HS-Fgr F01-1 Page 1 20.10.2003 Universität Bayreuth Physik Didaktik Angewandte Fachdidaktik II WS 03/04 Leitung: Dr. Weber, S. Referent: Michael Blinzler Vorunterrichtliche Schülervorstellungen im Bereich der Optik Hauptschule Fächergruppe, Frühjahr 2001, Thema Nr. 1 Schülerinnen und Schüler bringen Vorkenntnisse und Laientheorien, Assoziationen und Fragen, eine bestimmte Sprache und einen bestimmten Wortschatz sowie Interessen und Einstellungen mit in den Physikunterricht. In der Fachliteratur spricht man von Alltagsvorstellungen oder Präkonzepten. 1. Erörtern Sie, weshalb diese vorunterrichtlichen Schülervorstellungen im Unterricht berücksichtigt werden müssen! Vorunterrichtliche Schülervorstellungen werden auch Alltagsvorstellungen oder Präkonzepte genannt. Diese Präkonzepte sind Kenntnisse und Vorerfahrungen über konkrete Sachverhalte oder ganze Sachgebiete, die aus physikalischer Sicht nicht vollständig oder auch fehlerhaft sind. Zudem werden sie häufig unreflektiert auf neue Sachverhalte angewandt. Daraus folgt die Gefahr, dass z.B. Wasserdampf immer als Rauch angesehen wird, weil das Kind zuvor den Rauch durch optische Merkmale definiert gelernt hat. Rauch wird physikalisch gesehen vom Kind mit einem Lichtstreuer gleichgesetzt. Folglich schließt das Kind dann von diesem einen Merkmal unmittelbar auf die Bezeichnung des Phänomens. Diese Vorstellungen begleiten den Schüler dann in den Physikunterricht und können dort nur schwierig wieder abgelegt werden, da sie bisher nicht in Frage gestellt wurden und sich dadurch u.U. kognitiv und affektiv fest verankert haben konnten. Im Unterricht erfolgt dann ein Konflikt zwischen dem Präkonzept des Schülers und der vom Lehrer vertretenen physikalischen Richtigkeit. Damit dieser Widerspruch zugunsten des Physiklehrers ausfallen kann, muss der Lehrer in seiner Unterrichtsplanung solche Präkonzepte berücksichtigen und ihnen durch seinen Unterricht entgegenwirken. Andernfalls übernehmen Schüler in vielen Fällen nicht die vom file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 2 Lehrer vermittelten Denkmodelle und Vorstellungen. Präkonzepte sind gegenüber neuen Konzepten oft stärker, weil sie sich bewährt haben und nicht in Frage gestellt wurden, aber auch, weil das Neue ggf. keinen merkbaren Vorteil hat. Die Gefahr besteht darin, dass sich falsche Präkonzepte, die nicht ausgeräumt bzw. beseitigt wurden, zu Misskonzepten oder Fehlvorstellungen entwickeln können. Außerdem können Präkonzepte mit dem Neuen kombiniert werden und zu einem weiteren Konzept führen, dass jedoch auch falsch oder unvollständig sein kann. Schließlich verhindern Misskonzepte häufig das Verständnis für neue Sachverhalte. Der Physikunterricht soll jedoch genau dies verhindern und den Schülern gleichermaßen physikalisch richtige Sichtweisen und daraus folgend ein stimmiges Weltbild vermitteln. 2. Nennen Sie für die folgenden drei Bereiche je eine Schülervorstellung, die nicht mit physikalischen Vorstellungen übereinstimmt: a. Licht und Sehen b. Ebener Spiegel c. Entstehung der Mondphasen Geben Sie zu den Beispielen a) bis c) Möglichkeiten an, wie man diesen Schülervorstellungen im Unterricht begegnen kann! Zu a) Licht und Sehen Fehlerhafte Schülervorstellungen aus dem Bereich "Licht und Sehen" liegen z.B. in der Vorstellung darüber, wie bzw. wieso man etwas sehen kann. Verschiedene Vorstellungen über den Sehvorgang sind erkennbar: Bei 10-11-jährigen ist die Vorstellung vom Lichtbad vorherrschend. Danach ist "Licht", sofern man etwas