http://www.springer.com/3-540-21969-2 4 GK3 1.4 Klinik des Mittelohres 0 0 0 GK3 1.4.1 4.1 4.1.1 4.1.2 Verletzungen – 72 0 Trommelfellverletzungen – 72 Felsenbeinbrüche (laterobasale Frakturen) – 72 HHHH Schädelbasisfraktur: Längs- und Querfraktur 0 0 0 0 GK3 1.4.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 Tubenfunktionsstörungen 0 – 75 Akuter Tubenmittelohrkatarrh – 75 Seromukotympanum – 76 HHHHH Seromukotympanum Chronischer Tubenmittelohrkatarrh – 77 1 1 1 1 1 1 GK3 1.4.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 Entzündungen – 78 1 Akute Otitis media – 78 HHH Akute Otitis media Mastoiditis – 81 HHHH Mastoiditis Chronische Otitis media – 83 HH Chronische Otidis media HHHH Cholesteatom Otogene entzündliche Komplikationen – 90 Endokranielle otogene Komplikationen – 92 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 GK3 1.4.4 4.4 Fazialislähmung (Fazialisparese) HHHH Fazialisparese – 94 2 2 3 GK3 1.4.5 4.5 Tumoren – 95 HH Glomustumor 3 3 3 GK3 1.4.6 4.6 Otosklerose – 97 HHHHH Otosklerose 3 3 3 3 Zur Information Krankheiten des Mittelohres können in jedem Lebensalter auftreten und gehören bei Kindern zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. Neben den akuten und chronischen Entzündungen spielen vor allem Verletzungen und die Otosklerose eine große Rolle. Tumoren sind dagegen selten, jedoch hinsichtlich der Bedrohlichkeit von besonderem Interesse. In diesem Kapitel werden die Primärsymptome einer Schwerhörigkeit mit und ohne Ohrsekretion oder -schmerz diagnostisch erläutert und die wesentlichen Therapieprinzipien beschrieben. 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 8 9 72 A · Ohr 4.1 Verletzungen Neben direkten Verletzungen im Ohrbereich spielen vor allem die durch Gewalteinwirkung auf den Schädel entstehenden laterobasalen Frakturen eine besondere Rolle. 4 4.1.1 Trommelfellverletzungen Engl. injuries of the eardrum Direkte Verletzungen Ursache. Diese werden durch perforierende Ge- genstände hervorgerufen, zum Beispiel: ▬ Pfählungsverletzungen durch Streichholz, Stricknadel, Ästchen, Q-Tip, ▬ Einsprengung von heißen Metalltropfen beim Schweißen, ▬ Einreißen von Trommelfellnarben bei Ohrspülungen oder Tieftauchen, ▬ Verbrennungen und Verätzungen des Trommelfells. Mögliche Komplikationen. Infektion des Mittelohres, Beschädigung und Luxation der Gehörknöchelchenkette, evtl. mit Eröffnung des ovalen Fensters oder Perforation der medialen Paukenhöhlenwand zum Innenohr (Labyrinthitis, Meningitis!). Indirekte Verletzungen Ursache. Sie entstehen durch rasche Luftdruckänderungen, z.B. durch Explosion, Schlag aufs Ohr mit der flachen Hand (Ohrfeige!), Aufschlagen auf das Wasser, Aufprall eines Balles. Symptome und Befund der Trommelfellverletzung Stechender Schmerz (vor allem bei direkten Verletzungen), schlitzförmige oder an den Rändern gezackte Trommelfellperforation in der Pars tensa, evtl. mit Blutspuren am Perforationsrand. Schalleitungsschwerhörigkeit. Bei Verbrennungen (Schweißperlen) vergrößern sich die Defekte in den ersten Tagen meist noch. Es entstehen langdauernde Mittelohreiterungen. Bei Innenohrbeteiligung: Schwindel, Spontannystagmus, Schallempfindungsschwerhörigkeit bis zur Taubheit. v Therapie Steriles Abdecken des Trommelfelldefektes (Schienung mit Silikonfolie). Bei eingeschlagenen Trommelfellanteilen müssen diese aufgerichtet, Fremdkörper und Schmutzanteile müssen entfernt werden. Schienung mit Silikonfolie. Wichtig Niemals Ohrspülung oder Ohrtropfen wegen der Gefahr einer Infektion oder innenohrtoxischen Schädigung. Bei persistierenden Trommelfelldefekten später Tympanoplastik zum Verschluß. ⚉ Aus der Praxis Bei der Reinigung des Gehörganges mit einem Wattestäbchen wird die Patientin an das Telefon gerufen. Bei Anlegen des Hörers an die Ohrmuschel verspürt die Patientin plötzlich einen stechenden Schmerz, eine sofortige Hörminderung mit Schwindel und Ohrgeräusch. Es kommt zu einer Blutung aus dem Gehörgang. Im weiteren Verlauf erholt sich das Gehör