hingegen, wenn wie bei der Email zwischen
Senden und Empfangen der Nachricht ein zeitlicher Abstand besteht.
Interaktivität:
Wechselseitig aufeinander bezogene Handlungen werden im soziologischen Sinne
als "Interaktivität" bezeichnet. Sie kann verschiedene Stufen aufweisen, die aufeinander aufbauen:
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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
• Stufe 1 - Bidirektionalität: Übertragung in beide Richtungen, wechselseitige Reaktion aufeinander.
• Stufe 2 - Synchronität: Gleichzeitigkeit der Kommunikation. Dieser Aspekt ist
allerdings nicht im engen technischen Sinne zu sehen.
• Stufe 3 - Egalität: Die Rolle von Sender und Empfänger kann jederzeit frei gewechselt werden.
• Stufe 4 - Reaktivität: Sinnhafte Reaktion aufeinander.
• Stufe 5 - Kontextualität: Rückgriff auf gemeinsame Wissens-, Wahrnehmungsund Erfahrungsbestände.
Kontrolle:
Die Macht über die Gestaltung der Kommunikationsbeziehung ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Der Teil des Netzwerkes, der die Kommunikation steuert, wird als Zentrum bezeichnet. Der Teil, der wenig Einfluss auf die Art und Weise hat, wie die
Kommunikation statt findet, wird Peripherie genannt.
• Mit Allokution bezeichnet man das für Massenmedien typische Kommunikationsmuster, dass von einem Zentrum in die Peripherie kommuniziert wird. Ein
Rückkanal besteht in aller Regel nicht. Ein Beispiel wäre das Fernsehen.
• Als Konsultation werden Kommunikationsmuster bezeichnet, wenn die Peripherie gezielt Informationen beim Zentrum nachfragt. Die von vielen politischen Parteien angebotenen "Bürgersprechstunden" sind ein klassisches Beispiel hierfür.
• Fragt hingegen das Zentrum Informationen in der Peripherie ab, spricht man
von Registration. Umfragen auf der Website der Parteien sind ein Beispiel dafür.
• Ist die Kontrolle über die Kommunikation nicht zentriert, spricht man von Konversation.
Jede Anwendung im Internet und insbesondere auch jede Anwendung aus dem Bereich des Web 2.0 kann in dieses Schema eingeordnet werden.
Für die Kommunikationsbeziehungen politischer Parteien hat eine Reihe von Akteuren darüber hinaus besondere Relevanz. Die wichtigsten sind hierbei die Gruppe der
einfachen Bürger, zivilgesellschaftliche Akteure wie beispielsweise Vereine oder Initiativen, die Parlamente sowie Regierung und Verwaltung (vgl. [Mei09], S. 97 ff.).
7
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
2.2. Web 2.0
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Einsatz von Web 2.0 Technologien in politischen
Parteien. Es wird deshalb in einem ersten Schritt versucht, sich dem Phänomen Web
2.0 definitorisch zu nähern. Im zweiten Schritt gilt es, wichtige Web 2.0 Angebote zu
identifizieren und zu kategorisieren.
2.2.1. Definition
Der Begriff Web 2.0 entstand nach dem Platzen der "Dot-Com-Blase" Anfang des 21.
Jahrhunderts. Erstmals erwähnt wurde der Begriff 2003 von Eric Knorr, dem Chefredakteur von InfoWorld in der US-Ausgabe des CIO-Magazins (vgl. [Wik10o]). Zu
einem regelrechten Schlagwort wurde der Begriff aber erst im Anschluss an einen
Konferenz von O’Reilly und MediaLive International im Jahr 2004. Hier stellten Dale
Dougherty und O’Reilly fest, dass diejenigen Internet-Unternehmungen, die die Krise überstanden hatten, etwas gemein hätten. Mit anderen Worten: Die Krise habe eine
reinigende Wirkung auf dem Markt entfaltet, Unternehmen mit veralteten Produkten
aus dem Markt gedrängt und damit die Schwelle vom Web 1.0 zum Web 2.0 markiert
(vgl. [O’R07], S. 17). Diese Gemeinsamkeiten sind somit aus Sicht von O’Reilly diejenigen Eigenschaften, die das Web 2.0 definieren und so definiert O’Reilly auch das
Web 2.0:
“Web 2.0 is the business revolution in the computer industry caused by
the move to the Internet as a platform, and an attempt to understand the
rules for success on that new platform.” (vgl. [Wik10o])
Web 2.0 ist somit kein trennscharfer Begriff. Die Übergänge sind fließend und man
kann nur im Vergleich zweier Anwendungen eine klare Entscheidung treffen, welche
von beiden näher an den Prinzipien des Web 2.0 ist. O’Reilly benennt sieben Prinzipien, an denen man Web 2.0 Anwendungen erkennen kann (vgl. hierzu [O’R07], S.
18-36):
1. Das Netz als Plattform: Im Web 2.0 geht es darum, die Prinzipien des Netzes
und seine Funktionalitäten zu verstehen und anzuwenden. Als Paradebeispiel
hierfür wird das Unternehmen Google angeführt, das über die Vermarktung
von Werbeflächen in seiner Suche eine völlig neue Form von Wertschöpfung
und damit monetären Erfolg generieren konnte.
2. Die Nutzbarmachung kollektiver Intelligenz: Die freie Enzyklopädie Wikipedia aber auch kommerzielle Unternehmen wie Amazon fordern die Besucher
8
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
ihrer Seiten zum Mitmachen heraus. So entsteht Wikipedia aus der gemeinsamen Arbeit einer Vielzahl von Redakteuren. Alle kontrollieren sich gegenseitig
und schlagen damit sogar die Online-Ausgabe des bisherigen Standardwerks
Brockhaus (vgl. [Ste07]). Bei Amazon kann jeder Produkte selbst bewerten und
rezensieren, er schafft damit einen Mehrwert für die Gesamtheit der Kunden.
3. Daten sind das nächste "Intel Inside": Web 2.0 Anwendungen zeichnen sich
auch dadurch aus, dass sie häufig auf eine riesige und rasant wachsende Datenbasis zurückgreifen. Dienste wie beispielsweise GoogleMaps greifen auf riesige,
teilweise bereits lange bestehende aber nie in dieser Weise nutzbar gemachte
Datenbestände zurück. Die Besitzer dieser Datenbestände erhalten hierdurch
eine nicht zu unterschätzende Markt- und Machtposition.
4. Das Ende der alt-hergebrachten Softwareentwicklung: Web 2.0 Unternehmen
liefern Dienste, keine Produkte. Sie konzentrieren sich auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen und sorgen für den reibungslosen Ablauf. In die Weiterentwicklung der Anwendung werden die Nutzer explizit mit eingebunden. Microsoft
fährt ein konservatives Geschäftsmodell, das darauf setzt, dass seine Kunden
alle paar Jahre ihre Computerumgebung aufrüsten. Die Kunden des Web 2.0
Unternehmens Google dagegen erwarten tägliche Neuerungen.
5. Einfache Programmiermodelle: Statt komplexer Modelle benutzt das Web 2.0
einfach zu erlernende und anzuwendende Programmiermodelle, die auf diese
Weise eine viel größere Menge an Nutzern erreicht. Leicht zu erlernende und
anzuwendende Programmiermodelle senken die Barrieren für weniger versierte Programmierer und erhöhen damit die Einbindungen von Anwendungen in
ihre eigenen Dienste. Die einfache Einbindung von Facebook1 auf der eigenen
Website ist ein Beispiel hierfür.
6. Plattformunabhängige Software: Software ist nicht mehr an eine einzige Plattform wie einen normalen Personal Computer (PC) gebunden sondern verknüpft sich gleichzeitig mit Instanzen beispielsweise auf einem ipod, um dort
Musikdateien zu synchronisieren. Dabei sind die Verknüpfungsmöglichkeiten
schier grenzenlos und denkbar für alle Geräte des täglichen Lebens, in denen Software laufen kann: Vom Auto über den Rasenmäher bis zum HubbleTeleskop.
7. Nutzung als Erlebnis: Insbesondere die Bedienfreundlichkeit und die Nützlichkeit von Web Anwendungen nähert sich der von Standard-Desktop-Anwendungen immer mehr an. Mit Anwendungen wie GMail oder den Angeboten von Unternehmen wie salesforce2 werden vollwertige Ersatzprodukte zu
1
2
http://www.facebook.de/, Stand 17. April 2011.
http://www.salesforce.com/de/, Stand 17. April 2011.
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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Office- oder Email-Programmen online angeboten. Mit dem Aufkommen des
Cloudcomputing wird dieser Trend sich noch weiter verstärken.
Die Kernkompetenzen von Web 2.0-Unternehmen fasst O’Reilly folgendermaßen zusammen (vgl. [O’R07]):
1. "services, not packaged software, with cost-effective scalability,
2. control over unique, hard-to-recreate data sources that get richer as more people
use them,
3. trusting users as co-developers,
4. harnessing collective intelligence,
5. leveraging the long tail through customer self-service,
6. software above the level of a single device,
7. lightweight user interfaces, development models, AND business models."
Mit dieser Definition lassen sich sowohl Web-Anwendungen als auch Organisationen grob dahingehend einordnen, ob sie eher der Sphäre des Web 2.0 zuzuordnen
sind oder nicht. Ähnliche Begriffe sind "Social Web" und "Social Software". Beide fokussieren sich allerdings eher auf den sozialen Aspekt des Web 2.0 (vgl. [EGH08],
S. 13). Dies ist zwar ein sehr wichtiger aber nicht der einzige Teil und insbesondere
aus der Perspektive der Informatik können die technischen Aspekte nicht außen vor
gelassen werden. Deshalb wird in dieser Arbeit im Folgenden Web 2.0 verwendet.
2.2.2. Web 2.0 Anwendungen
Ist die Definition vom Web 2.0 bereits relativ schwammig, so ist eine nur näherungsweise Darstellung aller existierenden Anwendungen auf Grund ihrer Menge kaum
zu leisten. Im Folgenden sollen auf einer Meta-Ebene Cluster benannt werden, in die
die Mehrzahl der bereits existierenden Web 2.0 Anwendungen eingeordnet werden
können. Dabei ist diese Klassifizierung ausdrücklich nicht als vollständig zu bezeichnen. Mit anderen Worten: Zukünftige Web 2.0 Anwendungen können auch völlig
neue Cluster eröffnen, weil sie eine völlig neue Funktionalität ermöglichen.
Bevor die Clusterung dargestellt wird, sei hier noch erwähnt, dass eine andere Möglichkeit der Einordnung die schlichte Klassifizierung an Hand des Marktwertes wä-
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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.1.: Marktwert von Web 2.0 Unternehmen (Quelle: [Esn07])
re. Abbildung 2.1 auf Seite 11 zeigt eine derartige Klassifizierung, die das InternetUnternehmen esnips.com im Jahr 2007 vorgenommen hat.
Diese Klassifizierung könnte für politische Parteien dann bedeutsam werden, wenn
wegen begrenzter Ressourcen eine Entscheidung zwischen ähnlichen Diensten getroffen werden soll um dann die Anwendung mit der höchsten Reichweite auszuwählen.
Interessanter ist die Klassifizierung von Web 2.0 Technologie anhand ihrer Funktionalität. Das Unternehmen ethority hat ein Prisma mit einer Clusterung bestehender
Web 2.0 Anwendungen und Unternehmen im deutschen Markt entwickelt. Das Prisma ist in Abbildung 2.2 auf Seite 12 dargestellt.
Die Darstellung zeigt deutlich, dass eine Fülle verschiedener Funktionalitäten im
Web 2.0 existiert und damit auch viele verschiedene Cluster. Dabei reichen die Funktionalitäten von Office-Anwendungen wie Google Docs über Wiki-Systeme, Bilderdienste wie Flickr, Livestream-Dienste wie Qik, Crowdsourcing-Angebote wie Wikipedia, kollaborative Arbeitsplattformen wie Zoho, Blogs und Blog-Plattformen, so
11
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.2.: Clusterung von Web 2.0 Anwendungen und Unternehmen (Quelle:
[Sch10a])
12
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
genannte Micromedia-Dienste wie beispielsweise Twitter, Social Networks wie Facebook bis zu den verschiedensten Internet-Foren und Video-Diensten wie Youtube um
nur einige der Kategorien zu benennen.
Es stellt sich nun die Frage, ob es weitere, nur für politische Parteien relevante Konzepte im Umfeld des Web 2.0 gibt. Im Umfeld der Piratenpartei findet sich hier der
Verein Liquid Democracy e.V. (vgl. [Liq11b]). Liquid Democracy beschreibt hier ein
Verfahren, das Bestandteile der repräsentativen und der direkten Demokratie aufgreift und durch die neuen technischen Möglichkeiten des Web 2.0 erst voll zur
Entfaltung kommen kann. Das Konzept entstand ab 2003 zuerst in den Vereinigten
Staaten und ist sehr nahe an dem angesiedelt, was Habermas als deliberative Demokratie bezeichnen würde (vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.6). Es sieht
vor, dass jeder Beteiligte die Wahl hat, bei Abstimmungen selber zu entscheiden oder
sein Wahlrecht an eine Person seines Vertrauens zu delegieren. Diese Übertragung
der Entscheidungsbefugnis ist jederzeit widerrufbar (vgl [Wik10a]). Der Verein entwickelt mit Adhocracy3 und Votorola4 selbst zwei Softwareprojekte, bietet aber auch
einen Überblick über andere bereits bestehende oder in der Entwicklung befindliche Software im Umfeld der deliberativen Demokratie (vgl. [Liq11c]). Die Softwareprojekte werden in Kapitel 3 ausführlicher dargestellt. Für die abstraktere Ebene
soll an dieser Stelle nur als weitere Facette im Prisma der Web 2.0 Anwendungen
der Bereich "Opinion-Decision Support" aufgenommen werden. Er soll alle Web 2.0Anwendungen abdecken, deren primärer Zweck die gemeinsame Entscheidungsfindung ist.
Als weiteren neuen Punkt, der in der Zusammenstellung bisher fehlt, sollen Anwendungen wie die Social-Payment Services flattr und Kachingle einbezogen werden.
Diese Dienste werden für politische Parteien insbesondere dann interessant, wenn es
darum geht, die finanzielle Basis der Parteiorganisation zu verstärken. Eine weitere
spannende Frage ist, wie sich die bereits etablierten Web 2.0 Plattformen und hier
insbesondere die Social-Media Anwendungen wie Facebook, StudiVZ etc. für die gezielte Ansprache potentieller privater oder unternehmerischer Spender nutzen lassen. Als weitere Facette soll deshalb der Bereich "Social Payment" neu aufgenommen
werden.
Diese Clusterung von Web 2.0 ist ein guter Ansatz, um die Fülle an verschiedensten
Anwendungen zu kategorisieren und damit auch für politische Parteien handhabbar
zu machen.
3
4
http://wiki.liqd.net/Adhocracy, Stand 17. April 2011.
http://zelea.com/project/votorola/home.xht, Stand 17. April 2011.
13
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.3.: Aufgaben des Unternehmensmanagements (Quelle: [WD05], S. 63)
2.3. Organisatorische Aufgaben in politischen
Parteien
Grundsätzlich lassen sich die Konzepte der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung auch auf politische Parteien übertragen. Ein Beispiel dafür, welche grundsätzlichen Management-Aufgaben in einem Unternehmen anfallen zeigt Abbildung
2.3 auf Seite 14.
Es gibt einige funktionale Besonderheiten von Non-Profit Organisationen (NPO), zu
denen man mit Abstrichen auch politische Parteien zählen kann. Besonderheiten gibt
es insbesondere bei der Nonprofit Governance, dem Personalmanagement in NPO,
den Kunden von NPO, der Finanzierung der NPO, dem Accounting von NPO und
dem Non-Profit Marketing(vgl. [Gab11]). Die organisatorischen Aufgaben in politischen Parteien weisen darüber hinaus weitere Besonderheiten auf. Als Rahmenbedingung für Aufgaben und Organisation politischer Parteien ist insbesondere Artikel
21 Absatz 1 des Grundgesetzes zu nennen:
"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.
Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ih-
14
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
rer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben." (vgl.
[Bun11b])
Das Parteiengesetz führt diese allgemeine Formulierung noch etwas weiter aus. In §
1 Absatz 2 und 3 heißt es dort:
"(2) Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger
am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung
befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an
den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluß nehmen, die von
ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozeß der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen
dem Volk und den Staatsorganen sorgen. (3) Die Parteien legen ihre Ziele
in politischen Programmen nieder." (vgl. [Bun11a])
Elmar Wiesendahl beschreibt in seinem Buch "Parteien in Perspektive" (vgl. [Wie98],
S. 189 ff.) ausführlich die organisatorischen Besonderheiten politischer Parteien. So
identifiziert er sechs Organisierbarkeitsgrenzen von Parteien:
• Das Freiwilligkeitsproblem resultiert daher, dass die Mitarbeit von Pateimitgliedern nicht erzwungen werden kann. Daraus ergeben sich weit reichende Konsequenzen wie beispielsweise die fehlende Planbarkeit von Personalressourcen:
Es ist am Anfang einer Aktion der Partei allenfalls aus Erfahrung ableitbar, wie
hoch die organisatorische Unterstützung durch die freiwillig mitarbeitenden
Parteimitglieder ist.
• Die Organisation "Partei" ist nicht trennscharf von ihrer Umwelt abgrenzbar. So
ist die auf den ersten Blick nahe liegende Abgrenzung durch die formale Parteimitgliedschaft nicht unbedingt zielführend, weil in Parteien häufig Nichtmitglieder sogar einen höheren Anteil an der Parteiarbeit haben als passive Mitglieder, die nur ihren Beitrag entrichten.
• Die Mitgliedschaft in Parteien ist an wenige formale Bedingungen geknüpft. So
gut wie jeder, der möchte kann ein- und auch wieder austreten. Eine solide und
verlässliche Langzeitplanung braucht aber Informationen darüber, mit welcher
organisatorischen Basis zu rechnen ist.
• Parteien leiden auch darunter, dass ihre Ziele häufig unklar oder widersprüchlich sind: So reicht das Spektrum von Primär- und Sekundärzielen über allge-
15
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
meine Organisationsziele bis hin zu den Zielen einzelner Akteure und Interessengruppen.
• Es bestehen außerdem organisatorische Zieltransferprobleme: Parteien sind für
die Erreichung ihrer Ziele auf die Unterstützung der Bevölkerung bei Wahlen
angewiesen. Gleichzeitig sind sie aber auch die Interessenvertretung für die
Mitglieder. Beide Interessensslagen müssen aber nicht deckungsgleich sein.
• Als letzter Punkt sind die organisatorischen Anreizschwächen zu nennen, mit
denen Parteien zu kämpfen haben. Parteien verfügen nicht über "ein den Ansprüchen und Erwartungen ihrer Mitglieder entgegenkommendes, leistungsmobilisierendes und -verstetigendes organisatorisches Anreiz- und Gratifikationssystem" (vgl. [Wie98], S. 213).
Um mit diesen Problemen umgehen zu können, sind Parteien nach den "Prinzipien
der Unbestimmtheit, Fragmentierung, loser Kopplung und Hypokrisie" (vgl. [Wie98],
S. 219 ff.) organisiert. Dies bedeutet im Einzelnen:
• Unbestimmtheit: Das tatsächliche Geschehen in Parteien wird so weit wie möglich unklar gehalten. Hierdurch soll verhindert werden, dass ungeklärte Unstimmigkeiten und Unklarheiten offen zu Tage treten.
• Fragmentierung: Parteien sind außerdem vertikal in Bundes-, Landes-, Kreisebene und eventuell noch weitere Unterebenen fragmentiert. Horizontal sind
sie zudem auf den jeweiligen Ebenen meistens zusätzlich nach Sach- und Interessengebieten in Arbeitsgemeinschaften oder andere Zusammenschlüsse fragmentiert.
• Lose Kopplung: Die einzelnen Organisationsfragmente der Partei sind nur lose miteinander gekoppelt. Dadurch schaffen es Parteien, innerparteiliche Konflikte abzudämpfen: Jedes Mitglied hat im Grunde die Möglichkeit, sich in der
Organisationseinheit zu organisieren, die ihm inhaltlich und emotional am passendsten erscheint.
• Hypokrisie: Als Hypokrisie bezeichnet Wiesendahl das Auseinanderfallen von
innerparteilicher Diskussion und tatsächlichem politischen Handeln. Daraus erklärbar sind auch die Spannungen, die häufig zwischen der Parteiorganisation
und den politisch gewählten Mandatsträgern bestehen.
Wiesendahl fasst seine Ausführungen zur Organisationsrealtität politischer Parteien
wie folgt zusammen:
"Parteien sind grenzoffen und durchlässig und können infolgedessen nur
16
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
äußerst begrenzt den Zustrom an Mitgliedern und Zielerwartungen kontrollieren. Diejenigen, die als Freiwillige zu den Parteien finden, kommen
und gehen und lassen es dabei an berechenbarem Zulauf und Mitwirken
vermissen. In Parteien wird alles aus freien Stücken gemacht und ins Belieben der Mitglieder gestellt, wie sie ihre Rolle auszufüllen gedenken.
Parteien verfolgen unklare und strittige Ziele und laborieren an unvereinbaren Handlungslogiken. Es liegt nicht in ihren Händen, ob die Ziele,
die sie zu verwirklichen wünschen, sich auch realisieren lassen. Weiterhin
fehlen ihnen die strukturellen Arrangements, um die Variabilität und Varianz im Denken, Orientieren, Fühlen und Handeln ihrer Mitglieder auf
vorgegebene Ziele oder ein organisatorisch verträgliches Maß reibungsloser Zusammenarbeit eingrenzen zu können. Anreizarm, wie Parteien nun
einmal sind, können sie das von ihren Mitgliedern verkörperte Humanressourcenpotential nicht so weit ausschöpfen, daß sich für ihren Organisationsbetrieb halbwegs verstetigte und berechenbare "workable conditions"
ergeben würden." (vgl. [Wie98], S. 216).
Damit sind die Problemstellungen der Parteiorganisation benannt. Nun sollen ausgehend von der oben angesprochenen betriebswirtschaftlichen Sichtweise konkret die
Aufgaben identifiziert werden, die in Parteien anfallen. Wikipedia beschreibt diese
Aufgaben für politische Parteien (vgl. [Wik10l] Abschnitt "Aufgaben"):
• Personal: Die Rekrutierung und Ausbildung von Personal und Aufstellung von
Kandidaten bei Wahlen zur Besetzung politischer Ämter.
• Interessenartikulation und -aggregation: Formulierung und Bündelung der Interessen und Meinungen der Mitglieder und Wähler.
• Interaktion: Verbindung zwischen Staat und Bürger, zweiseitiger Kommunikationskanal: Einerseits Artikulation von Interessen gegenüber staatlichen Institutionen und andererseits Erläuterung, Information und Erklärung von staatlichen Entscheidungen gegenüber den Bürgern.
• Parteiprogramm: Entwicklung politischer Programme für einen längeren Zeitraum.
• Regierung: Aufstellen und Einflussnahme auf die Regierung, Schaffung eines
eingespielten Systems im Parlament. Fraktionen und die entsprechende Arbeitsteilung sorgen für ein arbeitsfähiges Parlament und organisieren Mehrheiten für Regierungsvorschläge.
• Verantwortlichkeit: Sicherstellen, dass ein Entscheidungsträger die Konsequenzen für schlechte Politik trägt. [...]
17
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Fasst man diese Aufgaben mit der betriebswirtschaftlichen Sichtweise, der Ebene der
NPO sowie den durch das Grundgesetz vorgegebenen Aufgaben zusammen, immer
mit den Bemerkungen von Wiesendahl im Hinterkopf, ergeben sich folgende organisatorische Aufgabenbereiche:
• Politische Vision: Erarbeitung beziehungsweise Modifizierung von langfristigen politischen Zielen, Werten und Visionen. In politischen Parteien werden
diese insbesondere durch Grundsatzprogramme und -beschlüsse formuliert. Sie
werden meistens in einem langen Prozess innerhalb der Partei diskutiert und
abschließend von dem jeweiligen höchsten Beschlussorgan der Partei beschlossen.
• Interessensartikulation und -aggregation: Die Meinungen, Interessen und Vorstellungen der Parteimitglieder zur Umsetzung der langfristigen politischen Visionen müssen gebündelt und über sie durch demokratische Entscheidungen
innerhalb der jeweiligen Parteiebene entschieden werden. Dies betrifft insbesondere Wahlprogramme, Resolutionen und andere politische Meinungsäußerungen beispielsweise zu aktuellen Geschehnissen aber auch die Kontrolle der
Parteimitglieder mit politischen Ämtern innerhalb der Partei und in den Parlamenten.
• Politisches Personalmanagement: Wichtige Aufgaben für das politische Personalmanagement in Parteien sind insbesondere die Aufstellung von Kandidaten
für Ämter innerhalb der Partei und für Wahlen sowie die Schulung von Nachwuchskräften und das parteiinterne Wissensmanagement. Die Betreuung der
Mitglieder und die Werbung neuer Mitglieder sind zwei weitere wichtige Aufgaben, die in diesem Bereich anfallen.
• Politikmarketing: Das Politikmarketing umfasst alle organisatorischen Aufgaben in politischen Parteien, bei denen es um die Außendarstellung der Parteiorganisation geht. Dies umfasst dabei insbesondere auch die Organisation und
Durchführung von Wahlkämpfen. Dem Politmarketing ist zudem die Beobachtung des politischen Umfeldes zuzurechnen sowie die Einschätzung dahin gehend, welche politischen Themen für die Zukunft relevant sein können.
• Finanzierung: Parteien finanzieren sich fast ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, die staatliche Parteienfinanzierung sowie Spenden von Mandatsträgern,
Bürgern und Unternehmen (vgl. [Wik11i]). Die Finanzen einer Partei bestimmen weitestgehend ihren Handlungsspielraum und ist deshalb ein zentraler
Baustein für erfolgreiche Parteiarbeit.
• Politische Koordination: Die Koordination der verschiedenen Teilbereiche des
Parteimanagements sowie der verschiedenen vertikalen Hierarchieebenen un-
18
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.4.: Aufgaben in politischen Parteien (Quelle: Eigene Darstellung)
tereinander ist die primäre Aufgabe der politischen Koordination. Die Koordination betrifft auch die konkrete technische Organisation und Unterstützung
der anderen Aufgaben sowie den wichtigen Bereich des parteiinternen Informationsmanagements.
Abbildung 2.4 auf Seite 19 veranschaulicht die Aufgabenbereiche in politischen Parteien.
Da, wie oben dargelegt, Parteien in eine ganze Reihe von Organisationsfragmenten
zerfallen, finden sich diese Aufgabenbereiche mehr oder weniger ausgeprägt als eigenständige Einheiten an vielen Stellen der Parteiorganisation wieder.
2.4. Das Mikropolis-Modell
Das Mikropolis-Modell (MM) ist ein transdisziplinär ausgerichteter Orientierungsrahmen für soziotechnische Umgebungen (vgl. [Rol08], S. 95 ff.). Das Modell wurde
am Fachbereich Informatik der Universität Hamburg entwickelt und stellt verschiedene Konzepte bereit, um die wechselseitige Beeinflussung von Organisationen, die
Informationstechnik (IT) anwenden, dem Informatiksystem und der Gesellschaft zu
untersuchen. Da es unter anderem das Ziel der Arbeit ist, die Wechselwirkungen zwischen politischen Parteien als IT-anwendende Organisationen und seiner Umwelt,
sowie das Handeln der Akteure in der politischen Partei zu untersuchen, eignet sich
19
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
das Mikropolis-Modell als analytischer Rahmen für die Arbeit. Das Modell ist modular aufgebaut und je nach Erkenntnisinteresse können die jeweils passenden Module eingesetzt werden. Für diese Arbeit werden insbesondere die Formalisierungslücke, die soziotechnische Perspektive, das Akteurskonzept und die Wechselwirkungen zwischen Handlungen, Strukturen und Software in Organisationen verwendet.
Aus dem Makrokontext wird das Konzept der Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Organisationen verwendet. Diese Konzepte sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
2.4.1. Die Formalisierungslücke
Folgt man dem Ansatz von Mertens, der das Ziel der Informatik in einer "sinnhaften Vollautomation" (vgl. [Mer95], S. 48 f.) sieht, dann stellt sich unmittelbar die Frage, welche Automatisierung sinnhaft ist und welche nicht. Das Mikropolis-Modell
löst dies, indem so genannte vorläufige und notwendige Formalisierungslücken (vgl.
[Rol08], S. 114 ff.) definiert werden. Eine notwendige Formalisierungslücke ist hierbei
ein noch nicht automatisierter Nutzungskontext, der für Innovationen und flexibles
Verhalten in einer Organisation erforderlich ist (vgl. [Rol08], S. 115). Das Schließen
dieser Formalisierungslücke wäre also nicht sinnhaft, weil sie für das kreative und
innovative Handeln der Akteure und damit letztendlich für das Überleben der Organisation unerlässlich ist. Demgegenüber steht die vorläufige Formalisierungslücke:
Eine Automatisierung wäre sinnhaft, aber hat bisher noch nicht statt gefunden.
2.4.2. Die soziotechnische Perspektive
Die Automatisierung menschlichen Handelns durch Computersysteme beinhaltet
immer zwei Aspekte (vgl. zu diesem Abschnitt [Rol08], S. 96 ff.). Durch den Prozess
der Dekontextualisierung wird in einem ersten Schritt von der konkreten in einem
ganz spezifischen Kontext statt findenden Handlung abstrahiert. Sie wird damit in
eine Operation, also eine wiederholte, zur Routine gewordene Handlung überführt
und dadurch formalisiert. Verschiedene Operationen bilden dann die völlig aus dem
ehemaligen Zusammenhang losgelöste autooperationale Form. Sie besteht nur noch
aus der Manipulation von Symbolen innerhalb eines Rechnersystems. Die Ergebnisse
dieser Symbolmanipulationen müssen von Akteuren und Organisationen wieder interpretiert und in ihren Sinn- und Handlungszusammenhang, in ihren Kontext hinein
interpretiert werden. Dieser Vorgang wird als Rekontextualisierung bezeichnet. Der
Ersatz einer in körperlicher Anwesenheit getätigten Abstimmung durch eine Abstimmung per Email wäre ein Beispiel für genau diesen Prozess. In Abbildung 2.5 auf
Seite 21 wird die soziotechnische Perspektive visualisiert.
20
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.5.: Die soziotechnische Perspektive (Quelle: [Rol08], S. 97)
2.4.3. Das Akteurskonzept
Im Gegensatz zu den Vorstellungen der Rational-Choice-Theorie geht das Akteurskonzept nicht von einem völlig rational handelnden Individuum aus, das alle nötigen Informationen besitzt, um die optimale Entscheidung zur persönlichen Nutzenmaximierung zu treffen. "Akteure sind hier Einzelpersonen, die von Interessen,
Wertvorstellungen und Emotionen geleitet sind und sie nach Möglichkeit durchsetzen wollen" (vgl. [Rol08], S. 106). Dabei können Akteure durchaus auch kollektive
Handlungseinheiten sein, die gemeinsame Interessen durchsetzen wollen. Dabei ist
die Möglichkeit eines Akteurs, seine Interessen durchzusetzen auch von seiner Macht
abhängig. So können mächtige Akteure beispielsweise durch die Generierung von
Leitbildern über die Gesellschaft Einfluss auf die Techniknutzung in anderen Organisationen nehmen(vgl. [Rol08], S. 109).
2.4.4. Der Mikrokontext
Alle oben vorgestellten Elemente des Mikropolis-Modells sind Teil des Mikrokontextes. Weitere wichtige Elemente des Mikrokontextes sind die IT-Projekte und die forschenden und entwickelnden Organisationen im Bereich der IT. Neben den Universitäten aus dem Bereich der Forschung sind insbesondere die vielen verschiedenen
21
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.6.: Der Mikrokontext (Quelle: [Rol11], S. 30)
großen Softwarehäuser aber auch die kleinen und mittleren Unternehmen Teil des
Mikrokontextes. Die betrachteten IT-anwendenden Organisationen kommunizieren
mit der Sphäre der Forschung und Entwicklung über IT-Projekte. Mit dem Begriff
des "IT-Projekts" wird vor allem zum Ausdruck gebracht, dass die Einführung von
Software in Unternehmen immer ein konkretes einmaliges Projekt darstellt mit ganz
spezifischen Rahmenbedingungen (vgl. hierzu [Rol08], S. 102 ff. in Verbindung mit
[Rol11]). Abbildung 2.6 auf Seite 22 stellt den Mikrokontext dar.
2.4.5. Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und
Organisationen
Im Mikropolis-Modell sind Organisationen eingebettet in einen Makrokontext, in ein
gesellschaftliches Umfeld (vgl. [Rol08], S. 116 ff.). Über eine nach beiden Seiten durchlässige Membran wirken beispielsweise Werte, Normen, Gesetze, Vorstellungen und
Anforderungen5 in das gesellschaftliche Umfeld. Gleichzeitig wirkt der Gebrauch
von Technik in der Organisation auf die Gesellschaft zurück. So rief beispielsweise
Google mit seinen Kamerafahrten für das Angebot "Street View" massiven Protest
hervor (vgl. [Han09]).
Abbildung 2.7 auf Seite 23 stellt den Makrokontext dar.
5
im neoinstitutionalistischen Sinne Institutionen; siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 2.5
22
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.7.: Der Makrokontext (Quelle: [Rol11], S. 33)
23
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
2.4.6. Konkretisierung von Mikrokontext und Akteurskonzept
Im Rahmen dieser Arbeit treten wie bereits in Kapitel 2.1 angedeutet eine Reihe von
Akteuren auf. Das Mikropolis-Modell blendet in seiner Grundform die konkreten
Beziehungen zwischen Mikro- und Makrokontext weitgehend aus. Das MikropolisModell soll deshalb um konkrete kommunikative Austauschbeziehungen mit Akteuren des Makrokontextes erweitert werden. Bei diesen Akteuren kann es sich um individuelle, kollektive oder korporative Akteure handeln. Individuelle Akteure sind
hierbei Einzelpersonen. Kollektive und korporative Akteure sind hingegen überindividuelle Akteure, die aus dem Handeln einer Gemeinschaft von Akteuren entstehen
(vgl. [Wik11a]). Kollektive und Korporative Akteure unterscheiden sich hinsichtlich
ihrer inneren Konstitution. Während kollektive Akteure von den Präferenzen und Interessen der Mitglieder abhängig sind (vgl. [Wik10h]), zeichnet korporative Akteure
aus, dass ihr Handeln von Eigentümern oder einer hierarchischen Führung bestimmt
wird (vgl. [Wik08b]).
Die betreffende Organisation muss für die Kommunikation mit dem Makrokontext
bestimmte Medien nutzen. Diese Medien sind entweder Teil der Organisation beziehungsweise werden von ihr kontrolliert. Oder sie sind Teil des Makrokontextes und
außerhalb des Kontrollbereichs der jeweiligen Organisation. Bei diesen Medien kann
es sich um jede Art von Kommunikationsmittel handeln. Die Bandbreite reicht hierbei von Luft und Schall bei persönlicher Kommunikation über Post und Email bis
hin zu Zeitungen, Funk und Fernsehen. Für die Nutzung jedes Mediums kann ein
Kommunikationspfad dargestellt werden. Je nach Erkennisinteresse können an dieser Kommunikation auch Teilbereiche der betrachteten Organisation beteiligt sein.
Daneben findet auch innerhalb der Organisation Kommunikation statt. Auch hier
wird für die Kommunikation jeweils ein bestimmtes Medium genutzt, das unter der
Kontrolle der Organisation sein kann wie beispielsweise ein Newsletter. Aber auch
weitgehend außerhalb der Kontrolle der Organisation wie zum Beispiel eine Web 2.0
Anwendung wie Facebook.
Werden die Kommunikationsprozesse durch Softwaretechnik unterstützt, finden soziotechnische Prozesse der De- und Rekontextualisierung statt. Leitbilder und Institutionen wirken hierbei auch auf die Organisation im Hinblick auf die Nutzung der
Medien ein.
In Abbildung 2.8 auf Seite 25 wird das um die kommunikativen Austauschprozesse
erweiterte Mikropolis-Modell dargestellt.
24
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.8.: Erweitertes Mikropolis-Modell (Quelle: Eigene Darstellung angelehnt an [Rol11], S. 33)
2.5. Der Neoinstitutionalismus
Eine aktuell insbesondere im angelsächsischen Raum diskutierte und noch relativ
junge soziologische Theorie ist der Neoinstitutionalismus (NI). Auch auf Grund seiner Entstehung kann er als Gegenpart zu der Theorie des Technikdeterminismusses gelten: Anfang der frühen siebziger Jahre wurde an der Stanford University das
Forschungsprogramm "Enviroment for Teaching" durchgeführt. Ausgangsprunkt der
Forschungen war die damals vorherrschende technik-deterministische Ansicht, dass
die verwendete Technologie einen starken Einfluss auf die formale Organisation habe. Dafür fanden sich allerdings nur schwache Anhaltspunkte.
"Die formale Struktur spiegelte statt der Anforderungen, die aus den Aktivitäten der Organisation und der Komplexität der internen und externen Beziehungen resultieren, die Vorstellungen rationaler organisationaler Gestaltung in der Umwelt der Organisation wider." (vgl. [Wal06], S.