sieht, überall. Lichtquellen spielen in der Vorstellung noch keine Rolle. file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 3 Abb. 1: vorherrschende Fehlvorstellung bei 10-11-jährigen Aus Weber, S.: "Angewandte Fachdidaktik I" , S.22 Bei 13-14-jährigen gewinnt nun die Lichtquelle an Bedeutung: Ein Objekt kann erst dann sichtbar sein, wenn es in einem Zusammenhang mit einer Lichtquelle steht, d.h. wenn diese um das Objekt herum Helligkeit erzeugt. Abb. 2: vorherrschende Fehlvorstellung bei 13-14-jährigen Aus Weber, S.: "Angewandte Fachdidaktik I" , S.22 file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 4 Ebenfalls bei 13-14-jährigen existiert vereinzelt die Vorstellung, dass vom Auge "Strahlen" ausgehen, die auf ein Objekt treffen. Wird dieses Objekt zugleich von einer Lichtquelle angestrahlt, dann ist es sichtbar. Diese Vorstellung vom Sehvorgang war bereits bei den Griechen verbreitet und ist darauf zurückzuführen, dass sehen schließlich ein aktiver Vorgang ist und daher scheinbar vom Menschen etwas ausgehen muss (hier: Strahlen), damit er etwas wahrnehmen kann. Abb. 3: auftretende Fehlvorstellung bei 13-14-jährigen Aus Weber, S.: "Angewandte Fachdidaktik I" , S.22 In allen Altersstufen spielt die Vorstellung von Reflexion und Absorption von Objekten in den meisten Fällen noch keine Rolle. Physikalisch richtig wird der Sehvorgang so beschrieben, dass ein Objekt nur dann gesehen werden kann, wenn Licht von einer Lichtquelle auf ein Objekt trifft und von diesem mit genügend Intensität ins Auge reflektiert wird (die Farbentstehung bleibt bei dieser Beschreibung unberücksichtigt). file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 5 Abb. 4: physikalische Vorstellung Aus Weber, S.: "Angewandte Fachdidaktik I" , S.22 Lösung: Die Bedeutung der Lichtquelle kann einfach dadurch gezeigt werden, indem man in einem dunklen Raum einen lichtundurchlässigen Karton zwischen einer brennenden Lampe, die einen gebündelten Lichtstrahl auf ein Objekt wirft, und einem von dieser zuvor angestrahlten Objekt positioniert, sodass das Objekt nun nicht mehr sichtbar ist. Alternativ zur Lampe kann man auch einen Laserpointer verwenden. Die Vorstellung von den "Augenstrahlen" kann man mit Hilfe einer optischen Bank, die das (baugleiche) Auge simulieren soll, widerlegen (siehe 3.). Zu b) Ebener Spiegel Grundschulkinder sind häufig der Meinung, dass sich das Spiegelbild vom eigenen Körper auf der Ebene des Spiegels, folglich also in derselben Entfernung wie die spiegelnde Fläche befinden muss. Mit zunehmendem Alter findet man diese Vorstellung jedoch nur noch selten an. Praktikumserfahrungen in der Sekundarstufe 1 haben dagegen folgendes gezeigt: Auf die Frage, warum sich überhaupt etwas spiegeln kann, antwortete ein Schüler mit dem Argument, dass es eben bestimmte Materialien gibt, die Licht reflektieren. Dies ist insofern nicht vollständig, da das Zustandekommen von Reflexionen nicht nur vom Material, sondern auch noch von weiteren Variablen abhängt. Schaut man z.B. tagsüber aus dem Fenster, so sieht man die Außenwelt nahezu identisch wie bei direktem Blickkontakt ohne Fenster. Dagegen ist bei Nacht nur wenig zu erkennen, da fast das gesamte Licht aus dem file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 6 Innenraum an der Scheibe reflektiert wird. In diesem Fall fungiert die Fensterscheibe auch als Spiegel. Jedoch ist die Intensität des Spiegelbildes nicht sehr hoch, da der Hauptteil des Lichtes durch die Scheibe hindurchgeht. Dies kann man durch einen Blick von außen