nicht, während der Schwindel sich bessert. Bei Otoskopie zeigt sich eine, im hinteren, unteren Quadranten gelegene, gezackte Trommelfellperforation, durch die hindurch der luxierte Steigbügel erkennbar ist. Das Innenohr ist eröffnet, neben Blut tritt Perilymphe aus. Es wird eine sofortige operative Revision (Tympanoskopie) durchgeführt. Dabei zeigt sich eine Luxation der Gehörknöchelchenkette mit Eröffnen des Innenohres. Das Innenohr wird nach Entfernen des Steigbügels mit einer Bindegewebeplombe verschlossen. Es kommt allmählich zur Erholung der Innenohrfunktion, so daß nach 6 Monaten eine Tympanoplastik zur Verbesserung der Schalleitungsschwerhörigkeit durchgeführt wird. 4.1.2 Felsenbeinbrüche (laterobasale Frakturen) Engl. fractures of the petrons bone Brüche der Otobasis (= laterobasale Frakturen) gehen mit einer Eröffnung der schleimhautausgekleideten Mittelohrräume einher. Es handelt sich meistens um Berstungsbrüche durch Druckeinwirkungen auf den Schädel. 73 4 · Klinik des Mittelohres Cave Aufsteigende Infektion, Meningitis, Hirnabszeß bei laterobasalen Brüchen! Prognose. Abhängig von der Schwere der gleich- zeitigen Hirnschädigung oder von eintretenden endokraniellen Komplikationen. Unterscheidung. Je nach Verlaufsrichtung der Frakturen: Felsenbeinlängsbruch Berstung durch Seitendruck – verläuft von der Schläfenbeinschuppe oder dem Warzenfortsatz durch die Paukenhöhle und entlang der Vorderkante des Felsenbeins (paralabyrinthärer Bruch, ⊡ Abb. 4.1). Die Trommelfellzerreißung im hinteren oberen Quadranten der Pars tensa (⊡ Abb. 4.2 u. 4.3) entsteht durch den Frakturverlauf durch das Dach der Paukenhöhle und die hintere obere Gehörgangswand. Nach Abheilen kann der überhäutete Bruchspalt sichtbar sein oder eine Stufenbildung zurückbleiben. Seltener sind extratympanale Längsfrakturen. Symptome und Befund (Mittelohrschädigung) ▬ Blutung aus dem Gehörgang, bei Durazer- reißung Liquorabfluß 4 hörknöchelchen). WEBER-Versuch: Lateralisation ins kranke Ohr ▬ Bei Amboßluxation Ausfall des Stapediusreflexes und überhöhte Tympanogrammkurve ( s. Kap. 2.5.1) ▬ Evtl. Spontannystagmus, jedoch kein Vestibularisausfall ▬ Periphere Fazialisparese in 20% (⊡ Abb. 4.4): Primäre (= Früh-) Lähmung. Prognose ungünstig, da häufig Zerreißung oder erhebliche Zerrung des Nerven, evtl. auch Knocheneinspießung in den Kanal. Sekundäre (= Spät-) Lähmung einige Tage nach dem Unfall. Prognose besser, da wahrscheinlich ein Ödem oder Hämatom im Fazialiskanal zur Kompression des Nerven führt (Spontanerholung in 90%). ⊡ Abbildung 4.4b zeigt fünf Verletzungsstellen und Möglichkeiten einer topischen Diagnostik. Am häufigsten ist das Ganglion geniculi zwischen den Verletzungsstellen (4) und (5) betroffen. Entscheidend sind Computertomogramme zur genauen Frakturlokalisation und zum Nachweis von Fragmentdislokationen oder intrazerebraler Blutung. Differentialdiagnose der Gehörgangsblutung nach Sturz auf das Kinn. Gehörgangsfraktur mit Einriß der Haut an der Vorderwand durch Eintreiben des Kieferköpfchens in den Gehörgang. ▬ Schalleitungsschwerhörigkeit (besonders hochgradig bei Luxation oder Fraktur der Ge- Querbruch Längsbruch ⊡ Abb. 4.1. Felsenbeinbrüche; rechts Längsbruch, links Querbruch 8 9 74 A · Ohr 4 ⊡ Abb. 4.2. Felsenbeinlängsbruch linkes Ohr. Otoskopischer Befund und Übersicht des Frakturverlaufes v Therapie v Therapie Cave. Niemals Ohrspülung oder Manipulationen im Gehörgang. Ohr steril abdecken! ▬ Antibiotikaschutz. Bettruhe. ▬ Operative Intervention bei anhaltendem Liquorfluß, massiver Blutung oder intrazerebralen Komplikationen: Mastoidektomie, ggf. Kraniotomie und Duraplastik. ▬ Sekundäre Fazialisparese: Zunächst konservative Behandlung mit Kortikoiden und rheologischer Therapie. Aktive und passive Fazialisübungen gegen Muskelatrophie. Operative Freilegung des Nerven im intratemporalen Verlauf mit Dekompression oder Nervennaht bei Zerreißung oder Autonerventransplantation auf transtemporalem (⊡ Abb.5.1) oder transmastoidalem Weg, wenn nach