353)
Mit anderen Worten: Die Anforderungen und Erwartungen der Umwelt beeinflussen die formale Struktur der Organisation. Strukturen in Organisationen sind im NI
nicht in dem Sinne technisch-rational, dass sie die Vorgänge innerhalb der Organisa-
25
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
tion und zwischen Organisation und Umwelt optimieren sondern sie sind vielmehr
(auch) ein Produkt äußerer und innerer Zwänge. Es ist in diesem Sinne auch nicht das
Management einer Organisation, das unabhängig die Strukturen bestimmt. Sondern
es sind auf einer Makroebene äußere Zwänge im Umfeld der Organisation. Diese
Zwänge bezeichnen die Neoinstitutionalisten als Institutionen. Etwas vage definiert
handelt es sich bei Institutionen um "institutionalisierte Elemente der formalen Struktur von Organisationen und Managementpraktiken, die eine branchenweite, nationale oder internationale Verbreitung aufweisen" (vgl. [Wal06], S. 354 f.). Institutionalisierung als Prozess ist dabei der Vorgang, durch den sich Handlungen und soziale Beziehungen zu Selbstverständlichkeiten entwickeln. Institutionalisierung als Zustand bedeutet demgegenüber, dass bestehende Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft die
möglichen Handlungsoptionen bestimmen. Institutionalisierung im Zusammenhang
mit politischen Parteien könnte beispielsweise bedeuten, dass von Parteien erwartet
wird, dass sie eine Website haben um sich zu präsentieren. Dieser gesellschaftliche
Druck existiert noch bevor eine rationale Kosten-Nutzen-Abwägung durchgeführt
wurde: "Man hat eben eine Website oder man ist unmodern".
Die Neoinstitutionalisten gehen sogar noch weiter: Sie behaupten, dass ganze Managementpraktiken6 in der Gesellschaft institutionalisiert sind und dadurch als Institutionen derart auf Organisationen einwirken, dass diese sich ihnen nur schwerlich
entziehen können. Hier findet sich auch ein guter Anknüpfungspunkt vom Neoinstitutionalismus zu der Darstellung der Wechselbeziehung zwischen Organisation und
gesellschaftlichem Umfeld im Mikropolis-Modell: Die Akteure, die im MikropolisModell durch ihre Macht über die gesellschaftliche Membran Leitbilder erschaffen
können, die dann wieder auf Organisationen zurück wirken, würden neoinstitutionalistisch formuliert eine Institutionalisierung von bestimmten Managementpraktiken
durchführen. Diese institutionalisieren dann wiederum die Organisationen.
Im NI lassen sich zwei verschiedene Strömungen identifizieren: Der Makroinstitutionalismus und der Mikroinstitutionalismus. Im Mikroinstitutionalismus wird die
Organisation selbst als Ursprung von Institutionen betrachtet. Dieser Ansatz untersucht also eher einen stark vergrößerten individuellen Ausschnitt der Wirklichkeit
von Organisationen. Insbesondere für die Betrachtung der Wechselwirkung zwischen
Gesellschaft und Organisation ist dagegen der makroinstitutionalistische Ansatz geeigneter, der im Folgenden etwas eingehender erläutert wird.
Der Grundgedanke im makroinstitutionalistischen Ansatz ist, dass das Umfeld einer
Organisation einen großen Einfluss auf die organisationale Wirklichkeit innerhalb der
Organisation hat. Organisationen sind je nachdem in welchem Umfeld sie sich bewegen stärker oder schwächer durch Institutionen bestimmt. So werden technische und
institutionelle Umwelten unterschieden. Bei technischen Umwelten handelt es sich
6
Beispielsweise wären hier Schlagworte wie "Total Quality Management" oder "Profit Center" zu
nennen
26
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
hierbei um Umwelten, die Effizienzanforderungen an Organisationen stellen, wohingegen institutionelle Umwelten durch institutionalisierte Regeln auf die Organisation
einwirken (vgl. [Wal06], S. 363). Jede Organisation lässt sich unterschiedlich stark in
diese Matrix einordnen. Wichtig dabei zu beachten ist allerdings, dass der Neoinstitutionalismus mitnichten eine Wertung durchführt in "die eigentlich rational sinnvollen Anforderungen" und "suboptimale gesellschaftlich aufgezwungene Strukturen":
Der Neoinstitutionalismus versucht zu erklären, wie es zu bestimmten Strukturen
kommt. Dabei können auch Strukturen für das Überleben der Organisation wichtig
sein, die nicht rational begründet sind. Denn sie können der Organisation beispielsweise Legitimität verleihen.
Obwohl die strikte Trennung in technische und institutionelle Umwelten in neueren
Arbeiten aufgegeben wurde, ist sie aus empirisch-analytischer Sicht weiterhin sinnvoll.
Der makroinstitutionalistische Ansatz beschäftigt sich eingehend mit der Art und
Weise, wie Institutionalisierung stattfindet. Inzwischen existiert eine sehr differenzierte Sichtweise des zentralen Begriffs der Institution. Institutionen wirken auf Organisationen ein und rufen Isomorphieprozesse in organisationalen Feldern hervor.
Mit Isomorphieprozessen wird hier die Beobachtung bezeichnet, dass sich Organisationen in einem organisationalen Feld, also "Organisationen, die in einem gemeinsamen Sinnzusammengang stehen" mit der Zeit immer ähnlicher werden (vgl. [Wal06],
S. 368 f. und [DP91], S. 66 f.). Die Bestimmung des organisationalen Feldes stellt dabei
innerhalb der NI ein nicht zu unterschätzendes Problem dar, das Anlass für Kritik
und Weiterentwicklung ist (vgl. [BRBR06b], S. 118-136). Den Grund für das Phänomen, dass Organisationen mit der Zeit dazu tendieren, immer ähnlicher zu werden,
sehen die Neoinstitutionalisten ebenfalls im Wirken verschiedener Institutionen.
Eine Charakterisierung von Institutionen liefert der Ansatz von Scott, der drei Säulen
von Institutionen formuliert. Abbildung 2.9 auf Seite 27 zeigt die drei von Scott identifizierten Säulen von Institutionen, die regulative, die normative und die kulturellkognitive.
Mit der regulativen Säule werden diejenigen Institutionen erfasst, die über Regeln,
Beobachtung und Kontrolle das Verhalten von Organisationen sanktionieren (vgl.
[Wal06], S. 379). Im Kontext politischer Parteien wären dies beispielsweise Gesetze
wie das Parteiengesetz, das bestimmte Vorgaben für Abläufe und Strukturen in politischen Parteien macht. Die Strukturanpassung von Organisationen in dieser Säule
wird mit dem Begriff der "Isomorphie durch Zwang" bezeichnet: Durch das Parteiengesetz sind Parteien gezwungen, sofern sie nicht gesetzwidrig handeln wollen, bestimmte Regularien, was beispielsweise die innerparteiliche Willensbildung betrifft,
einzuhalten.
27
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.9.: Die drei Säulen von Institutionen (Quelle: [Wal06], S. 380)
28
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
In der normativen Säule wirken bewertende, vorschreibende und verpflichtende Einflüsse auf die Organisationen ein. Hier spielen soziale Erwartungen an das Handeln
innerhalb von Unternehmen eine große Rolle. So gibt es beispielsweise im Bereich der
Höflichkeitsformen bestimmte Verhaltensweisen, die von Politikern erwartet werden.
Es existiert somit ein Erwartungsdruck im Hinblick auf das Handeln von Personen
in Parteien und natürlich auch gegenüber den Parteien insgesamt, bestimmte sozial positiv sanktionierte Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Ein älteres Beispiel
für den gezielten Bruch einer solchen Institution wäre das Handeln des damaligen
hessischen Umweltministers Joschka Fischer, der als "Turnschuh-Minister" in die Geschichte einging, weil er bei seiner Vereidigung 1985 im hessischen Landtag mit Turnschuhen erschien und damit offensichtlich gegen eine normative Institution verstieß
(vgl. [Wik10g]). Isomorphieprozesse, die auf der normativen Säule beruhen, werden
als normativ bedingte Isomorphie bezeichnet.
Die dritte, die kulturell-kognitive Säule erfasst Elemente von Institutionen, "die die
Art und Weise der Wahrnehmung der Wirklichkeit in einer Gesellschaft bestimmen
und durch die die Wirklichkeit sinnhaft erschlossen wird" ([Wal06], S. 380). Es geht
in diesem Zusammenhang also um den Einfluss, den Institutionen auf die Konstruktion von Wirklichkeit haben. Alternative Handlungsweisen werden beispielsweise
einfach deshalb nicht erwogen, weil sie unvorstellbar erscheinen. Handlungen laufen automatisch nach einem Skript ab, das nicht mehr hinterfragt wird. Als Beispiel
könnte die oben bereits erwähnte Ansicht dienen, dass Parteien heutzutage eben eine
Website haben müssen und in sozialen Netzwerken im Internet aktiv zu sein haben.
Anderenfalls gelten sie als unmodern. Aber auch andere ganz basale Handlungen
wie beispielsweise die Form, in der Pressemitteilungen verschickt werden, sind zumindest zum Teil kulturell-kognitiv durch Institutionen geprägt. Isomorphie durch
kulturell-kognitive Institutionen wird als mimetische Isomorphie bezeichnet.
Abschließend ist hier noch zu erwähnen, dass sich Institutionen häufig nicht direkt
einer einzigen Säule zuordnen lassen, sondern meistens Aspekte mehrerer Säulen
besitzen.
Die Kategorisierung von Institutionen nach Scott gilt im NI bisher als Standard und
soll deshalb auch für diese Arbeit heran gezogen werden. Kritik setzt allerdings an
bei der von Scott unterstellten Ebenengleichheit der drei Kategorien (vgl. [Sen06], S.
41)
Ein weiteres wichtiges Konzept im makroinstitutionalistischen Ansatz ist die Entkopplung. Hierunter versteht der NI sowohl eine Trennung zwischen Struktur und
Aktivität der Organisation als auch die Separierung von Elementen der Organisation beispielsweise in verschiedene Abteilungen (vgl. [BRBR06a], S. 107). Hiermit versucht die Organisation, den Widerspruch zwischen den Anforderungen der technischen und denen der institutionellen Umwelt aufzulösen. Es ist häufig zu beobachten, dass Organisationen für die Außenwelt eine strukturelle Fassade zur Legitimati-
29
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
on aufbauen, die tatsächlichen Arbeitsabläufe intern aber auf Grund von technischen
Anforderungen anders funktionieren. Entkopplung kann dabei mit Hilfe einzelner
oder durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen erfolgen7 (vgl. [Wal06], S. 376
f.):
• Ziele werden uneindeutig und vage gehalten.
• Kategorische Zwecke werden durch technische ersetzt - in Krankenhäusern etwa werden Patienten nicht geheilt sondern behandelt.
• Formale Strukturen werden vor einer Überprüfung hinsichtlich ihrer technischen Leistungsfähigkeit geschützt. Das heißt, Versuche der Steuerung der Aktivitäten durch die formale Struktur sowie Überprüfungen und Bewertungen
der formalen Struktur werden minimiert. Es erfolgt lediglich eine ritualisierte
Rechenschaftslegung in Form von Geschäftsberichten, Bilanzen und Pressemitteilungen.
• Koordination, wechselseitige Abstimmungen und Anpassungen werden auf informellem Wege durchgeführt. Man vertraut auf die Bereitschaft der Organisationsmitglieder, den technischen Problemen und Interdependenzen adäquat zu
begegnen.
Auch der Begriff der Isomorphie ist zunehmender Kritik ausgesetzt (vgl. [BRBR06a],
S. 113 f.). Er wird im Rahmen dieser Arbeit allerdings weiterhin verwendet.
Zusammengefasst sind die in dieser Arbeit verwendeten Konzepte des Neoinstitutionalismus:
• Die Institutionen selbst in ihren regulativen, normativen und kulturell-kognitiven Ausprägungen.
• Die dazu gehörenden Isomorphieprozesse: Isomorphie durch Zwang, Isomorphie
durch normativen Druck und Isomorphie durch mimetische Prozesse.
• Das Konzept der Entkopplung.
7
Die Entkopplung von Strukturen der Organisation untereinander entspricht dem, was Wiesendahl
als lose Kopplung bezeichnet. Hier ergänzen sich die organisations-soziologische und die politikwissenschaftliche Betrachtungsebene. Vergleiche hierzu auch Kapitel 2.3
30
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
2.6. Deliberative Demokratie
Für eine spätere Bewertung der Auswirkungen des Einsatzes neuer Medien in politischen Parteien wird ein wissenschaftlicher Rahmen benötigt. Es wird in dieser Arbeit
ausdrücklich darauf verzichtet, in einer ausführlicheren Darstellung die verschiedenen Formen demokratischer Beteiligung im Internet zu diskutieren. Als guter Einstieg eignen sich beispielsweise die Darstellungen bei Susanne In der Smitten (vgl.
[In 07], S. 91 ff.) und Christoph Meißelbach (vgl. [Mei09], S. 75 ff.).
In der politikwissenschaftlichen Diskussion, insbesondere auch in der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der neuen Medien, wird in diesem Zusammenhang
häufig von direkter, assoziativer und deliberativer Demokratie gesprochen. Hierbei können assoziative, deliberative und auch die direkte Demokratie unter den Oberbegriff
der partizipatorischen Demokratie eingeordnet werden. Partizipatorische Ansätze erweitern dabei die Ansätze der kompetitiven Demokratietheorie und der pluralistischen
Demokratietheorie. Stark verkürzt dargestellt liegt der Fokus der kompetitiven Demokratietheorie alleine in dem Wettstreit politischer Parteien um Wähler. Die pluralistische Demokratietheorie erweitert dies um den Wettstreit von Interessengruppen
um gesellschaftliche Ziele (für eine ausführlichere Darstellung vergleiche [Mei09], S.
75-96).
Partizipatorische Demokratie setzt auf die Ausweitung demokratischer Prinzipien
auf möglichst viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens (vgl. [Wik10j]). Die assoziative Demokratie setzt den Schwerpunkt auf die "Selbstorganisation und Mobilisierung der in Vereinen und Initiativen zusammengeschlossenen Bürger" (vgl. [Leg04],
S. 22). Die deliberative Demokratie auf einen möglichst breiten politischen Diskurs
im Vorfeld und im Nachgang politischer Entscheidungen. Die direkte Demokratie
schließlich setzt auf die Entscheidung über politische Themen durch die Bürger selbst
anstatt durch gewählte Repräsentanten. Prominente Vertreter partizipatorischer Ansätze sind unter anderem Paul Hirst für die assoziative Demokratie und Jürgern Habermas für die deliberative Demokratie (vgl. [Wik10j]). In dieser Arbeit wird der
Ansatz der deliberativen Demokratie nach Habermas zur Basis der Bewertung politischer Handlungen und Strukturen gemacht. Er wird hier deshalb ausführlicher
erläutert.
Habermas beruft sich zuallererst auf Joshua Cohens Begriff der deliberativen Politik
als "ideale Prozedur" zur Beratung und Beschlussfassung, die sich soweit als möglich in den gesellschaftlichen Institutionen widerspiegeln soll. Dieses Verfahren wird
durch folgende Postulate charakterisiert (vgl. [Hab98], S. 369 ff.):
• Die Beratungen finden in einer argumentativen Form statt, also im geregelten
Austausch von Argumenten und Informationen.
31
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
• Die Beratungen finden öffentlich statt. Niemand ist ausgeschlossen.
• Die Beratungen sind frei von äußeren Zwängen. Einzige Ausnahme bilden die
für die geregelte Kommunikation notwendigen Verfahrensregeln.
• Alle Diskussionsteilnehmer sind gleichgestellt. Insbesondere hat jeder den gleichen Zugang zu den Kommunikationsmitteln.
• Die Beratungen zielen auf ein rational motiviertes Einverständnis. Diskussionen können im Prinzip unbegrenzt weiter geführt werden. Einzig Sachzwänge
verlangen eventuell einen Abschluss durch Mehrheitsentscheidungen.
• Alles kann zur Diskussion gestellt werden, was im "gleichmäßigen Interesse
aller" geregelt werden kann.
• Auch die Interpretation von Bedürfnissen und die Veränderung vorpolitischer
Einstellungen kann Teil der Beratung sein.
Dieses Verständnis deliberativer Demokratie wird bei Habermas noch ergänzt durch
fünf Gesichtspunkte von Robert Dahl, die die oben formulierten Postulate etwas weiter ausführen und handhabbarer machen. Nach Dahl soll ein Verfahren für bindende
Entscheidungen folgendes gewährleisten (vgl. [Hab98], S. 383):
• Alle Betroffenen sollen eingebunden sein.
• Es sollen für alle gleich verteilte und gleich wirksame Chancen zur Beteiligung
am politischen Prozess vorhanden sein.
• Alle Beteiligten haben gleiches Stimmrecht.
• Alle haben die gleichen Rechte zur Wahl der Themen und Bestimmung der Tagesordnung.
• Es soll eine Situation geschaffen werden, in der alle Beteiligten "im Lichte hinreichender Informationen und guter Gründe ein artikuliertes Verständnis der regelungsbedürftigen Materien und der strittigen Interessen ausbilden können."
Diese fünf Forderungen an einen deliberativen Prozess decken sich in großen Teilen
mit den Handlungsempfehlungen des geförderten Projektes "E-Partizipation 2.0" der
Technischen Universität Darmstadt aus dem Jahr 2010 (vgl. [KRLMS10], S. 43 ff.). Sie
sind also sehr aktuell und hochrelevant für die Bewertung technischer Verfahren, die
auf die Sphäre politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung einwirken.
32
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
2.7. Politische Parteien im Mikropolis-Modell
Bisher wurde eine ganze Reihe theoretischer Konzepte dargelegt, die für den Einsatz
von Web 2.0 Technologien in politischen Parteien relevant sind. Sie stellen jeweils für
einen Teilaspekt des Phänomens analytische Lösungen dar. Ziel dieses Abschnitts ist
es, diese Lösungen in das Mikropolis-Modell einzuarbeiten und auf diese Weise aus
der komplexen Vielfalt an Theorien ein konkretisiertes Modell für die Analyse der
Nutzung von Web 2.0 in politischen Parteien zu destillieren.
In Kapitel 2.3 wurden politische Parteien als besondere Form von Organisationen für
das Mikropolis-Modell konkretisiert. In diesem speziellen Anwendungsfall wird die
"globale Netzwerkorganisation" also durch das erarbeitete organisatorische Modell
politischer Parteien spezifiziert. Es bildet dementsprechend auch den Rahmen für
die Analyse in Kapitel 3.
Der Fokus dieser Arbeit liegt darauf, wie Web 2.0 für die Kommunikation in politischen Parteien eingesetzt werden kann. Durch die Erweiterung des MikropolisModells um den kommunikativen Austausch zwischen Mikro- und Makrokontext
werden diese Prozesse für das Modell handhabbar. Die kommunikationstheoretischen Ausführungen in Kapitel 2.1 ermöglichen es, die Kommunikationsprozesse in
verschiedene Kategorien einzuordnen.
Parteien kommunizieren mit dem Makrokontext aber auch innerhalb der Organisation über Medien. Welche Veränderungen sich ergeben, wenn die historisch benutzten
Medien durch Web 2.0 Anwendungen ersetzt oder ergänzt werden, kann mit den
Konzepten des soziotechnischen Kerns untersucht werden. Die Web 2.0 Anwendungen selbst können durch die in Kapitel 2.2 identifizierten Cluster kategorisiert werden.
Die Konzepte des Neoinstitutionalismus aus Kapitel 2.5 stellen einen Ordnungsrahmen zur Kategorisierung und Einordnung der im Makrokontext vorhandenen Leitbilder, Normen und Werte dar. Sie können als Filter gesehen werden, durch den alle
Kommunikationsbeziehungen beeinflusst werden. Und zwar sowohl in Hinsicht auf
die Sendung als auch auf den Empfang von Nachrichten. Durch ihr Wirken beeinflussen die handelnden Personen gleichzeitig das institutionelle Umfeld. Sie können Institutionen erschaffen und verstärken, also institutionalisieren. Sie können durch andere Handlungen aber auch deinstitutionalisierend wirken und Institutionen schwächen.
Mit dem Konzept der deliberativen Demokratie sowie ihren Voraussetzung und Zielen wird dem Modell ein normativer Bewertungsrahmen hinzu gefügt. Die deliberative Demokratietheorie , die in Kapitel 2.6 vorgestellt wurde, erlaubt es also, über die
Frage rein rationaler Aspekte einer effizienten Kommunikation hinaus, Bewertungen
33
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
vorzunehmen. Diese ist selbstverständlich nicht objektiv. Eine vollkommen objektive
Bewertung der Vor- und Nachteile demokratischer Prozesse ist allerdings auch gar
nicht möglich. Denn eine Bewertung hängt immer davon ab, welche Ziele verfolgt
werden und diese können je nach Demokratieverständnis differieren.
Für die Analyse der jeweiligen konkreten organisatorischen Aufgabe bietet es sich
an, den Fokus auf die Kommunikationsbeziehungen zu setzen. Zuerst werden hierzu
die grundlegenden Rahmenbedingungen erläutert, die für die konkrete Kommunikationsbeziehung gelten. Dazu gehören insbesondere die beteiligten Akteure mit ihren
jeweiligen Zielen, die genutzten Medien und die Art der Kommunikation. Daraufhin werden zwei Szenarien entworfen. Ein Szenario stellt die herkömmlichen Kommunikationswege innerhalb des Mikrokontext der Parteiorganisation und zwischen
Mikro- und Makrokontext dar. Das zweite Szenario führt Web 2.0 Anwendungen als
neue Medien an der Membran zwischen Mikro- und Makrokontext ein. Hier werden mit den Mitteln der soziotechnischen Perspektive die Veränderungen dargestellt
und untersucht. Es schließt ein Teil an, der Gründe für das beobachtete Verhalten
politischer Parteien bei der Wahl der jeweiligen Kommunikationsmedien aufzeigt.
Abschließend werden beide Szenarien mit Hilfe der deliberativen Demokratietheorie
bewertet.
34
Kapitel 3.
Parteien im Web 2.0 Bestandsaufnahme und Analyse
Die theoretischen Grundlagen und vor allem das erarbeitete integrierte Modell sollen nun dazu verwendet werden, den Forschungsstand des Einsatzes von Web 2.0
Technologie in politischen Parteien darzustellen und gegebenenfalls zu erweitern.
Als Rahmen für die Betrachtung sollen die in Kapitel 2.3 identifizierten Aufgaben
politischer Parteien gelten, die nun einzeln untersucht werden. Dabei wird jeweils
erst ein allgemeiner Überblick gegeben und anschließend das Thema mit Fallstudien, Literatur und qualitativer Forschung vertieft. Die Ergebnisse werden dann mit
Hilfe des integrierten Modells dargestellt, eingeordnet, analysiert und bewertet. Abschließend wird dann jeweils eine Einordnung der verschiedenen Web 2.0 Angebote
hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten für den jeweiligen Organisationsbereich politischer Parteien vorgenommen.
3.1. Methoden
Für die Darstellung in dieser Arbeit werden eine Reihe wissenschaftlicher Methoden
angewendet, die im Folgenden kurz dargestellt werden.
Literaturrecherche
Neben passender wissenschaftlicher Literatur werden insbesondere auch Fundstücke
aus Weblogs, Zeitungen, Foren und Wikis1 zur deskriptiven Darstellung bestimmter
Phänomene verwendet. Die wissenschaftliche Literatur wird vor allem verwendet,
1
Wikis sind Webseiten, die auf einfache Art und Weise auch von Nutzern verändert werden können.
Vergleiche hierzu auch http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wiki&oldid=87367042, Stand
17. April 2011.
35
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
um bereits bestehende Forschungserkenntnisse darzulegen. Andere Quellen dienen
zur Veranschaulichung und Generierung von Hypothesen.
Fallbeispiele
Mit Hilfe der Fallbeispiele werden für die explorative Erfassung des Forschungsgegenstands Phänomene aus den organisatorischen Teilbereichen der politischen Parteien dargelegt. Während die Experteninterviews in die Breite gehen, versuchen die
Fallbeispiele an einem konkreten Punkt den Forschungsgegenstand explorativ in der
Tiefe zu erfassen und somit punktuell Erkenntnisse zu gewinnen, die bei einer eher
oberflächlichen Betrachtungsweise schwierig zu erlangen wären. Die Auswahl der
Fallbeispiele orientiert sich dabei an keinem besonderen Schema sondern ist insbesondere den beiden Problemen geschuldet, dass es einerseits wenige konkrete Fallbeispiele gibt2 und andererseits die Zugänglichkeit zu Beispielen insbesondere in den
Bereichen schwierig ist, wo Parteien Zugangsbeschränkungen beispielsweise durch
Mitgliedschaft aufgebaut haben.
Experteninterviews
Die qualitativen Experteninterviews wurden vor allem zu den organisatorischen Teilbereichen Finanzierung und politische Koordination und eingeschränkt auch für das Gebiet der politischen Personalplanung durchgeführt. Der Hintergrund ist der, dass für
diese Organisationsbereiche politischer Parteien wenig Literatur vorhanden ist. Für
die Durchführung der Interviews wurde ein grober Leitfaden entwickelt. Im zweiten
Schritt wurden die Interviews transskribiert. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um
Volltransskripte handelt, die einen mittleren Grad an Genauigkeit aufweisen. Dies
reicht für Experteninterviews aus (vgl. [LT09], S. 41). Die transskribierten Interviews
wurden daraufhin paraphrasiert, also in thematischer Einheiten geordnet. Der nächste Schritt bestand im Kodieren der Transskripte, also einer inhaltlichen Zuordnung
von Textabschnitten. Die verwendeten Codes wurden vorab definiert, das Vorgehen
entspricht also einer deduktiven Vorgehensweise. Die Interviews wurden anschließend untereinander auf Gemeinsamkeiten bezüglich gleicher Codes untersucht (vgl.
[LT09], S. 51-45 und [MN09], S. 476 f.). Für die Argumentation im Rahmen dieser Arbeit wurde weitestgehend auf die Stufen der soziologischen Konzeptualisierung und
der theoretischen Generalisierung verzichtet, weil dies für diese erste explorative Betrachtung des Feldes nicht notwendig war. Auf diese Weise konnten die Interviews
strukturiert für die Argumentation und Bildung von Hypothesen verwendet werden.
2
Dies resultiert beispielsweise aus der Tatsache, dass die Zahl relevanter politischer Parteien in
Deutschland klein ist.
36
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
3.2. Parteiprogramm 2.0: Raus aus dem Hinterzimmer
der Klüngelrunden?
Dieses Kapitel befasst sich mit der organisatorischen Aufgabe politischer Parteien,
langfristige politische Programme und Visionen zu entwickeln. Zuerst wird gezeigt,
wie die Grundsatzprogramme der politischen Parteien bisher entstanden und welche Entwicklungen derzeit zu beobachten sind. Daraufhin soll an Hand der derzeit
laufenden Diskussion über das Grundsatzprogramm der Partei Die Linke und der abgeschlossenen Programmdebatte der Piratenpartei exemplarisch gezeigt werden, wie
Web 2.0 Technologien eingesetzt werden, um diese Prozesse zu unterstützen. Beide
Fallstudien wurden gewählt, weil der Zugang relativ einfach und unproblematisch
war und sie eine relativ große Menge an empirischem Material erbringen. Anschließend wird das im Theorieteil entwickelte erweiterte Mikropolis-Modell auf diesen
organisatorischen Teilbereich angewendet.
3.2.1. Parteiprogramm 1.0
Die bestehenden Grundsatz- beziehungsweise Parteiprogramme der im Bundestag
vertretenen Parteien3 sind allesamt überwiegend ohne den Einsatz von Web 2.0 zu
Stande gekommen.
So wurde das Grundsatzprogramm der Christlich Demokratischen Union (CDU)
2007 parteiintern in den Gremien diskutiert und dann auf einem Bundesparteitag
beschlossen (vgl. [CDU07]). Darüber hinaus gab es nur die Möglichkeit für CDUMitglieder, im CDU-internen Forum über das Programm zu diskutieren. Maßgeblich
wurde das Programm aber von einer parteiinternen Kommission erarbeitet und dann
als Leitantrag auf dem Bundesparteitag zur Diskussion gestellt. Immerhin gab es eine
eigene Webseite der CDU, die den Prozess der Programmerstellung begleitete.
Auch das ebenfalls 2007 beschlossene Grundsatzprogramm der Christlich-Sozialen
Union (CSU) wurde bis auf eine Foren- und Chatdiskussion weitestgehend "analog"
erarbeitet (vgl. [CSU07], S. 187).
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) beschloss im Vorfeld der Bundestagswahlen 2008 ihr neues Grundsatzprogramm (vgl. [SPD07]). Eine besondere
Verwendung der neuen Möglichkeiten des Internets fand auch bei der SPD nicht statt
(vgl. [Lip07]).
Das Grundsatzprogramm der Grünen aus dem Jahr 2002 ist schon etwas älter. Es
3
Die Linke hat bisher nur programmatische Eckpunkte.
37
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
wurde zwar parteiintern über 3 Jahre diskutiert (vgl. [Bün02], S. 7) aber auch bei den
Grünen findet sich kein Hinweis darauf, dass das Programm in besonderer Weise
Web-gestützt diskutiert wurde.
Genauso wenig war dies beim Parteiprogramm der Freien Demokratischen Partei
(FDP) aus dem Jahr 1997 der Fall (vgl. [FDP97]). Derzeit arbeitet die FDP an einem
neuen Grundsatzprogramm (vgl. [FDP11]). Mit Stand 5. März 2011 hat es allerdings
weniger als 100 Einträge von denen der allergrößte Teil aus dem Jahr 2010 ist.
Die Partei Die Linke hat bisher noch kein eigenes Grundsatzprogramm sondern nur
so genannte "Programmatische Leitsätze", die 2007 auf den Parteitagen der Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative" (WASG) und der Linkspartei.PDS4
beschlossen wurden (vgl. [Die07]). In der Linkspartei läuft derzeit die Diskussion
über ein neues Grundsatzprogramm. So hat eine Programmkommission inzwischen
einen Entwurf erarbeitet, der im März 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (vgl.
[Spi10], [Die10b]). Bisher findet vor allem eine Dokumentation von Wortmeldungen
prominenter Parteivertreter und innerparteilicher Gruppierungen im Internet statt
(vgl. [LIN11]). Inzwischen hat die Partei allerdings eine Web-Plattform gestartet, auf
der das Programm auch online diskutiert werden kann (vgl. [Die11a]). Die Diskussion wird im Rahmen einer Fallstudie ausführlich im Kapitel 3.2.2 vorgestellt.
Sehr viel weiter ist wohl auch auf Grund ihrer Kernthemen Internet und Datenschutz sowie ihres im Vergleich geringeren Altersdurchschnitts die Piratenpartei(vgl.
[Wik11j]). Bereits vor ihrer offiziellen Gründung und dem Beschluss über das Grundsatzprogramm im September 2006 wurde das Programm über ein Wiki diskutiert
(vgl. [Köm07]). Die Genese des Piratenprogramms wird in Abschnitt 3.2.3 im Rahmen einer weiteren Fallstudie dargestellt.
3.2.2. Die "elektronische Programmdebatte" in der Partei Die
Linke
Wie oben bereits angedeutet, findet in der Partei Die Linke derzeit die Debatte um
das Parteiprogramm statt. Neben den in verschiedenen Parteigliederungen laufenden Diskussionen befand sich die sogenannte "elektronische Programmdebatte" zwischen dem 7. November 2010 und dem 3. Januar 2011 in der Testphase (vgl. [Die11a]
und [Die10a]). Für die Debatte wird die von Liquid Democracy e.V. entwickelte Plattform liqd.net verwendet (vgl. [Liq11b]). Die Anwendung, die der Plattform zu Grunde liegt, ist Adhocracy (vgl. [Liq11a]).
Als Grundlage für die "elektronische Programmdebatte" ist der Entwurf für das Par4
PDS steht hier für Partei des Demokratischen Sozialismus
38
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
teiprogramm festgelegt worden (vgl. [Die10b]). Die Plattform soll dazu dienen, Änderungsvorschläge auf Basis dieses Programmentwurfs zu erarbeiten und abzustimmen. Neue Vorschläge einbringen, bestehende Vorschläge abändern oder an der Diskussion teilnehmen können allerdings nur Mitglieder der Partei (vgl. [Die11d]). Leserechte hat jeder Interessierte.
Für die Debatte läuft der Prozess durch die Anwendung Adhocracy determiniert wie
folgt: Nutzer erstellen Textänderungsvorschläge auf Basis des Programmentwurfs.
Andere Nutzer können diesen Vorschlag nun unterstützen, an der Formulierung mitarbeiten oder ihn ablehnen. Ist ein Vorschlag fertig und hat die Zustimmung einer
ausreichenden Anzahl an Nutzern erreicht, können alle Nutzer des Portals für einen
begrenzten Zeitraum über den Vorschlag abstimmen. Die fertigen Vorschläge gehen
dann als Vorschläge in die Programmdebatte ein (vgl. [Die11b]). Konkret hat der Parteivorstand am 11. und 12. Dezember 2010 den weiteren Fortgang der Programmdebatte beschlossen und die "elektronische Programmdebatte" befindet sich nun seit
dem 3. Januar 2011 im Regelbetrieb (vgl. [Die10a]).
Vorschläge sollen an Redaktionskomission und Parteivorstand weiter gereicht werden. Dort wird entschieden, ob die Anträge übernommen werden und damit in den
Leitantrag des Parteivorstands für den Programmparteitag im November 2011 eingehen. Für abgelehnte Anträge "werden wir ein Verfahren finden, diese an den Parteitag
bzw. die zuständigen Gremien zur Entscheidung zu überreichen", heißt es noch auf
der Seite. Am Ende entscheidet jedoch immer der Parteitag über den Programmentwurf. Nach dem Programmparteitag im November 2011 wird es einen Mitgliederentscheid zum Parteiprogramm geben." (vgl. [Die11c]).
Es bleibt also zuerst festzuhalten, dass die "elektronische Programmdebatte" der Partei Die Linke als Ergänzung zu ihrem normalen Programmparteitag verstanden wird,
der das Parteiprogramm beschließen soll. Danach soll das beschlossene Programm
durch die gesamte Mitgliedschaft legitimiert werden. Dabei ist noch nicht in Gänze
geklärt, wie verbindlich die Beschlüsse der "elektronischen Programmdebatte" sein
werden. Dies wird insbesondere durch einen Antrag auf der Plattform deutlich, der
in die Richtung eines verbindlichen Verfahrens zielt. Für die Debatte selbst ist es nicht
unwichtig, ob die Beschlüsse zumindest als Antrag in den Programmparteitag im
November 2011 eingehen oder nicht. Inzwischen hat der Fraktionsvorsitzende der
Thüringer Linken zugesagt, alle Anträge aus der "elektronischen Programmdebatte",
die bis zum Antragsschluss vor dem Parteitag vorliegen, pauschal einzubringen (vgl.
[Laf11]).
Stand 5. März 2011 sind 492 Personen auf der Plattform registriert, es gibt 92 Vorschläge für das Programm und 488 Kommentare, wie Abbildung 3.1 auf Seite 39 zeigt.
Abbildung 3.2 auf Seite 41 ist zu entnehmen, dass die Forderung, alle beschlossenen Anträge an den Parteitag zu stellen, mit 21 Unterstützern der Vorschlag mit dem
39
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.1.: Die Einstiegsseite zur "elektronischen Programmdebatte" der Partei
Die Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011)
40
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
größten Zuspruch ist, gefolgt von der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen mit 20 Unterstützern. Es folgen die Forderung nach der Verankerung
des Laizismus als Politikziel mit 19 und der Tilgung überflüssigen Jargons mit 16 Unterstützern. Danach kommt der Vorschlag nach dem Bekenntnis zum Grundgesetz
der Bundesrepublik Deutschland mit 14 Unterstützern. Damit beschäftigen sich immerhin vier der fünf beliebtesten Anträge inhaltlich mit dem Programm. Der Antrag
mit den meisten Unterstützern zielt hingegen mit seiner Forderung nach der automatischen Weiterleitung aller Anträge an den Parteitag direkt auf das Debattenverfahren. Bei den restlichen fünf Anträgen mit der meisten Unterstützung geht es mit der
Forderung nach einer Mindestbeteiligung bei Abstimmungen nur bei einem weiteren
Antrag um das Debattenverfahren selbst.
Im November 2010 sah das Bild noch etwas anders aus. Neben dem Eindruck, dass
eine Anzahl Anträge einfach der Versuch waren, das Portal auszuprobieren, war unter den zehn Anträgen mit der meisten Zustimmung ein weiterer Antrag, der keinen
inhaltlichen Bezug hatte. Nämlich die Forderung, nur noch Realnamen als Benutzernamen auf dem Debattenportal zu erlauben.Am meisten Beteiligung hatte der Vorschlag "Überflüssigen Jargon tilgen" mit zehn Unterstützern. Der Antrag, alle Anträge
der elektronischen Programmdebatte auf dem Parteitag zu stellen hatte damals sieben Unterstützer. In Abbildung 3.3 auf Seite 42 wird der damalige Diskussionsstand
visualisiert.
Zwar ist die Debatte offensichtlich nicht eingeschlafen. Die Beteiligung von knapp
500 Personen bei über 75.000 Mitgliedern (vgl. [Wik11f]) entspricht allerdings nicht
einmal 7% der Mitgliedschaft. Die Unterstützung von 21 Personen bei knapp 500
Teilnehmern entspricht nur 4,2%. Die Debatte wird also derzeit nicht von einem nennenswerten Teil der Mitgliedschaft getragen und selbst die Beteiligung der registrierten Mitglieder ist nicht sehr hoch.