durch die Scheibe nach innen leicht nachvollziehen, da man den Raum hell erleuchtet wahrnehmen kann. Lösung: Mit einem analogen Experiment wie eben beschrieben könnte man im Unterricht einer derartigen Vorstellung entgegenwirken. Zu c) Entstehung der Mondphasen Wie entstehen die Mondphasen, bzw. wie kommt es, dass der Mond manchmal voll ist, ein anderes Mal unsichtbar, und dazwischen einmal nach links und einmal nach rechts geöffnet ist? Selbst Erwachsene haben mit einer physikalisch korrekten Antwort erschreckend häufig Probleme! Eine spontane Erklärung findet sich meistens in der Erde, indem sie den Schatten für den verdunkelten Teil des Mondes spenden soll. Natürlich ist das bei genauerer Betrachtung unmöglich. Um mit einfachen Worten eine Erklärung zu geben, greife ich auf ein Gedicht von Leonardo da Vinci zurück: Der Mond hat kein Licht von sich aus, und soviel die Sonne von ihm sieht, so viel beleuchtet sie; und von dieser Beleuchtung sehen wir so viel, wieviel davon uns sieht. Und seine Nacht Empfängt so viel Helligkeit, wie unsere Gewässer ihm spenden, indem sie das Bild der Sonne widerspiegeln, die sich in all jenen Gewässern spiegelt, welche die Sonne und den Mond sehen. Folglich ergeben sich die verschiedenen Mondphasen aufgrund der relativen Lage von Sonne, Erde und Mond zueinander. Da der Mond eine Kugel ist und aufgrund der großen Distanz zwischen Sonne und Mond kann die Sonne nicht viel mehr als die Hälfte der Mond-Kugel beleuchten. Daraus folgt, dass es immer fast eine Hälfte gibt, die nicht beleuchtet ist. Es fällt leichter, sich die Erklärungen anzueignen, wenn man sich loslöst von der eingeengten Perspektive von der Erde aus und die drei Himmelskörper von einem fernen Punkt aus betrachtet. Der Mond läuft innerhalb eines Monats einmal um die Erde. Ich elementarisiere das Phänomen soweit, dass sich der Mond in nur einer bestimmten Ebene, die die Gerade Erde - Sonne nicht schneidet, um die Erde dreht. Der Mond befindet sich daher in dieser Elementarisierung zu keinem Zeitpunkt auf der Geraden Erde - Sonne. file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 7 1. Bei Neumond sehen wir auf der Erde nichts von der beleuchteten Seite. Die Sonne befindet sich von der Erde aus gesehen in etwa der gleichen Richtung wie auch der Mond. 2. Bei Vollmond ist der gesamte Teil des Mondes beleuchtet, der von der Erde aus sichtbar ist, da die Sonne vom Mond aus gesehen in einer ähnlichen Himmelsrichtung wie auch die Erde zu finden ist. 3. Bei zunehmendem Mond ist die rechte Seite des Mondes beleuchtet, bei abnehmendem Mond die linke. Teilt man nun den gesamten Raum in zwei Hälften, die von einer Ebenen durch Mond, Erde und Senkrechte auf der Erde an der Stelle des Betrachters getrennt werden, so lässt sich die Hälfte, in der sich die Sonne befindet bei der entsprechenden Mondphase eindeutig bestimmen. Lösung: Um die Fehlvorstellung, dass die Mondphasen durch den Schatten der Erde hervorgerufen werden, auszuräumen, könnte folgendermaßen vorgegangen werden: Der Lehrer lässt einige Bilder verschiedener Mondphasen aus der Erinnerung der Schüler malen, damit sich die Schüler ihre eigenen Gedanken zu diesem optischen Problem entwickeln können. Im Anschluss fragt der Lehrer, ob jemand schon einmal folgende Form des sichtbaren Teils des Mondes beobachten konnte: Die Schüler verlgleichen das Bild mit ihren Zeichnungen und stellen fest, dass das Bild keine ihnen bekannte Mondphase darstellt. Nun kann der Lehrer einen Pappkarton mit ausgespartem Kreis auf den