einer Woche in der Elektroneuronographie mehr als 90% der motorischen Fasern degeneriert sind. ▬ Bei primärer Lähmung und Knochenverschiebung und Einspießung von Knochenfragmenten in den Fazialiskanal operative Revision. Bei ausbleibender Regeneration ist eine Re-Operation nach 6 bis 8 Wochen indiziert. ▬ Bei persisitierender Schalleitungsschwerhörigkeit von 30–40 dB und überhöhter Tympanogrammkurve Tympanoplastik zur Wiederherstellung der Gehörknöchelchenkette. Ohroperation ( s. S. 87 f ). Felsenbeinquerbruch Berstung durch Druck auf Stirn oder Hinterhaupt. Verlauf quer durch die Felsenbeinpyramide entweder in Höhe des Labyrinthes (translabyrinthärer Bruch, äußerer Querbruch) oder in Höhe des inneren Gehörgangs (innerer Querbruch). Frakturverlauf durch das Promontorium ohne Trommelfellzerreißung (⊡ Abb. 4.1 links). Seltener als der Längsbruch. Sehr selten kombinierte Längs-Quer-Brüche. Symptome und Befund ▬ Blutansammlung in der Paukenhöhle (Hämatotympanum) bei der Otoskopie. Trommelfell intakt, keine Blutung aus dem Gehörgang. ▬ Bei Eröffnung der Liquorräume Abfluß von Liquor über die Pauke und die Tube in die Nase. (Sog. falsche Rhinoliquorrhoe, die eine frontobasale Fraktur vortäusch). ▬ Labyrinthausfall, meistens irreversibel: Mit Ausfall des Hörvermögens (Taubheit) und Lateralisation des WEBER-Versuches in das gesunde Ohr. Spätfolge. Traumatisches Cholesteatom infolge von Einwachsen von Gehörgangshaut durch den Bruchspalt in das Mittelohr. ⊡ Abb. 4.3. CT Felsenbein: Längsbruch rechts 75 4 · Klinik des Mittelohres 4 ⊡ Abb. 4.4a, b. Traumatische 5. N. facialis proximal vom Abgang des N. petrosus major: Fazialislähmung mit Störungen von 4. u. Verminderung der Tränensekretion. Schädigung des N. facialis. a Fazialisparese links; b Verletzungsstellen 4. N. facialis proximal vom Abgang des N. stapedius: Fazialislähmung mit Störungen von 1., Hyperakusis u. Ausfall des Stapediusreflexes. 3. N. facialis proximal 1. Chorda tympani: Sekretionsstörung der Glandula submandibularis u. sublingualis sowie Geschmacksstörungen in den vorderen zwei Dritteln der Zunge ohne Fazialislähmung. a vom Abgang der Chorda tympani: Fazialislähmung mit Störungen von 1. 2. N. facialis distal vom Abgang der Chorda tympani: Fazialislähmung ohne Störungen von 1. b 4.2 Tubenfunktionsstörungen ▬ Ausfall des Vestibularorgans mit Spontannystagmus zur Gegenseite, Drehschwindel und Erbrechen. Infolge zentraler Kompensation nach Wochen oder Monaten Nachlassen der vestibulären Erscheinungen und Verschwinden des Spontannystagmus. ▬ Periphere Fazialisparese in ca. 50% der Fälle, meist primäre Lähmungen, dann irreversibel durch Abriß des Nerven. ▬ Felsenbein-CT zur genauen Frakturlokalisation und zum Nachweis kranieller Komplikationen (Blutung, Hirnabszeß). Herr B. hatte seit einem Tag eine akute Rhinitis. Seit heute bemerkt er ein dumpfes Gefühl auf beiden Ohren. Versuche, das Ohr durch VALSALVA-Versuch freizumachen, scheitern. Beim Landeanflug mit dem Flugzeug bemerkt er plötzlich starke Schmerzen im Ohr. v Therapie Entstehung. Schwellung der Tubenschleimhaut ▬ Antibiotikaschutz wegen gesteigerter Meningitis- und Verschluß des Lumens. Dadurch ungenügende Belüftung der Paukenhöhle, deren Luft resorbiert wird. Die Folge ist ein Unterdruck und eine Trommelfellretraktion und unter Umständen eine Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr, ein Paukenexsudat (Hydrops ex vacuo, »seröse Mittelohrentzündung«). gefahr, Bettruhe. ▬ Operative Intervention bei anhaltendem Liquorfluß, Früh- und Spätmeningitis oder Blutung. Duraplastik, ggf. Kraniotomie. Bei Fazialisparese operative Revision über den transtemporalen Zugang und die mittlere Schädelgrube (⊡ Abb. 5.1a, e). 4.2.1 Akuter Tubenmittelohrkatarrh Engl. eustachitis with acute otitis media ⚉ Aus der Praxis Ursachen ▬ Katarrhalische Erkrankungen der Nase und des Nasenrachenraumes. ▬ Behinderung der Nasenatmung durch vergrößerte Rachenmandel beim Kind, Septumdeviation, Muschelschwellung, Nasenrachentumor.