3.2.3. Ahoi! Piraten geben sich ein Programm
Die Entwicklung des Parteiprogramms der Piratenpartei sollte laut offizieller Internetpräsenz im parteieigenen Wiki von statten gehen. Der erste Eintrag stammt hier
vom 20. Juli 2006 und kündigt an, erst einmal Resultate aus einer Forendiskussion
aufzunehmen (vgl. [Pir06e]). Am 8. August 2006 findet sich der Hinweis darauf, dass
zur Diskussion und Koordination ein Internet Relay Chat5 (IRC) verwendet wurde
(vgl. [Pir06c]). Die Änderung vom 20. August 2006 beschreibt den geplanten Ablauf
wie folgt (vgl. [Pir06f]):
"Auf Basis der Diskussionen im Forum wurde auf der Vorbereitungstref5
Der Internet Relay Chat ist ein textbasiertes Chatsystem (vgl. [Wik10f])
41
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.2.: Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei Die
Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011)
42
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.3.: Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei Die
Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 22. November 2010)
43
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
fen ein grober Rahmen für das Grundsatzprogramm abgesteckt. Auf dieser Basis wurde eine Unterteilung in Kapitel erstellt, die von kleinen Gruppen (1-3 Personen) zugeteilt und zügig abgearbeitet werden sollen. Wer
überzeugt ist, einen guten Überblick über den Stand der Diskussion im Forum und die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen (z.B.
existierende Gesetze) zu haben, kann sich an nanuk oder Moroquen wenden, um in eine dieser Gruppen aufgenommen zu werden. Piraten, die
nicht in einer Gruppe sind, aber Vorschläge oder Kritik anbringen möchten, sollen dies auf der entsprechenden Diskussionseite, dem Forum oder
in direkte Kommunikation mit der zuständigen Gruppe tun, aber nicht
den Artikel direkt verändern."
Zwei Dinge sind hier besonders auffällig: Zum Ersten ist es offensichtlich eine sehr
kleine Gruppe, die sich direkt mit der Erarbeitung des Parteiprogramms beschäftigt und zweitens verwenden die Piraten gerne Nicknames anstatt ihrer realen Namen. Mit dem Vorbereitungstreffen ist offensichtlich der Chat über IRC gemeint. Bis
hierhin fand also so gut wie jede inhaltliche Arbeit über das Internet statt. Die Anfangs sieben inhaltlichen Kapitel schmelzen am 30. August auf sechs zusammen,
weil der Punkt "Markenrecht" entfernt wird (vgl. [Pir06g]). Abschließend wurde das
Parteiprogramm auf der Gründungsversammlung am 10. September 2009 beschlossen. Hier standen zwei unterschiedliche Anträge für das Parteiprogramm zur Beschlussfassung: Der Antrag "klare Themenpartei" und der Antrag "weiche Themenpartei". Die Mehrheit entschied sich letztendlich für den Antrag "weiche Themenpartei" (vgl. [Pir06h], S 5-7).
Die Beobachtung des Verlaufs der Diskussion im Wiki zeigt allerdings, dass das Wiki
der Piratenpartei in keinster Weise für die Entwicklung des Parteiprogramms genutzt
wurde. Noch Tage nach der Gründungsversammlung und dem offiziellen Beschluss
über das Programm stehen im Wiki so gut wie keine inhaltlichen Beiträge. Es wird im
Gegenteil auf ein PDF6 (Portable Document Format) verwiesen, in dem das beschlossene Programm stehe (vgl. [Pir06d]). Am 29. Juli 2007 finden sich dann Verweise auf
einzelne Wiki-Beiträge zu den jeweiligen Programmpunkten (vgl. [Pir07b]). Erst am
15. November 2007 steht das offizielle Parteiprogramm der Piratenpartei auch öffentlich im Wiki (vgl. [Pir07a]). Zusätzlich zur Programmseite existiert allerdings auch
eine Diskussionsseite (vgl. [Pir10b]). Hier schreibt Benutzer "nanuk" am 17. August
2006:
"Themenpartei-Diskussion im Forum ich verstehe Deine Einwände, aber
die Diskussion ist eine sehr aufwendige, daher ist sie hier im Wiki nicht
zu führen (hier sollte konkret der Inhalt der Programm-Seite diskutiert
werden. Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion im Forum
in http://forum.piratenpartei.de/viewtopic.php?t=97 stattfindet (nein in6
Ein plattformunabhängiges Format für Dokumente
44
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
terne Verlinkung werde ich nicht xx-en ;) ) –Nanuk 11:10, 17. Aug 2006
(CEST)"
Bis zum Beschluss über das Programm am 10. September 2006 findet auch auf der
Diskussionsseite im Wiki so gut wie keine Auseinandersetzung über Inhalte statt.
Die Diskussion zum Parteiprogramm erfolgte im Internet also vor allem über das Forum der Piratenpartei. Besonders hervor zu heben ist im Zusammenhang mit der Entwicklung des Parteiprogramms das Unterforum "Politische Grundsatzfragen" (vgl.
[Pir10c]). Bis zum 10. September 2006 wurden dort 37 Themen-Threads eröffnet. Besonders stark wurde hier bis zum Gründungsparteitag in den Bereichen "Themenpartei - sein oder nicht sein" mit 82 Beiträgen, "Zensur und Rechtsextremismus" mit 51
Beiträgen, "Unabhängigkeit von Konzernspenden" mit 50 und "’Nebenjobs’ für Politiker" mit 31 Beiträgen diskutiert. Auch das Forum scheint bereits in der Anfangszeit
der Piratenpartei von Mitgliedern nicht als der geeignete Raum für inhaltliche Debatten wahrgenommen zu werden. So schreibt Nutzer "Lichtblind" bereits am 2. Juli
2006 (vgl. [Pir06b]):
"Langsam erreicht das Forum eine Mitgliederzahl, die zu Problemen in
der Gesamtdiskussion führen kann. Viele Themen werden bereits nicht
mehr von allen wahrgenommen, weil sie schnell zu Inhaltsdebatten zwischen zwei Leuten ausarten. Das lässt sich wohl auch nicht vermeiden. Es
ist aber zwingend notwendig das Ergebniss der Debatte auch allen Teilnehmern zugänglich zu machen, damit man eine gemeinsame Linie vertreten kann. Ich schlage einen Bereich im Forum vor, der für Zwischenergebnisse genutzt wird (und nur von Moderatoren editiert werden kann).
Auf diese Weise kann man sich leichter auf dem neuesten Stand halten.
Natürlich bedarf es dafür einer Person, die einen gewissen überblick hat...
Und noch was: Es könnte bald zu reibereien kommen, wenn wir uns zu
sehr auf Deteils stürzen. Dann ist das Projekt zuende bevor es angefangen
hat!!!"
Im selben Thread antwortet Nutzer "jh" am 5. Juli 2006:
"Zusätzlich ist es aber wichtig, nicht nur die Ziele, sondern auch die verschiedenen dazugehörigen Argumentationen (komprimiert) im Wiki zu
speichern. Sonst treten wir jeden Monat die gleichen Diskussionen von
vorne an."
Dies ist ein Hinweis darauf, dass nicht nur die Diskussion selbst für eine Vielzahl von
Nutzern transparent und übersichtlich ermöglicht werden muss. Daneben wird auch
eine einfach abzurufende Dokumentation der Zwischenergebnisse benötigt.
45
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Der gesamte Prozess erweckt den Eindruck, als wäre er nicht von Anfang an durchdacht und geplant worden. Ein Versuch, die Weiterentwicklung des Parteiprogramms
nach dem Gründungsparteitag auf eine strukturiertere Basis zu heben, stellte die AG
Parteiprogramm dar (vgl. [Pir06a]). Am 11. August 2010 wurde sie allerdings auf
Grund mangelnder Beteiligung stillgelegt (vgl. [Pir10a]).
Auf ihrem Gründungstag, dem 10. September 2006, hatte die Piratenpartei laut offiziellen Zahlen 52 Mitglieder (vgl. [Pir10d]). Schon diese relativ überschaubare Gruppe von Personen hatte große Probleme, mit den Mitteln eines Wikis, IRC-Chats und
Internet-Foren einen strukturierten und zielorientierten Diskurs über ihre politischen
Grundsätze zu führen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass ein Großteil der inhaltlichen Arbeit entweder von Einzelnen oder von sehr wenigen Personen im direkten
Kontakt geleistet wurde. Aber keineswegs durch den Einsatz von innovativen Web
2.0 Technologien.
3.2.4. Analyse
Mit dem in Kapitel 2.4.6 erweiterten und in Kapitel 2.7 konkretisierten MikropolisModell wird im Folgenden eine Analyse der organisatorischen Aufgabe der Erarbeitung politischer Visionen durchgeführt. Dies geschieht dadurch, dass zuerst zwei
Szenarien vorgestellt werden. Im ersten Szenario wird die Situation ohne den Einsatz
von Web 2.0 Technologie dargestellt, im zweiten Szenario wird daraufhin Web 2.0 als
neues Kommunikationsmedium eingeführt und die Veränderungen mit den Mittel
der soziotechnischen Perspektive eingeordnet. Anschließend werden die beobachteten Phänomene mit den Mitteln des Neoinstitutionalismus erklärt und abschließend
mit der deliberativen Demokratietheorie bewertet.
Szenario 1
Dieses Szenario stellt den herkömmlichen Weg der Entwicklung langfristiger politischer Visionen dar und ordnet ihn in das erweiterte Mikropolis-Modell ein.
Akteure und Interessen:
Die direkt beteiligten Akteure sind in aller erster Linie die Mitglieder der jeweiligen Parteiorganisation als individuelle Akteure. Dies reicht von einfachen Mitgliedern bis zum Vorstand. Weitere Akteure aus der Partei sind verschiedene Interessensgruppen und Zusammenschlüsse, die es innerhalb der Partei gibt. Dies können
strukturell verankerte Gremien wie beispielsweise der Parteivorstand, kommunale
Delegiertenversammlungen oder Fachgruppen sein. Aber auch informelle Gruppen
46
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
und Grüppchen mit eigenen Interessen. Darüber hinaus sind aber natürlich außerhalb der Parteiorganisation auch Bürger als individuelle Akteure sowie korporative
und kollektive zivilgesellschaftliche Akteure wie Unternehmen, Vereine, Lobbygruppen oder Initiativen Teilnehmer an diesem Prozess. Weitere Akteure sind daneben
natürlich auch die anderen politischen Parteien. Denn selbstverständlich entstehen
Programme auch immer im Kontext zu Programmen anderer Parteien.
Bei den innerparteilichen Akteuren spielen mehrere Interessen je nach individuellem
oder kollektivem Akteur eine Rolle. Zum Einen gibt es selbstverständlich inhaltliche
Interessen, die aus politischen Überzeugungen erwachsen. Daneben gibt es insbesondere bei individuellen Akteuren das Interesse, die eigene Person politisch nach vorne
zu bringen. Und bei Parteimitgliedern, die sich als Lobbyisten für eine bestimmte
Interessensgruppe von außerhalb der Partei verstehen den Wunsch, deren Interessen
im Parteiprogramm wieder zu finden. Daneben spielt überall auch das Ansinnen eine
Rolle, ein Programm zu entwickeln, das die Zustimmung in der Bevölkerung erhält
und das auch sinnvoll umsetzbar ist. Insbesondere Parteimitglieder, die in Parlamenten sitzen, werden diesen Aspekt im Auge haben und auch darauf drängen, dass die
politischen Vorschläge im Parteiprogramm Anknüpfung an die politische Wirklichkeit finden und kein "Wunschkonzert" sind.
Die Interessen externer Akteure sind vielfältig. So haben externe Lobbygruppen wie
Unternehmen, Unternehmensverbände oder Gewerkschaften aber auch Umweltverbände das Ziel, dass das jeweilige Parteiprogramm ihren Interessen nicht zuwider
läuft. Auch wenn dies mehr noch für Wahlprogramme und andere Beschlüsse gilt,
auf die in Kapitel 3.3 eingegangen wird, so spielt dieser Wunsch doch auch hier eine
Rolle. Der Bürger hingegen als individueller Akteur hat insbesondere das Interesse,
dass ihm ein sinnvolles, überzeugendes politisches Angebot gemacht wird.
Medien und Kommunikation:
Neben der direkten und persönlichen Face-to-Face Kommunikation auf vorbereitenden Versammlungen und Gesprächen sowie auf dem abschließenden Parteitag, werden Entwürfe für Parteiprogramme vorab an die Teilnehmer des Parteitags per Post
verschickt und auch auf den Internetseiten bereit gestellt. Auf diese Weise erhalten
insbesondere die aktiven Mitglieder und damit auch die verschiedenen formellen
und informellen Gruppen den Entwurf. Der formale Rückkanal besteht dann aus
schriftlich eingereichten Änderungsanträgen, die dann auf dem abschließenden Parteitag einzeln behandelt werden. Informell wird es nebenher eine ganze Reihe von
verschiedenen Medien geben, die für die Kommunikation eingesetzt werden. Dies
reicht von Face-to-Face geführten Gesprächen über Diskussionsrunden bis hin zu
öffentlichen Stellungnahmen gegenüber der Parteiführung und den Massenmedien
wie Zeitung, Rundfunk und Fernsehen. Diese stellen auch den Hauptkommunikationsweg zu den externen Akteure dar. Über Inhalte des Parteiprogramms erfahren
sie hauptsächlich auf diesem Weg einer One-to-Many Kommunikation. Umgekehrt
47
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
ist dies neben einigen sicherlich vorhandenen persönlichen Kontakten auch der Weg,
auf dem die Parteiorganisation eine Rückmeldung dazu erhält, wie das Parteiprogramm in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dieser Weg ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er indirekt funktioniert mit den Massenmedien als Filter. Weder
die externen noch die internen Akteure haben einen direkten Einfluss darauf, ob und
wie Informationen fließen.
Sofern der Informationsfluss über die Massenmedien an die externen Akteure durch
die Partei beispielsweise durch Pressemitteilungen oder -konferenzen gezielt angeregt wird, handelt es sich hierbei um eine asynchrone allokative Kommunikation
mit sehr geringer Interaktivität. Die direkte Face-to-Face Kommunikation in kleinen
Gruppen zeichnet eine sehr hohe Synchronität aus und meist auch eine hohe Interaktivität7 . Die Kommunikationsstrukturen auf Parteitagen finden zwar auch im Grunde
Face-to-Face statt. Sie zeichnet aber wegen der relativ starren Struktur des Ablaufs eine geringe Synchronität und damit auch geringe Interaktivität aus. Nichtsdestotrotz
ist es ein Verfahren, das in den Bereich der Konversation einzuordnen ist. Die Information der Mitglieder über den Programmentwurf auf dem schriftlichen Weg oder
per Email hat tendenziell die Form eines registrativen Prozesses. Hier bittet das Zentrum in Form der Parteiführung die Peripherie in Form der Mitglieder und Interessengruppen um Rückmeldung. Synchronität und Interaktivität sind hier sehr gering
während die Akteurskonstellation die Form One-to-Many einnimmt.
Szenario 2
Stellen wir uns nun vor, eine Partei ergänzt das herkömmliche Verfahren um Web
2.0 als zusätzlichem Medium für die Kommunikation. Welche neuen Aspekte für die
Akteure und die Kommunikationswege ergeben sich und wie sind sie mit den Mitteln der soziotechnsichen Perspektive einzuordnen? Es wird hier von einem Szenario
mittlerer Beteiligung ausgegangen. Dementsprechend wird die herkömmliche Struktur durch Web 2.0 nicht ersetzt. Allerdings dient eine entsprechende Web 2.0 Anwendung dazu, den Diskussionsprozess zu unterstützen und wird auch dafür eingesetzt,
Vorschläge für den abschließenden Parteitag zu formulieren. Stimmberechtigt sind
hierbei, ähnlich wie bei dem vorgestellten Verfahren der "elektronischen Programmdebatte", nur Mitglieder. Allerdings darf die Öffentlichkeit sowohl mitdiskutieren
als auch Vorschläge einreichen. Zudem bewirbt die betreffende Partei offensiv diese
neue Beteiligungsmöglichkeit und betrachtet sie nicht allein als "Sandkasten, in dem
sich die Internetfreaks austoben können". Das äußert sich auch darin, dass bekannte Personen der Partei aktiv an der Diskussion teilnehmen. Die Plattform selbst ist
7
Da der Rückgriff auf gemeinsames Wissen für die höchsten Stufen der Interaktivität notwendig ist,
sind Gespräche mit einem sehr hohen Wissensunterschied nicht in dieser Stufe einzuordnen. Das
wäre der Fall, wenn beispielsweise speziell ausgebildete Lobbyisten auf Parteimitglieder zugehen
um sie zu beeinflussen.
48
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
technisch so ausgereift, dass sie in gängige soziale Netzwerke integriert ist, Livestreams ermöglicht, Chats und auch Videokonferenzen. Außerdem wird das Einstellen
eigener Video-Beiträge ermöglicht. Teilnehmer, aber auch die für das Betreiben der
Anwendung zuständigen Personen, können sekundäre Texte zur Erläuterung von
Sachverhalten einstellen. So wäre es beispielsweise denkbar, einen Passus aus dem
Programm, der sich mit Mindestlöhnen beschäftigt, mit Links zu Internetquellen zu
versehen, die die gesetzlichen Grundlagen erläutern.
Anwendungen, die für dieses Szenario verwendet werden können sind insbesondere Anwendungen aus dem Web 2.0 Cluster Opinion-Decision Support. Adhocracy,
Votorola, Echologic oder Liquid Feedback wurden und werden explizit entwickelt,
um die gemeinsame Entscheidungsfindungen und Diskussion zu unterstützen. Eine
Übersicht über einige Projekte und eine Bewertung findet sich bei [Liq11c]. Es gibt
weltweit eine ganze Reihe von weiteren Projekten, die in ähnliche Richtungen gehen.
So beispielsweise auch die Projekte Do2Gether, Rule2Gether, Draft2Gether und Decide2Gether der "telematics freedom foundation" (vgl. [Tel11]). Social Networks wie Facebook8 oder studivz9 könnten ebenfalls integriert werden. Sie eignen sich, um externe Akteure in den Prozess einzubinden und das Parteiprogramm damit auf eine breitere Basis zu stellen. Weitere Funktionalitäten könnten Foren beisteuern: Das Beispiel
der Piratenpartei hat zwar gezeigt, dass Internetforen bereits bei einer relativ geringen Anzahl an Diskutanten keine geregelte Diskussion mehr zulassen. Nichtsdestotrotz eignen sie sich für gezielte themenspezifische Diskussionen mit einer begrenzten Anzahl an Personen. Dies wäre vielleicht eine Möglichkeit, den real vorhandenen
Organisationsfragmenten der Partei jeweils eigene geschützte Diskussionsräume zu
ermöglichen. Externe Verlinkungen können auf bestehende Croudsourced Content statt
finden. An erster Stelle ist hierbei die freie Enzyklopädie Wikipedia10 zu nennen, die
es mit einer einfachen Verlinkung ermöglicht, jemandem die jeweils relevanten Informationen zu einem Thema schnell zukommen zu lassen. Ein weiteres Beispiel ist das
Portal Y!GG11 , wo Nachrichten eingestellt und bewertet beziehungsweise kommentiert werden können.
Akteure und Interessen:
Neue Akteure oder Akteursgruppen treten nicht auf. Es ist aber zu erwarten, dass wegen der zeitlichen und räumlichen Entgrenzung der Kommunikation die Gesamtzahl
der am Gesamtprozess beteiligten Personen erhöht werden kann. Denn einerseits ist
die Anzahl an Delegierten auf dem abschließenden Parteitag begrenzt, andererseits
ist die Hemmschwelle, sich an einer Internetdiskussion zu beteiligen sehr viel niedriger als zu einer Parteiversammlung zu gehen, und sei es auch nur eine Diskussionsrunde in der Nachbarschaft. Die Beteiligung insbesondere bei jüngeren Menschen
8
http://www.facebook.de/, Stand 17. April 2011.
http://www.studivz.net/, Stand 17. April 2011.
10
http://www.wikipedia.de/, Stand 17. April 2011.
11
http://www.yigg.de/, Stand 17. April 2011.
9
49
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
und der "Netzgemeinde" wird deshalb steigen.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Interessenlage durch den Einsatz von Web
2.0 ändert. Wohl aber die Möglichkeiten, Interessen durchzusetzen, wie der nächste
Abschnitt zeigt.
Medien und Kommunikation:
Mit den Konzepten des soziotechnischen Kerns kann dies nun etwas genauer betrachtet und es können insbesondere auch vorläufige und notwendige Formalisierungslücken erkannt werden (vgl. Kapitel 2.4.1). Der Einsatz der Web 2.0 Anwendung
führt dazu, dass situierte Handlungen aus ihrem Kontext heraus gelöst, also dekontextualisiert werden. Es entsteht ein rein technisches Artefakt, das dann wieder in den
realweltlichen Kontext überführt werden muss. Hierbei ergeben sich Veränderungen
und es gelten selbstverständlich auch die in Kapitel 2.1 dargestellten Merkmale netzbasierter Kommunikation. Dies sind die zeitliche, räumliche und körperliche Entgrenzung
sowie die Kanalbeschränkung und Multimedialität.
Die implementierte Web 2.0 Anwendung sorgt als neues Kommunikationsmedium
für einen neuen, zusätzlichen Kanal, der eine ganze Reihe von neuen Aspekten hinzu fügt. Die beschriebene Anwendung ermöglicht sowohl synchrone wie auch asynchrone Kommunikation. Durch den Rückgriff auf gemeinsames Wissen in Form von
gemeinsamen Quellen kann der höchste Grad an Interaktivität erreicht werden. Das
Verfahren selbst kann als Konversation beschrieben werden.
Neu ist hierbei vor allem, dass die Web 2.0 Anwendung es ermöglicht, verschiedene
normalerweise unabhängig voneinander statt findende Kommunikationen über ein
und dieselbe Plattform laufen zu lassen. Es erscheint plausibel, dass die Ergebnisse
durch die intensivere und breitere Diskussion auch besser werden (vgl. H1.1 in Kapitel 3.8). Die Anwendung integriert den ehemals unabhängig verlaufenen Kommunikationsstrang zwischen Parteiorganisation und externen Akteuren über die Massenmedien und die parteiinternen Kommunikationen. Zusätzlich werden die ehemals
nebenher über verschiedene Kanäle laufenden parteiinternen Diskussionen zusammen geführt. Insgesamt wird hierdurch ermöglicht, dass zivilgesellschaftliche Akteure, aber insbesondere auch Bürger, ihre Interessen im Bezug auf die langfristigen
Ziele einer politischen Partei transparent und nachhaltig äußern können.
Als vorläufige Formalisierungslücken kann man Strukturen erkennen, die aus Sachzwängen der materiellen Welt, also vor allem aus räumlichen und zeitlichen Zwängen, resultieren:
• Diskussionen laufen im herkömmlichen Verfahren bei der Erstellung von Parteiprogrammen in relativ wenigen, zeitlich begrenzten und räumlich über die
50
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Bundesrepublik verteilten Veranstaltungen statt, um dann in einen abschließenden Parteitag zu münden. Dies kann durch eine Digitalisierung formalisiert
werden.
• Das Abstimmungsverfahren selbst findet in seiner analogen Form auf Parteitagen meist per Stimmkarten statt. Sofern die Sicherheit des Wahlaktes vor Manipulationen gewährleistet werden kann, ist auch dies ein Punkt, der formalisiert
werden kann.
• Die zeitliche und räumliche Kopräsenz kann formalisiert werden. Allerdings
hat dies eventuell Auswirkungen auf sekundäre, wünschenswerte Effekte wie
die politische Sozialisation der Mitglieder (vgl. [Wes01], S. 75 f.).
• Die Kontrolle über den Verlauf der Debatte selbst kann formalisiert werden,
sofern die Gleichbehandlung der Teilnehmer sicher gestellt wird.
Daneben gibt es aber auch Bereiche, die nicht formalisiert werden dürfen, weil sie für
das verfolgte Ziel unabdingbar sind:
• Selbstverständlich darf die Formulierung des Parteiprogramms selbst nicht automatisiert werden.
• Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen weiterhin eingehalten werden.
Bisher ist es insbesondere nicht möglich, Abstimmungen nach dem Parteiengesetz verbindlich online durchzuführen. Des Weiteren spielen Datenschutzaspekte eine nicht zu unterschätzende Rolle.
• Es müssen weit reichende Informationen über die für die Erstellung des Parteiprogramms notwendigen fachlichen Informationen zur Verfügung stehen.
• Die Beteiligungsmöglichkeiten einer möglichst großen Anzahl an Parteimitgliedern müssen im Sinne der deliberativen Demokratie gewährleistet werden. Insbesondere müssen Offliner eingebunden werden.
• Hintergrundinformationen zu Antragstellern und deren möglichen Beweggründen müssen transparent gemacht werden.
• Der transparente Meinungsaustausch muss ermöglicht werden. Vor allem müssen Zwischenergebnisse einfach sichtbar sein, damit die Diskussion durch das
Dazustoßen neuer Diskutanten nicht wieder von vorne beginnt.
Da Strukturen in Parteien teilweise äußerst formalisiert sind, können durch die Web
2.0 Anwendung also sogar neue kreative Freiräume geschaffen werden.
51
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Erklärung
Es stellt sich nun die Frage, aus welchen Gründen Parteien bei der Erstellung langfristiger politischer Programme so agieren wie sie es tun. Sehr ausgeprägt sind die Hinweise auf eine starke kulturell-kognitive Institution, welche durch die sich daraus
ergebende mimetische Isomorphie auf die Parteien einwirkt und dafür sorgt, dass
Parteien ähnliche und insbesondere auch alt-hergebrachte Verfahren bei der Erstellung von Parteiprogrammen anwenden. Denn das Parteiprogramm ist für Parteien
von großer Bedeutung und hat weit reichende Auswirkungen. Darüber hinaus ist
die Erstellung eines Parteiprogramms ein Prozess, der nur alle 10 oder 20 Jahre vorkommt. Die handelnden Personen werden einen solchen Prozess deshalb meist zum
erstenmal organisieren und miterleben. Darum wird kulturell-kognitiv gesehen ein
Rückgriff auf vermeintlich bewährte und historisch ritualisierte Methoden sowie auf
die beobachteten Verfahrensweisen anderer Parteien statt finden. Für ein so wichtiges Projekt scheut man eventuell "Experimente", wie es die Einbindung von Web 2.0
wäre.
Nicht zu vergessen ist, dass es sich selbstverständlich bei der Erstellung eines Parteiprogramms auch um einen Aushandlungsprozess einzelner Akteure handelt, die
ihre jeweiligen spezifischen Interessen vertreten. Diese reichen von unterschiedlichsten inhaltlichen Vorstellungen über die Möglichkeit, sich durch das Einbringen von
Änderungen selbst darzustellen bis hin zu harter Machtpolitik von Akteuren, die bestimmten innerparteilichen Strömungen angehören.
Der Prozess der Programmerstellung ist in den etablierten Parteien häufig hierarchisch von dem jeweiligen Parteivorstand organisiert. Dieser hat meist wenig Interesse daran, große programmatische Kehrtwendungen zu vollziehen, weil dadurch
sein bisheriges politisches Wirken möglicherweise de-legitimiert würde. Folgerichtig
wird in den allermeisten Fällen eine durch den jeweiligen Parteivorstand dominierte
Programmkommission gebildet. Kritik an deren Programmentwurf kann so innerparteilich schnell als Illoyalität dargestellt und damit abgekanzelt werden.
Hier vollzieht sich aber derzeit eine Neuformierung des institutionellen Umfeldes.
Der Einsatz von Web 2.0 Technologien ist im Alltag vieler Menschen inzwischen fest
verankert, so dass inzwischen auch ein normativ institutionalisierter Erwartungsdruck gegenüber den Parteien herrscht, sich modern und den neuen Medien gegenüber aufgeschlossen zu verhalten12 . Über die Mitglieder und Entscheidungsträger
wirkt diese gesellschaftliche Ansicht somit auch als Institution auf den eher parteiinternen Prozess der Programmdiskussion ein.
12
So bewertete die Blogosphäre den Auftritt der Parteien bei der Bundestagswahl 2009 im Internet
eher kritisch und verband damit implizit und explizit die Aufforderung, es in Zukunft besser zu
machen (vgl. z.B. [Elt10], S. 86-92)
52
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Ein weiteres Problem, das beim Einsatz einer Web 2.0 Anwendung auf die Parteiorganisation zukommt, könnte sich aus ihrem größten Gewinn ergeben: Der Integration
verschiedener interner und externer Akteure. Mit der Hypokrisie löst die Parteiorganisation den Widerspruch zwischen innerparteilichen Programmen und tatsächlichem politischen Handeln (vgl. Kapitel 2.3). Web 2.0 führt aber genau dazu, dass sich
interne und externe Akteure gemeinsam mit dem Parteiprogramm auseinander setzen. Inwieweit dies ein Problem ist, muss in weiteren Forschungen ermittelt werden
(vgl. F1.2 in Kapitel 3.8).
Bewertung
Wie sind nun die Kommunikationsprozesse der etablierten Art und Weise, Parteiprogramme zu erstellen, im Vergleich zu den Möglichkeiten des Web 2.0 demokratietheoretisch zu bewerten?
Aus einer deliberativen Sichtweise heraus weisen die Verfahren, die die etablierten Parteien bisher verwendet haben, mehrere Mängel auf. Zum Einen ist der Grad
der Einbindung der Parteimitglieder in die Diskussion häufig nicht optimal. Der generelle Weg, dass eine hochkarätig besetzte Kommission einen Entwurf erarbeitet,
kann bei Mitgliedern zu Hemmungen führen, den Entwurf zu kritisieren. Diese Kritik kann, wie oben bereits angeklungen ist, öffentlich leicht als Kritik an denjenigen
wahrgenommen werden, die mit bestimmten Positionen im Programmentwurf verbunden sind (vgl. z.B. [Hol10]).
Aus deliberativer Sicht sollten darüber hinaus alle Betroffenen in den Diskurs eingebunden werden. Da es sich bei Parteiprogrammen um Programme handelt, die
gedacht sind, die Geschicke der gesamten Bevölkerung zu regeln, müsste sie in den
Prozess der Programmerstellung auch eingebunden werden. Und zwar sowohl die
relevanten zivilgesellschaftlichen Akteure als auch einzelne Bürger. Die Problematik der Hypokrisie darf hierbei nicht als "Ausrede" gelten, da normativ gesehen die
Einhaltung deliberativer Prinzipien über der Optimierung organisationaler Aspekte
stehen muss.
Das größte Problem, das sich bei der Transformation einer Programmdiskussion von
der realen in die virtuelle Welt ergibt, ist die Übertragung von den für die Programmdiskussion als notwendig erkannten Kommunikationsstrukturen in eine passende
Anwendung. Notwendig sind diese dann, wenn sie im deliberativen Sinne eine Situation schafft, die die Beteiligten mit hinreichenden Informationen über die regelungsbedürftige Materie versorgt und ein artikuliertes Verständnis der regelungsbedürftigen Materien und der strittigen Interessen ermöglicht (vgl. [Hab98], S. 383). Die
Erfüllung aller in Abschnitt 2.6 dargelegten fünf Voraussetzungen für bindende Entscheidungen nach Habermas ist der Maßstab, an dem der demokratische Gehalt eines
53
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abstimmungsverfahrens gemessen werden muss. Dabei ist vor allem auch darauf
zu achten, das das eingeschlagene Verfahren eine gewisse Verbindlichkeit besitzt da
anderenfalls der gesamte Prozess der Beteiligung zur Makulatur wird. Es erscheint
zudem nahe liegend, dass Verbindlichkeit auch die Bereitschaft, sich zu beteiligen,
erhöht (vgl. Hypothese H1.3 in Kapitel 3.8).
3.2.5. Zusammenfassung
Der Vergleich der beiden Szenarien und ihre Bewertung zeigt, dass Web 2.0 ein großes
Potential hat, für Parteien gute und an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausgerichtete Parteiprogramme zu entwerfen. Aus Sicht der deliberativen Demokratie ist die
Entscheidung eindeutig im Sinne der Nutzung von Web 2.0 zu treffen.
Betrachtet man das Handeln der Parteien, so ist trotz einiger Fragezeichen der Versuch der Piratenpartei, über eine öffentliche Debatte im Internet unter Beteiligung
der Bevölkerung ihre politischen Grundsätze zu erarbeiten, ein Schritt in die richtige Richtung. Er erhöht die Deliberation im Vorfeld der Entscheidung und legitimiert das dann beschlossene Programm nicht nur durch den formalen Beschluss auf
dem entsprechenden Parteitag sondern auch durch die intensive Beteiligung der Öffentlichkeit. Allerdings muss man bei der Piratenpartei kritisieren, dass sie zwar die
Beteiligungsmöglichkeiten für "Onliner", also Internet-affinen Menschen weit ausgebaut hat, dabei aber Offliner, also Menschen und eventuell sogar Parteimitglieder, die
das Internet nicht nutzen oder nicht nutzen wollen, fast völlig aus dem Blickwinkel
verliert.
Insgesamt lassen es die gewonnen Erkenntnisse für politische Parteien ratsam erscheinen, bei der Einführung von Web 2.0 Technologien im Rahmen der langfristigen
Entwicklung politischer Visionen schrittweise vorzugehen (vgl. H1.4 in Kapitel 3.8).
Dabei ist bei allen Schritten wichtig, dass es die Partei auch wirklich ernst meint und
nicht im Sinne einer neoinstitutionalistischen Entkopplung Web 2.0 nur deshalb einsetzt, weil es gerade "schick" ist.
Parteien ohne Erfahrung mit dem Einsatz von Web 2.0 Technologien können ihren
herkömmlich erstellten Programmentwurf im Internet über eine geeignete Anwendung diskutieren lassen. Die Ergebnisse dieser Diskussionen gehen dann als Anträge in die abschließende Beschlussfassung durch die jeweilige Bundesversammlung
ein. Dies ist in etwa das Verfahren, dass die Linkspartei derzeit anstrebt. Die realen
Strukturen werden dabei nur ergänzt und bestimmen die Grenzen der Formalisierung. Beispielsweise hält der jeweilige Parteivorstand das Verfahren weiterhin strikt
in seinen Händen, den Ablauf der Debatten bestimmen meist Geschäftsordnungen
etc.
54
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Parteien, die bereits Erfahrungen mit Web-basiertem kollaborativem Arbeiten in ihrer Organisation haben, können das oben beschriebene Minimalverfahren um eine
Begleitung des Programmparteitags selbst durch Web 2.0 Technologien ergänzen.
Denkbar wären Online-Abstimmungen, die als Meinungsbilder visualisiert werden
und damit in die Debatte einfließen. Die Verbindlichkeit dieser Abstimmungsverfahren und die Schließung der vorläufigen Formalisierungslücken insgesamt kann
hier stufenweise erhöht werden. Je verbindlicher die Prozesse werden und je weiter
der Kreis der Teilnehmer ausgedehnt wird, desto ausgereifter muss das verwendete
Portal sein. Es muss mehr Informationen über die Teilnehmer und deren Hintergründe bieten, es muss übersichtlicher werden und die gerechte Verteilung von Teilnahmemöglichkeiten und Informationen insbesondere auch für Menschen ohne Affinität
zu den neuen Medien bieten.
Der komplette Ersatz des gesamten Prozesses inklusive Abstimmung über das Internet erscheint hingegen nicht ratsam. Zwar kann Web 2.0 vieles vereinfachen und beschleunigen. Es können neue Akteure in den Prozess integriert werden und es kann
ein herrschaftsfreierer Diskurs ermöglicht werden. Auf Grund seiner im Gegensatz
zu Web 1.0 geringeren nichtsdestotrotz aber vorhandenen Kanalbeschränktheit und
dem Problem der "Offliner" kann Web 2.0 die realen Diskussionsprozesse allerdings
nicht vollständig ersetzen. Es kann sie aber ergänzen und in Symbiose mit ihnen
einen besseren und demokratischeren Prozess gewährleisten.
3.3. Deliberation durch innerparteiliche
Cyber-Demokratie?
Anders als die in großen Abständen zu organisierenden Entwicklungsprozesse politischer Visionen, geht es in diesem Abschnitt im Kern um die Frage, wie das politische Alltagsgeschäft in Form von Interessenartikulation und -aggregation in politischen Parteien durch Web 2.0 Technologien unterstützt werden kann. Der Fokus
liegt hierbei auf den Parteitagen. Parteitage sind diejenigen Gremien, die in Parteien
Beschlüsse fassen und damit einen zentralen Baustein der politischen Willensbildung
in Parteien darstellen (vgl. [Wik10i]).
Auch hier soll zuerst ausgeführt werden, wie sich die herkömmlichen politischen
Verfahrensabläufe entwickelt haben und ohne den Einsatz von Web 2.0 darstellen.
Es folgt eine ausführliche Fallstudie zum virtuellen Parteitag von Bündnis 90/Die
Grünen im Jahr 2000. Sie wurde gewählt, weil es bisher keinen weiteren derart weit
reichenden Versuch der Virtualisierung eines Parteitags gibt. Im Anschluss werden
die Erkenntnisse mit Hilfe des integrierten Modells analysiert. Den Abschluss bildet
eine Einschätzung dahin gehend, welche gängigen Web 2.0 Anwendungstypen für
55
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
kurz- und mittelfristige politische Entscheidungsprozesse zu empfehlen sind.