Overhead legen, um den Mond darzustellen. Daraufhin schiebt er langsam einen größeren kreisförmigen Karton zwischen die Linse des Overheads und den ersten Karton. Dieser zweite Karton stellt die Erde dar, die sich langsam zwischen Mond und Sonne schieben soll. An der Wand ist nun ein ähnliches Bild wie oben sichtbar. Daraus kann man ableiten, dass das obige Bild nur bei Mondfinsternissen beobachtbar ist, wenn also die Erde den Mond tatsächlich verdunkelt, nicht aber bei den Mondphasen. file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 8 Im Folgenden soll die Form des Übergangs zwischen sichtbarem und verdunkeltem Mond bei verschiedenen Mondphasen beschrieben werden. Dazu eignet sich ein Ball als Modell des Mondes, dessen eine Hälfte weiß und die andere schwarz bemalt ist. Die Schüler sollen die Form der Trennlinie zwischen den farbigen Flächen beschreiben. Da ein jeder Schüler aus einer anderen Perspektive auf den Ball schaut, ergeben sich jedoch verschiedene Formen. Eine Videokamera, die das Model aus einer fixen Perspektive aufnimmt und direkt auf einen Monitor ausgibt kann aber Abhilfe schaffen. 1. Falls mehr als die Hälfte des Ball-Bildes weiß ist, ist die Form der weißen Fläche bikonvex (bzw. Konvex am Übergang zur schwarzen Fläche), 2. falls weniger als die Hälfte des Ball-Bildes weiß ist, ist die Form der weißen Fläche konkav-konvex (bzw. konkav am Übergang zur schwarzen Fläche). Abschließend kann man fragen und begründen lassen, wie ein perfekter Halbmond erzeugt werden kann und ob er im Laufe einer Mondfinsterniss beobachtet werden kann. Alternativ lässt sich die Erklärung der Mondphasen durch geeignete Modelle unterstützen: Die drei Himmelskörper werden durch z.B. Styropor-Kugeln dargestellt, worauf die Sonne durch eine Lampe ersetzt wird. Nun werden die oben erwähnten Konstellationen durchgespielt und die von der Erde aus sichtbare Fläche des Mondes beschrieben. 3. Beschreiben Sie einen Modellversuch, mit dem man den optischen Anteil des Sehvorgangs im Unterricht veranschaulichen kann! Um den optischen Anteil des Sehvorgangs zu demonstrieren, dient eine optische Bank. Darauf sind folgende Instrumente befestigt: Eine Experimentierleuchte, die ein Objekt beleuchtet, in dem ein Buchstabe aus einer lichtundurchlässigen Platte ausgespart ist. Diese Vorrichtung simuliert ein Objekt, das einen Teil des Lichts einer Lichtquelle reflektiert und dadurch sichtbar wird. eine verstellbare Iris-Blende: Sie simuliert die Pupille, deren Funktionsweise unten beschrieben wird; file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 9 eine Sammellinse, die alle einfallenden Strahlen eines Elements des Objekts so ablenkt, dass sie auf einen Punkt hinter der Linse gebündelt werden. Alle Elemente werden so auf Punkte in einer Ebene hinter der Linse abgebildet. Die Sammellinse simuliert die Augenlinse mit derselben Funktion. ein Schirm, auf den die Lichtstrahlen treffen: Er simuliert die Netzhaut, die die Signale durch den Ablauf von chemischen Prozessen wahrnehmen kann und die Ergebnisse an das Gehirn weiterleitet. Auf dem Schirm wird sichtbar, dass das Objekt spiegelverkehrt und auf dem Kopf stehend abgebildet wird. Auf der Netzhaut ereignet sich dasselbe Phänomen, jedoch ist das Gehirn dies gewöhnt und deutet die Signale natürlich richtig. Die folgende Versuchsanordnung wurde im Physik-Praktikum erprobt. Die Linse hatte eine Brennweite f = 20 cm. Die Voraussetzungen für den Versuch sind die Kenntnis über der Funktionsweisen der optischen Instrumente sowie der Aufbau des Auges. Eine Möglichkeit, den Demonstrationsversuch im Unterricht zu gestalten, ist folgende: Der Lehrer stellt gezielte Fragen nach bestimmten Elementen des Modells: 1. "Man braucht etwas, dass man überhaupt sehen will!" Auf die Antwort "ein Gegenstand" (o.