3.3.1. 509 Delegierte, 1 Tage, tonnenweise Papier
Parteitage haben unter anderem die Aufgabe, den Vorstand und weitere Ämter zu
besetzen, Wahlprogramme zu diskutieren und zu beschließen sowie darüber hinaus
strittige politische Fragen zu beraten und zu entscheiden (vgl. [Wik10i]). Dabei finden
Parteitage sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch auf der kommunalen Ebene
statt. Auch hier manifestiert sich damit die Fragmentierung der Parteiorganisation.
Die komplexen Zusammenhänge, Verfahrensweisen und sozial-psychologischen Verhaltensmuster auf Parteitagen können im Rahmen dieser Arbeit nicht aufgelöst werden. Diese und weitere Prozesse, die im Rahmen innerparteilicher Meinungsbildung
stattfinden, wären Aufgaben für weitere Forschungen, die eine mögliche Virtualisierung von innerparteilichen Demokratieprozessen zum Inhalt haben.
Parteitage aller Parteien haben bestimmte Strukturen, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen.
Grundlegende Aufgaben des Parteitags werden durch das deutsche Parteiengesetz
festgelegt (vgl. [Bun11a], § 8). Das Parteiengesetz legt somit als regulative Institution
einen Maßstab, der für alle Parteien gilt. Neben Satzung und anderen eher formalen
Dingen beschließt der Parteitag der jeweiligen Parteiebenene auch über die Programme der Partei sowie die Besetzung des Vorstandes. Die Entwicklung der langfristig
angelegten Parteiprogramm fällt hierbei in den Bereich der politischen Vision (vgl.
Abschnitt 3.2). Wahlprogramm und einzelne punktuelle Beschlüsse, beispielsweise
Anträge zu aktuellen politischen Ereignissen, sind dagegen eher kurz- und mittelfristiger Natur.
Die grundlegende Struktur eines Parteitags wird durch eine Tagesordnung sowie eine
Geschäftsordnung festgelegt. Die Tagesordnung bestimmt dabei den zeitlichen Ablauf (vgl. [Wik11m]), die Geschäftsordnung legt insbesondere die Rechte und Pflichten der Teilnehmer fest (vgl. [Wik10d]). Typischerweise wird ein Parteitag von einem
Präsidium geleitet, das die Tagesordnungspunkte aufruft, die Debatten leitet, für die
Einhaltung der Geschäftsordnung sorgt und sicher stellt, dass die Rechte der Mitglieder gewahrt werden.
Exemplarisch soll hier nun an Hand des Protokolls des außerordentlichen Bundesparteitags der SPD 2009 in Berlin (vgl. [SPD09]) der grundsätzliche Ablauf eines
Parteitags dargestellt werden. An Hand dieses Beispiels soll ein Eindruck davon vermittelt werden, wie ein Parteitag auf der formalen Ebene abläuft. Zuerst wird hierzu
56
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
die Tagesordnung und anschließend das Protokoll des Parteitags untersucht.
Die Anzahl der stimmberechtigten Delegierten des Parteitags betrug laut Satzung
525. Hinzu kam eine kleine Zahl von Delegierten mit beratender Stimme und eine
unbekannte Zahl an Gästen und Pressevertretern. Delegierte sind hierbei Personen,
die stellvertretend für dieses Gremium an Versammlungen teilnehmen. Delegierte
in politischen Parteien werden für Bundesparteitage beziehungsweise je nach Partei
auch für Landesparteitage repräsentativ vor allem aus den unteren Ebenen der Parteigliederungen bestimmt (vgl. [Wik11e]).
Der Berliner Parteitag der SPD 2009 hatte als Thema den Beschluss über ein Wahlprogramm, im Protokoll "Regierungsprogramm" genannt. Die Tagesordnung sah für
den Parteitag einen Zeitraum von 10:30 bis 16:30 vor (vgl. [SPD09], S. 5). Der Parteitag
wurde durch den Parteivorsitzenden Franz Müntefering eröffnet, darauf folgten die
Konstituierung des Parteitags mit der Wahl des Präsidiums, einer Mandatsprüfungsund Zählkommission sowie Beschlüsse über die Tagesordnung und die Geschäftsordnung des Parteitags. Im Anschluss folgte die Rede des Kanzlerkandidaten FrankWalter Steinmeier. Nachdem dann die Formalitäten für die Abstimmungsprozesse erledigt waren, folgte die Beratung über das Programm mit anschließendem Beschluss.
Zum Schluss sprach noch einmal Frank-Walter Steinmeier, im Anschluss wurde gesungen und dann war der Parteitag offiziell beendet.
Der reale Beginn des Parteitags wird im Protokoll dann mit 10:39 angegeben. Die
Eröffnungsrede von Franz Müntefering wurde immer wieder durch Beifall unterbrochen. Die Konstituierung des Parteitags beinhaltete insbesondere auch die Festlegung
eines Antragsschlusses (vgl. [SPD09], S. 14) für 11:55. Das bedeutet, dass Anträge zur
Änderung des den Delegierten vorliegenden Programmentwurfs bis 11:55 vorliegen
mussten. Danach wurden Geburtstagsglückwünsche an Mitglieder ausgesprochen.
Es folgte die Rede des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Das Protokoll vermerkt in seiner Rede sehr häufig Beifallsbekundungen und mehrfach anhaltenden und lebhaften Beifall.
An Steinmeiers Rede schloss sich eine Aussprache an. Neben bekannten Namen wie
beispielsweise dem des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck
oder der Vorsitzenden der SPD-Jugendorganisation Franziska Drohsel, meldeten sich
hier auch einfache Delegierte zu Wort. Die Redebeiträge von bekannten Mitgliedern
der SPD überwogen jedoch.
Nach der Aussprache wurde die Anzahl an anwesenden Delegierten festgestellt. Anwesend waren laut Mandatsprüfungs- und Zählkommission 509 stimmberechtigte
Delegierte. Auch hier fanden mit der Nennung der ältesten und jüngsten Delegierten
soziale Handlungen statt, die für den formal korrekten Ablauf des Parteitags völlig
irrelevant sind.
57
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Im Anschluss folgte dann mit der Vorstellung und der Beratung über das Wahlprogramm der Hauptteil des Parteitags. Olaf Scholz stellte für die Antragskommission
das Wahlprogramm vor. Antragskommissionen finden sich bei fast allen politischen
Parteien (vgl. [Wik08a]). Ihre Aufgabe ist es, die eingehenden Anträge zu sortieren
und das Antragsverfahren insgesamt im Vorfeld und während des Parteitags so zu
organisieren und zu strukturieren, dass eine sinnvolle Beratung ermöglicht wird.
Auf die Programmvorstellung folgte eine Aussprache. Sie nahm einen relativ großen
Raum ein. Auch hier überwog bei den Redebeiträgen der Anteil bekannter SPDMitglieder.
Der Aussprache folgte der Beschluss über das Programm in der von der Antragskommission vorgeschlagenen Fassung. Es wurde ohne Gegenstimmen angenommen
(vgl. [SPD09], S. 89). Im Anschluss wurde im Block über eine Gruppe von Anträgen
abgestimmt, die sich nicht mit dem Wahlprogramm beschäftigten. Auch hier folgte
der Parteitag dem Vorschlag der Antragskommission. Nach einem Schlusswort von
Frank-Walter Steinmeier und einem Lied inklusive Filmvorführung (vgl. [SPD09], S.
91) war der Parteitag zu Ende. Das Protokoll gibt als Ende des Parteitags 15:28 Uhr
an.
Man sieht bereits an diesem eher formalen Protokoll des Parteitags, dass es eine ganze
Reihe von Strukturen und Akteuren gibt. Eine zentrale Rolle scheint die Antragskommission zu spielen, da sie nicht nur die Antragsdebatte stark vorstrukturiert. Sie lenkt
zudem auch den Parteitag indirekt durch ihre Empfehlungen.
Daneben gibt es beispielsweise mit den Glückwünschen an die "Geburtstagskinder"
oder der Gesangseinlage am Schluss hoch sozial motivierte Handlungen. Auch die
Beifallsbekundungen und die Wahrnehmung derselben sind so wichtige Elemente
des Parteitags, dass sie im Protokoll explizit auftauchen.
Was ein Parteitagsprotokoll nicht einfängt, sind die Wechselwirkungen zwischen den
Delegierten untereinander, den Gruppen und Grüppchen, die miteinander kommunizieren, Absprachen treffen und sich austauschen. Nichtsdestotrotz vermittelt es
einen guten Eindruck davon, was auf Parteitagen stattfindet.
3.3.2. Der "virtuelle Parteitag" von Bündnis 90/Die Grünen
Ein Beispiel für den Versuch, innerpateiliche Demokratie durch die neuen Medien
zu unterstützen, stellte der "virtuelle Parteitag" von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr
2000 dar (vgl. [Hei00] und [Bün00]). Es war der erste Versuch, die bisher vollständig
offline ablaufenden Parteitage in das Internet zu verlagern. Die CDU veranstaltete
58
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
zwar bereits einige Tage vorher einen kleinen Parteitag in Stuttgart, wo im Vorfeld
Diskussionen zu den Themen des Parteitags im Internet durchgeführt wurden. Die
Ergebnisse der Diskussionen dienten den Delegierten des "richtigen" Parteitags dann
allerdings nur als Information und hatten keinerlei Verbindlichkeit (vgl. [Mar01], S.
42).
Das für den "virtuellen Parteitag" verwendete Internetportal ist auch heute noch online einsehbar13 . Der Kostenrahmen für die Durchführung des "virtuellen Parteitags"
betrug 30.000DM. Die verwendete Software baute auf einer bereits im Rahmen der
Grundsatzdebatte zum Grünen Parteiprogramm verwendeten Technologie auf. Die
Software lief auf zwei Servern, wobei einer als Webserver fungierte und der andere
als elektronische Wahlurne. Auf für die damalige Zeit aufwändige Gestaltungen wurde verzichtet um die Teilnahmemöglichkeiten auch für diejenigen zu gewährleisten,
deren Computertechnik nicht auf dem allerneusten Stand war. Die technischen und
nutzerbedingten Probleme hielten sich in Grenzen (vgl. [Wes01], S. 19 f.).
Der Parteitag fand dann zwischen dem 24. November und dem 3. Dezember 2000
statt. Die Themen waren "elektronische Bürgerdemokratie" und "Liberalisierung oder
Beibehaltung der Ladenschlusszeiten". Also sowohl ein typisches Thema für webaffine Menschen als auch ein Thema, das ausdrücklich Menschen von außerhalb der
Webgemeinde anlocken sollte. Organisatorisches Vorbild war der so genannte "kleine
Landesparteitag", wo 100 Delegierte der verschiedenen Kreisverbände abstimmungsberechtigt waren. Gesetzte Redebeiträge gab es auf dem "virtuellen Parteitag" nicht.
Für den "virtuellen Parteitag" wurden vom Landesvorstand ein zehnköpfiges Gremium eingesetzt und eine Geschäftsordnung beschlossen, die wichtige Strukturmerkmale aus den Regelungen "normaler" Parteitage aufnahm: Redebeiträge mussten direkt bestimmten Anträgen zugeordnet werden. Außerdem wurde ein formaler Rahmen für die Abstimmungen festgelegt, der vorsah, dass Abstimmungen 24 Stunden
vorher durch das Präsidium angekündigt werden mussten und dann für mindestens
sechs Stunden offen sein sollten. Neben der formalisierten Struktur des Rede- und
Antragsverfahrens gab es eine Sektion "Parteitagsgeflüster", in der die Möglichkeit
geboten wurde, frei miteinander zu kommunizieren. Hier wurde versucht, dem auch
auf "normalen" Parteitagen stattfindenden Nebengesprächen Raum zu bieten(vgl.
[Wes01], S. 19-23).
Für den Verlauf des "virtuellen Parteitags" identifiziert Westermayer eine viergeteilte
Zeitstruktur (vgl. [Wes01], S. 46):
1. Auftaktphase: Die Teilnehmer lernen die Möglichkeiten des virtuellen Parteitags kennen und probieren sie aus.
13
http://www.virtueller-parteitag.de/, Stand 17. April 2011.
59
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
2. Inhaltliche Debatte 1: Die Debatten und Beiträge für den ersten Themenbereich.
3. Inhaltliche Debatte 2: Die Debatten und Beiträge für den zweiten Themenbereich.
4. Schlussphase: Kaum noch inhaltliche Debatte, das "Parteitagsgeflüster" wird
von Verabschiedung, Rückschau und kritischer Betrachtung des Parteitags bestimmt.
Bezeichnenderweise stellt der Versuch der Grünen aus dem Jahr 2000, einen Parteitag
komplett virtuell zu gestalten, gleichzeitig den letzten Versuch in dieser Richtung dar.
Eine konzeptionelle Fortentwicklung fand bisher nicht statt.
3.3.3. Analyse
Im Gegensatz zu Kapitel 3.2 liegt der Fokus nun vor allem auf der Gewährleistung
der kurz- und mittelfristigen innerparteilichen Meinungsbildung. Also auf dem "politischen Alltagsgeschäft" und hier insbesondere auf der Durchführung von Parteitagen als Kernelement innerparteilicher Willensbildung. Auch hier werden zwei Szenarien vorgestellt und dann in den analytischen Rahmen des erweiterten MikropolisModells eingeordnet. Das erste Szenario beschreibt, wie sich Akteurs- Medien- und
Kommunikationskonstellationen auf Parteitagen ohne Web 2.0 darstellen. Im zweiten Szenario wird hingegen davon ausgegangen, dass ein Parteitag komplett durch
eine Web 2.0 Anwendung ersetzt wird. Die Veränderungen werden daraufhin mit
den Mitteln des soziotechnischen Kerns gedeutet. Anschließend finden eine Erklärung der beobachteten Verhaltensweisen politischer Parteien und abschließend eine
Bewertung mit den Mitteln der deliberativen Demokratie statt.
Szenario 1
Die Art und Weise, wie ein Parteitag normalerweise stattfindet, wird in Kapitel 3.3.1
am Beispiel eines SPD-Parteitags ausführlich dargestellt. Es sollen nun die wichtigsten Akteure mit ihren jeweiligen Interessen und im Anschluss die benutzten Medien
und Kommunikationswege dargestellt werden. Der Fokus wird hierbei auf den Parteitag selbst gelegt.
Akteure und Interessen:
Die Akteurskonstellation stellt sich im Grundsatz ähnlich dar wie bei der oben analysierten Entwicklung langfristiger politischer Visionen. Als individuelle Akteure auf
60
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
einem Parteitag treten insbesondere die einfachen Parteitagsdelegierten sowie Amtsträger auf. Hierbei handelt es sich um Parteimitglieder, die in irgend einer Weise eine
herausgehobene Position haben. Sei es, dass sie Teil des jeweiligen Parteivorstands
sind oder Abgeordnete in einem Parlament. Die innerparteilichen formellen und informellen kollektiven Akteure, wie Fach- und Interessengruppen, spielen natürlich
auch auf Parteitagen eine große Rolle. Durch die Geschäftsordnung bestimmte Akteure, wie die Sitzungsleitung und verschiedene Kommissionen, die wichtigste ist sicherlich die Antragskommission, kommen hingegen neu hinzu. Die externen Akteure
wirken selbstverständlich auch weiterhin auf den Parteitag ein. Ihr Einfluss wirkt allerdings eher über die Meinungsbildung der Delegierten und weniger direkt wie im
Fall der Entwicklung politischer Visionen.
Von der Interessenlage her gilt für die internen individuellen Akteure, wie bei der politischen Vision auch, dass sie bestimmte inhaltliche Interessen haben, daneben aber
insbesondere bei Amtsträgern auch der Wunsch vorhanden ist, die eigene Person zu
fördern. Ein weiteres Interesse kann auch hier darin liegen, als Lobbyist im Sinne
eines externen Akteurs zu handeln. Bei den Delegierten kommt hinzu, dass sie in ihrer Funktion als Delegierte eines Gebietsverbands oder einer anderen parteiinternen
Gruppe die Interessen dieser Gruppe zu vertreten haben.
Die Interessen externer Akteure liegen vor allem bei zivilgesellchaftlichen Akteuren
in der Durchsetzung eigener Ziele. Bürger als externe Akteure haben auch hier das
Motiv, ein passendes ihren Wünschen entsprechendes politisches Angebot zu erhalten. Andere externe Parteiorganisationen haben als Konkurrenten das Interesse, dass
die Partei ihre Interessen möglichst nicht durchsetzen kann und in der Öffentlichkeit
"schlecht da steht".
Medien und Kommunikation:
Die Kommunikation im Vorfeld des Parteitags findet ähnlich wie in Abschnitt 3.2.4
überwiegend One-to-Many per Email und Post statt. Anträge können bis zum einem
gewissen Zeitpunkt eingereicht werden und werden dann an die Delegierten per Post
verschickt.
Auf dem Parteitag selbst findet in der Debatte überwiegend eine Face-to-Face Kommunikation statt. Aber auch hier wird eine Menge Papier in Form von weiteren Anträgen und Ergänzungen produziert. Nicht zuletzt wird auch der Vorschlag der Antragskommission über die Behandlung der Anträge den Delegierten meist schriftlich
vorgelegt. Die Akteurskonstellation ist hier überwiegend Many-to-One. Die Kommunikation zwischen Antragskommission, Sitzungsleitung und Delegierten, die Anträge gestellt haben, erfolgt sowohl Face-to-Face als auch schriftlich One-to-One. Wer
sich zu Tagesordnungen äußern möchte, der muss dies bei der Sitzungsleitung meist
schriftlich One-to-One anzeigen. Neben der formalen Struktur finden natürlich auch
Face-to-Face Gespräche zwischen individuellen und kollektiven Akteuren statt. Der
61
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Einfluss der externen Akteure und insbesondere der Bürger auf den Prozess ist minimal. Zivilgesellschaftliche Akteure können allenfalls im Vorfeld und während des
Parteitags mit Delegierten oder Amtsträgern im direkten Kontakt Face-to-Face sprechen beziehungsweise ihnen One-to-One Stellungnahmen zur Verfügung stellen.
Der Ablauf des Parteitags und die Kommunikationswege sind durch die formale
Struktur der Tagesordnung geprägt. Generell gilt, dass es sich hierbei zwar um eine Konversation handelt, aber sowohl die Interaktivität als auch die Synchronität
eher niedrig sind. Die direkte Reaktion auf Argumente ist nur sehr eingeschränkt
möglich. Allenfalls können durch Beifall oder Unmutsäußerungen Rückkopplungen
an den jeweiligen Redner statt finden. Die Gespräche am Rande des Parteitags, die
eher informellen Charakter haben, bieten hingegen eine sehr interaktive und synchrone Kommunikationsmöglichkeit. Die Kommunikation im Vorweg des Parteitags
hat vor allem den Charakter eines registrativen Prozesses mit geringer Interaktivität
und Synchronität.
Szenario 2
Das Beispiel der Grünen zeigt, dass die komplette Virtualisierung von Parteitagen
bereits im Jahr 2000 technisch möglich war. Elf Jahre später dürften die technischen
Voraussetzungen mit den Mitteln des Web 2.0 und den inzwischen weitgehend sehr
hohen zur Verfügung stehenden Bandbreiten noch weit besser sein.
Dieses Szenario geht davon aus, dass die gesamte Struktur eines Parteitags komplett
durch Web 2.0 ersetzt wird. Hierzu wird eine Plattform bereit gestellt, die ähnlich
wie die in Kapitel 3.2.4 beschriebene auf sehr hohe Multimodalität setzt, also neben
Text auch Videos, Livestreams und Chat über Webcam ermöglicht. Auch hier soll zusätzlich eine Anknüpfung an die sozialen Netzwerke erfolgen, indem beispielsweise
durch eigens dafür entwickelte Facebook-Anwendungen auch die Kommunikation
mit den Mitgliedern dieses Netzwerks ermöglicht wird. Aktuelle Diskussionen und
Video-Stellungnahmen werden automatisch in das Netzwerk gestellt. Die Plattform
integriert zudem gängige Anwendungen aus dem Web 2.0 Cluster "Collaboration",
die es den Mitgliedern ermöglichen, kollektiv vor allem an Texten zu arbeiten. Ein
Beispiel für diesen Bereich sind die Anwendungen der Firma Zoho.com.14 und Google15 sowie die Mind-Mapping Tools Mindmeister16 und Mindomo17 .
Die zeitliche Entgrenzung des neuen Mediums wird genutzt, um die Web 2.0 Anwendung zu einer ständigen Institution zu machen und nur für die Abstimmungen
14
http://www.zoho.com/, Stand 17. April 2011.
http://www.docs.google.com/, Stand 17. April 2011.
16
http://www.mindmeister.com/de, Stand 17. April 2011.
17
http://www.mindomo.com/, Stand 17. April 2011.
15
62
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
bestimmte zeitliche Fristen zu setzen.
Akteure und Interessen:
Neue Akteure treten im Vergleich zum ersten Szenario nicht auf und auch die Interessen der Beteiligten ändern sich nicht durch die Virtualisierung des Parteitags.
Medien und Kommunikation:
Die Kommunikation ändert sich hingegen fundamental durch den Ersatz des Parteitags durch Web 2.0. Das neue Medium integriert die verschiedenen Kommunikationsströme ähnlich wie in Abschnitt 3.2.4 beschrieben. Zusätzlich kommt hier allerdings hinzu, dass die ehemals nur indirekt vorhandene Kommunikation zwischen
externen und internen Akteuren überhaupt erst wirklich ermöglicht wird. Ähnlich
wie im Falle der Entwicklung politischer Visionen könnten auch hier die Interessen
der Bürger überhaupt das erste Mal wirklich artikuliert werden. Es gilt auch hier, dass
das Web 2.0 Medium je nach Einsatzkontext sowohl synchrone als auch asynchrone,
hoch-interaktive Kommunikation ermöglicht.
Die realweltlich vorhandenen starren Strukturen insbesondere durch Geschäfts- und
Tagesordnungen sind der Tatsache geschuldet, dass dem Prozess sowohl zeitliche als
auch räumliche Grenzen gesetzt sind. Die starre Struktur soll gewährleisten, dass das
Verfahren möglichst demokratisch abläuft und bei den gegebenen Bedingungen ein
optimales Ergebnis erreicht wird. Mit der räumlichen und zeitlichen Entgrenzung
durch Web 2.0 fallen diese Notwendigkeiten allerdings weg. Sie sind in diesem Sinne vorläufige Formalisierungslücken. In diesem Fall würden sogar neue Freiräume
für den kommunikativen Austausch geschaffen, da sich beispielsweise mehr Leute
alleine deswegen beteiligen könnten, weil eben nicht nur eine begrenzte Anzahl an
Delegierten an dem Parteitag teilnimmt sondern im besten Fall die gesamte Mitgliedschaft und auch interessierte Teile der Gesellschaft.
Weitere Anhaltspunkte für Veränderungen bei der De- und Rekontextualisierung ergeben sich aus der Analyse des "virtuellen Parteitags" von Bündnis 90/Die Grünen.
So stellt Westermayer eine Reihe von Unterschieden zwischen den Logiken eines herkömmlichen und eines "virtuellen" Parteitags fest (vgl. [Wes01], S. 77). Es stellt sich
heraus, dass der Diskussionsprozess inklusive der Ergebnisse relativ verlustfrei möglich war. Nichtsdestotrotz fehlten insbesondere die sekundären Effekte eines Parteitags, wie Stimmung, "große Reden", Atmosphäre, Inszenierungen und die parteiinterne Kommunikation in Form des Aufbaus sozialer Kontakte und der politischen
Sozialisation. Allerdings verschwanden die bereits vorher möglicherweise vorhandenen realen sozialen Beziehungen zwischen den Delegierten des Parteitags nicht.
Insbesondere bei erfahrenen und gut vernetzten Parteimitgliedern wurde die Hürde,
Absprachen am Rande des Parteitags zu treffen zwar erhöht. Aber gerade hier war
noch am ehesten zu erwarten, dass per Email oder Telefon Nebengespräche stattfan-
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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
den. Für neue oder wenig vernetzte Parteitagsdelegierte wurde dies umso schwieriger. Die Leichtigkeit, einfach Jemanden anzusprechen oder um Rat zu fragen, zu
begrüßen, nach seiner Meinung zu fragen, ins Gespräch zu kommen oder zu beobachten fehlte fast völlig. Dies hatte auch große Auswirkungen auf die Steuerbarkeit
und die Machtverhältnisse auf dem Parteitag. Klüngeleien wurden zwar erschwert
aber gleichzeitig für den normalen Delegierten noch unsichtbarer. Während man auf
einem normalen Parteitag auch als einfacher Delegierter bei aufmerksamer Beobachtung mitbekommen kann, wer mit wem redet, welche Grüppchen und Gruppen zusammen gehören und welche Blocks wie abstimmen, war dies auf dem virtuellen
Parteitag völlig unsichtbar. Ebenso ist das Verhalten der Parteilelite nicht mehr beobachtbar ([Wes01], S. 78 f.).
Die Logik des "virtuellen Parteitags" der Grünen wurde stark durch die konkrete
technische Umsetzung determiniert. So determinierte die Wahl der Anwendungen
als oberste technische Realisierungssschicht insbesondere die virtuelle Identität der
Teilnehmer. So hatte beispielsweise die Entscheidung darüber, ob Avatare oder Fotos
als Identifikationsmerkmal für Beiträge genutzt werden können große Auswirkungen auf das Verhalten der Delegierten untereinander. Eine Web 2.0 Anwendung für
diesen Kontext muss dies berücksichtigen.
Es ergeben sich insgesamt vor allem folgende vorläufige Formalisierungslücken, die
größtenteils denen aus Kapitel 3.2.4 ähneln:
• Zeitliche Entgrenzung ermöglicht es, die Zeiträume für Debatten großzügiger
zu gestalten.
• Die räumliche Kopräsenz kann aufgehoben und dadurch die Beteiligungsbasis
erhöht werden.
• Die starke Strukturierung des Parteitags durch Geschäftsordnung und Tagesordnung kann vermindert werden.
• Die Kontrolle der Debatte kann auch hier formalisiert werden.
Notwendige Formalisierungslücken sind:
• Anträge an den Parteitag müssen in kreativen Freiräumen weiter von Menschen
erarbeitet werden.
• Rechtliche Rahmenbedingungen und Datenschutz sind auch hier sicher zu stellen.
• Offlinern muss die Möglichkeit gegeben werden, an der politischen Meinungs-
64
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
bildung mitzuwirken.
• Der Kontext, in dem Antragsteller stehen, muss deutlich werden. Insbesondere
dürfen sie nicht anonym sein.
• Der Diskussionsprozess muss transparent und übersichtlich gestaltet sein.
Erklärung
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Einstellung der internen Akteure, die von der bisherigen Kommunikationsstruktur möglicherweise profitiert haben. Jede Veränderung
der Kommunikationsstruktur birgt für sie die Gefahr, dass ihr politischer Einfluss
sinkt. Beispielsweise sieht ein guter Redner möglicherweise die Gefahr, dass er im zumindest teilweise sehr textlastigem Internet seine Potentiale nicht ausspielen kann.
Aus Sicht des Neoinstitutionalismus sind Gründe für die Ähnlichkeiten von Parteitagen verschiedener Parteien, was den strukturellen Aufbau betrifft, vor allem in regulativen Institutionen zu sehen, die über Gesetze und Normen gewisse Standards für
die Durchführung von Parteitagen setzen. Zudem werden vor allem neu entstehende Parteien sich auf Grund von Unsicherheit an den etablierten Parteien orientieren.
Dies entspricht einer mimetischen Isomorphie.
Eine normative Institution trug mit dazu bei, dass der "virtuelle Parteitag" der Grünen im Jahr 2000 überhaupt durchgeführt wurde: Im Juli 2000 entsteht innerhalb des
Landesverbands Baden-Württemberg von Bündnis 90/Die Grünen die Idee, einen
"virtuellen Parteitag" durchzuführen (vgl. [Wes01], S. 18). Drei persönliche Motive
nennt Marc Mausch als derjenige, der die Idee hatte: Der Partei sollte das Thema
"elektronische Debatte" nahe gebracht werden. Daneben sollte der "virtuelle Parteitag" als Werkzeug angesehen werden, um die Effizienz zu erhöhen und als dritter
Punkt nannte er die Imageförderung. Westermayer schreibt, dass dieses Argument
"wohl für große Teile der Parteielite ausschlaggebend gewesen sei" (vgl. [Wes01], S.
18). Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass die Parteielite offensichtlich bestimmten
Erwartungen, also normativen Institutionen, gerecht werden wollte um so ein positiveres Image zu erhalten. Dies wird auch gestützt durch die Äußerung einer Teilnehmerin: "Für B lag das Ziel des Parteitags »in erster Linie . . . in der Außenwirkung,
ähm, nämlich dieses Instrument mal auszuprobieren, [. . . ] und dann sozusagen [. . . ]
zu demonstrieren, dass die Grünen halt nicht technikfeindlich sind«" (vgl. [Wes01], S.
28). Das zweite Motiv der vermeintlichlichen Effizienzsteigerung durch den elektronischen Parteitag kann ebenso als Institution aufgefasst werden. Allerdings eher als
kulturell-kognitive, denn die Annahme, dass durch den Einsatz von Web-Technologie
eine Effizienzsteigerung zu erreichen ist, orientiert sich wahrscheinlich an Organisationsmythen innerhalb des organisationalen Umfeldes. Marc Mausch als damaliger
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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Projektleiter in der Softwarebranche bringt diesen Mythos aus dem unternehmerischen Umfeld in die Sphäre der politischen Organisationen ein. Die Idee des "virtuellen Parteitags" erreichte auch schnell die Presse und ein sehr hohes Medienecho.
Das wiederum machte den politischen Entscheidungsträgern einen Rückzug ohne
Gesichtsverlust praktisch unmöglich.
Bewertung
Aus Sicht der deliberativen Demokratie ist das Ziel innerparteilicher Willensbildung
in erster Linie in Beschlüssen zu sehen, die möglichst breit und "auf Augenhöhe"
diskutiert wurden. Von dieser Warte aus gesehen stellt Szenario 2 eine deutliche Verbesserung zum herkömmlichen Verfahren dar. Im folgenden werden die fünf Forderungen an einen deliberativen Diskurs (vgl. 2.6) im Bezug auf die beiden Szenarien
etwas genauer beleuchtet:
Die Einbindung einer möglichst großen Zahl von Betroffenen bedeutet hier insbesondere die Einbindung möglichst vieler Parteimitglieder. Diese Bedingung kann ein
virtueller Parteitag in einem stärkeren Maße als ein normaler Parteitag erfüllen, weil
keine Kopräsenz erforderlich ist. Außerdem ist es technisch gesehen kein Problem
mehr, eine Web-Platform statt für 200 für 50.000 Menschen zu skalieren. Für normale
Parteitage ist dies auf Grund der insbesondere in Flächenländern oder bei Parteitagen
auf Bundesebene großen Entfernungen und der begrenzten Kapazität des Tagungsortes nicht möglich. Die organisatorische Begründung, ein repräsentatives Delegiertensystem zu verwenden, fällt also weg. Zudem ermöglicht Szenario 2 überhaupt erst
die wirkliche Einbindung externer Akteure als Hauptbetroffene politischer Entscheidungen. Dies stellt qualitativ einen Quantensprung dar.
Die Organisation gleich verteilter und gleich wirksamer Chancen zur Beteiligung
am politischen Prozess stellt sich schon als weit schwieriger dar. Denn die realen
Machtverhältnisse werden durch die Änderung des Mediums nicht negiert. Im Gegenteil können "Klüngelrunden" von der Parteimittgliedschaft weniger gut beobachtet werden. Gleichzeitig bewirkt aber die Verlagerung der Diskussion ins Internet
eine Senkung der Hemmschwelle, sich zu beteiligen. Dieser Effekt kann insbesondere weniger erfahrenen Mitgliedern helfen. Auch kann die weniger starke zeitliche
Begrenzung der Debatten zu einer höheren Beteiligung, vor allem bei Personen, die
auf Grund beruflicher oder privater Angelegenheiten ansonsten keine Möglichkeiten
zur Beteiligung hätten, führen. Bei allen Möglichkeiten, die die neuen Technologien
bieten, gibt es allerdings das große Problem der "Offliner", das vorab unbedingt gelöst werden muss. Die nicht vorhandene Möglichkeit zur Beteiligung stellt eigentlich
ein Ausschlusskriterium für den kompletten Ersatz des herkömmlichen Verfahrens
durch Web 2.0 dar.
66
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Die Herstellung gleichen Stimmrechts für alle Teilnehmer dürfte tendenziell sogar
einfacher herzustellen sein als auf einem realen Parteitag. Dabei ist es aber außerordentlich wichtig, dass die formale Leitung des Parteitags, sofern sie noch benötigt wird, aber insbesondere auch diejenigen, die die technische Überwachung während des Parteitags übernehmen, keinerlei Manipulationsmöglichkeiten haben (vgl.
[Wes01], S. 23). Realisieren ließe sich dies beispielsweise durch eine unabhängige
Kontrolle von Log-Files und völlig transparentes Handeln aller Beteiligten.
Welche großen Oberthemen auf einem Parteitag behandelt werden, liegt meistens in
der Hand des jeweiligen Vorstandes, sei es der Bezirks-, Landes- oder Bundesvorstand der jeweiligen Partei. Formal stimmen die Teilnehmer des Parteitags zwar über
die Tagesordnung ab, es ist aber unüblich, dass diesem Vorschlag nicht gefolgt wird.
Web 2.0 böte auf Grund der fehlenden Notwendigkeit, innerhalb von einem oder
zwei Tagen durch die Tagesordnung zu hetzen, die Möglichkeit, die Agenda des Parteitags bereits im Vorwege unter den Mitgliedern zu diskutieren und abzustimmen.
Rein technisch spräche nichts dagegen, den "Parteitag" als ständige Institution kontinuierlich fortzuführen. Das von der Partei Die Linke in der Programmdebatte (vgl.
3.2.2) eingesetzte Tool wird von Teilen der Piratenpartei bereits auf ähnliche Weise
eingesetzt (vgl. [Pir11]).
Die letzte Forderung von Habermas bezieht sich auf den politischen Diskurs selbst.
Es geht darum, eine ausreichende Informationsbasis für alle Teilnehmer herzustellen, die sachgerechte Entscheidungen ermöglicht. Auch dieser Punkt ist weder in der
realen noch in der virtuellen Welt einfach umzusetzen. In der realen Welt führen insbesondere der Zeitdruck des Parteitags, gezielte Desinformationen und rhetorische
Künste von erfahrenen Debattenrednern aber auch die soziale Situation, die geprägt
ist durch einen gewissen Gruppendruck, dazu, dass das Ziel, gut informierte, sachgerechte und die Lage voll überblickende Entscheidungen zu fällen, erschwert wird.
Diese Punkte verschwinden bei einer Virtualisierung des Parteitags teilweise völlig.
In einer naiven ersten Sichtweise könnte man zu dem Schluss kommen, dass hier nur
die Information im Vordergrund steht. Allerdings bieten auch textbasierte Beiträge
immer noch einen großen Spielraum für rhetorische Finessen. Wichtig ist zudem, dass
die verwendete Platform sicher stellt, dass alle Teilnehmer auf einem Stand sind und
die Debatte nicht zerfasert. Denn wenn sich jeder nur in einem Unterforum mit seinem persönlichen Spezialthema beschäftigt, aber die Gesamtdebatte nicht verfolgt, ist
die Forderung von Habermas in diesem Punkt nicht erfüllt. Korrigiert werden könnte
dies allerdings durch die Anwendung erweitert-repräsentativer Verfahren wie es das
Konzept der Liquid Democracy vorsieht (vgl. [Wik10a]).
67
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
3.3.4. Zusammenfassung
Der Spiegel brachte 2001 das Problem auf den Punkt: "Virtuelle Parteitage - Debatten
ohne Gefühl und Bier" (vgl. [Sei01]). Damit ist auch das große Problem umschrieben,
dass sich ergibt, wenn die innerparteiliche Willensbildung komplett virtualisiert werden würde. Parteien sind auch soziale Gebilde und Web 2.0 kann zwar vieles. Es kann
aber den realen Kontakt nicht ersetzen. Vertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühl
erwachsen auch bei der besten Web 2.0 Anwendung ungleich schwerer im Vergleich
mit realen Treffen.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich die Bedingungen für eine Virtualisierung
der kurz- und mittelfristigen Entscheidungsfindung in politischen Parteien durch die
Möglichkeiten des Web 2.0 verändert haben. Viele der Nachteile, die das erste Experiment der Grünen vor 10 Jahren vor allem auf Grund der damaligen technischen Gegebenheiten hatte, könnten behoben werden. Dabei ist das Design einer "ParteitagsAnwendung" allerdings strikt kundenorientiert zu halten und es müssen die notwendigen Formalisierungslücken bedacht werden.
Zum derzeitigen Zeitpunkt scheint insbesondere wegen des Problems der Offliner
und der rechtlichen Rahmenbedingungen ein kompletter Ersatz normaler Parteitage durch eine Web 2.0 Anwendung wie in Szenario 2 nicht zu empfehlen. Aber gerade wegen der erstmaligen Möglichkeit, überhaupt externe Akteure zu beteiligen,
scheint es Parteien anzuraten zu sein, eine wie in Szenario 2 beschriebene Web 2.0
Anwendung aufzubauen. Sie könnte parallel als Ergänzung zu normalen Parteitagen
laufen und die höchste rechtlich mögliche Verbindlichkeit für die Parteiorganisation
besitzen. Wie diese Anwendung konkret aussehen muss, damit sie die hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, erfüllen kann, ist eine Aufgabe für weitere
Forschungen (vgl. F2.1 in Kapitel 3.8).
3.4. "Man müsste mal...": politische Personalplanung
Der Bereich politischer Personalentwicklung ist ein besonders heikler Punkt bei der
Betrachtung organisatorischer Aufgaben in Parteien. Denn Parteien befinden sich
hier in einem unlösbaren Konflikt zwischen dem Anspruch, demokratischen Grundsätzen genügen zu müssen und einer effektiven Förderung kompetenter Personen.
Die Tatsache, dass die Aufstellung von Kandidaten durch demokratische Mehrheitsentscheidungen in Wahlgremien stattfinden muss, macht eine gesteuerte Personalentwicklung unmöglich. Es stellt sich hier zudem die Machtfrage: Eine gezielte Softwaregestützte Personalentwicklungsplanung, wie sie in großen Unternehmen zu finden
ist, würde bei einer identischen Anwendung in politischen Parteien ein höchst un-
68
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
demokratischer Machtfaktor der jeweiligen Parteiführung sein. Die Anforderungen
an die Personalplanung in politischen Parteien muss deshalb einen anderen Fokus
haben.
Wie Kapitel 2.3 dargelegt, sind zwei der großen Herausforderungen, denen sich politische Parteien in ihrer Organisationswirklichkeit stellen müssen das Freiwilligkeitsproblem und die organisatorischen Anreizschwächen. Beide Probleme lassen sich
wahrscheinlich auch durch die Möglichkeiten des Internets nicht vollständig lösen.
Möglicherweise können sie aber durch Web 2.0 Technologien abgemildert werden.
Im folgenden Abschnitt soll kurz die betriebswirtschaftliche Praxis der Personalplanung dargestellt werden um zu sehen, ob auf einer abstrakten Ebene die dargelegten
Konzeptionen im Grundsatz auch auf eine politische Personalplanung in Parteien
übertragbar sind. Den Abschluss bilden die Analyse dieses organisatorischen Teilbereichs und ein Abschnitt über existierende Web 2.0 Anwendungen und ihr mögliches
Potential für die Verbesserung einer politischen Personalplanung.
3.4.1. Betriebswirtschaftliche und politische Personalplanung
Grundsätzliche Ausführungen zu den Standards betriebswirtschaftlicher Personalplanung finden sich bei Wikipedia (vgl. [Wik10k]) aber auch in betriebswirtschaftlichen Standardwerken (vgl. z.B. [WD05], S. 152-187).
Die betriebswirtschaftliche Personalplanung wird untergliedert in die Personalbedarfsplanung, die Personalbeschaffungsplanung, die Personalabbauplanung, die
Personaleinsatzplanung und die Personalentwicklungsplanung (vgl. [WD05], S.
155):
• Personalbedarfsplanung: Ziel der Personalbedarfsplanung ist es, den Soll- und
Ist-Personalbestand im Hinblick auf das gewünschte zu realisierende Leistungsprogramm zu optimieren.
• Personalbeschaffungsplanung: Eine durch die Personalbedarfsplanung festgestellte Kapazitätslücke in qualitativer, quantitativer, zeitlicher oder örtlicher
Hinsicht soll durch die Personalbeschaffungsplanung geschlossen werden.
• Personalabbauplanung: Eine in der Personalbedarfsplanung ermittelte Überdeckung mit Personal soll durch die Personalabbauplanung aufgelöst werden.
• Personaleinsatzplanung: Die Personaleinsatzplanung wirkt darauf hin, das Personal möglichst effizient den zu erfüllenden Aufgaben zuzuordnen.
69
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
• Personalentwicklungsplanung: Mit Hilfe der Personalentwicklungsplanung
sollen die Fähigkeiten des Personals erhalten und verbessert werden.
Alle Bereiche sind für die Optimierung der personellen Organisationseffizienz politischer Parteien hoch relevant. Aber wie oben bereits ausgeführt, stoßen Parteien hier
insbesondere aus drei Gründen an Grenzen: Die demokratische Grundausrichtung
politischer Parteien, die organisatorischen Anreizschwächen und das Freiwilligkeitsproblem. Bei dem Versuch, die betriebswirtschaftliche Personalplanung auf politische
Parteiorganisationen zu übertragen, ist in einem ersten Schritt zu klären, wie der Begriff "Personal" für politische Parteien konkretisiert werden kann.
Durch die Abgrenzungsprobleme politischer Parteien zu ihrer Umgebung18 , erscheint eine simple Operationalisierung von "Personal" durch die enge Fassung des
Begriffs "Mitglieder" nicht zweckmäßig. Der Begriff "Mitglieder" soll deshalb weiter
gefasst werden und deshalb im Zusammenhang mit der Personalplanung politischer
Parteien sowohl die aktiven, wie auch die passiven Mitglieder beinhalten. Erstere,
weil sie bereits Funktionen ausüben oder zumindest aktiv in irgend einer Weise innerhalb der Partei Aufgaben erfüllen. Die passiven Mitglieder, weil sie durch ihre Mitgliedschaft eine grundsätzliche Sympathie mit den Zielen der Partei zum Ausdruck
bringen und deshalb ein schlummerndes Potential darstellen, das aktiviert werden
kann. Darüber hinaus sollen aber zu den "Mitgliedern" im weiteren Sinne auch diejenigen Personen gezählt werden, die nicht Parteimitglieder sind, aber aktiv Aufgaben
für die Partei übernehmen.
Es ist darüber hinaus zweckmäßig, eine besondere Gruppe von Personen als "Sympathisanten" zu klassifizieren. Diese Personengruppe von Nicht-Parteimitgliedern hat
in der Vergangenheit Aufgaben übernommen, war auf Veranstaltungen oder hat sich
auf irgend eine andere Weise als der Partei nahe stehend gezeigt. Diese Menschen
werden deshalb potentiell leichter für eine Mitarbeit in der jeweiligen Partei zu gewinnen sein.
Die Frage, ob eine Partei zu viele aktive Mitglieder haben kann, soll hier nicht geklärt werden. Fakt ist, dass vor allem die mitgliederstarken Parteien SPD und CDU
in den letzten Jahrzehnten bedeutend an Mitgliedern verloren haben. So hat sich die
Mitgliederzahl der SPD von über 1 Million Mitte der 70’er Jahre auf inzwischen etwas über 500.000 Mitgliedern halbiert (vgl. [Wik11k]). Auch die CDU hat seit Anfang der 80’er Jahre über 200.000 Mitglieder verloren (vgl. [Wik11c]). Da beide großen
Parteien und noch viel mehr die kleineren Parteien von diesen Zahlen weit entfernt
sind, wird postuliert, dass die Parteien auf absehbare Zeit kein Problem mit zu vielen Mitgliedern haben werden. Damit können die Bereiche Personalbedarfsplanung,
Personalbeschaffungsplanung und Personalabbauplanung zusammen gefasst werden zum Bereich Mitgliederwerbungs- und aktivierungsplanung. Personaleinsatz18
siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.3
70
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
planung und Personalentwicklungsplanung behalten als Konzepte weiterhin ihre Bedeutung, sollen hier aber als Mitgliedereinsatzplanung und Mitgliederentwicklungsplanung bezeichnet werden.
Die obigen Ausführungen betreffen diejenigen Personen, die in politischen Parteien ehrenamtlich oder nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung aktiv sind.
Selbstverständlich beschäftigen Parteien auch hauptberufliche Angestellte, für die
die betriebswirtschaftliche Sicht weiterhin ihre Gültigkeit behält. Allerdings ergeben
sich durch das Nebeneinander von hauptberuflich und ehrenamtlich tätigem Personal neue Problemfelder (vgl. hierzu beispielsweise [Kün05]). Der Fokus dieser Arbeit
konzentriert sich allerdings primär auf das ehrenamtliche Personal, weshalb diese
Aspekte ausgeklammert werden sollen.
Eine weitere Besonderheit politischer Parteien ist die parlamentarische Arbeit. Die
gewählten Abgeordneten einer Partei bilden in der Regel in den Kommunal- und
Landesparlamenten sowie im Bundestag und Europaparlament Zusammenschlüsse
ihrer Partei, so genannte Fraktionen (vgl. [Wik10c]). Die Fraktionen nehmen eine Sonderrolle im Gefüge politischer Parteien ein, weil die durch das Volk gewählten Abgeordneten eine gewisse Unabhängigkeit von ihrer Partei genießen. Hinzu kommt,
dass die Finanzierung der Gesamtfraktion für Büro, Mitarbeiter und Fraktionsarbeit
sowie die Diäten beziehungsweise Aufwandsentschädigungen der gewählten Parlamentarier durch den Steuerzahler sicher gestellt werden. Die sich daraus ergebenden
Probleme werden in Abschnitt 3.7 erläutert. An dieser Stelle soll die Mitgliedschaft
in einer Fraktion nur als mögliche Position innerhalb der Mitgliedereinsatz- beziehungsweise Mitgliederentwicklungsplanung angesehen werden. Ein immer mehr an
Bedeutung gewinnender Bereich, der eng mit dem Personalmanagement verknüpft
ist, ist das Wissensmanagement (vgl. [Wik11n]). Also bei politischen Parteien insbesondere das organisierte Weitergeben und die Speicherung von Wissen über politisches Arbeiten.
Dem Freiwilligkeitsproblem und den Anreizschwächen kann eine politische Partei
in erster Linie mit gezielter Motivation begegnen. Als Freiwillige sind die Parteimitglieder in aller Regel intrinsisch motiviert (vgl. [Wik11h]). Das bedeutet, dass sie von
den Zielen der Partei überzeugt sein und insgesamt das Gefühl haben müssen, etwas
Sinnvolles zu tun. Oder wie Wiesendahl es formuliert:
"Aus der Akteursperspektive des freiwilligen Parteimitglieds läßt sich das
dem Handeln zugrundeliegende Individualziel nicht vom Organisationszweck trennen, sondern beide müssen übereinstimmen, zumal die Motivationsgrundlage sonst wegfiele, sich für die Partei einzusetzen." (vgl.
[Wie98], S. 191 f.).
Eine Grundbedingung für eine erfolgreiche Mitgliederentwicklung ist also die For-
71
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
mulierung von Zielen, die mit denen der Parteimitglieder überein stimmen. Diese
Ziele werden in einem innerparteilichen Prozess allerdings auch von den Mitgliedern selbst entwickelt. Somit müssten auf den ersten Blick die Ziele der Partei und
die persönlichen Ziele automatisch im Einklang stehen. Wie in Abschnitt 2.3 ausgeführt wird, reagiert die Parteiorganisation auf ihre organisationalen Schwächen unter anderem mit den Methoden der Unbestimmtheit und der Hypokrisie. Da Parteien
aus sehr verschiedenen Akteuren und Interessengruppen mit ganz unterschiedlichen
Motivationen bestehen, versuchen Parteiorganisationen weitestgehend zu verschleiern, was in ihnen geschieht und warum. Würden diese Differenzen nämlich offen zu
Tage treten, würde eine Klärung notwendig sein, die zu der Demotivation der unterlegenen Gruppe führen könnte (vgl. [Wie98], S. 219 f.). Die Hypokrisie hat dagegen den Zweck, einerseits die Parteimitgliedschaft, andererseits aber auch das Wahlvolk zu befriedigen. Praktisches Handeln insbesondere der Fraktionen auf der einen
Seite und Parteibeschlüsse auf der anderen Seite sind deshalb oft nicht deckungsgleich (vgl. [Wie98], S. 233 f.). Ob und wie Web 2.0 Technologien dieses Problem lösen
können oder ob eine zu große Transparenz hier nicht sogar kontraproduktiv wirken
könnte, wird später im Rahmen der notwendigen und vorläufigen Formalisierungslücken zu klären sein.
Als vorrangige Ziele einer politischen Personalplanung ergeben sich:
• Gewinnung neuer Mitglieder
• Aktivierung von passiven Mitgliedern
• Schulung und Fortbildung von Mitgliedern
• Politisches Wissensmanagement
3.4.2. Nutzung von Web 2.0 Technologie im Personalmanagement
Für das Personalmanagement von Unternehmen attestieren Armutat und Geighardt
Web 2.0 Anwendungen aufgrund der "Grundprinzipien der Selbststeuerung und der
Interaktivität", dass sie "vor allem der Personalentwicklung und dem Wissensmanagement" (vgl. [HH08], S. 90) neue Wege eröffnen. Die Feststellungen im Bezug auf
die Personalrekrutierung sind dagegen kaum anwendbar, weil es sich bei Mitgliederwerbung ja nicht um die Rekrutierung bezahlter und möglichst qualifizierter Arbeitskräfte handelt. Die Mitgliederwerbung hat natürlich auch das Ziel, möglichst
kompetente Menschen zu gewinnen. Ein anderes Ziel ist es aber auch schlicht und
einfach, die Beitragsbasis zu erhöhen. Vor allem aber fehlen politischen Parteien weitgehend die betriebswirtschaftlichen Mechanismen und Anreizsysteme wie insbeson-
72
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
dere eine Entlohnung. Mitgliederwerbung muss deshalb im Web 2.0 anders funktionieren. Bei der Schulung und Fortbildung der Mitglieder sowie dem Wissensmanagement sind betriebswirtschaftliche Systeme dagegen teilweise anwendbar. Für die
Mitgliederschulung- und Fortbildung bieten sich somit interaktive Lernportale mit
Gruppenarbeiten und Videokonferenzen an. Die mediale Aufbereitung durch Audiound Video-Podcasts kann den Lernprozess unterstützen. Die Anforderungen an diejenigen, die diesen Lernprozess begleiten steigen allerdings, weil zu den fachlichen
Fähigkeiten die Fähigkeit zum Umgang mit der Technik kommen muss. Für das Wissensmanagement wird die Nutzung von Wikis vorgeschlagen, wobei hier die Bereitschaft zur Teilung von Wissen über derartige Portale vor allem bei der jüngeren Generatioon gesehen wird (vgl. [HH08], S. 91). Beim politischen Wissensmanagement
in Parteien stellt sich auch die Frage, wie und ob vor allem vertrauliches und für
die Partei essenziell wichtiges Wissen vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden
kann. Diese Probleme entstehen vor allem durch die starke Unschärfe bei der Bestimmung der Parteimitgliedschaft und der Abgrenzung der Parteiorganisation zu ihrem
Umfeld (vgl. Kapitel 2.3).
3.4.3. Analyse
Das politische Personalmanagement als wichtiger Aufgabenbereich politischer Parteien soll im Folgenden nun mit dem in Kapitel 2.7 konkretisierten Mikropolis-Modell
untersucht werden. Dazu werden wieder zwei unterschiedliche Szenarien verglichen. Das erste Szenario geht davon aus, dass politische Parteien hier keinen Gebrauch von Web 2.0 Technologie machen. Im zweiten Szenario setzt die betreffende
Partei ganz gezielt auf Web 2.0 zur Schulung, Entwicklung, Einsatzplanung und Werbung von Mitgliedern. Hier werden dann auch die Unterschiede mit den Mitteln des
soziotechnischen Kerns verdeutlicht und Formalisierungslücken aufgezeigt. Es folgen erklärende Elemente durch die Betrachtung aus Sicht des Neoinstitutionalismus
und der Parteiorganisationstheorie. Abschließend werden die Szenarien mit den Mitteln der deliberativen Demokratie bewertet.
Insgesamt ist für diesen Bereich wenig empirisches Material vorhanden und auch die
Interviews haben relativ wenig ergeben, weil in ihnen der Fokus auf der politischen
Koordination und der Finanzierung lag. Nichtsdestotrotz sollen im Folgenden einige
Punkte zusammen getragen werden.
Szenario 1
Im ersten Szenario werden alleine die herkömmlichen Methoden des politischen Personalmanagements verwendet.
73
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Akteure und Interessen:
Das politische Personalmanagement richtet sich an die eigenen aktiven und passiven
Mitglieder und an die individuellen externen Akteure, hier insbesondere die Sympathisanten. Die Kontrolle über das politische Personalmanagement wird vor allem
von den dafür zuständigen Mitgliedern in den verschiedenen Gebietsverbänden ausgeübt.
Die Interessen der Parteimitglieder und Sympathisaten sind mit Sicherheit äußerst
unterschiedlich. Einige Hinweise auf ihre Motive und Handlungslogiken gibt Wiesendahl (vgl. [Wie98], S. 153 ff.). Genauere Ausführungen hierzu finden sich in Kapitel 3.6.2.
Medien und Kommunikation:
Aktionen, die als Hauptzweck die Werbung neuer Mitglieder haben, finden in Parteien relativ selten statt. Höchstwahrscheinlich wird die Mitgliederwerbung eher als
Nebenprodukt der allgemeinen politischen Arbeit und insbesondere des Politmarketings abfallen. Dies scheint auch sinnvoll, weil es im Grunde ja darum geht, Menschen mit inhaltlichen Positionen der Partei zu überzeugen. So findet sich die Aussage, dass gute Politik auch die beste Mitgliederwerbung ist in den Parteien wieder
(vgl. [Bün07], S. 24). Um hier eine klare Grenze zu ziehen, sollen hier nur Aktivitäten mit dem Hauptzweck der Mitgliederwerbung, -aktivierung und -schulung und
das politische Wissensmanagement betrachtet werden. Klassische Medien sind hier
sicherlich die persönliche Ansprache Face-to-Face, Werbeaktionen über die Massenmedien oder per Postwurfsendung One-to-Many und spezielle Aktionen und Events
mit dem Ziel der Mitgliederwerbung, die auch vorwiegend Face-to-Face funktionieren. Die Mitgliederschulung kann ebenfalls auf Treffen Face-to-Face stattfinden aber
auch über parteiinterne Publikationen One-to-Many. Ein wirkliches Wissensmanagement ist mit diesen Medien allerdings nicht möglich.
Je nachdem, welcher Akteur angesprochen werden soll, kann der Kommunikationsprozess innerhalb des Mikrokontext verlaufen oder ihn über parteieigene beziehungsweise unabhängige Medien verlassen um Sympathisanten zu erreichen. Für
die Mitgliederwerbung und -aktivierung werden vor allem Medien eingesetzt, die
über hohe Synchronität und Interaktivität verfügen. Eine Ausnahme bilden Postwurfsendungen und Massenmedien. Hier sind weder Synchronität noch Interaktivität ausgeprägt und es handelt sich um eine Allokation. Man kann die Hypothese
aufstellen, dass mit den unterschiedlichen Kanälen unterschiedlich motivierte Akteure erreicht werden können. Während die massenmediale Kommunikation eher
Akteure anspricht, die über eine Sponsormitgliedschaft nachdenken (vgl. [Wie98], S.
156), könnten Akteure mit anderen Motivlagen und insbesondere Akteure mit stark
inhaltlichen Motiven, wie die Policy-Aktivisten (vgl. [Wie98], S. 162), am ehesten über
die direkte Ansprache gewonnen werden. Dies kann an dieser Stelle allerdings nicht
74
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
abschließend geklärt werden (vgl. Hypothese H3.1 in Kapitel 3.8).
Kommunikation für Mitgliederschulung und Wissensmanagement wird sicherlich
überwiegend über parteiinterne Publikationen stattfinden. Gegenüber diesen asynchronen, wenig interaktiven und allokativen Kommunikationsformen finden mit Sicherheit nebenher aber auch persönliche Treffen und Schulungen insbesondere für
den Wahlkampf statt, die sich durch höhere Synchronität und Interaktivität auszeichnen. Neben Konversation können sie auch die Machtkonstellationen Registration und
Konsultation aufweisen.
Szenario 2
Zusätzlich zu den klassischen Medien wird nun Web 2.0 eingeführt. Die entsprechenden Ausprägungen konkreter Anwendungen werden weiter unten aufgeführt.
Akteure und Interessen:
Akteure und Interessen bleiben im Großen und Ganzen identisch zum ersten Szenario.
Medien und Kommunikation:
Von den in Kapitel 2.2 identifizierten Clustern können im politischen Personalmanagement insbesondere folgende genutzt werden:
Video: Videoportale wie Clipfish19 , YouTube20 , Sevenload21 können genutzt werden
um gezielt Mitglieder mit unterschiedlichen Motivgruppen für die Parteimitgliedschaft zu interessieren oder passive Mitglieder zu aktivieren. Videoportale funktionieren meistens One-to-Many mit geringer Synchronität und je nachdem, wie stark
Kommentierungen oder Videoantworten möglich sind, mit geringer bis mittlerer Interaktivität. Die Machtkonstellation ist eher allokativ.
Wikis: Wiki-Systeme eignen sich vor allem für die gezielte Bereitstellung von Schulungsmaterial und Informationen für Mitglieder und Aktive. Es wäre beispielsweise
denkbar, bestimmten Mandatsträgern und Kandidaten bei Wahlen über das Wiki Argumenationsweisen oder bestimmte Strategien zur Verfügung zu stellen. Das Portal
kann dann von den Anwendern genutzt werden, um aus diesem ersten Input das
Material weiter zu entwickeln, indem Anmerkungen und Anregungen sowie eigene
19
http://www.clipfish.de, Stand 17. April 2011.
http://www.youtube.com, Stand 17. April 2011.
21
http://de.sevenload.com/, Stand 17. April 2011.
20
75
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Erfahrungen einfließen. Die Machtkonstellation ist eher eine Konversation bei hoher Interaktivität und geringer Synchronität. Die Akteurskonstellation ist Many-toMany.
Forum: Hier gilt Ähnliches wie für die Wiki-Systeme. Auch parteiinterne Foren werden genutzt, um selektiv bestimmte Gruppen zielgerichtet mit Informationen zu versorgen und eine Diskussion zu ermöglichen. Sie bieten sich also ähnlich wie die Wikis
insbesondere für die Mitgliedereinsatz- und Mitgliederentwicklungsplanung sowie
für das politische Wissensmanagement an. Akteurs- und Machtkonstellationen entsprechen denen der Wikis.
Social Networks: Die möglichen Verknüpfungen zwischen Social Networks wie Facebook22 , StudiVZ23 mit der politischen Personalplanung sind groß. Viele der sozialen Netzwerke können inzwischen auf ganz verschiedene Weisen eingesetzt werden.
So bietet Facebook neben einem Terminsystem und gezielter Facebook-interner Werbung auch eine Reihe von Spielen und Gimmicks an, die zur Incentivierung (vgl.
[Wik10e]) genutzt werden könnten. Zudem können zugangsbeschränkte Räume errichtet werden, die für die gezielte Information eingesetzt werden könnten. Problematisch ist hier allerdings die fehlende Kontrolle über das Netzwerk durch die Partei
und dadurch entstehende Probleme bei vertraulichen Informationen insbesondere im
Bereich des Wissensmanagements und der Mitgliederschulung. Soziale Netzwerke
bieten sehr hohe Interaktivität und mittlere bis hohe Synchronität. Die Machtkonstellation entspricht einer Konversation.
Was die Kommunikationswege betrifft, finden sich eine Reihe von Hinweisen dazu in
Kapitel 3.4.2. Aus den Prinzipien der Selbststeuerbarkeit und Interaktivität ergibt sich
auch für das politische Personalmanagement ein Verlust an Kontrolle für die oberen
Führungsschichten und ein mehr an Kontakt auf Augenhöhe. Gerade für politische
Parteien bietet sich hier möglicherweise die Chance, ihre strukturell bedingten Anreizschwächen in gewisser Weise abzumildern und so auch dem Freiwilligkeitsproblem entgegen zu wirken. Der Grund liegt darin, dass durch interaktivere und weniger hierarchisch strukturierte Kommunikationsprozesse die Motivation der Mitglieder erhöht werden könnte. Diese Hypothese bedarf allerdings noch einiger empirischer Untermauerung. Dem Freiwilligkeitsproblem könnte eine zumindest moralisch
stärkere Verbindlichkeit durch eine öffentlichere Erklärung der Bereitschaft zur Mitarbeit entgegen wirken. Diese Hypothesen finden sich auch in Kapitel 3.8 wieder.
Zwei konkrete Vorschläge für Projekte sind parteiinterne Web 2.0-gestützte Schulungsheiten (vgl. [1:75]) und Veranstaltungen beziehungsweise Veranstaltungstreihen, die die Medienkompetenz innerhalb der Partei stärken. Als Beispiel wird die
"Linke Medienakademie" genannt (vgl. [1:75]).
22
23
http://de-de.facebook.com/, Stand 17. April 2011.
http://www.studivz.net/, Stand 17. April 2011.
76
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Welche Ansatzpunkte für Formalisierungslücken lassen sich identifizieren? Zu konstatieren ist in jedem Fall, dass der Bereich der politischen Personalplanung hoch
komplex ist. Aus Wiesendahls Ausführungen lässt sich schließen, dass für die erfolgreiche Gewinnung und Aktivierung neuer Mitglieder Transparenz über die Parteiziele nicht unbedingt von Vorteil ist. Der Schluss liegt nahe, dass es sich eher um
ein Optimierungsproblem handelt mit der Frage: Wie unbestimmt müssen die Parteiziele bei Beibehaltung aller anderen Faktoren gehalten werden, um die Mitgliederzahl zu optimieren? Außerdem fällt als weitere Variable auch die Hypokrisie ins
Gewicht, weil eine optimale Unbestimmtheit eventuell suboptimale Ergebnisse bei
Wahlen hervorruft.
Wie auch in den anderen organisatorischen Teilbereichen ist die Aufhebung räumlicher und zeitlicher Beschränkungen dann kein Problem, wenn sie weitestgehend
ohne den Verlust benötigter Informationen oder sozialer Interaktionen von statten
geht.
Die Mitgliedereinsatz- beziehungsweise Mitgliederentwicklungsplanung darf aus
demokratietheoretischer Sicht keine gezielte Förderung bestimmter Personen beinhalten. Hier geht es insbesondere um die Schulung und Information von interessierten Mitgliedern und Mandatsträgern. Die Entscheidung über die Besetzung von Ämtern ist eine notwendige Formalisierungslücke, die nicht geschlossen werden darf.
Allerdings kann man argumentieren, dass bestimmte Personengruppen, die von der
Mitgliedschaft oder den Wählern in bestimmte Positionen gesetzt wurden, Anspruch
auf mehr Unterstützung haben als Mitglieder ohne derartige Ämter. Problematisch
könnte hier allerdings die Herausbildung von Herrschaftswissen sein, das für einfache Mitglieder eine unnötige Wissenshürde aufbaut und so die Durchlässigkeit
der Parteiebenen für alle Mitglieder erschwert. Es muss also bedacht werden, dass
die Schließung der vorläufigen Formalisierungslücke "Mitgliederinformation" durch
Web 2.0 Technologien nicht mit der Herausbildung von Wissensbarrieren einher gehen sollte.
Erklärung
Ein wichtiger Grund, warum es Widerstände gegen Web 2.0 geben kann, sind die bereits angesprochenen Personen, die auf Grund der herkömmlichen Verfahrensweise
Machtpositionen innerhalb der Organisation haben. Veränderungen, die potentiell zu
einer Schwächung ihrer Machtposition führen, werden von ihrer Seite auf Widerstände stoßen.
Weiterhin scheint generell eine wirkliche, gezielte Personalplanung in politischen
Parteien kaum vorhanden zu sein. Dies erscheint auf den ersten Blick etwas widersprüchlich, stellt doch das politische Personal ein Kernelement des Erfolgs dar. Starke
77
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
regulative und normative Institutionen wirken allerdings auf den Prozess ein. Zum
Einen widerspricht es der demokratischen Verfasstheit politischer Parteien, wenn
Einzelne und sei es auch die gewählte Parteiführung, die völlige Entscheidungshoheit darüber haben, welche Personen auf welche Posten gesetzt werden beziehungsweise welche Personen gefördert werden. Dies ist auch der normative Anspruch, der
von außen an die Partei heran getragen wird und er entspricht höchstwahrscheinlich
auch dem Selbstverständnis der Parteimitglieder. Daneben wirkt die fehlende politische Personalplanung im organisationalen Feld Personalplanung natürlich auch
mimetisch-isomorph. Indem nämlich Personalplanung im Umfeld der Parteien kaum
statt findet, wird dieser Zustand als normal angesehen und nicht weiter hinterfragt.
Bewertung
Aus Sicht der deliberativen Demokratie sind sowohl Hypokrisie als auch Unbestimmtheit problematisch, weil sie der Forderung entgegen wirken, dass die Information derjenigen, die am Prozess beteiligt sind, möglichst groß sein soll (vgl. Kapitel
2.6)
3.4.4. Zusammenfassung
Konkret ist die Erkenntnislage im Bereich der politischen Personalplanung sehr dürftig. Es fehlt hier sowohl an Forschung wie auch an konkreten Fallstudien, wo Parteien
intentional Web 2.0 Technologien für die Mitgliederwerbung einsetzen. Dieser Punkt
scheint meistens eher als Nebenprodukt des Politmarketings anzufallen, dessen primärer Zweck aber die Gewinnung von Unterstützung in der Bevölkerung ist. Hier
ist deshalb weitere Forschung nötig. Auch im Hinblick auf die Frage, welche Web 2.0
Technologien für welchen Zweck der politischen Personalplanung besonders geeignet ist (vgl. F3.4 in Kapitel 3.8).
3.5. Von digitalem Glanzpapier und
Obama-Wahlkampf: Parteien zwischen
Verlautbarung und echter Kommunikation
Anders als die meisten anderen Organisationen sind Parteien besonders stark auf die
öffentliche Meinung angewiesen, denn ihr Erfolg in Form von Wahlergebnissen und
Mitgliederzahlen ist ein direktes Ergebnis der öffentlichen Meinung.
78
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.4.: Eröffnungsdaten virtueller Parteizentralen (Quelle: [Bie01], S. 10)
Es soll im Rahmen dieses Abschnitts nun kurz die Entwicklung der Nutzung von
Webseiten durch politische Parteien dargestellt werden. Im Anschluss wird dann in
einer Analyse die Übertragbarkeit der von vielen Kommentatoren insbesondere in
der Verwendung der neuen Medien als neuartig wahrgenommenen Kampagne von
Barack Obama untersucht. Es folgt eine kurze Betrachtung des Internetportals Abgeordnetenwatch.de als neuartiger durch Bürger geschaffener Kommunikationskanal
zwischen Abgeordneten und Bevölkerung. Den Abschluss bilden eine Analyse der
Erkenntnisse und die Untersuchung bereits existenter Anwendungen im Hinblick
auf ihr Potential für das Politmarketing.
3.5.1. Eine kurze Geschichte der Parteien-Webseite
Einige Mitglieder der Parteien werden, ähnlich wie der Rest der Bevölkerung, Mitte
der 1990’er Jahre damit angefangen haben, Emails und insbesondere auch Webseiten
zu nutzen. Die ARD/ZDF Onlinestudie aus dem Jahr 2008 gibt beispielsweise für das
Jahr 1997 an, dass nur 6,5% aller Deutschen das Internet gelegenlich nutzen. Im Jahr
2000 sind es 28,6% und 2008 65,8% (vgl. [vEF08]).
Wie Abbildung 3.4 auf Seite 78 illustriert, begannen ab 1995 auch die politischen Parteien mit dem Aufbau eigener Internetpräsenzen (vgl. ([Bie01]) S. 10). Eine Studie der
Friedrich-Ebert Stiftung charakterisiert die Entwicklung der Websiten der Parteien
durch die vier Zustände Digitales Glanzpapier, Online Magazin, Virtuelle Parteizentrale
und Politisches Web-Portal (vgl. [Bie01], S. 9).
79
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Das Internetarchiv "Waybackmachine"24 erlaubt es, die Entwicklung der Webauftritte
der politischen Parteien nachzuvollziehen. Die Webseite der CDU präsentiert sich
beispielsweise 1996 in damals auf der Höhe der Zeit erscheinendem Design und
Funktionalität25 . Viel mehr als ein monodirektional funktionierendes Verlautbarungsorgan mit in das Internet gestellten Inhalten bietet sie allerdings nicht. Auch die Internetpräsenz der SPD zeigt sich in einem ähnlich schlichten Gewand ohne großartige
Interaktionsmöglichkeiten26 . Aber schon diese beiden Beispiele bieten bei genauerem Hinsehen interessante Details: So schreibt der damalige SPD-Vorsitzende Oskar
Lafontaine in seinem Grußwort ausdrücklich davon, dass die SPD eine "technologiefreundliche Partei" sei. Und die CDU versucht sich unter dem Punkt "Entertainment"
als "Cyberspace Design Union" darzustellen. Im gleichen Jahr präsentiert sich die
Webseite von Bündnis 90/Die Grünen noch als Hobbyprojekt eines einzelnen Parteimitglieds, das auf der Webseite auch ausdrücklich anmahnt, dass "die in Bonn endlich
in die Pötte" kommen sollen27 .
Insgesamt sind die Webseiten im Jahr 1996 noch geprägt von einer experimentellen
Vorläufigkeit. Ein Dialog zwischen Bürger und Partei, der über ein Gästebuch hinaus geht ist kaum möglich. Den Parteien scheint darüber hinaus auch nicht ganz klar
zu sein, welchen Zweck ihre Webpräsenz erfüllen soll und dass das Medium "Internet" keine digitale Form der analogen Post ist. Das Grußwort des damaligen grünen
Kandidaten Rezzo Schlauch für das Oberbürgermeisteramt in Stuttgart wirkt hölzern
und der weniger förmlichen Umgebung des Internets völlig unangemessen28 .
Im Jahr 2000 zeigt die Webseite der CDU in einem bereits relativ professionell gestalteten Design mit einem Ticker, Hinweisen auf Live-Chats und Termine. Außerdem
findet sich eine Möglichkeit für CDU-Mitglieder, sich in das parteiinterne Netzwerk
"CDUNET" einzuloggen29 . 2006 hat sich das Design von CDU.de zwar weiter verbessert, aber viele neue Funktionalitäten bietet die Seite nicht30 . Eine echte neue Qualität
erreicht die CDU-Seite 2009 mit einem vorgeschalteten Kampagnenportal, von dem
aus der Nutzer schnell zur Parteiseite, das nach wie vor im Stil eines Parteimagazins gehalten ist und insbesondere auch zu den parteirelevanten Web 2.0 Inhalten
kommt31 . Dieses Design ist auch nach wie vor aktuell. Es wurde allerdings um weitere Web 2.0 Angebote wie Facebook und Twitter erweitert32 .
Eine ähnliche Veränderung erfährt die Webseite der zweiten großen deutschen Partei,
24
http://www.archive.org/web/web.php, Stand 17. April 2011.
http://web.archive.org/web/19961031131128/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.
26
http://web.archive.org/web/19961221212345/http://www.spd.de/, Stand 17. April 2011.
27
http://web.archive.org/web/19961105152804/http://www.gruene.de/, Stand 17. April 2011.
28
http://web.archive.org/web/19961029192000/www.ba-wue.gruene.de/stuttgart/rezzo.html,
Stand 17. April 2011.
29
http://web.archive.org/web/20000229201725/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.
30
http://web.archive.org/web/20060824214550/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.
31
http://web.archive.org/web/20090727173011/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.
32
http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.
25
80
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
der SPD33 . Derzeit ist die Einstiegsseite der SPD eine Mischung aus Kampagnen- und
Parteiseite. Insgesamt wirkt alles ein wenig überladen. Dafür werden Facebook und
Twitter direkt eingebunden, um Nachrichten auf die Seite zu platzieren. Beides geht
in der Informationsflut allerdings ein wenig unter.
Erstaunlich ähnlich stellt sich die FDP dar34 . Auch hier findet sich bereits auf der
Einstiegsseite eine Fülle von Informationen.
Bündnis 90/Die Grünen präsentieren sich im Internet derzeit als Kompromiss zwischen dem minimalistischen Einstieg der CDU und der überbordenden Informationsflut von SPD und FDP35 .
Etwas schlichter in der Gestaltung als die anderen Parteien stellt sich Die Linke dar.
Aber auch hier finden sich Verlinkungen zu den sozialen Netzwerken. Insgesamt
wirkt das Design allerdings ein bisschen überholt36 .
Die Webseite der Piratenpartei sticht durch ihr Design als Blog nicht besonders hervor. Eine Verlinkung zu Social Networks fehlt völlig. Allerdings finden sich eine Reihe von Links zu Möglichkeiten, in Wikis und Foren mitzuarbeiten37 .
Grüne, Piratenpartei, SPD und FDP erlauben das Kommentieren von Artikeln. CDU
und Die Linke bieten diese Möglichkeit dagegen nicht.
Abbildung 3.5 auf Seite 81 zeigt die Gestaltung der CDU-Seite 1996. Im Vergleich
dazu die CDU-Einstiegsseite 2006 in Abbildung 3.6 auf Seite 81 und in Abbildung 3.7
auf Seite 82 das heutige Design.
3.5.2. Ja, wir können? Obama-Wahlkampf in Deutschland?
Der als sehr modern wahrgenommene Wahlkampf von Barack Obama sorgte im Vorfeld der Bundestagswahlen 2009 auch bei deutschen Politikern und Parteien für einiges Nachdenken. Der Gedanke, die Konzepte aus dem "Obama-Wahlkampf" auch
in Deutschland einzusetzen lag auf der Hand (vgl. z.B. [Sch09]). Schon ein kurzer
Blick auf die sehr unterschiedlichen politischen Systeme und Kulturen der USA und
Deutschlands wirft allerdings die Frage auf, ob das so einfach möglich ist. Ein wichtiger Unterschied ist beispielsweise die Tatsache, dass US-amerikanische Parteien sehr
33
http://www.spd.de, Stand 17. April 2011.
http://www.liberale.de/, Stand 17. April 2011.