ä.) wird eingeworfen, dass dieser für das Modell zu dunkel ist, weil das Auge viel empfindlicher ist als die Modellvorrichtung. Also wird der Gegenstand durch die Experimentierleuchte und die L-Blende als Objekt ersetzt. Diese Kombination simuliert nun einen Gegenstand, der sehr hell ist und dadurch die geringere Lichtempfindlichkeit der Versuchsanordnung egalisiert. 2. "Wo endet der optische Anteil des Sehvorgangs im Auge?" Die Schüler antworten "auf der Netzhaut", woraufhin der Lehrer fragt, wie man diese im Model ersetzen könnte. Da man allein zeigen möchte, wie die Lichtstrahlen auf der Netzhaut auftreffen, genügt es, anstelle der Netzhaut einen einfachen weißen Schirm im Modell einzusetzen. 3. "Nun muss man die Lichtstrahlen zwischen Objekt und Schirm so manipulieren, dass auf dem Schirm etwas sichtbar wird. Was braucht man dazu noch?" bzw. "Was fehlt nun im Modell noch gegenüber dem Auge?" Als Antworten kommen die Pupille und die Augenlinse, deren optische Eigenschaften mit einer Iris-Blende und file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 10 einer geeigneten Sammellinse nachgestellt werden. Die Eigenschaften werden am Modell und ggf. durch ein Tafelbild wiederholt 4. Nachdem die Schüler die Reihenfolge der beiden Instrumente geantwortet haben, wird experimentell die geeignete Entfernung voneinander ermittelt. Dabei wird auch untersucht, welchen Effekt das Verschieben der Sammellinse hervorruft. Ferner kann man an dieser Stelle bereits auf Fehlsichtigkeit eingehen (u.U. auch mit einer weiteren Sammellinse mit einer anderen Brennweite an derselben Stelle wie die oben verwendete) 4. Erläutern Sie an einem Beispiel, wie Sie im Unterricht den Unterschied zwischen Sehen und Wahrnehmen für die Schülerinnen und Schüler erlebbar machen können! a. Erklären Sie, wie die Augenlinse scharfe Netzhautbilder von im Nahbereich unterschiedlich weit entfernten Gegenständen erzeugt! b. Welche Funktion hat die Augenpupille? c. Beschreiben Sie anhand einer Skizze, was man unter Kurz- bzw. Weitsichtigkeit versteht und wie man diese Augenfehler durch Linsen korrigieren kann! Zu 4.: "Sehen" bedeutet (nach Bertelsmann), durch Lichtreize von der Umwelt eine Vorstellung über Form, Farbe und Entfernung zu bekommen. Sehen bedeutet eine Abbildung der Umwelt auf die Netzhaut. "Wahrnehmen" wird mit Erfassen realer Gegenstände durch die Sinne ähnlich definiert. Meiner Ansicht nach treffender ist dagegen die jüngere Definition, wonach Wahrnehmung die durch die Sinnesorgane gewonnene und im Gehirn verarbeitete Vorstellung von der Umwelt ist. Phänomenologisch bedeutet wahrnehmen den fundamentalen Zugang zur Welt, da Empfindung ohne Gestaltwahrnehmung nicht existiert und Erkenntnis an sinnlichem Eindruck gebunden ist. Über die Leistung des Gehirns beim Sehen schreibt das Magazin "Unterricht Biologie" folgendes: "Aus den optischen Signalen, die das Auge aufnimmt und verarbeitet, konstruiert das Gehirn verhaltensrelevante Informationen über die Umwelt, also über Helligkeit, Bewegung, Tiefe, Form und Farbe des Objektes. Dabei wird auch die durch Linsenfehler verursachte Unschärfe des Netzhautbildes durch Rechenleistungen des Gehirns so korrigiert, dass ein scharfes Bild wahrgenommen wird. Die Bildverarbeitung erfolgt