35
http://www.gruene.de/, Stand 17. April 2011.
36
http://www.die-linke.de/, Stand 17. April 2011.
37
http://www.piratenpartei.de/, Stand 17. April 2011.
34
81
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.5.: Webseite der CDU 1996 (Quelle: http://web.archive.org/web/1996
1031131128/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011)
Abbildung 3.6.: Webseite der CDU 2006 (Quelle: http://web.archive.org/web/2006
0824214550/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011)
82
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.7.: Webseite der CDU 2011 (Quelle: http://www.cdu.de/, Stand 17.
April 2011)
lose Verbünde mit wenigen Anhängern darstellen ("skeletal party"), die hauptsächlich zu Wahlen aktiv werden. Deutsche Parteien hingegen haben eine tendenziell viel
höhere Anzahl an formalen Mitgliedern, die auch zwischen Wahlen politische Aktivitäten organisieren. Eine ausführliche Übersicht zu den Unterschieden zwischen
US-amerikanischen und europäischen Parteien findet sich bei Wiesendahl ([Wie98],
S. 62). Der Verdacht liegt also nahe, die reibungslose Übertragbarkeit des "ObamaWahlkampfes" auf Deutschland in Frage zu stellen.
Zuerst sollen aber die wichtigsten Punkte des "Obama-Wahlkampfs" kurz dargestellt
werden (vgl. zum folgenden Abschnitt [Elt10], S. 11-21):
Neben den kurzen, prägnanten Slogans "Change!" und "Yes, we can" und der exzessiven Nutzung der klassischen Medien wie Funk und Fernsehen setzte Obama wie kein
Politiker vor ihm auf die Nutzung der neuen Medien. Neben seiner Webpräsenz unter www.mybarackobama.com gab und gibt es mehr als 80 Profile in virtuellen Netzwerken. Facebook, Twitter, Youtube, Myspace oder Flickr sind dabei sicherlich einige
der bekanntesten. Dabei schaffte es Obama, sich glaubhaft als Nutzer der neuen Technologien darzustellen. Etwas, was seinem Kontrahenten McCain nicht annähernd in
diesem Maße gelang. Obama und Twitter war eine glaubwürdige Kombination. Auch
bei der Wahlkampffinanzierung erreichte Obama mit 3,7 Millionen Spendern mehr
als das vierfache seines Kontrahenten McCain. Den Großteil der Spenden machten
allerdings auch bei Obama Großspenden von Unternehmen aus. Die verbreitete Ansicht, Obamas Wahlkampf wäre nur durch die Kleinspenden bezahlt worden ist weit
übertrieben. Insbesondere gelang Obama allerdings durch eine gekonnte Verzahnung
von Web 2.0 Angeboten und klassischen Medien eine Potenzierung seiner Präsenz
83
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
bei den Wählern: So posteten Unterstützer Videos von Obamas Fernsehansprachen
bei Youtube und diskutierten darüber, was wiederum die klassischen Medien dazu
verleitete, über Obamas Präsenz bei Youtube zu berichten. Anders als McCain gelang es Obama auch, die Webgemeinde selbst stark für sich einzunehmen. Dies ist
insbesondere deshalb von Bedeutung, weil Nutzer des Web 2.0 eine erhöhte Multiplikatorfunktion einnehmen: Sie tauschen sich stärker mit Freunden aus, schreiben
Leserbriefe, kommentieren Nachrichten oder schreiben selber Blogs. Darüber hinaus
sind sie im Mittel jünger als andere Internetnutzer. Diese Multiplikatorfunktion war
insbesondere für den klassischen Straßenwahlkampf bedeutsam. Über das Web 2.0
Angebot von Obamas Webseite konnten sich beispielsweise Unterstützer zu Aktionen vor Ort verabreden. So gelang es, ohne viel Organisationsaufwand mit Hilfe der
Möglichkeiten des Web 2.0, den klassischen Offline-Wahlkampf entscheidend zu verstärken und dezentral durch die Anhänger selbst organisieren zu lassen.
Ist der "Obama-Wahlkampf" auf Deutschland übertragbar und wie lässt sich der
Wahlkampf zu den Bundestagswahlen 2009 in dieser Hinsicht bewerten? Andreas
Elter analysiert dies in seinem bereits oben zitierten Buch "Bierzelt oder Blog?" und
kommt zu dem Fazit, dass die Parteien 2009 zwar die gesamte Klaviatur der Web 2.0
Technologie einsetzten, dies aber aus verschiedenen Gründen (noch) nicht mit der
Omnipräsenz eines "Obama-Wahlkampfes" vergleichbar wäre. Insbesondere die Medienkonvergenz von klassischen und neuen Medien fand nicht in dem Maße statt wie
bei den Präsidentschaftswahlen in den USA.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein Hauptgrund ist darin zu suchen, dass die
Wählerstruktur der USA und Deutschlands sehr unterschiedlich sind: Obama erreichte durch seine Kampagne vor allem die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen, die afroamerikanische Bevölkerung sowie die Latinos. Eine relevante Anzahl Wahlberechtigter aus den beiden letzteren Bereichen gibt es in Deutschland nicht. Und auch die
Alterspyramide spricht eine deutliche Sprache. Denn wenn man davon ausgeht, dass
die "Generation Internet" vor allem die Generation der unter 40-Jährigen ist, dann erreicht diese Bevölkerungsgruppe in Deutschland nur einen Anteil von 30,1 Prozent
der Wahlberechtigten. Selbst wenn man die Gruppe der bis 49-Jährigen dazu nimmt
erreicht diese Gruppe nur knapp 51 Prozent der Wahlberechtigten (vgl. [Elt10], S. 25
ff.). Die Ausgangssituation für einen Web 2.0 Wahlkampf in Deutschland war also
bereits aus demografischer Sicht nicht die beste.
Hinzu kommen die großen Unterschiede der Parteiorganisationen in den USA und
Deutschland, die oben bereits kurz angerissen wurden. Barack Obama nutzte das
Web 2.0, um seine Kampagnenstärke in der Breite zu verstärken und damit lokale Unterstützergruppen erst aufzubauen. Deutsche Parteien zeichnen sich dadurch
aus, dass diese lokale Struktur durch die sehr viel verbindlichere Regelung der formalen Parteimitgliedschaft bereits existiert. Der Aufbau von Mitgliedernetzwerken,
wie beispielsweise des Netzwerks linksaktiv.de der Partei Die Linke, mit lokalen Unterstützergruppen vor Ort als direkte Kopie aus dem Obama-Wahlkampf, stellte im
84
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Grunde eine Parallelorganisation zu bestehenden Strukturen dar.
Ebenso zu bedenken ist die Tatsache, dass die politischen Systeme der USA und
Deutschland grundverschieden sind: Die USA haben ein präsidentielles Regierungssystem mit Mehrheitswahlrecht, das sich auf einen starken Präsidenten konzentriert
(vgl. [Wik10m]). In Deutschland dagegen existiert eine parlamentarische Demokratie
mit Verhältniswahlrecht. Der Kanzler als wichtigster Teil der Exekutive wird hierin
durch das Parlament gewählt. Der Bundespräsident hat weitgehend repräsentative
Aufgaben (vgl. [Wik10b]). Die Präsidentenwahl der USA und die Parlamentswahlen
zum deutschen Bundestag sind also grundverschieden. In Deutschland konkurrierte
2009 eine Vielzahl von Kandidaten in Wahlkreisen und auf Landeslisten um die Sitze
im deutschen Bundestag. In den USA stand ein einziges Amt mit nur zwei aussichtsreichen Kandidaten zur Wahl an.
Darüber hinaus konnte Barack Obama sich auch wegen seines nicht so hohen Alters
und Images glaubhaft als Nutzer der Web 2.0 Technologie verkaufen. Auch hier waren die Voraussetzungen für die Spitzenkandidaten insbesondere von SPD und CDU,
Steinmeier und Merkel, schlechter.
Die Analyse der Parteiaktivitäten im Bundestagswahlkampf 2009 ergibt dann auch
eher das Bild einer noch nicht abgeschlossenen Experimentierphase. Eine einheitliche Strategie mit Web 2.0 Angeboten als elementarem Bestandteil ist bei keiner Partei
erkennbar. Die Präsentation der Webseiten war zwar weitestgehend modern und zeitgemäß, Verlinkungen zu anderen Präsenzen und Mashups wurden intensiv genutzt.
Allerdings fehlte meistens eine klare Strategie, was beispielsweise die Ansprache der
Nutzer betraf. Auf der Webseite der Bundeskanzlerin beispielsweise wurden alle Einträge des Newsblogs in der dritten Person angelegt. Im sozialen Netzwerk meinVZ
dagegen fand eine persönliche Ansprache statt. Das Team von Herausforderer Steinmeier setzte besonders offensichtlich auf die Wiederverwertung von Beiträgen auf
allen Internetpräsenzen. Die Möglichkeiten des Web 2.0 zur zielgruppenspezifischen
Ansprache wurden damit wenig genutzt. Genausowenig wie die Möglichkeiten der
Interaktion zwischen Wähler und Kandidat, die eines der Kernelemente eines Web 2.0
Wahlkampfes sein könnte. Um ein Gesamtbild zu erhalten, müsste aufgrund der Vielzahl lokaler Kandidaten und der Fragmentierung der Parteiorganisation allerdings
eine Gesamtbetrachtung aller Kandidatenwebsites gemacht werden. Diese existiert
bisher nicht. Auch die Auswirkungen der losen Kopplung der Parteiorganisationsfragmente untereinander auf ein einheitliches Erscheinungsbild im Internet wäre ein
interessanter Forschungsgegenstand. Als ein Schlaglicht kann hier die Webpräsenz
des damaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering gelten. Weder seine als Blog
präsentierte Webseite noch sein Auftritt bei Facebook waren besonders aktuell gehalten. Seine auffällig aktive Präsenz bei Twitter stellte sich nachträglich als Fake heraus
(vgl. [Elt10], S. 41 ff.).
Auch die Spitzenkandidaten der damaligen Oppositionsparteien FDP, Grüne und der
85
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Linkspartei präsentierten sich bis auf Ausnahmen auf den ersten Blick weitestgehend
zeitgemäß und angemessen. Aber auch hier fehlte ein einheitliches Bild in der Ansprache des Wählers (vgl. z.B. [Elt10], S. 53). Die Internetpräsenzen der Parteien selbst
bestätigten dieses Bild. Sie waren meist modern konzipiert und gestaltet, es wurde
unter anderem mit Mashups auf Präsenzen in sozialen Netzwerken verwiesen. Aber
auch hier fehlte es teilweise an Aktualität und der Bereitschaft, mit Interessierten in
einen Diskussionsprozess einzusteigen. Besonders offensichtlich wurde dies bei der
Konzeption der sozialen Netzwerke, die die Parteien selbst aufgebaut haben. So richtet sich die Community meinespd.net beispielsweise explizit an Mitglieder und Sympathisanten, nicht aber an interessierte Wähler. Die FDP hatte augenscheinlich die
Potentiale des Web 2.0 erkannt und konzipierte ihre Community mitmachen.fdp.de
gezielt auch für interessierte Bürger. Allerdings ließ hier die Interaktivität zu wünschen übrig (vgl. [Elt10], S. 65-68).
Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass die deutschen Parteien und Kandidaten die Potentiale der neuen Möglichkeiten des Web 2.0 erkannt haben. Allerdings
strahlen viele Angebote noch eine fehlende Professionalität aus und orientieren sich
zu stark am amerikanischen Vorbild. Eine Übersetzung auf die bundesdeutschen Verhältnisse und Bedürfnisse findet noch kaum statt.
3.5.3. Der Bürger als lästiger Bittsteller? Das Projekt
Abgeordnetenwatch
Seit dem 8. Dezember 2004 existiert mit dem Internetportal Abgeordnetenwatch.de
ein Projekt, das von Bürgern und zivilgesellschaftlichen Akteuren ins Leben gerufen wurde, um eine transparente und dokumentierte Diskussion zwischen Bürgern
und Abgeordneten sicher zu stellen. Das Projekt finanziert sich weitestgehend aus
Spenden und bezeichnet sich als parteipolitisch unabhängig (vgl. [Sch10b], S. 7 f.). Im
Gegensatz zur bisher betrachteten Nutzung der neuen Technologien kommt hier die
Kommunikationsanfrage von außen an die Parteiorganisation heran. Diese kann sie
allerdings nicht so ohne weiteres ignorieren.
Darüber hinaus ist zu erwarten, dass das Nachrücken jüngerer und damit tendenziell internetaffinerer Menschen in die Parteiorganisation ebenso zu einer verstärkten
Nutzung des Portals führen wird. Die neuen Medien werden mehr und mehr zu einer Selbstverständlichkeit(vgl. [Sch10b], S. 11 f.). Der Versuch einzelner Abgeordneter beziehungsweise ganzer Fragmente von Parteiorganisationen, sich der Diskussion
auf dem Portal zu verweigern, stößt auf teilweise sehr heftige öffentliche Kritik (vgl.
[Sch10b], S. 14).
86
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
3.5.4. Analyse
Für den Bereich des Politmarketings sollen nun zwei Szenarien entworfen werden,
um die Unterschiede zwischen regulärer Parteienwerbung und "Politmarketing 2.0"
deutlich zu machen. Den Rahmen für die Analyse bildet auch hier das in Kapitel 2.7
konkretisierte Mikropolis-Modells. Anschließend folgen erklärende und bewertende
Elemente.
Szenario 1
Um die Unterschiede zur Nutzung von Web 2.0 deutlich zu machen wird in diesem
Szenario davon ausgegangen, dass die betreffende Partei Web 2.0 noch nicht einsetzt.
Bis auf eine Webpräsenz als "digitalem Glanzpapier" setzt sie nur auf herkömmliche Marketinginstrumente. Und auch die externen Akteure nutzen die Möglichkeiten
nicht, um mit den Parteien zu kommunizieren.
Akteure und Interessen:
In diesem organisatorischen Feld treten die innerparteilichen Akteure mehr oder weniger in den Hintergrund und die Partei agiert größtenteils als ein kollektiver Akteur, der sich in der innerparteilichen Willensbildung auf bestimmte gemeinsame politische Ziele verständigt hat, die von der übergroßen Mehrheit der Parteimitglieder
auch so vertreten werden. Tätig werden die innerparteilichen Akteure natürlich weiterhin selbständig und insbesondere die Gebietsverbände werden sicherlich unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Insgesamt kann die betrachtete Partei für diesen
organisatorischen Teilbereich allerdings als ein einziger kollektiver Akteur betrachtet
werden, der mit den externen Akteuren im Makrokontext kommuniziert. Die externen Akteure sind die bereits in Kapitel 2.1 identifizierten besonderen Akteure in Form
von zivilgesellschaftlichen Akteuren und Bürgern.
Die Interessen der Akteure sind im Politmarketing relativ eindeutig verteilt. Die Parteiorganissation hat das Interesse, die Einstellung der Bürger zur Partei positiv zu
beeinflussen. Einerseits, um ihre Unterstützung bei Wahlen zu gewinnen und andererseits um Mitglieder für die Parteiorganisation zu rekrutieren. Die zivilgesellschaftlichen Akteure können hier als wichtige Multiplikatoren angesehen werden, über
die Parteien die Mitglieder der jeweiligen externen Organisation erreichen können.
Für diesen organisatorischen Teilbereich haben sowohl die überindividuellen zivilgesellschaftlichen Akteure als auch die Bürger als individuelle Akteure das Interesse,
Informationen über die politischen Ziele der Parteien zu erhalten um dann eine informierte Entscheidung über die politische Unterstützung treffen zu können. Sei es,
indem sie die jeweilige Partei finanziell unterstützen als auch indem sie sie wählen
87
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
oder sogar beitreten und im Fall der zivilgesellschaftlichen Akteure sogar öffentlich
ihre Unterstützung bekunden.
Medien und Kommunikation:
Die eingesetzten Medien sind vor allem die Massenmedien, die über Pressearbeit
oder Anzeigen angesprochen werden und in der Akteurskonstellation One-to-Many
funktionieren. Daneben stehen die parteieigenen Publikationen wie Flyer, Plakate
und Zeitungen, die ebenfalls von der Akteurskonstellation her One-to-Many arbeiten sowie eine Fülle von parteieigenem Werbematerial vom Bleistift über Kaffeebecher bis zur Strandsandale38 . Daneben findet auf Veranstaltungen oder im persönlichen Kontakt, beispielsweise in der Fußgängerzone, eine Face-to-Face Kommunikation statt. Wird die Kommunikation von externen Akteuren angestoßen, nutzen
sie für ihre Kommunikation mit den Parteien überwiegend den persönlichen Kontakt beispielsweise über Bürgergespräche oder den schriftlichen Weg über Brief und
Email.
Die Kommunikationspfade über die parteieigenen Medien und die Massenmedien
haben einen asynchronen, allokativen Charakter. Die Kommunikation wird hier von
der Parteiorganisation als Zentrum befeuert. Der Einfluss auf die unabhängigen Massenmedien ist hierbei relativ gering, bei den parteieigenen Medien sehr hoch. Der persönliche Kontakt "in der Fußgängerzone" hat, sofern tatsächlich Face-to-Face Kommunikation stattfindet und nicht nur Medien verteilt werden, den Charakter einer
hoch interaktiven synchronen Konversation. Bei Veranstaltungen hingegen handelt
es sich je nach Anzahl an Teilnehmern um Kommunikation mit sehr hoher allokativer
Tendenz, geringer Interaktivität und Synchronität. Bürgergespräche, bei denen Politiker als Ansprechpartner für persönliche Gespräche zur Verfügung stehen, sind sehr
stark konsultativ geprägt: Hier fragt die Peripherie gezielt Informationen im Zentrum
ab. Interaktivität und Synchronität sind hierbei hoch.
Szenario 2
Dass folgende Szenario geht nun davon aus, dass die betreffende Partei einen ganz
wesentlichen Teil ihres Marketingbudgets für die Kommunikation über das Web 2.0
einsetzt und umgekehrt die externen Akteure ihrerseits aktiv das Web 2.0 nutzen.
Und zwar nicht nur, indem sie die von der Partei bereit gestellten Plattformen verwenden sondern ihrerseits auch neutrale Anwendungen nutzen, um mit der Partei in
Kontakt zu treten. Die parteieigenen Plattformen sollen hier auch nicht den Kern der
Analyse bilden, denn dies wird in den Kapiteln 3.2.4 und 3.3.3 ausführlicher getan.
38
Weitere Beispiele finden sich in den Internet-shops der Parteien wie dem der CDU unter https://www.shop.cdu.de/main.php, Stand 17. April 2011.
88
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Der Fokus soll hier auf der Nutzung existierender Web 2.0 Anwendungen durch politische Parteien liegen. Die Partei nutzt dafür gezielt und konsequent insbesondere
die folgenden Web 2.0 Cluster:
Video: Verschiedene Videoplattformen wie beispielsweise Myvideo.de39 erlauben es
nicht nur, eigene Videos einzustellen sondern ermöglichen auch die Bewertung und
Kommentierung. Die Partei nutzt dabei die Möglichkeiten, eigene Kanäle auf den
Plattformen einzurichten40 .
Gaming: Es gibt eine Fülle an interaktiven Spielen, die Online gespielt werden können. Dies reicht von häufig kostenlosen Spielen, die über den normalen Webbrowser gespielt werden können41 bis hin zu kommerziellen Spielen, von denen "World of
Warcraft" sicherlich das bekannteste ist42 . Inwieweit politische Werbung dort möglich
und erlaubt ist, ist sicherlich eine andere Frage. Aber einige Spiele haben durchaus
einen direkten Anknüpfungspunkt zur Politik43 .
Pictures: Die Bilderdienste im Internet, zu nennen sind da beispielsweise Flickr.com44
oder Fototalk.de45 , können genutzt werden, um Bildmaterial zur Verfügung zu stellen, welches dann auch bewertet und kommentiert werden kann. Sie können auch
als Zwischenspeicher genutzt werden, um die Bilder dann in anderen Web 2.0 Anwendungen wie Twitter oder den Social Networks zu verlinken. Das Bildmatertial
kann von Veranstaltungsschnappschüssen bis hin zu Fotomontagen des politischen
Gegners oder eingescannten Zeitungsausschnitten reichen.
Social Bookmarks: Dienste wie "Mister Wong"46 , Weblinkr47 oder Del.icio.us48 stellen
auf einer Meta-Ebene Klassifizierungen und Sortierungen der unübersehbaren Fülle an Internetseiten zur Verfügung. Bei del.icio.us beispielsweise werden Websiten
von den Nutzern gespeichert und in bestimmten Kategorien abgelegt. Die Anzahl
an Nutzern, die eine bestimmte Seite empfohlen hat, kann dann als Gradmesser für
die Qualität der Website beziehungsweise deren informativen Gehalt und Relevanz
angesehen werden. Der betreffenden Partei ist daran gelegen, dass ihre Internetangebote hier möglichst gut bewertet werden.
Livestreams: Livestreams und Internet-TV können nicht nur wie in Abschnitt 3.3.3 be39
http://www.myvideo.de, Stand 17. April 2011.
beispielsweise die CDU unter http://www.youtube.com/cdutv, Stand 17. April 2011.
41
Eine Liste findet sich beispielsweise auf http://www.browsergamesliste.com/browserspiele.php,
Stand 17. April 2011.
42
http://eu.battle.net/wow/de/, Stand 17. April 2011.
43
beispielsweise http://www.powerofpolitics.com/, Stand 17. April 2011.
44
http://www.flickr.com/, Stand 17. April 2011.
45
http://www.fototalk.de/, Stand 17. April 2011.
46
http://www.mister-wong.de/, Stand 17. April 2011.
47
http://weblinkr.com/, Stand 17. April 2011.
48
http://www.delicious.com/, Stand 17. April 2011.
40
89
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
schrieben für die parteiinterne Kommunikation genutzt werden. Sie werden in diesem Szenario gezielt genutzt, um an den klassischen Medien wie Fernsehen vorbei
die Bevölkerung zu erreichen. Allerdings muss hier möglicherweise genau auseinander gehalten werden, welches Ziel verfolgt wird. Im Gegensatz zu den Livestreams von Parteitagen, die für die Masse der Bevölkerung sicherlich eher uninteressant
sind, nutzt sie die Partei hier vor allem dazu, um interessante Aktionen der Partei live
zu übertragen.
Blogs: Der Blog ist eine Form, die es Politikern ermöglicht, ein persönliches InternetTagebuch zu führen und so die Bindung zu den Menschen herzustellen. Plattformen
wie Wordpress49 oder Blogger50 ermöglichen es, teilweise kostenlos und ohne große
Kenntnisse einen persönlichen Blog zu betreiben. Neben Aktualität und Gehalt der
Beiträge ist die Listung in Blog-Communities nützlich, um die Reichweite eines Blogs
zu erhöhen. Auch hier gibt es mehrere Angebote wie die Blog-Communities beziehungsweise Suchangebote Topblogs.de51 oder Bloggerei.de52 . Neben der intensiven
Nutzung von Blogs für die eigene Kommunikation, versucht die Partei auch, existierende Blogs oder blog-ähnliche Webseiten anzusprechen. Zum Beispiel durch das
Kommentieren von Beiträgen. Vor allem die Online-Ausgaben der Printmedien sind
in aller Regel ähnlich wie ein Blog mit Kommentarfunktion aufgebaut. Beispielsweise finden in den Kommentarbereichen von Welt.de53 häufig angeregte Diskussionen
statt. Hier setzt die Partei gezielt an, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen54 .
Micromedia-Dienste: Vor allem Barack Obama ist es zu verdanken, dass mit Twitter55
ein Micromedia-Dienst für das Politmarketing erschlossen wurde. Auch wenn Obama zugegeben hat, selbst nie getwittert zu haben, ist der Dienst doch untrennbar mit
seinem Namen verbunden (vgl. [Foc09]). Ähnlich wie Twitter stellen sich die Dienste
Bleeper.de56 , Plurk.com57 oder Jaiku.com58 dar. Die Partei nutzt Micromedia-Dienste
gezielt, um kurze und knappe Stellungnahmen und Hinweise auf eigene Publikationen oder interessante Webseiten heraus zu geben. Parteimitglieder mit Ämtern oder
Mandaten twittern auch regelmäßig, nutzen den Dienst dabei auch, um über eher
unpolitische Aussagen eine soziale Beziehung zu denjenigen aufzubauen, die ihnen
folgen.
Location based Services: Für die Verknüpfung von realer und virtueller Welt werden
49
http://de.wordpress.com/, Stand 17. April 2011.
https://www.blogger.com/, Stand 17. April 2011.
51
http://www.topblogs.de/, Stand 17. April 2011.
52
http://www.bloggerei.de/, Stand 17. April 2011.
53
http://www.welt.de/, Stand 17. April 2011.
54
Dies geschieht natürlich transparent, indem sich die betreffenden Kommentatoren bei Nachfrage als
Parteimitglied zu erkennen geben.
55
http://twitter.com/, Stand 17. April 2011.
56
http://www.bleeper.de/, Stand 17. April 2011.
57
http://www.plurk.com, Stand 17. April 2011.
58
http://www.jaiku.com/, Stand 17. April 2011.
50
90
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
ganz gezielt Dienste wie Foursquare.com59 , Whrrl.com60 , oder tellmewhere.com61 genutzt. Mit diesen Diensten geben die Mitglieder der Partei, wenn sie es möchten, ihre
GPS-Position bekannt um dann für externe Akteure, die die Dienste nutzen und in
der Nähe sind, ansprechbar zu sein.
Social Networks: Die sozialen Netzwerke stellen einen ganz wesentlichen Teil der
Kommunikation der Partei dar. Nicht nur sind alle relevanten Teilorganisationen der
Partei beispielsweise bei Facebook vertreten. Die Parteien nutzen auch ganz gezielt
die Möglichkeiten, die sich über die offenen Programmierschnittstellen bieten, eigene
Anwendungen in das Netzwerk einzubauen.
Reputation-Dienste: Bei den Diensten aus diesem Cluster geht es vornehmlich darum,
eine Darstellung der eigenen Person zu bieten und Informationen aus dem Internet
an einem Ort zu bündeln. Das Portal yasni.de62 beispielsweise ermöglicht es, eine eigene virtuelle Präsenz aufzubauen. Als Mehrwert können durch den Nutzer selektiv
Fundstellen aus dem Internet der Präsenz zugeordnet werden. Ähnlich arbeiten die
Dienste Webmii.com63 oder Pipl.com64 , die zu einer Person alle Fundstellen im Internet heraussuchen. Diese Dienste können als virtueller Steckbrief interessant sein und
um schnell zu ermitteln, welche Reputation eine bestimmte Person im Internet hat.
Für die Partei ist es hier ähnlich wie bei den Social Bookmarks wichtig, möglichst
weit oben in der Rangfolge zu stehen.
Darüber hinaus nutzen die Bürger und zivilgesellschaftlichen Akteure gezielt unabhängige Anwendungen wie beispielsweise Abgeordnetenwatch.de, um mit der Politik in Kontakt zu treten.
Akteure und Interessen:
Es erscheinen auch hier durch die Möglichkeiten des Web 2.0 keine neuen Akteure
auf der Bildfläche. Auch die Interessen der Beteiligten ändern sich durch Web 2.0
nicht.
Medien und Kommunikation:
Die nun verwendeten gängigen Web 2.0 Anwendungen sind im Hinblick auf die Akteurskonstellation äußerst vielfältig. One-to-Many Konfigurationen finden sich vor
allem bei Blogs, Videos, Livestreams, Reputation- und Micromedia-Diensten. Abgeordnetenwatch.de und ähnliche Web 2.0 Anwendungen hingegen funktionieren vor
59
http://foursquare.com/, Stand 17. April 2011.
http://whrrl.com/, Stand 17. April 2011.
61
http://tellmewhere.com/, Stand 17. April 2011.
62
http://www.yasni.de/, Stand 17. April 2011.
63
http://www.webmii.com, Stand 17. April 2011.
64
http://www.pipl.com, Stand 17. April 2011.
60
91
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
allem Many-to-One. Location-based-Services haben sowohl Aspekte einer One-toOne als auch einer Face-to-Face Kommunikation. Die sozialen Netzwerke schließlich
sind sehr variabel. Sie ermöglichen die klassische Kombination One-to-Many durch
Einstellung von Statusupdates. Es ist aber auf dem Rückkanal auch eine Many-toOne und durch die beispielsweise bei Facebook eingebauten Möglichkeiten von privaten Chats auch eine One-to-One Kombination möglich.
Bei den herkömmlichen Medien ergibt sich für die Kommunikationsbeziehung ein
entscheidender Nachteil: Der überwiegende Teil hat den Charakter von Allokution
und die vorhandenen Medien zur Konversation und Konsultation sind durch den
persönlichen Kontakt, den die Kopräsenz verlangt, mit hohem Aufwand verbunden.
Die unterschiedlichen Web 2.0 Medien können dieses Manko zumindest teilweise
aufheben. Denn neben den sehr vielfältigen Akteurskonstellationen bieten auch die
anderen Kommunikationsdimensionen ein äußerst differenziertes Bild. Bei Blogs und
Reputation-Diensten dominieren allokative Aspekte. Micromedia-Dienste hingegen
können sowohl für Allokution als auch für Konsultation genutzt werden. Die Interaktivität ist gerade bei den Micromedia-Diensten relativ niedrig. Chats über soziale
Netzwerke, wo auch auf gemeinsames Kontextwissen zurück gegriffen werden kann,
zeichnen sich hingegen durch hohe Interaktivität aus. Die meisten Medien funktionieren vor allem asynchron. Einzig die beschriebenen Chats und in begrenzter Weise
auch das Kommentieren von Beiträgen bei Facebook hat teilweise synchrone Aspekte.
Eine ganz wichtige Veränderung durch die De- und Rekontextualisierung ist die Aufhebung von Beschränkungen der Kopräsenz. Das Aufstellen von Ständen in Fußgängerzonen, die Organisation des benötigten Materials, die Terminabsprache der Teilnehmer, die Einholung benötigter Genehmigungen durch die Verwaltung und die
teilweise vorhandenen Hemmschwellen von Parteimitgliedern, in einer Fußgängerzone gezielt für die Partei zu werben und auch kompetent Rede und Antwort zu stehen, sorgen für einen sehr hohen Aufwand in der Organisation und Durchführung.
Bei Web 2.0 ist dieser Aufwand sehr viel geringer und es kann sehr viel spontaner
vorgegangen werden.
Die Kanalbeschränkung netzbasierter Kommunikation hat aber auch Veränderungen
zur Folge, die Probleme und Fragen aufwerfen. Denn das Ziel des Politmarketings
ist es ja neben der Information über die Ziele der Partei, auch Sympathie und Vertrauen dafür zu gewinnen, diese Ziele auch kompetent umsetzen zu können. Durch
die Kanalbeschränkung beraubt sich die Parteiorganisation in diesem Szenario aber
wegen der fast vollständigen Fokussierung auf Web 2.0 vor allem der Möglichkeiten, Sympathie und Vertrauen aufzubauen. Und ob der Eindruck ähnlich bleibend ist
wie in realen Gesprächen darf auch bezweifelt werden. Des Weiteren können zwar
neue Gruppen erreicht werden, aber daneben werden diejenigen externen Akteure
vernachlässigt, die nicht Teil der Netzgemeinde sind.
92
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Die Kommunikation insgesamt verläuft im Vergleich zu den Massenmedien oder parteieigenen Publikationen sehr viel unmittelbarer. Mit dem vermeintlichen Nachteil
allerdings, dass, wer sich auf eine Konversation einlässt, auch damit rechnen muss,
dass die Gegenseite antwortet und das eventuell auch kritisch. Die Nutzung von Web
2.0 macht deshalb nur Sinn, wenn die Parteiorganisation auch bereit ist, sich auf eine
Konversation einzulassen. Ansonsten sind eher negative Effekte zu erwarten. Dieser
Hypothese müsste im Rahmen weiterer Forschung aber noch intensiver nachgegangen werden (vgl. H4.1 in Kapitel 3.8)
Nicht ausweichen kann die Partei den Anfragen, die über unabhängige Web 2.0 Anwendungen an die Politik herangetragen werden. Eine Verweigerung, beispielsweise
bei Abgeordnetenwatch.de Fragen zu beantworten kann nicht nur den Fragesteller
selber und andere interessierte Nutzer verärgern sondern daneben auch negative Berichterstattung in den klassischen Medien zur Folge haben.
Es ergeben sich einige Ansatzpunkt für vorläufige Formalisierungslücken:
• Auch im Politmarketing können ähnlich wie bei den innerparteilichen Prozessen die räumliche und die zeitliche Kopräsenz aufgehoben werden. So kann
auch ein Politiker seine Zeit effektiver nutzen, indem er beispielsweise tagsüber den direkten Kontakt zur Bevölkerung sucht und abends Emails beantwortet (vgl. [HH08], S. 9 ff.). Durch die Nutzung von "Ubiquitous Computing"
(vgl. [Wik10n]), beispielsweise durch das iPhone, können auch Busfahrten zur
Kommunikation im Netz genutzt werden. Der Politiker ist überall und jederzeit
vernetzt und erreichbar.
• Ebenso kann die Kontrolle über die Bestimmung des jeweiligen Themas abgegeben werden. Beispielsweise könnte die Reihenfolge von Beiträgen auf Webseiten nach der Anzahl der Leser sortiert werden.
• Die Beschränkungen in der Reichweite traditioneller Medien können aufgehoben werden und die Rolle der traditionellen Medien als "Gatekeeper" zwischen
Politiker und Bevölkerung kann aufgebrochen werden. Die Kommunikation
verläuft direkter und persönlicher (vgl. [HH08], S. 22 f.).
Im Folgenden sind die identifizierten notwendigen Formalisierungslücken dargestellt:
• Die Betroffenen müssen möglichst weitreichend eingebunden werden. Dies wären in diesem Fall alle Bürger.
• Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der Bürger und befragten Politiker sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen insgesamt müssen beachtet werden.
93
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
• Ziel ist die Information von Bürgern über Fakten, Programme und Kandidaten.
Ein wichtiger Aspekt ist hier, dass sich Bürger auch ein Bild von der Persönlichkeit der Politiker machen können und dementsprechend muss die Möglichkeit
zum Aufbau von Sympathie und Vertrauen gegeben sein.
• Der Diskussionsprozess darf nicht zerfasern, wie es Habermas in einer Rede
2006 formulierte65 . Zumindest für den Bereich der Weblogs wird diese These
allerdings zurückgewiesen (vgl. [HH08], S. 40).
• Problematisch ist es auch, wenn bestehende Ungleichheiten beim Zugang zum
deliberativen Diskurs durch Einsatz neuer Technologien verstärkt werden. Für
den Bereich der Weblogs lässt sich dieses Problem bestätigen (vgl. [HH08], S.
40).
Bei allem müssen allerdings die Rahmenbedingungen des parlamentarischen Systems in Deutschland beachtet werden. Die fehlende Übertragbarkeit des ObamaKonzepts auf Deutschland ist ein starkes Indiz dafür.
Erklärung
Es gibt starke Indizien dafür, dass zumindest am Anfang, aber mehr oder weniger
auch bei der Nutzung von Web 2.0, eine starke normative Institution, die man mit
dem Satz "Eine moderne Partei braucht eine Webseite" umschreiben kann, eine Rolle
spielt. Dies führt dazu, dass Web 2.0 häufig ein "Nebenprodukt" des normalen Politmarketings ist und nicht offensiv genutzt wird.
Gerade das Beispiel Abgeordnetenwatch.de aber auch das Unverständnis in der
Netzgemeinde, wenn Parteien Web 2.0 nicht als Dialogmedium nutzen spricht für
einen starken normativen Druck seitens der Bevölkerung. Diese erwartet, dass Politiker und Abgeordnete als ihre Repräsentanten in einen Dialog zu treten haben.
Es gibt einen mimetischen Isomorphieeffekt, der dafür spricht, dass sich Nutzung
und Akzeptanz von Web 2.0 in politischen Parteien verändern wird: Jüngere Mitglieder der Parteien, die langsam nachrücken und aus demographischen Gründen
immer mehr Einfluss erlangen, orientieren sich in ihrem Nutzungsverhalten und ihren Einstellungen auch an ihrer Alstergruppe. Und in dieser ist der Umgang mit Web
2.0 inzwischen selbstverständlich geworden.
65
"Der begrüßenswerte Zuwachs an Egalitarismus, den uns das Internet beschert, wird mit der Dezentrierung der Zugänge zu unredigierten Beiträgen bezahlt. In diesem Medium verlieren die Beiträge
von Intellektuellen die Kraft, einen Fokus zu bilden." (vgl. [Hab06])
94
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Bewertung
Bei der Bewertung der beiden Szenarien kann es in gewisser Weise einen Zielkonflikt
geben. Denn ähnlich wie in anderen organisatorischen Bereichen steht der organisatorischen Effizienz, die hier in der möglichst flächendeckenden und effektiven Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die jeweilige Partei liegt, der Anspruch an
ein deliberatives und über den gesamten politischen Prozess möglichst transparentes
Verfahren gegenüber. An dieser Stelle wird eindeutig ein optimaler demokratischer
Prozess höher eingestuft als organisatorische Optima einzelner Parteien.