in mehreren Teilen des visuellen Cortex. [...]" Folglich ist also das Gehirn dafür verantwortlich, dass mache Objekte anders wahrgenommen werden, als sie in der Realität vorliegen. file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 11 Die optische Täuschung ist ein Beispiel dafür, wie man den Unterschied zwischen den Definitionen "sehen" und "wahrnehmen" vertiefen kann. "Optische Täuschung" bedeutet den Unterschied zwischen realem Gegenstand und dessen optischer Wahrnehmung. Sie beruht auf einer falschen Beurteilung des retinalen Bildes (also der Abbildung auf der Netzhaut) durch das Gehirn. Beispiele: a. Entfernungsschätzungen Entfernungen wirken über Wasser kürzer als an Land Höhen wirken von unten kleiner als von oben b. Geometrische Figuren c. Farbtäuschungen Die roten Kästchen haben ebenso wie die grünen Kästechen an jeder Stelle des Bildes die selbe Farbe. file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 12 Die blauen und die roten Objekte haben jeweils dieselbe Farbe. Zu 4 a) Aufbau des Auges: Die Augenlinse befindet sich direkt hinter der Pupille. Sie ist über viele kleine Fasern (Spannband mit Zonulafasern) mit einem Ringmuskel (Ziliarmuskel) verbunden, der sich in hinter der Iris in derselben Ebene wie die Augenlinse befindet und an der Lederhaut befestigt ist. Die Lederhaut übt über das Spannband eine Kraft auf die Linse aus und hält sie recht dünn. Wenn sich der Ringmuskel kontrahiert, verkleinert er seinen Radius und wirkt der Kraft der Lederhaut entgegen. Das hat zur Folge, dass sich die Linse radial zusammenzieht und in ihre Ruheform zurück gelangt. Die Brennweite wird dabei größer. Entspannt sich der Ringmuskel, wird die Linse wieder dünner und deren Brennweite kleiner. Abb. 8: Aufbau des vorderen Teiles des Auges Aus "Welt der Wissenschaft: Die Lichtstrahlen", S. 50 file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 13 Funktion der Linse: Das lichtbrechende System des Auges besteht aus der konvex gekrümmten Hornhaut, der bikonvexen Augenlinse (Brechungsindex nL = 1,42 - 1,46, je nach Form) und dem dahinter liegenden Kammerwasser (Brechungsindex nK = ca. 1,33). Einfallende Lichtstrahlen werden bei den Übergängen so gebrochen, dass auf der Netzhaut ein stark verkleinertes, umgekehrtes Bild des Objektes entsteht. Abb. 9: Strahlengang beim Sehen im Fernbereich Aus "Welt der Wissenschaft:Die Lichtstrahlen", S. 53 Ein scharfes Bild entsteht nur dort, wo sich die von einem Gegenstand ausgehenden Strahlen nach ihrer Brechung durch die Augenmedien hinter der Linse schneiden. Die Entfernung von der Linse, in der das geschieht (Bildweite b) ist abhängig von der Gegenstandsweite g und der Linsenbrennweite f nach der Beziehung: 1/g + 1/b = 1/f Diese Formel ist eine Näherung für dünne Linsen. Ist der Gegenstand nahezu unendlich weit entfernt, wird 1/g = 0. Folglich ist 1/b = 1/f, also auch b = f. Bild- und Brennweite sind dann also gleich. Je näher der Gegenstand an die Linse heranrückt, desto größer wird bei konstanter Linsenbrennweite die Bildweite und das Abbild wäre erst hinter der Netzhaut scharf. Darum wird die Form der Linse so verändert, dass sich ihre Brennweite vergrößert und das Abbild genau auf der Netzhaut scharf erscheint. file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 14 Abb. 10: Scharfstellen auf unterschiedliche Entfernungen im Nahbereich Aus "Welt der Wissenschaft: Die Lichtstrahlen", S. 53 Die jeweils optimale Spannung des Ziliarmuskels und die damit verbundene optimale Form der Linse wird nervös