Vor allem kann es einen Konflikt im Bezug auf eine ausgewogene Information über
die Ziele der Parteien geben denn Parteien werden im Politmarketing die eigene Position im bestmöglichen und die Position der Gegner in einem möglichst schlechten
Licht darstellen lassen. Dieses Problem existiert allerdings auch ohne den Einsatz von
Web 2.0 Technologie. Web 2.0 kann hier wegen des relativ geringen Aufwands dazu
beitragen, dass auch Positionen, die von eher finanzschwächeren Parteien vertreten
werden, größere Chancen haben, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Web 2.0
sorgt zwar nicht gänzlich für die Erfüllung der fünften Forderung deliberativer Demokratie nach einer gleichen Informationsbasis für alle Beteiligten. Web 2.0 ist aber
als Fortschritt zu sehen, sofern andere Informationsmedien weiterhin bedient werden.
Gerade im Hinblick auf die Entscheidung darüber, was auf der politischen Agenda
steht, sind unabhängige Portale wie Abgeordnetenwatch.de ein Quantensprung. Bisher bestimmten weitestgehend die Massenmedien, wozu sich Politiker äußern konnten und äußern mussten. Hier wird es nun für externe Akteure ermöglicht, selbst Abgeordnete öffentlich zu befragen und eine dokumentierte öffentlich einsehbare Antwort zu erhalten. Diese Forderung an einen deliberativen Prozess wird also mit Web
2.0 besser erfüllt.
Die Einbindung der Betroffenen ist, wie oben bei den Formalisierungslücken bereits
angesprochen, in Szenario 2 zwiespältig zu bewerten und im Sinne deliberativer Demokratie muss eine Partei alle Kanäle nutzen um die externen Akteure einzubinden.
Werden die etablierten Verfahren allerdings weiterhin ausreichend bedient, kann eine
gute Mischung aus Web 2.0 Anwendungen und herkömmlichen Medien die Einbindung weit größerer Teile der Bevölkerung auf weit stärkere und intensivere Weise
ermöglichen, als es im bisherigen Verfahren der Fall ist.
Hierbei ist aus deliberativer Sicht möglichst darauf zu achten, dass Verfahren der
Konversation den registrativen und allokativen Verfahrensweisen vorgezogen werden. Denn sie ermöglichen eher eine gleiche Verteilung der Macht und eine Diskussion auf Augenhöhe.
95
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
3.5.5. Zusammenfassung
Beide Szenarien haben ihre Unzulänglichkeiten. Deshalb sollte eine Partei sowohl aus
der Sicht organisatorischer Effizienz als auch aus einem übergeordneten Blickwinkel
der deliberativen Demokratie eine "gute Mischung" aus herkömmlichen und Web 2.0
Medien wählen. Diese Entscheidung sollte bewusst getroffen werden und nicht wie
offenbar bisher geschehen dem Zufall und der Initiative Einzelner überlassen werden. Am Anfang muss eine Analyse stehen, welche Ziele die Partei bei ihrem Politmarketing genau verfolgen möchte. Der nächste Schritt ist es dann, die etablierten
Verfahren politischen Marketings daraufhin zu überprüfen, ob sie für die Erreichung
dieser Ziele sinnvoll sind und ob sie eventuell durch Web 2.0 ergänzt werden können
beziehungsweise ob sich Anknüpfungspunkte ergeben. An diesem Punkt tauchen
dann Fragestellungen auf wie etwa: "Wie kann ein Infostand im Internet funktionieren?", "Wie können Demonstrationen im Internet organisiert werden und wir dabei
als Partei in Erscheinung treten?" oder "Wir verteilen morgens von 6:00 bis 8:00 500
Parteizeitungen - können wir die gleichen Menschen beziehungsweise die gleiche
Zahl Menschen auch im Internet erreichen?" Alleine diese ersten Fragestellungen zeigen, dass für jeden Fall eine intensive Analyse der Ziele und des Umfeldes nötig ist,
bevor abschließende Antworten gegeben werden können (vgl. F4.2 in Kapitel 3.8).
Wie in den anderen im Hauptteil dieser Arbeit angesprochenen Bereichen der politischen Organisation auch, können gezielt entwickelte, kreative Verbindungen zwischen Web 2.0 und der realen Welt einen großen Mehrwert schaffen. Die Kenntnis
über die Möglichkeiten der neuen Technik ist bei allem allerdings eine Grundvoraussetzung. Die Erhöhung der Medienkompetenz der Mitglieder ist deshalb unabdingbar.
Daneben können aber auch völlig neue Marketingkonzepte entstehen. Beispielsweise könnte die Bildung von Online-Wahlkampfgruppen der Parteien ins Auge gefasst
werden. Durch gemeinsame Aktionen und Informationen könnten diese Gruppen
gezielt die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen, um die politische Meinungsbildung
durch Kommentieren beispielsweise von Zeitungs- oder Blog-artikeln oder der kollektiven Teilnahme an Aktionen in sozialen Netzwerken zu beeinflussen.
Es ist bei allen Aktivitäten aber dringend davon abzuraten, sich blind an vermeintlich erfolgreichen Konzepten wie dem von Obama zu orientieren. Denn die Bedingungen der politischen Auseinandersetzung sind in Deutschland völlig andere und
jede Partei hat darüber hinaus ihre eigenen organisatorischen Stärken, Schwächen
und Eigenheiten, die es zu berücksichtigen gilt.
Aus parteiorganisatorischer Sicht ergibt sich bei der Durchsetzung dieser Konzepte
allerdings wegen der Fragmentierung und der daraus resultierenden Eigenständigkeit verschiedener Teile der Partei ein Problem: Wie kann sich die Partei auf ein Kon-
96
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
zept verständigen, dass dann auch von allen akzeptiert und aktiv mitgetragen wird.
Dieses grundsätzliche Problem wird etwas genauer in Kapitel 3.7 beleuchtet.
3.6. Klingelnde Kassen durch Fundraising im Web?
Wie jede Organisation benötigen auch politische Parteien zur Durchsetzung organisatorischer und ideologischer Ziele finanzielle Mittel. Zwar geschieht in politischen
Parteien vieles ehrenamtlich und unentgeltlich. Aber Plakate müssen gedruckt, Räume angemietet und Telefonrechnungen bezahlt werden. Die Finanzierung ist also eine Basis für viele weitere Aktivitäten. Deshalb sollen an dieser Stelle in einem ersten
Schritt die Grundlagen der Finanzierung politischer Parteien erläutert werden. Danach werden Beispiele geschildert, wo Parteien bereits versuchen oder versucht haben, über Web 2.0 Angebote finanzielle Mittel zu erhalten. Anschließend wird mit
Hilfe des entwickelten Modells der Finanzierungsbereich analysiert. Als Abschluss
werden existente Web 2.0 Angebote auf ihre Einsatzmöglichkeiten bei der Finanzierung politischer Parteien hin untersucht.
3.6.1. Die Finanzierung und das Fundraising politischer Parteien
Ein grundlegender Überblick über die Finanzierung politischer Parteien liefert
Wikipedia (vgl. [Wik11i]) in Verbindung mit dem deutschen Parteiengesetz (vgl.
[Bun11a]). Betrachtet werden soll an dieser Stelle nur die Einnahmenseite. Wie Abbildung 3.8 auf Seite 97 zeigt, stützen sich die Finanzen politischer Parteien vor allem
auf Mitgliedsbeiträge, Parteispenden und staatliche Mittel. Überschlagsartig stammt
im Durchschnitt etwa ein Drittel der Gelder aus Mitgliedsbeiträgen, ein Drittel aus
der staatlichen Finanzierung und je nach Partei zwischen 9% bei der Linken und über
28% bei der FDP aus Spenden natürlicher und juristischer Personen. Einzig für die Erhöhung von Spenden juristischer und natürlicher Personen könnte der Einsatz von
Web 2.0 Techniken interessant sein.
Die einzige "Stellschraube", durch die Parteien ihre Finanzen direkt verbessern können, sind also Spenden. Die staatliche Parteienfinanzierung ist an den Wahlerfolg
gekoppelt und die Mitgliedsbeiträge ergeben sich auf Grund der Anzahl der Mitglieder. Der Effekt ist also in beiden Fällen nur indirekt beeinflussbar und der Beitritt zu
einer Partei erscheint gegenüber einer Spende als die höhere Hürde. Organisatorisch
ist die Mitgliederwerbung im politischen Personalmanagement anzusiedeln.
Welche Methoden der Finanzierung stehen Parteien zur Verfügung? Wie bereits
in Abschnitt 2.3 dargelegt, kann man Parteien als Sonderform einer Non-Profit-
97
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.8.: Parteienfinanzierung (Quelle: [Wik11i])
98
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Organisation ansehen. Die Aussagen zur Finanzierung von NPOs durch Werbung
von Spenden, auch Fundraising genannt, gelten deshalb grundsätzlich auch für politische Parteien. Spenden unterscheiden sich von anderen Finanzierungsarten dadurch, dass sie an keine "auf dem Markt handelbare Gegenleistung" gebunden sind
(vgl. [Vil06], S. 193). Dies unterscheidet die Spende vom Sponsoring. Die Affäre 2010
um den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers
(CDU) (vgl. [Sue10]) zeigt, dass Spenden und Sponsoring bei politischen Parteien
im Bezug auf die öffentliche Wahrnehmung ein hochsensibles Thema sind. Gegen
Geldleistung wurden von der CDU damals private Gespräche mit dem Ministerpräsidenten angeboten. Auch wenn dies nach dem Parteiengesetz nicht strafbar ist, war
der Schaden in der öffentlichen Meinung groß. Das Parteiengesetz verbietet nämlich Spenden, die erkennbar an eine politische oder wirtschaftliche Gegenleistung
geknüpft sind (vgl. [Bun11a] § 25 Absatz 2). Das Sponsoring von Parteitagen dagegen ist eine gängige Praxis, soweit damit nicht erkennbar die Erwartung an eine politische Gegenleistung verbunden ist. Der Fokus liegt im Folgenden auf dem Bereich
der Spenden und nicht des Sponsorings, da Sponsoring abgesehen von der rechtlichen Problematik weniger Potential für Verknüpfungen mit Web 2.0 Angeboten bietet. Beim Sponsoring werden meistens größere Geldbeträge bereitgestellt und es wird
deshalb eher durch persönlichen Kontakt zu den Sponsoringpartnern zustande kommen.
Privatpersonen spenden an ehrenamtliche Organisationen und damit auch Parteien
vor allem aus folgenden Gründen (vgl. [Vil06], S. 194 ff.):
• Schuldgefühle, die durch eine Spende an die Partei abgemildert werden können. Etwa, wenn die Partei sich gegen den Auslöser der Schuldgefühle einsetzt.
Dies wären beispielsweise das Waldsterben, der Klimawandel oder Hunger in
der Dritten Welt.
• Die Hoffnung auf Anerkennung und soziales Prestige kann ein weiteres Motiv
sein.
• Die Erwartung eines Imagegewinns durch die Nennung der eigenen Person als
Spender.
• Der Wunsch nach Vorteilen, beispielsweise durch Kontakte.
• Die Vermeidung von Unannehmlichkeiten - vor allem in ländlichen Gebieten
kann es vorkommen, dass die Unterstützung einer bestimmten Partei erwartet
wird.
• Eigene Betroffenheit kann ein starkes Motiv sein, wenn sich die Partei für die
Beseitigung der Probleme stark macht, die der Spender in der Vergangenheit zu
99
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
erleiden hatte.
• Altruismus kann ein weiteres Motiv sein, also der Wunsch, etwas für "eine gute
Sache" zu tun.
• Der Zweck, durch die Spenden Steuern zu sparen.
Bei Unternehmensspenden ist die Lage hingegen komplexer. Hier sind zwei Fälle zu
unterscheiden: Der Fall, dass der Eigentümer über die Spende zu entscheiden hat
und der Fall, in dem dies das Unternehmensmanagement tut. Eigentümern geht es
um die individuelle Nutzenmaximierung analog zu den Gründen, aus denen Privatpersonen spenden. Dem Unternehmensmanagement geht es entweder um die unternehmerische Gewinnoptimierung beispielsweise in Form von Steueroptimierungen
oder auch um eine individuelle Nutzenmaximierung. Die individuelle Nutzenmaximierung umfasst dabei vor allem materielle und immaterielle Nutzenüberlegungen
der handelnden Personen (vgl. [Vil06], S. 196 ff.)
Das Spendenmanagement selbst kann dabei in die vier Dimensionen Medium ("Wie
und in welchem Medium führe ich die Spendenaktion durch"), Raum ("Wo werbe ich
um Spenden?"), Zeit ("Wann und wie lange wird die Spendenaktion durchgeführt?")
und Person ("Wen spreche ich mit der Spendenaktion an?") eingeordnet werden. Auf
diesen Managementprozess wirken dabei eine ganze Reihe von Institutionen ein. Regulativ wirken beispielsweise Gesetze und die Gegebenheiten des Spendenmarktes
selbst. Normativ hingegen kulturelle und ethische Einstellungen gegenüber Spenden
sowie natürlich Ziele und Mission der Partei selbst. Eine Übersicht findet sich dazu
in Abbildung 3.9 auf Seite 100.
Methoden, die von Parteien für die Finanzierung eingesetzt werden können sind (vgl.
[Vil06], S. 217 ff.):
• Mailings, also Spendenwerbung durch Ansprache beispielsweise per Briefpost.
• Veranstaltungen, die speziell für Spendenwerbung stattfinden oder bei denen
zumindest als Nebenzweck Spenden eingeworben werden.
• Sammlungen oder Kollekten.
• Stiftungen und Zuschriften als steuerlich geförderte Geldmittel, die für die Partei nicht direkt zugänglich sind sondern in eine Stiftung mit vorgesehenem
Zweck fließen.
• Eine weitere Form ist das Legatfundraising, wo gezielt um Erbschaften geworben wird.
100
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.9.: Spendeninstrumente des Spendenmanagements (Quelle: [Vil06]), S.
208
101
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
• Telefonfundraising, "Affinity-Karten"66 , Patenschaften67 und das so genannte
Cause-Related Marketing68
Mitgliedsbeiträge hingegen gelten bei Parteien nicht als Spenden im engeren Sinne.
3.6.2. Analyse
Die Sicherstellung einer soliden finanziellen Basis ist eine wichtige Säule der Parteiorganisation. Im Folgenden soll dieser organisatorische Teilbereich mit dem in Kapitel
2.4.6 erweiterten und in Kapitel 2.7 konkretisierten Mikropolis-Modell analysiert werden. Hierbei werden zwei Szenarien miteinander verglichen, die sich auf den Bereich
der Spendenwerbung als einziger kurzfristig beeinflussbarer Größe fokussieren.
Szenario 1
Das erste Szenario stellt die herkömmliche Art und Weise der Spendenakquise von
Parteien dar. Hier sind vorwiegend das Versenden von Spendenbriefen und die direkte, persönliche Ansprache zu nennen.
Akteure und Interessen:
Neben der Partei als kollektivem Akteur treten die Mitglieder auf als innerparteiliche
Akteure. Die Mitgliedschaft selbst soll an dieser Stelle nicht weiter differenziert werden. Einzig die Schatzmeister der verschiedenen Parteifragmente spielen eine größere Rolle, weil sie Schlüsselstellungen zur Umsetzung von Fundraising-Aktivitäten
einnehmen. (vgl. z.B. [1:7], [1:11] und [1:31]). Externe Akteure sind vor allem die Bürger als potentielle Spender (vgl. [2:41]) von Kleinspenden und Unternehmen für den
Bereich der Großspenden (vgl. [1:7]). Zusätzlich tauchen hier Marketingagenturen
(vgl. [1:39]) als externe Akteure auf. Weitere externer Akteure sind die Bundestagsverwaltung (vgl. [1:27], [1:35]) und das Finanzamt (vgl. [2:97]).
Das Interesse der Partei als kollektivem Akteur ist es, die Finanzierung der Partei
sicherzustellen. Ähnlich ist die Lage auch bei den Schatzmeistern gelagert. Da allerdings die Schatzmeister jeweils eigene Finanzhoheit über ihren Bereich haben, kann
66
Hier erhält die jeweilige Organisation einen Betrag von dem Kredidkarteninstitut, welches dafür
das Logo der Organisation auf die Karte drucken darf.
67
Bekannt sind beispielsweise die Patenschaften für Kinder in der Dritten Welt oder für ein Stück
Regenwald.
68
Hier versucht ein Unternehmen das positive Image der Organisation durch eine gemeinsame Aktion
zu nutzen. Bekannt ist die Verbindung von Krombacher und WWF im Jahr 2003.
102
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
die Umsetzung von Finanzierungsstrategien an ihnen scheitern (vgl. [1:7]). In ihrer
jeweiligen Machtposition haben sie möglicherweise auch unterschiedliche Ziele und
Interessen69 . Die Interessenlage bei Bürgern ergibt sich vor allem aus den oben bereits
angesprochenen Gründen für die Spendenbereitschaft wie Schuldgefühle, Hoffnung
auf Anerkennung, Erwartung von Imagegewinn, Wunsch nach Vorteilen, die Vermeidung von Unannehmlichkeiten, der eigenen Betroffenheit, Altruismus oder dem einfachen Wunsch, Steuern zu sparen. Die überindividuellen Akteure, hier insbesondere Wirtschaftsunternehmen, haben neben den oben angesprochenen Wünschen nach
individueller und unternehmerischer Gewinnmaximierung auch das Ziel, diejenigen
politischen Kräfte zu unterstützen, die für ihr Handeln förderlich sind. Zumindest
besteht häufig dieser Verdacht70 . Die Interessenlage der Parteimitglieder liegt natürlich in der Unterstützung der Ziele der Partei, in diesem Fall mit Geldmitteln. Die
Marketingagenturen haben hingegen ein rein wirtschaftliches Interesse daran, ihre
Leistung der Partei zu verkaufen. Bundestagsverwaltung und Finanzamt haben das
vorrangige Interesse, die Beachtung der gesetzlichen Grundlagen sicher zu stellen.
Medien und Kommunikation:
Aus den Ausführungen in Kapitel 3.6.1 ergeben sich mehrere Medien, die für die
Kommunikation eingesetzt werden. Dies sind im Einzelnen Telefon und Briefpost
als One-to-One Medien sowie, bei politischen Parteien allerdings sehr selten, Radio
und Fernsehen als One-to-Many Massenmedien. Daneben finden sich natürlich auch
Veranstaltungen und Gespräche in der Akteurskonfiguration Face-to-Face.
Bei Spendenwerbung über die Massenmedien handelt es sich hier generell um Kommunikation mit dem Charakter einer Registration. Die Partei als kommunikatives
Zentrum bittet die Peripherie der Kommunikationsbeziehung um Spenden. Die Interaktivität ist hier äußerst gering, ebenso die Synchronität. Beim unpersönlichen Massenversand von Spendenbriefen verhält es sich genauso. Je enger der Kreis der Angesprochenen hier allerdings wird, desto persönlicher wird dabei die Ansprache und
desto höher ist auch die Interaktivität und der Charakter einer Konversation gegeben.
Telefonische Spendenwerbung hat im besten Fall den Charakter einer Konversation,
nämlich dann, wenn der Anrufer kompetent über die Ziele der Partei Auskunft geben
kann. Bei Anrufen durch Callcenter mit vorgefertigten Spenden-Leitfäden hingegen
wird der Anrufer selbst im Grunde nur als Übertragungsmedium genutzt. Deswegen
ist hier im Grunde keine One-to-One Kommunikation gegeben sondern eine Oneto-Many Kommunikation mit asynchronem und gering interaktivem Charakter. Die
Akteurskonstellation entspricht einer Registration.
69
Mit Wiesendahl argumentiert, könnten Schatzmeister verschiedenen Handlungslogiken unterworfen sein (vgl. [Wie98], S. 153 ff.).
70
Beispielsweise geriet eine Spende eines Hoteliers an die FDP vor den Bundestagswahlen 2009 in den
Verdacht, dass damit die nach der Wahl folgende politische Entscheidung, die Mehrwertsteuer für
Hotelübernachtungen zu senken, hierdurch positiv beeinflusst wurde (vgl. z.B. [GM10]).
103
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Szenario 2
In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass die betreffende Partei Web 2.0 für
die Finanzierung zusätzlich zu den etablierten Methoden einsetzt. In dieses Szenario lassen sich die Ergebnisse der Interviews auch am besten einordnen. Es wird an
dieser Stelle erst einmal davon ausgegangen, dass die betreffende Partei für die Finanzierung alle Möglichkeiten des Web 2.0 ausnutzt.
Die Partei nutzt vor allem Social Payment. Hier gibt es im Internet bereits einige Anwendungen, die sich explizit auf Kleinspenden spezialisiert haben. Eine davon ist
Flattr.com71 , eine andere Kachingle.com72 . Beide Anwendungen funktionieren ähnlich: Ein Internetnutzer registriert sich und gibt an, wie viel Geld er monatlich spenden möchte. Kommt der Nutzer nun auf eine Website, die ihm gefällt und die bei der
Anwendung registiert ist, so kann er durch einfaches Klicken seine Unterstützung für
die Seite signalisieren. Am Ende des Monats wird dann das Geld des Nutzers unter
den Websiten aufgeteilt, die ihm gefallen haben. Ein Beispiel für eine Seite, die bei
Flattr.com registriert ist, ist die Tageszeitung "taz"73 .
Mit den Social Networks versucht die Partei, die Internetgemeinde in ihrer ganzen
Breite zu erreichen. Dazu nutzt sie stark die Möglichkeit, beispielsweise bei Facebook74 gezielt Anzeigen zu schalten und über die offenen Programmierschnittstellen
eigene Anwendungen zum Fundraising einzubinden.
Um ganz bestimmte Personengruppen zu erreichen, die ihr politisch nahe stehen,
nutzt die Parteiorganisation die Interest and Curated Networks. So versucht sie zum Beispiel, über das Netzwerk Xing.com75 Entscheidungsträger in Unternehmen bestimmter Branchen zu erreichen. Bündnis 90/Die Grünen beispielsweise könnten ganz gezielt Entscheider in der Solarbranche ansprechen und bei ihnen um Spenden oder
Sponsoren werben. Weitere Medien für den Einsatz von Web 2.0 Technologie im Bereich der Finanzierung ergeben sich aus den Interviews und werden im Folgenden
ausgeführt.
Akteure und Interessen:
Der Einsatz von Web 2.0 Technologien lässt keine neuen Akteursgruppen erscheinen.
Die Interessenlage ändert sich ebenfalls nicht.
Medien und Kommunikation:
71
http://flattr.com/, Stand 17. April 2011.
http://www.kachingle.com/, Stand 17. April 2011.
73
http://www.taz.de/, Stand 17. April 2011.
74
http://www.facebook.com/, Stand 17. April 2011.
75
http://www.xing.com/de/, Stand 17. April 2011.
72
104
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Aus den Interviews ergibt sich, dass sowohl für den Bereich des Social Payment als
auch für das Gebiet der Social Networks Potential gesehen wird, was die Finanzierung
politischer Parteien betrifft (vgl. hierzu z.B. [1:27], [2:93], [2:37], [2:41], [2:45], [2:53]).
Als weiteres Medium kommt hier der Internet-Bezahldienst Paypal76 ins Spiel (vgl.
[1:7]). Die Möglichkeiten der Interest and Curated Networks wird als eher gering angesehen (vgl. [2:77]). Elektronisch verschickte Spendenbriefe wurden ebenfalls als Medium benannt. Sie stellen aber kein echtes Web 2.0 Medium dar und funktionieren
eher allokativ One-to-Many (vgl. [1:23]). Als Oberbegriff für das Spendensammeln
über Web 2.0 wird der Begriff "Crowdfunding" erwähnt (vgl. [2:37]). Für die Spendenwerbung selbst spielt eine Datenbank mit potentiellen Spendern eine große Rolle
(vgl. [1:7], [1:11], [1:15]). Sie ist allerdings kein wirklicher Teil des Kommunikationsprozesses an sich.
Neben den bereits für die anderen Politikbereiche identifizierten Eigenschaften der
Wandlungsfähigkeit und individuellen Anpassbarkeit von Web 2.0 ist im Bereich der
Finanzierung offensichtlich die Verknüpfung verschiedener Angebote einerseits und
die Verknüpfung zwischen Angeboten der realen und der virtuellen Welt wichtig. Ein
Beispiel wäre die Verknüpfung von Spenden und Großflächenplakaten in Wahlkämpfen (vgl. [3:5] und [2:125]), ein anderes die konkrete Verbindung mit einer lokalen
Wahl (vgl. [1:7]) oder einem Filmprojekt (vgl. [2:45]). Aber auch das angesprochene
"Shoppen und Spenden"-Konzept (vgl. [2:85]) kann dazu gezählt werden. Genauso
wie die Verknüpfung zwischen Kampagnen und Spendenwerbung (vgl. [2:69] und
[3:13]). Zusätzlich zur Verknüpfung wird auch die Einfachheit des Spendens als wichtig angesehen (vgl. [2:77]). Welche Einflussfaktoren konkret eine erfolgreiche Spendenkampagne im Web 2.0 ausmachen, muss Thema weiterer Forschung sein (vgl.
F5.1 in Kapitel 3.8).
Für den Einsatz von Web 2.0 ist allerdings nach Ansicht der Interviewpartner ein
Umdenken erforderlich, weil Web 2.0 bedeute, dass man auf Augenhöhe mit den
Rezipienten kommuniziert und diese auch antworten können (vgl. [2:61]). Die Kommunikation funktioniere allgemein sehr viel direkter (vgl. [2:77]).
Mit Web 2.0 lassen sich nach Ansicht der Interviewpartner neue Gruppen durch
den Einsatz von Web 2.0 erreichen (vgl. [2:45]) und Milieus ansprechen, die mit den
herkömmlichen Kommunikationswegen nicht mehr erreicht werden können (vgl.
[2:45]). Diese Einschätzung passt auch zu der Aussage, dass durch Web 2.0 vor allem kleinere Spenden eingeworben werden können (vgl. [1:7]). Die weitere Klärung
dieser Hypothese sollte allerdings auch Thema weiterer Forschung sein (vgl. H5.2 in
Kapitel 3.8)
Die Social Payment Anwendungen funktionieren für sich betrachtet zwar registrativ.
Durch die Verknüpfung mit anderen interaktiven Anwendungen wie beispielsweise
76
http://www.paypal.com/, Stand 17. April 2011.
105
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Blogs, kommentierbaren Videos, Webseiten mit Dialogfunktionen und anderem entsteht allerdings eine Kommunikationsstruktur, die eher in Richtung einer Konversation geht. Die Aufhebung der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen kombiniert
mit den interaktiven Möglichkeiten des Web 2.0 erlaubt es, wie in anderen Organisationsbereichen auch, hier die Vorteile der direkten Konversation mit den massenwirksamen Aspekten der digitalen Welt zu verbinden und so die Möglichkeiten zu
potenzieren.
Für die notwendigen und vorläufigen Formalisierungslücken ergibt sich eine differenzierte Einschätzung was den Punkt der De- und Rekontextualisierung der Spendenkommunikation betrifft. Es wird argumentiert, dass durch den Wegfall des persönlichen Kontakts im Rahmen der Einführung der elektronischen Abbuchung der
Partei "eine Menge an Kommunikationsmöglichkeiten entzogen worden [sind]" (vgl.
[2:109]). Dieser Kontakt werde aber durch Web 2.0 nun wieder in verstärktem Maße
ermöglicht. Web 2.0 würde hier also eine notwendige Formalisierungslücke, die bereits geschlossen war, wieder öffnen. Einen zweiten Aspekt bringt die Aussage hinein, dass Web 2.0 eben faktisch das Kommunikationsmedium der jüngeren Menschen
ist. Hier müsse man mit der Zeit gehen, wenn man diese Gruppe erreichen möchte
(vgl. [1:31]). Die zeitlichen und räumlichen Beschränkungen der realen Welt stellen
auch in diesem Fall eine vorläufige Formalisierungslücke dar und ermöglichen gemeinsam mit Web 2.0 eine stärkere Individualisierung und flexiblere Gestaltung der
Spendenwerbung.
Eine notwendige Formalisierungslücke stellen auch gesetzliche Regelungen dar (vgl.
[1:15] und [1:19]). Nicht nur, weil eine Übertretung zu empfindlichen Strafen führt,
sondern auch, weil der Schaden durch den Ansehensverlust in der Bevölkerung gerade beim Thema Parteispenden sehr hoch sein kann (vgl. [1:27]).
Eine weitere Veränderung im soziotechnischen Kern ergibt sich daraus, dass im Web
2.0 die Konversation geradezu eingefordert wird. So geht die Einschätzung der Interviewpartner in die Richtung, dass Spender im Web 2.0 weiterhin informiert und in
Kontakt bleiben möchten, tendenziell eher jünger sind und nicht wie im traditionellen Sinne eine Art Ablasshandel durch die Spende vollziehen (vgl. [2:105]). Hieraus
könnte man ableiten, dass sich diejenigen Medien besser eignen, die eine höhere Interaktion und nach Möglichkeit auch Konversation ermöglichen (vgl. H.5.3 in Kapitel
3.8).
Erklärung
Die Interviews ergeben, dass es als Nachteil gesehen werden kann, dass offensichtlich
der Bereich des Politmarketings und der Finanzierung organisationsbedingt stark getrennt sind (vgl. [1:11]). Der Grund kann hier in der von Wiesendahl identifizierten
106
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Fragmentierung der Parteiorganisationsbereiche gesehen werden.
Die Beachtung der gesetzlichen Grundlagen als regulative Institution ist für politische Parteien, die in erheblichem Maße auf Legitimität angewiesen sind, ein unverzichtbarer Bestandteil des Handelns. Dies führt dazu, dass selbst im Vergleich zu
ebenfalls stark auf Legitimität angewiesene Organisationen wie Greenpeace oder attac strengere Maßstäbe angelegt werden (vgl. [1:15], [1:19] und [1:27]).
Datenschutz als regulative aber auch normative Institution wird zwar Problem, aber
nicht als unlösbares Problem angesehen (vgl. [2:101]).
Parteien sind nach Meinung eines Interviewpartners deswegen beim Einsatz von
Web 2.0 noch nicht so weit, weil sie zusammen mit Kirchen, Gewerkschaften und
Arbeitgeberverbänden eher nicht zu den web-affineren Organisationen zählen (vgl.
[2:37], [2:49] und [1:35]). Dies weist auf eine kulturell-kognitive Institution hin. Die
angesprochenen web-affineren Organisationen befinden sich nicht im engeren Umfeld politischer Parteien. Das organisationale Feld politischer Parteien ist, selbst wenn
man es auf Organisationen wie Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die öffentliche Verwaltung etc. ausdehnt, dementsprechend in sich selbst keinem Anpassungsdruck ausgesetzt. Hier könnte auch der Grund liegen, weshalb insbesondere die kleineren Parteien mit ihren Verbindungen in die Sphäre der Wirtschaft (bei
der FDP) oder in die Sphäre der gesellschaftlichen Bewegungen (vor allem die Grünen) eher noch web-affiner sind als die größeren Parteien. Es gibt allerdings die Einschätzung, dass sich diese Einstellung dadurch ändert, dass vor allem jüngere und
web-affinere Menschen Parteimitglieder werden und auf diese Weise langsam die
kulturell-kognitive Institution, Web 2.0 gehöre eben einfach zu einer modernen Organisation, an Bedeutung gewinnt (vgl. [3:17]).
Bewertung
Geht man davon aus, dass Parteien als Element einer deliberativen Demokratie notwendig sind, dann muss ihre Finanzierung sicher gestellt werden. Problematisch
wird es dann, wenn die Finanzierung über Spenden dazu führt, dass Spender direkt
oder indirekt Einfluss auf die politische Willensbildung der Partei gewinnen. Man
kann es sogar grundsätzlich als Problem ansehen, dass dadurch, dass finanzstarke
Spender und hier insbesondere Großunternehmen diejenigen Parteien überproportional stärken, die ihren eigenen Interessen nahe stehen (vgl. [1:7]). Dadurch entsteht
ein Ungleichgewicht im Stimmrecht in der öffentlichen Diskussion, was den Habermasschen Forderungen widersprechen würde.
Da Web 2.0 vor allem geeignet zu sein scheint, kleinere, aber dafür eher viele einzelne
Spenden einzuwerben, besteht hier zumindest das Potential, einen deliberativeren
107
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Diskurs zu erhalten. Den einzelnen Großspenden kann durch eine Vielzahl kleinerer
Spenden entgegen gewirkt werden.
Insgesamt hat der Bereich der Finanzierung nur indirekten Einfluss auf den demokratischen Prozess an sich.
3.6.3. Zusammenfassung
Eine einseitige Fokussierung auf Web 2.0 für die Finanzierung erscheint nicht angebracht. Aus den Interviews ergibt sich eher eine Vorgehensweise, die die bisherige
Spendenpraxis und Web 2.0 zusammenführt (vgl. z.B. [1:51]). Wobei die Einschätzung
ist, dass der Einsatz von Web 2.0 im Bereich der Finanzierung noch in den Anfängen
steckt (vgl. [2:45]).
Parteien benötigen möglichst große finanzielle Mittel, um effektiv die politische Willensbildung bestimmen zu können. Wie oben gezeigt, sind Spenden die einzige Möglichkeit für politische Parteien, mit relativ geringem Aufwand kurzfristig ihre Finanzen zu verbessern. Darüber hinaus kann ein höheres Spendenaufkommen gegenüber
konkurrierenden Parteien auch zu besseren Wahlergebnissen und damit zu einer höheren staatlichen Parteienfinanzierung führen. Und auch die Werbung von Mitgliedern, die durch ihre Beitragszahlungen die finanzielle Basis der Partei nachhaltig verbessern, kostet Geld. Es ist Parteien also anzuraten, bei der Spendenwerbung auf der
Höhe der Zeit zu sein.
3.7. Defragmentierung der Parteiarbeit durch
Koordination über das Netz?
Parteien sind Organisationen mit einem Aufbau und einer Struktur. Ziel dieses Kapitels ist es, zuerst die Struktur von Parteien grob darzustellen um danach am Beispiel
des Netzwerks "linksaktiv.de" der Linkspartei zu eruieren, welche Methoden des Web
2.0 Parteien bereits jetzt für die Optimierung ihrer Organisationsstruktur nutzen. Im
Gegensatz zu Formen der innerparteilichen Meinungsbildung geht es hier vor allem
um Strukturen für die Gestaltung von Kommunikation mit vorwiegend organisatorischem Charakter. Darin enthalten sein sollen auch Formen des gemeinsamen Arbeitens, wie beispielsweise das Entwerfen von Pressemitteilungen, Terminabstimmungen und ähnliche Tätigkeiten der Ablauforganisation. Die gewonnenen Erkenntnisse
werden mit Hilfe des erweiterten Mikropolis-Modells analysiert und eingeordnet.
Den Abschluss bildet die Betrachtung bereits jetzt existierender Web 2.0 Anwendun-
108
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
gen und eine Analyse ihrer Verwendbarkeit für die Organisation der Parteistrukturen.
3.7.1. Wie sind Parteien organisiert?
Parteien haben eine Reihe von organisatorischen Besonderheiten, wie in Kapitel 2.3
bereits dargestellt. Insbesondere sind die verschiedenen Fragmente der Parteiorganisation nur lose miteinander gekoppelt. Die grundlegenden Strukturelemente werden
durch das Parteiengesetz vorgegeben (vgl. [Bun11a] § 8). Dies sind der Vorstand und
die Mitgliederversammlung beziehungsweise Vertreterversammlung für Gebietsverbände mit mehr als 250 Mitgliedern. Üblicherweise organisieren sich Parteien in einer
Bundesebene sowie mehreren Landes- und Ortsebenen. Daneben gibt es in aller Regel
eine Jugendorganisation, verschiedene themenbezogene innerparteiliche Teilorganisationen und Beschlussgremien für die Zeit zwischen den Mitglieder- oder Vertreterversammlungen.
Am Beispiel der Parteiorganisation von Bündnis 90/Die Grünen wird dies nun kurz
veranschaulicht. Abbildung 3.10 auf Seite 109 zeigt den strukturellen Aufbau der Partei.
Die strukturellen Elemente sind hier um die Bundesversammlung angeordnet. Die
Bundesversammlung besteht aus circa 840 Delegierten, die durch die etwa 470 Kreisverbände gewählt werden. Die Bundesversammlung beschließt über die Satzung und
die Programme der Bundespartei. Sie wählt den Bundesvorstand, den beratenden
Parteirat und die Liste für die Europawahl. Für die Zeit zwischen den Bundesversammlungen ist der Länderrat das höchste beschlussfassende Organ. Er besteht aus
Delegierten der Landesverbände und der Fachbereiche beziehungsweise Bundesarbeitsgemeinschaften. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Teil- und Umfeldorganisationen wie Hochschulgruppen, die Grüne Jugend, die Grünen Alten, Unternehmensgrün, die Ortsverbände oder die Heinrich-Böll-Stiftung. Es lässt sich also
feststellen, dass Parteien in eine Vielzahl von organisatorischen Fragmenten zerfallen.
3.7.2. Das Netzwerk linksaktiv.de
Die deutschen Parteien haben in der einen oder anderen Form eigene Mitgliedernetzwerke aufgebaut. Die Partei Die Linke hat mit "linksaktiv"77 ein eigenes soziales
77
http://linksaktiv.de/linksaktiv/, Stand 17. April 2011.
109
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.10.: Organigramm von Bündnis 90/Die Grünen (Quelle: [BünoJ])
Netzwerk aufgebaut, das an bestehende kommerzielle soziale Netzwerke wie studiVZ78 oder Facebook79 angelehnt ist. Die Anmeldung ist unabhängig von einer Parteimitgliedschaft, deshalb diese Mitgliedernetzwerk für eine Fallstudie ausgewählt.
Es wird nun kurz vorgestellt.
Der Einstieg ist relativ schlicht und unspektakulär. Die Startseite umfasst einen Reiter
am oberen Ende mit den Navigationsmöglichkeiten, auf der linken Seite die Besucher
der eigenen Seite und die Mitglieder des Gesamtnetzwerks, die online sind. Auf der
rechten Seite sind die offiziellen Nachrichten, die durch die Partei in das Netzwerk
eingespeist werden. Zum Stichtag 21. Februar waren die drei neuesten Nachrichten
46 beziehungsweise 47 und 104 Tage alt. Im Zentrum der Seite sind die Aktivitäten
der Mitglieder des Netzwerks aufgelistet. Online waren am 21. Februar 2011 um 10:00
6 Mitglieder. Abbildung 3.11 auf Seite 110 zeigt den Einstieg.
Das Netzwerk bietet übliche Funktionen wie ein Nachrichtensystem und erlaubt
es, ein eigenes Profil mit Informationen, Bild und Fotoalben anzulegen. Der Reiter
"Werkzeuge" führt in einen Bereich, wo man sich unter entsprechenden Menüpunkten Beiträge von anderen Mitgliedern ansehen, eine Liste seiner Freunde sowie aller
78
79
http://www.studivz.net/, Stand 17. April 2011.
http://de-de.facebook.com/, Stand 17. April 2011.
110
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.11.: Die Einstiegsseite von linksaktiv.de (Quelle: http://linksaktiv.de,
Stand 21. Februar 2011)
111
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.12.: Die
Unterseite
"Leute"
von
linksaktiv.de
http://linksaktiv.de, Stand 21. Februar 2011)
(Quelle:
Mitglieder aufrufen, eingestellte Videos und Fotos ansehen, Gruppen beitreten, Termine organisieren und einstellen und auch die aktuellen Aktivitäten der Mitglieder
verfolgen kann. Das Netzwerk hatte am 21. Februar 2011 3954 Mitglieder, wie Abbildung 3.12 auf Seite 111 zeigt.
Eine interessante Idee findet sich im Bereich "Aufgaben". Dort werden von den Betreibern des Netzwerkes Aufgaben eingestellt, die durch die Mitglieder gelöst werden
können. Für gelöste Aufgaben gibt es Punkte. Dies ist ein interessanter Ansatz für ein
intrinsisches Anreizsystem. Abbildung 3.13 auf Seite 112 zeigt diesen Abschnitt der
Seite.
Die Sinnhaftigkeit, ein eigenes Parteinetzwerk in solch einer Form aufzubauen darf
stark bezweifelt werden. Beispielsweise hat alleine die Facebook-Gruppe der Bunde-
112
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Abbildung 3.13.: Der
Bereich
"Aufgaben"
bei
linksaktiv.de
http://linksaktiv.de, Stand 21. Februar 2011)
113
(Quelle:
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
spartei Die Linke mit derzeit 6.762 Unterstützern (Stand 21. Februar 2011) auf Facebook weit mehr Kontakte als Mitglieder bei linksaktiv.de. Die Beiträge unter "News"
sind völlig veraltet und insgesamt macht das Netzwerk den Eindruck, dass sich niemand darum kümmert.
3.7.3. Analyse
Um zu verdeutlichen, welche Unterschiede sich ergeben, wenn Web 2.0 als neues
Medium für die politische Koordination eingesetzt wird, werden nun zwei Szenarien dargestellt. Im ersten Szenario findet die Koordination weitestgehend ohne Web
2.0 Technologie statt. Im zweiten Szenario wird nun davon ausgegangen, dass Web
2.0 als neuer Medienkanal in die Kommunikationsbeziehungen eingeführt wird. Es
folgt eine Erklärung der beobachteten Phänomene mit den Mitteln des Neoinstitutionalismus. Den Abschluss der Analyse bildet dann eine Bewertung mit Hilfe der
deliberativen Demokratietheorie.
Szenario 1
Für den gesamten Bereich der politischen Koordination werden in diesem Szenario
die herkömmlichen Methoden und Medien verwendet.
Akteure und Interessen:
Der Fokus der politischen Koordination liegt auf der innerparteilichen Organisation.
Externe Akteure spielen hier deshalb kaum eine Rolle. Einzig Marketingagenturen
als korporative Akteure besitzen auch für die interne Organisation eine gewisse Relevanz (vgl. [1:39]). Interne individuelle Akteure sind einerseits natürlich die Parteimitglieder in ihrer Rolle als Mitglieder (vgl. z.B. [1:39] und [3:33]). Mitglieder und Angestellte der Partei haben zudem aber auch weitere Rollen. So gibt es Wahlkämpfer
(vgl. [1:39]), Mitarbeiter in verschiedenen Aufgabenbereichen (vgl. [1:39]), Mitglieder in bestimmten Ämtern oder mit Mandaten in Parlamenten (vgl. [2:192], [2:196]
und [2:204]). Ein weiterer kollektiver Akteur ist natürlich auch die Partei insgesamt
als Organisation (vgl. z.B. [1:51]). Individuelle Akteure schließen sich je nach Interessenlage zu mehr oder weniger lockeren formellen oder informellen Gruppen zusammen. Dies sind einerseits die verschiedenen fachlichen innerparteilichen Gruppen
aber eben auch Gebietsverbände (vgl. [2:204]), "Schicksalsgemeinschaften" wie Fraktionen in Parlamenten oder auch eher aus Machtkalkül formierte Grüppchen (vgl.
[1:51]).
An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass die Marketingagenturen das alleinige
114
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Interesse haben, einen größtmöglichen Profit aus ihrer Verbindung zur Parteiorganisation zu generieren. Die Motivlage der individuellen internen Akteure dürfte sehr
unterschiedlich ausfallen. Einen Eindruck über die grundsätzlichen Handlungslogiken der Parteimitglieder ergibt sich aus der Darstellung bei Wiesendahl (vgl. [Wie98],
S. 153 ff.). Diese Logiken können im Einzelnen charakterisiert werden durch:
• Die Sponsormitglieder, deren Ziel der Erhalt der Partei ist und die vor allem monetäre und ideelle Beiträge liefern, aber eher weniger aktiv agieren.
• Die Karrieristen, die sich durch die Parteimitgliedschaft eine politische Karriere
versprechen und dementsprechend handeln.
• Die Gruppe der Policy-Aktivisten, deren Mitgliedschaft hauptsächlich auf ihre
politische Gesinnung zurück zu führen ist und die tendenziell sehr an einem
Gemeinschaftsgefühl interessiert sind.
• Die Lobbyisten, die sich ein berufliches Vorankommen durch die Parteimitgliedschaft erwarten oder im Interesse externer Akteure wie Gewerkschaften oder
Unternehmensverbänden in der Partei agieren.
Die angesprochenen kollektiven innerparteilichen Gruppen handeln gemäß ihrer jeweils ausgehandelten Zielvorstellungen. Die Partei selbst handelt als überindividueller Akteur im Rahmen der in Kapitel 2.3 dargestellten Organisierbarkeitsgrenzen mit
dem Ziel, unter diesen Nebenbedingungen eine optimale Organisationseffizienz zu
erreichen.
Medien und Kommunikation:
Die verwendeten Medien sind hier insbesondere das Telefon als One-to-One, Postweg und Email als One-to-Many Kommunikationsmedien und persönliche Treffen
Face-to-Face in Form von Sitzungen oder Treffen.
Die Kommunikation wird in diesem Szenario teils entlang der in Kapitel 3.7.1 dargestellten formalen Strukturen, teils aber auch neben ihnen verlaufen. Die Kommunikationsmedien befinden sich hierbei selbst größtenteils im Mikrokontext und im
Einflussbereich der Parteiorganisation beziehungsweise ihrer Mitglieder. Aber auch
die Diskussion über eigentlich parteiinterne Geschehnisse über die Massenmedien an
der Membran zwischen Mikro- und Makrokontext kommt vor.
Synchronität, Interaktivität und Kontrolle in den Medien sind äußerst unterschiedlich. Während der telefonische Kontakt eine Konversation mit hoher Synchronität
bei mittlerer Interaktivität ermöglicht, ergibt sich für den Postweg eine Allokution
mit geringer Synchronität und Interaktivität. Emails haben am ehesten den Charak-
115
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
ter einer Konversation mit mittlerer Synchronität und Interaktivität. Sitzungen und
persönliche Treffen haben in kleineren Gruppen hohe Interaktivität und Synchronität
sowie den Charakter von Konversation. Je größer allerdings die Gruppe wird, desto
stärker müssen durch Geschäftsordnungen, Redelisten und weitere strukturelle Maßnahmen offenbar die Rechte der einzelnen Diskussionsteilnehmer sicher gestellt werden. Ein Beispiel sind die in Kapitel 3.3.1 vorgestellten Parteitage. Dort wird offensichtlich, dass Diskussionen in großen Gruppen Face-to-Face problematisch sind.
Szenario 2
Während im ersten Szenario auf Web 2.0 verzichtet wurde, verwendet die Partei in
Szenario 2 die ganze Bandbreite der neuen Möglichkeiten.
Akteure und Interessen:
Neue Akteure treten im Grundsatz nicht auf. In gewisser Weise können allerdings
Rollen wie "Internetredakteur" im Zusammenhang mit Web 2.0 vor allem für die Mitarbeiter der Partei an Bedeutung gewinnen (vgl. [1:39]).
Neue Interessenlagen ergeben sich ebenfalls nicht. Jeder Akteur steht allerdings vor
der Frage, wie sich durch Web 2.0 die Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Interessen verändern.
Medien und Kommunikation:
Die Bandbreite der eingesetzten Web 2.0 Medien ist groß. Im Folgenden sollen einige
Möglichkeiten dargestellt werden, gegebenenfalls mit einem Hinweis, wenn sich aus
den Interviews Anhaltspunkte dafür ergeben, ob Parteien dies bereits jetzt tun.
SMS/Voice, Instant Messaging: Vor allem, wenn es um schnelle Kommunikation
One-to-One geht, werden Instant-Messaging-Dienste wie beispielsweise ICQ80 oder
MSN81 eingesetzt (vgl. [3:41]).
Micromedia-Dienste: Twitter und Twitter-ähnliche Dienste werden für einen schnellen
innerparteilichen Informationsaustausch in der Akteurskonstellation One-to-Many
genutzt (vgl. z.B. [2:172]). Der Dienst Communote.com82 beispielsweise wird auf die
Parteiorganisation zugeschnitten genutzt.
Collaboration: Pressemitteilungen, Texte für Webseiten, parlamentarische Initiativen
80
http://www.icq.com/de.html, Stand 17. April 2011.
http://de.msn.com/, Stand 17. April 2011.
82
http://www.communote.com, Stand 17. April 2011.
81
116
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
etc. werden überwiegend im Web 2.0 Many-to-Many gemeinschaftlich erarbeitet. Genutzt werden beispielsweise Dienste wie Zoho.com.83 und Google84 sowie die MindMapping Tools "Mindmeister"85 und Mindomo86 . In diesen Bereich können auch Terminkalender, wie sie Google anbietet87 oder Tools für die Terminabsprache wie zum
Beispiel doodle.com88 eingeordnet werden. Sie werden ebenfalls für die politische
Koordination eingesetzt (vgl. [1:55]).
Social Networks: Auch die sozialen Netzwerke werden als Many-to-Many Koordinationstools eingesetzt. Vor allem Facebook89 ermöglicht es, über Gruppen mit Zugangsbeschränkung, automatischer Benachrichtigung per Email oder Terminverwaltung, Koordinierungsfunktionen zu übernehmen. Dazu werden beispielsweise für
die Organisation von Wahlkämpfen geschlossene Gruppen in Facebook eingerichtet
(vgl. [2:176]). Bei Bedarf werden auch eigens entwickelte Plattformen verwendet (vgl.
[1:43]).
Forums: Foren in ihren verschiedenen Formen eignen sich wie bereits angedeutet weniger für strukturierte, inhaltliche Diskussionen. Sie werden aber für die Koordination und zielorientierte Kommunikation in mittelgroßen Gruppen eingesetzt. Die Akteurskonstellation entspricht auch hier am ehesten Many-to-Many.
Die Kommunikationsprozesse ändern sich durch den Einsatz von Web 2.0 grundlegend. Die Notwendigkeit, auch organisatorische Abstimmungsprozesse im demokratischen Rahmen gestalten zu müssen sorgt dafür, dass in aller erster Linie Medien
eingesetzt werden können, die eine Konversation ermöglichen. Ein Beispiel hierfür
wäre die Organisation von Wahlkämpfen (vgl. [1:39]). Die meisten der oben aufgeführten Web 2.0 Medien ermöglichen diese auch. Allerdings mit unterschiedlichem
Grad an Synchronität und Interaktivität. Eine Ausnahme bildet sicherlich der Teil der
organisatorischen Kommunikation, der rein informativ wirken soll. Hier eignen sich
eher allokative Medien wie beispielsweise Twitter.
Die Sinnhaftigkeit eigener sozialer Netzwerke wird unterschiedlich gesehen. Während bei einem Interviewpartner die Skepsis deutlich überwiegt und er glaubt, dass
die kritische Größe bei parteieigenen Netzwerken nicht überschritten wird, überwiegt bei den beiden anderen Interviewpartnern die Einschätzung, dass die parteieigenen Netzwerke durchaus sinnvoll für bestimmte Zwecke eingesetzt werden können (vgl. [1:43], [2:163] , [3:29] und [3:33]). Das Argument, dass eine Partei sich im öffentlichen Raum aufhalten sollte und natürlich der Organisationsaspekt neben dem
83
http://www.zoho.com/, Stand 17. April 2011.
http://www.docs.google.com/, Stand 17. April 2011.
85
http://www.mindmeister.com/de, Stand 17. April 2011.
86
http://www.mindomo.com/, Stand 17. April 2011.
87
http://www.google.com/intl/de/googlecalendar/about.html, Stand 17. April 2011.
88
http://www.doodle.com/, Stand 17. April 2011.
89
http://www.facebook.com, Stand 17. April 2011.
84
117
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Politmarketing und der innerparteilichen Willensbildung nur ein Aspekt ist, ist allerdings ein sehr starkes für die Nutzung öffentlicher Netzwerke (vgl. [2:164]). Ebenfalls
ist das Argument stichhaltig, dass eigene Netzwerke eine viel höhere Betreuung und
Fütterung mit Inhalten benötigen als beispielsweise Facebook, wo Inhalte und Aktualität im Grunde fast automatisch entstehen (vgl. [1:172]). Andererseits wird die
Sicherstellung des Datenschutzes bei parteieigenen Netzwerken als weniger problematisch angesehen (vgl. [1:29]).
Im soziotechnischen Kern sorgt Web 2.0 vor allem für zusätzliche Flexibilität durch
die einfache Skalierbarkeit, die räumliche sowie zeitliche Entkopplung und die Möglichkeit, Elemente beliebig zu kombinieren (vgl. [1:47]).
Es wird zudem als wichtig angesehen, dass vor allem bei Gremienarbeit sicher gestellt wird, dass alle am Prozess beteiligt sind. Es müssen deshalb gegebenenfalls Methoden entwickelt werden, die auch Web 2.0 Skeptiker mit einbezieht (vgl. [2:198]).
Ein weiterer Aspekt in der Veränderung der Kommunikationsstruktur wird in mehr
Transparenz und weniger Hierarchie gesehen (vgl. [1:55]). Da die Hierarchie zumindest teilweise sicherlich mit dem Zweck aufgebaut wurde, die Komplexität der Kommunikation zu beherrschen, ist dieser Schritt nur folgerichtig. Er wird allerdings bei
denjenigen, die durch die alten Strukturen eine Machtposition erhalten hatten, nicht
auf ungeteilte Zustimmung stoßen.
Allerdings können und sollten die klassischen Strukturen nach Ansicht der Interviewpartner nicht vollständig durch Web 2.0 ersetzt werden (vgl. [1:47]). Vor allem aus rechtlichen Gründen. Dies stellt also eine notwendige Formalisierungslücke
dar.
Auch die Entscheidungsfindung selbst kann nicht automatisiert werden: "Am Schluss
muss man sich über die Botschaft verständigen, denn es wird am Schluss unterschiedliche politische Sichten geben. Da hilft einem dann auch diese Maschine nicht."
(vgl. [1:59]).
Erklärung
Auch der Bereich der politischen Koordination ist stark durch rechtliche Institutionen
beeinflusst. Als Beispiel werden Jahresabschlüsse und andere organisatorische Dinge genannt, für die teilweise per Gesetz bestimmte Verfahrensabläufe vorgeschrieben
sind, die nicht verändert werden können. Das betrifft beispielsweise die Arbeit in den
Vorständen der verschiedenen Parteifragmente (vgl. [1:47]). Aber auch die in Kapitel 3.7.1 dargestellten Organisationsstrukturen sind größtenteils per Gesetz vorgegeben.
118
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Ebenfalls regulativ aber teilweise auch normativ wirkt der Anspruch an politische
Parteien, dem Datenschutz genüge zu tun. Dies wirkt sich besonders dann aus, wenn
es um öffentlich zugängliche Netzwerke wie Facebook etc. geht (vgl. [2:176] und
[3:29]).
Bewertung
Im Bereich der politische Koordination ist die Fragmentierung der Partei in entkoppelte Teilorganisationen sowohl aus der Sicht der Partei im Hinblick auf eine optimale Organisationseffizienz als auch für den demokratischen Prozess insgesamt als
Problem anzusehen. Web 2.0 kann und sollte hier eingesetzt werden um die Organisationseffizienz zu erhöhen.
Die politische Koordination hat auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zur demokratischen Verfasstheit der Organisation. Denn es steht hier eindeutig die effiziente Gestaltung rein organisatorischer Vorgänge im Vordergrund. Allerdings ergeben
sich vor allem durch ungleiche Machtverteilungen beim Zugang zu Kommunikationskanälen Probleme in dieser Hinsicht. Denn der Zugang und die Verteilung von
Informationen und der Zeitpunkt, wann welcher Person welche Information zugänglich ist, ist entscheidend bei der Durchsetzung inhaltlicher Punkte und Macht. Web
2.0 verhält sich in dieser Hinsicht eher als ein neutrales Werkzeug: Web 2.0 ermöglicht einen Diskurs, der weniger hierarchisch verläuft. Insbesondere dann, wenn die
Machtkonstellation der eingesetzten Medien in Richtung Konversation geht. Web 2.0
kann aber genausogut eingesetzt werden, um bestimmten Gruppen Informationen
noch effizienter als bisher vor zu enthalten.
Die Bewertung fällt also sehr ambivalent aus, was die Forderungen an einen deliberativen Prozess betrifft. Web 2.0 kann zur stärkeren Beteiligung genutzt werden.
Aber dazu müssen mindestens zwei Probleme gelöst werden. Zum Einen ist es auch
für die Koordination unerlässlich, dass alle Beteiligten mitgenommen werden. Auch
diejenigen, die gegenüber Web 2.0 skeptisch sind. Zum Zweiten muss mit Widerständen bei denjenigen Personen gerechnet werden, die durch die klassischen Strukturen
Machtpositionen erhalten haben.
3.7.4. Zusammenfassung
Die politische Koordination ist ein zentrales, verbindendes Element zwischen den
verschiedenen Organisationsbereichen der Partei. Es wurde dargestellt, wie Parteien klassischerweise vor allem auf Grund gesetzlicher Vorgaben organisiert sind und
119
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
anschließend mit dem parteieigenen Netzwerk linksaktiv.de gezeigt, wie Web 2.0 inzwischen ansatzweise mehr oder weniger erfolgreich auch für die Organisation innerhalb der Partei eingesetzt wird. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Einrichtung
und Nutzung parteieigener Netzwerke offensichtlich einen hohen Aufwand mit ungewissem Erfolg und Nutzen verursacht. Inwieweit es Parteien anzuraten ist, statt
parteieigener Netzwerke auch für den Bereich der politischen Koordination auf die
offenen sozialen Netzwerke zu setzen, muss an anderer Stelle geklärt werden (vgl.
H6.1 in Kapitel 3.8).
An Hand zweier grundverschiedener Szenarien wurde verdeutlicht, welche Veränderungen sich für die Kommunikationsprozesse ergeben, wenn Web 2.0 als neues
Medium eingesetzt wird. Eine wichtige Erkenntnis ist die, dass Web 2.0 die Effizienz der Organisation steigern kann, aber nicht automatisch für einen deliberativeren
Kommunikationsprozess sorgt. Allerdings sind eine ganze Reihe von Strukturen vor
allem rechtlich vorgeschrieben und können durch Web 2.0 höchstens ergänzt aber
bei der derzeitigen Gesetzeslage nicht ersetzt werden. Die Einstiegsfrage, ob nämlich
Web 2.0 die Parteiarbeit im Sinne Wiesendahls defragmentieren bzw. die Entkopplung auflösen kann, ist klar positiv zu beantworten. Ob dies allerdings für die Partei
von Vorteil ist, steht auf einem ganz anderen Blatt und ist eine Fragestellung, die
im Rahmen weiterer Forschungen beantwortet werden müsste (vgl. F6.2 in Kapitel
3.8).
3.8. Hypothesen und Fragestellungen
Die Untersuchungen, Fallstudien, Szenarien und Analysen haben eine ganze Reihe
von Fragen und Hypothesen aufgeworfen, die im Folgenden in Form von Hypothesen zusammenfassend dargestellt werden sollen. Es wäre die Aufgabe weiterer Forschung, sich mit ihnen genauer zu beschäftigen, was im Rahmen dieser Arbeit nicht
möglich war.
Übergreifende Fragestellungen und Hypothesen sind hier:
F1: Welcher Mix aus Web 2.0 und klassischen Medien ist für die einzelnen organisatorischen Bereiche politischer Parteien zu empfehlen?
Es wurde eine Fülle von Szenarien mit unterschiedlichen Konstellationen von Web
2.0 und klassischen Medien dargestellt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich für
die einzelnen organisatorischen Aufgaben politischer Parteien jeweils ein bestimmter
Medienmix als optimal herauskristallisieren lässt.
F2: Wie wirkt sich das institutionelle Umfeld politischer Parteien konkret auf die
120
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Nutzung von Web 2.0 aus?
Es wurden in dieser Arbeit eine Fülle von Hinweisen für institutionelle Einflüsse gefunden. Es fehlt bisher allerdings noch an einer Systematisierung und weiteren konkreten Forschungen in diese Richtung.
Die Fragen und Hypothesen in den einzelnen organisatorischen Teilbereichen sind
hingegen:
H1.1: Die intensivere Diskussion von Parteiprogrammen führt zu besseren Ergebnissen.
Diese Hypothese ist noch etwas vage formuliert. Was genau ein "gutes Ergebnis" ist,
muss erst definiert werden. Nichtsdestotrotz ist die Beantwortung der Frage, ob diese
Hypothese haltbar ist, für die Entscheidung, ob und wie Web 2.o für die Entwicklung
von Parteiprogrammen eingesetzt werden sollte, zentral.
F1.2: Wie wirkt es sich auf das Phänomen der Hypokrisie aus, wenn sich interne
und externe Akteure über das Web 2.0 gemeinsam mit inhaltlichen Fragen auseinander setzen?
Mit der Hypokrisie begegnen politischen Parteien dem Problem, dass sie unterschiedliche Adressaten ihres Handelns haben. Zu nennen sind hier insbesondere Parteimitglieder und Wähler. Welche Probleme ergeben sich hier durch Web 2.0 und wie
können sie gelöst werden?
H1.3: Verbindlichkeit ist eine wichtige Voraussetzung für die Bereitschaft, sich an
Internetdiskussionen und -abstimmungen über Parteiprogramme zu beteiligen.
Es gibt Hinweise, dass die Verbindlichkeit die Motivation zur Beteiligung an Internetdiskussionen stärkt. Sollte sich diese Hypothese erhärten, würde die Verbindlichkeit
ein wichtiger Punkt für Parteien sein, wenn sie die Motivation zur Beteiligung stärken wollen.
H1.4: Bei der Einführung von Web 2.0 empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehen
und bestehende Strukturen langsam zu ergänzen.
Verschiedene Faktoren vor allem aus dem institutionalistischen Umfeld der Parteiorganisation lassen es ratsam erscheinen, keine radikalen Schritte bei der Einführung
von Web 2.0 zu unternehmen.
F2.1: Wie muss eine Web 2.0 Anwendung gestaltet werden, um den Anforderungen
an Prozesse der innerparteilichen Willensbildung gerecht werden zu können?
121
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Anforderungen an eine derartige Anwendung sind beispielsweise die Bedingungen
für einen deliberativen Prozess, Fragen der politischen Sozialisation und die Einhaltung institutioneller Rahmenbedingungen.
H3.1: Sponsormitglieder lassen sich über massenmediale Parteienwerbung erreichen, Akteure mit anderen Motivlagen eher nicht.
Diese Hypothese taucht im Zusammenhang mit dem politischen Personalmanagement auf und erscheint deshalb relativ schlüssig, weil Sponsormitglieder die Partei
nur ideell unterstützen wollen aber nicht in erster Linie eine aktive Rolle spielen wollen.
H3.2: Web 2.0 wirkt den Anreizsschwächen politischer Parteien entgegen.
Es klingt plausibel, dass die weniger hierachische Struktur der Kommunikation im
Web 2.0 für eine höhere Bereitschaft zur Mitarbeit sorgt.
H3.3: Web 2.0 wirkt dem Freiwilligkeitsproblem entgegen.
Es klingt ebenso plausibel, dass die in Web 2.0 stärker öffentlich erklärte Bereitschaft
zur Mitarbeit auch zu einer höheren Verbindlichkeit führt.
F3.4: Welche Web 2.0 Anwendung ist für welche Aufgabe der politischen Personalplanung besonders geeignet?
In Kapitel 3.4.1 wurden eine Reihe von Aufgaben in der politischen Personalplanung
identifiziert. Es stellt sich hier die Frage, welche Anwendung beispielsweise für das
politische Wissensmanagement besonders geeignet ist.
H4.1: Sich dem Web 2.0 zu verweigern hat negative Auswirkungen auf die Akzeptanz politischer Parteien in der Öffentlichkeit
Trifft diese Hypothese zu, dann haben politische Parteien gar keine Wahl. Sie sind
gezwungen, sich über Web 2.0 mit den Bürgern auseinander zu setzen, wollen sie
nicht politischen Einfluss verlieren.
F4.2: Wie können Elemente des traditionellen Politmarketings durch Web 2.0 ergänzt oder ersetzt werden?
Diese Frage geht von einem Ansatz aus, der evolutionär versucht, traditionelle Elemente der Parteienwerbung durch Web 2.0 zu ersetzen.
F5.1: Welche Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Spendenkampagne einer politischen Partei im Web 2.0?
122
Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse
Es gibt Hinweise darauf, dass Verknüpfungen zwischen Web 2.0 und realer Welt
wichtig sind sowie möglichst wenig Aufwand für die Durchführung der Spende. Dies
muss allerdings systematisch untersucht werden.
H5.2: Mit Web 2.0 lassen sich neue Gruppen von Spendern erreichen.
In dieser Hypothese enthalten ist natürlich auch die Frage, welche Gruppen das konkret sind und wie sich die Spenden hier zusammen setzen.
H5.3: Je interaktiver das Web 2.0 Medium ist, desto besser eignet es sich für die
Spendenwerbung
Eine Aussage in den Interviews war, dass Spender im Web 2.0 an weiter führender
Interaktiv über die Spende hinaus interessiert sind. Dies würde implizieren, dass sich
hier diejenigen Medien mit einer höheren Interaktivität besser eignen.
H6.1: Die Entwicklung eigener sozialer Netzwerke ist Parteien nicht anzuraten.
In Kapitel 3.7.3 wurde dargestellt, dass es über die Sinnhaftigkeit eigener sozialer
Netzwerke und Organisationsplattformen unterschiedliche Sichtweisen bei den Interviewpartnern gibt.
F6.2: Inwieweit ist die Aufhebung der Entkopplung der verschiedenen Parteifragmente durch Web 2.0 für die Parteiorganisation von Vorteil?
Die Entkopplung der verschiedenen Parteifragmente hat das Ziel, bestehende Widersprüche nicht zu Tage treten zu lassen. Ergeben sich eventuell aber auch Vorteile
durch die neue Transparenz?
123
Kapitel 4.
Reflexion
Eine große Herausforderung bei der Erstellung dieser Arbeit war die Dynamik, die
Parteien in der Nutzung von Web 2.0 entwickeln. So handelt es sich beispielsweise bei
der "elektronischen Programmdebatte" um ein Projekt, das ständiger Veränderung
unterworfen war. Dies führte dazu, dass Ergebnisse immer wieder hinterfragt und
aktualisiert werden mussten.
Es wäre eventuell sinnvoll gewesen, zusätzliche Interviewpartner zu akquirieren, um
die qualitativen Aussagen weiter untermauern zu können. Auch könnte man kritisieren, dass von den drei Interviewpartnern zwei aus der Linkspartei waren und somit
eventuell eine Verzerrung in den Aussagen statt findet. Dem kann man allerdings
entgegnen, dass die Interviewpartner eher als Experten für den Einsatz von Web 2.0
aufgetreten sind und erst in zweiter Linie als Mitglieder einer bestimmten Partei.
Insgesamt stellen die erarbeiteten Ergebnisse aus meiner Sicht eine gute Grundlage
für weitere empirische und theoretische Forschung dar.
124
Kapitel 5.
Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass politische Parteien sehr komplexe Gebilde
sind, die in ihren verschiedenen organisatorischen Aufgabenbereichen unterschiedlich weit sind was den Einsatz von Web 2.0 betrifft. Während Parteien im Bereich des
Politmarketings bereits sehr weit reichende Erfahrungen mit Web 2.0 gesammelt haben, liegen die Potentiale von Web 2.0 im Bereich der politischen Personalplanung
oder der innerparteilichen Organisation weitestgehend brach. Mit Hilfe verschiedener Szenarien wurden die Unterschiede deutlich gemacht, die Web 2.0 für den jeweiligen organisatorischen Teilbereich bedeuten können.
Mit Hilfe des Neoinstitutionalismus und der politikwissenschaftlichen Betrachtung
ergaben sich daraufhin Anhaltspunkte für die Gründe, die Parteien zu ihrer jeweiligen Verhaltensweise veranlassen.
Aus der Sicht der deliberativen Demokratietheorie konnten die Ergebnisse normativ dahingehend bewertet werden, ob die Veränderungen wünschenswert sind oder
nicht.
Auf der theoretischen Ebene wurde das Mikropolis-Modell um das neue Element des
Mediums erweitert. Diese Erweiterung ermöglicht es auch zukünftigen Forschungsprojekten, kommunikative Prozesse zwischen Mikro- und Makrokontext genauer zu
erfassen und zu erklären.
Diese Arbeit gibt einen groben Überblick über die vielfältigen Aspekte des Einsatzes
von Web 2.0 in politischen Parteien. Weitere, tiefer gehende Untersuchungen könnten
sich auf einzelne organisatorische Teilbereiche der Parteien konzentrieren. Hierbei
bieten die erarbeiteten Hypothesen und Fragestellungen erste Ansatzpunkte.
125
Abkürzungsverzeichnis
CDU
CSU
Christlich Demokratische Union
Christlich-Soziale Union
FDP
Freie Demokratische Partei
GKI
Globale Kommunikations-Infrastruktur
IRC
IT
Internet Relay Chat
Informationstechnik
MM
Mikropolismodell
NbK
NI
NPO
Netzbasierte Kommunikation
Neoinstitutionalismus
Non-Profit Organisation
PC
PDF
PDS
Personal Computer
Portable Document Format
Partei des Demokratischen Sozialismus
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
WASG
Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative
i
Abbildungsverzeichnis
2.1. Marktwert von Web 2.0 Unternehmen (Quelle: [Esn07]) . . . . . . . . .
2.2. Clusterung von Web 2.0 Anwendungen und Unternehmen (Quelle:
[Sch10a]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3. Aufgaben des Unternehmensmanagements (Quelle: [WD05], S. 63) . .
2.4. Aufgaben in politischen Parteien (Quelle: Eigene Darstellung) . . . . .
2.5. Die soziotechnische Perspektive (Quelle: [Rol08], S. 97) . . . . . . . . .
2.6. Der Mikrokontext (Quelle: [Rol11], S. 30) . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7. Der Makrokontext (Quelle: [Rol11], S. 33) . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.8. Erweitertes Mikropolis-Modell (Quelle: Eigene Darstellung angelehnt
an [Rol11], S. 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.9. Die drei Säulen von Institutionen (Quelle: [Wal06], S. 380) . . . . . . . .
3.1. Die Einstiegsseite zur "elektronischen Programmdebatte" der Partei
Die Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011) . . . .
3.2. Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei Die
Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011) . . . . . .
3.3. Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei Die
Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 22. November 2010) . . .
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0824214550/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011) . . . . . . . .
3.7. Webseite der CDU 2011 (Quelle: http://www.cdu.de/, Stand 17. April
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Stand 21. Februar 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ii
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97
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Anhang A.
Kennzahlen der betrachteten Parteien
Die Christlich Demokratische Union (CDU) : Die CDU ist die mitgliederstärkste Partei in Deutschland. Gegründet wurde sie 1945 und hat 505.314 Mitglieder. Die Mitgliederzahlen sind seit Jahren leicht rückläufig. Parteivorsitzende ist Angela Merkel.
Derzeit stellt die CDU in neun Bundesländern den Regierungschef und ist in einem
weiteren Bundesland an der Regierung als kleinerer Partner beteiligt. In Bayern gibt
es keinen Landesverband der CDU. Auf Bundesebene stellt sie derzeit mit Angela Merkel die Bundeskanzlerin. Im deutschen Bundestag bildet die CDU zusammen
mit der CSU eine gemeinsame Fraktion(vgl. [Wik11c]).
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die älteste parlamentarisch
vertretene Partei in Deutschland. Als Gründungsdatum beruft sich die SPD auf
die Gründung der Vorgängerorganisation Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein
(ADAV) im Jahr 1863. Vorsitzender der SPD ist Sigmar Gabriel. Die Partei hat etwa
505.000 Mitglieder in Deutschland und ist damit die zweitgrößte Partei. Die Mitgliederzahlen sind seit Jahren stark rückläufig. Die SPD stellt derzeit in sechs Bundesländern den Regierungschef und ist in weiteren zwei Bundesländern als kleinerer
Partner an einer Koalition mit der CDU beteiligt. Auf der Bundesebene befindet sich
die SPD in der Opposition(vgl. [Wik11k]).
Christlich Soziale Union (CSU): Die CSU ist mit 159.198 Mitgliedern die drittgrößte
deutsche Partei und wurde 1946 gegründet. Die Mitgliederzahlen sind leicht rückläufig. Den Parteivorsitz hat derzeit Horst Seehofer inne. Die CSU nimmt eine gewisse
Sonderstellung ein, weil sie nur in Bayern existiert. Sie stellt dort derzeit auch den
Regierungschef. Auf Bundesebene bildet sie gemeinsam mit der CDU eine Fraktionsgemeinschaft (vgl. [Wik11d]).
Die Linke: Die Partei Die Linke ging 2007 aus dem Zusammenschluss der Partei
des demokratischen Sozialismus (PDS) und der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) hervor. Die PDS ist die Nachfolgeorganisation der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Staatspartei der damaligen Deutschen Demo-
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Anhang A. Kennzahlen der betrachteten Parteien
kratischen Republik (DDR). Sie hat 75.462 Mitglieder. Die Mitgliederzahlen sind
leicht ansteigend. Sie ist in zwei Landesparlamenten an Regierungen beteiligt (vgl.
[Wik11f]).
Die Freie Demokratische Partei (FDP): Gegründet wurde die FDP 1948. Die Partei
stagniert derzeit bei um die 70.000 Mitgliedern. Die FDP ist im Moment an sieben
Regierungen beteiligt. Parteivorsitzender ist Guido Westerwelle(vgl. [Wik11g]).
Bündnis 90/Die Grünen: Die Partei ist ein Zusammenschluss des aus der Bürgerrechtsbewegung in der ehemaligen DDR hervorgegangenen Wahlbündnisses "Bündnis 90" und der westdeutschen Partei "Die Grünen". Die Vereinigung erfolgte im Jahr
1993. Die Partei hat derzeit 53.018 Mitglieder und ist an drei Landesregierungen beteiligt. Den Parteivorsitz teilen sich Claudia Roth und Cem Özdemir(vgl. [Wik11b]).
Piratenpartei Deutschland: Die Piratenpartei Deutschland hat sich am 10. September
2006 gegründet. Mitglieder hat die Partei 12.115. Parteivorsitzender ist Jens Seipenbusch. Die Partei ist derzeit in keinem Landesparlament vertreten (vgl. [Wik11j]).
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Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere, dass ich die vorstehende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
angefertigt und mich anderer als der im beigefügten Verzeichnis angegebenen Hilfsmittel nicht bedient habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Alle Quellen, die
dem World Wide Web entnommen oder in einer sonstigen digitalen Form verwendet
wurden, sind der Arbeit beigefügt.
Hamburg, 28. April 2011
Unterschrift
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