gesteuert. Sobald das Bild im Zentrum der Netzhaut unscharf wird, melden das die sensorischen Nerven dem Regelzentrum in der sekundären Sehrinde des Großhirns. Von dort aus werden Signale an den Ziliarmuskel initiiert, damit dieser die Spannung optimiert und das Abbild auf der Netzhaut scharf wird. Zu 4 b) Aufbau: Direkt hinter der Hornhaut des Auges befindet sich die lichtundurchlässige Iris oder auch Regenbogenhaut. In deren Mitte befindet sich ein lichtdurchlässiges Loch, das als Pupille bezeichnet wird. Die Iris kann den Durchmesser der Pupille von 1 mm bis 8 mm variieren. Dies geschieht dadurch, dass die scherengitterartig angeordneten Muskel- und Bindegewebsfasern ihre Richtung ändern. Aufgabe der Pupille: Durch die Flexibilität des Pupillendurchmessers ist es der Pupille möglich, zwei Aufgaben zu erfüllen: 1. Unterstützung der Akkomodation durch Einstellen der Tiefenschärfe Eine kleine Pupillenöffnung hat, wie eine kleine Blendenöffnung einer Kamera, den Vorteil einer großen Schärfentiefe des Bildes. Bei großer Helligkeit und entsprechend kleiner Pupille sieht man relativ nahe und ferne Objekte gleichzeitig scharf, während bei großer Öffnung nur Objekte scharf erscheinen, die nahe der Fixationsebene liegen (die Fixationsebene ist die Menge aller Punkte, die allein durch die Augenlinse, also ohne Zuhilfenahme der Pupille, auf die Netzhaut scharf abgebildet werden würden) file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 15 Experiment für kurzsichtige Brillenträger: Schaut man ohne Brille auf einen Gegenstand, der gerade so weit weg ist, dass er noch unscharf erscheint, kann man durch eine improvisierte Blende mit Hilfe des gekrümmten Zeigefingers unmittelbar vor dem Auge Abhilfe schaffen: Der Gegenstand erscheint nun scharf. 2. Unterstützung der Adaption durch Regelung der eintretenden Lichtintensität (den Hauptteil dieser Aufgabe erledigt jedoch die Retina) Gelangt man bei Sonnenschein in einen dunklen Raum, kann man erst nach einiger Zeit die Umgebung gut erkennen, wenn nämlich das Auge (genauer: die Retina) an die Dunkelheit adaptiert ist. Beim Verlassen des Raumes wird man vom Tageslicht geblendet, bis das Auge wieder an die intensive Leuchtdichte adaptiert ist. Der Pupillenreflex schützt vor Blendung, indem er nach 0,2 Sekunden zur Verkleinerung der Irisblende führt. Bei Belichtung nur eines Auges reagiert auch die Pupille des anderen Auges (konsensuelle Lichtreaktion). Zu 4 c) i. Kurzsichtigkeit Kurzsichtigkeit (Myopie), ist eine mangelhafte Funktion des Auges, die entweder auf einer Verlängerung der Augenachse (Achsen-Myopie) oder zu starker Brechkraft der Linse (Brechungs-Myopie) beruht. Dadurch vereinigen sich die von der Linse gebrochenen Strahlen bereits vor dem Auftreffen auf der Netzhaut. Auf kurze Entfernung ist das Sehen noch möglich, auf normale und weitere Entfernungen wird das Bild unklar. Kurzsichtigkeit ist meist angeboren, entwickelt sich jedoch oft erst in späteren Lebensjahren. Abb. 11: Strahlengang bei Kurzsichtigkeit Aus "Welt der Wissenschaft: Die Lichtstrahlen", S. 52 Der Ausgleich erfolgt durch Konkavgläser (Zerstreuungslinsen). Durch die konkaven Linsen vor dem Auge werden die annähernd parallelen Strahlen aus der Ferne vom Auge weg gebrochen. Dadurch erscheint das ferne Objekt so, als ob es aus näherer Umgebung stamme. Die zu hohe Brechkraft der Augenlinse bricht file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 16 die Strahlen nun weiter nach hinten, so dass sie sich auf der Retina schneiden können. Abb. 12: Strahlengang bei Kurzsichtigkeit mit konvexer Brille Aus "Welt der Wissenschaft: Die Lichtstrahlen", S. 52 ii. Weitsichtigkeit Weitsichtigkeit ist der umgangssprachliche und veraltete Ausdruck für Übersichtigkeit (Hypermetropie, Hyperopie). Übersichtigkeit ist (nach Bertelsmann) "ein Brechungsfehler des Auges infolge eines Missverhältnisses zwischen der Brechkraft der Linse und der Länge des Augapfels". Entweder (meistens) ist der Augapfel zu kurz (Achsenübersichtigkeit) oder die Brechkraft ist zu gering (Brechungsübersichtigkeit). In beiden Fällen liegt der Vereinigungspunkt paralleler Strahlen erst hinter der Netzhaut, und das entstehende Bild ist unscharf. Eine altersbedingte Form der Übersichtigkeit, und zwar eine Brechungsübersichtigkeit, ist die Alterssichtigkeit. Sie entsteht aufgrund der mit zunehmendem Alter abnehmenden Flexibilität der Augenlinse: In ihrer Ruhelage ist die Dicke nicht mehr ausreichend, um die Strahlen naher Objekte auf die Retina zu bündeln. Abb. 13: Strahlengang bei Übersichtigkeit Aus "Welt der Wissenschaft: Die Lichtstrahlen", S. 52 Die Korrektur der Übersichtigkeit erfolgt durch Konvexgläser (Sammellinsen). Da die Strahlen durch die Brille zum Auge hin gebrochen werden, vermag die Augenlinse trotz ihrer zu geringen Brechungszahl die Strahlen auf die Retina file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 Page 17 bündeln. Es scheint so, als ob sich das nahe Objekt aufgrund des Effekts der konvexen Brille in einer größeren Distanz befindet. Abb. 14: Strahlengang bei Übersichtigkeit mit konkaver Brille Aus "Welt der Wissenschaft: Die Lichtstrahlen", S. 52 Interessantes Im Ruhezustand (bei völliger Dunkelheit) ist das Auge eines Normalsichtigen auf eine Entfernung von 0,5 bis 2 m eingestellt. Der Lichtintensitätsbereich, in dem das visuelle System des Menschen anspricht, reicht von wenigen Lichtquanten (Photonen) bis 1014 Lichtquanten Wenn man einen dunklen Nachthimmel durch ein Rohr betrachtet und das Licht der Umgebung abschirmt, sind im Extremfall Sterne sichtbar, die nur ein Tausendstel der Lichtintensität des hellen Fixsterns Sirius haben. Auch mit nur einem Auge ist eine Tiefenwahrnehmung möglich, allerdings spielen hier Erfahrungen und Lernprozesse eine große Rolle: Ein Objekt, das ein zweites verdeckt, ist näher. Bei einer seitlichen Bewegung verschieben sich nahe Objekte schneller als ferne Parallele Linien wie Bahngleise oder Häuserzeilen laufen in der Ferne zusammen. Die Verteilung von Licht und Schatten erzeugt Tiefeneindrücke. Ist die tatsächliche Größe eines Objekts bekannt, kann man von seiner aktuell wahrgenommenen Größe auf die Entfernung schließen. Je ferner ein nicht leuchtender Gegenstand ist, desto blasser wirken seine Farben. Literatur I. Halberstadt, Arndt: "Physik in einem Band" II. Welt der Wissenschaft: "Die Lichtstrahlen" file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07 HS-Fgr F01-1 III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. Page 18 Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin: "Unterrichtshilfen Physik, 6. Klasse" Wagenschein, M.: "Verstehen Lehren" Unterricht Biologie 288/289 2003 Weber, S.: "Übungen im Experimentieren in der Sekundarstufe I - V.2.0" Weber, S.: "Angewandte Fachdidaktik I - V.3.5" Blinzler, M.: "Hausarbeit zu Martin Wagenschein: Verstehen Lehren" Gerthsen: "Physik" Bertelsmann Lexikothek, 1991, Band 11, S. 106 Netter, F. H.: "Anatomie Atlas" © Michael Blinzler • 11. November 2003 file://localhost/F:/Netzversion/HS_Fgr_H01-1.html 11.11.2003 20:16:07