Untersuchung zur magnetischen Domänendynamik im Lorentzelektronenmikroskop Diplomarbeit von Jürgen Gründmayer aus Pfarrkirchen durchgeführt am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg unter Anleitung von Prof. Dr. J. Zweck September 2004 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 3 1 Einleitung 1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 7 2 Grundlagen der Elektronenmikroskopie 2.1 Aufbau und Funktionsweise eines TEM . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Elektronenoptische Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Lorentzmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 12 13 3 Magnetismus dünner Schichten 3.1 Energiebeiträge eines Ferromagneten . . . . . 3.1.1 Austauschenergie . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Streufeldenergie . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Anisotropieenergie . . . . . . . . . . . 3.1.4 Zeemanenergie . . . . . . . . . . . . . 3.2 Mikromagnetische Gleichungen . . . . . . . . 3.2.1 Gesamtenergie . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Magnetische Domänen . . . . . . . . . . . . . 3.4 Magnetisierungsripple . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Magnetostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Geschwindigkeit von Domänenwänden 17 17 17 18 18 19 20 20 20 22 23 23 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 INHALTSVERZEICHNIS 3.6.2 3.6.3 Vortexdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simulationen zur Vortexdynamik . . . . . . . . . . . . . . 26 28 4 Meßverfahren 4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Entstehung des Bildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 31 32 5 Konstruktion der Probenhalter 5.1 Bifilar-Spitze . . . . . . . . . . . . 5.2 Universal-Spitze . . . . . . . . . . . 5.3 Stripline-Proben . . . . . . . . . . . 5.3.1 Probenherstellung . . . . . . 5.4 Charakterisierung des Magnetfeldes 5.4.1 Lorentzablenkung . . . . . . 5.4.2 Magnetic Force Microscopy 5.4.3 U-I-Kennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 35 35 38 38 41 41 41 45 47 6 Untersuchungen zur Domänendynamik 6.1 Flächige Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kreisdots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 49 52 7 Ausblick 59 8 Zusammenfassung 61 Literaturverzeichnis 63 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 KAPITEL 1 Einleitung 1.1 Motivation Ein neuer Speichertyp soll die Computertechnik in naher Zukunft revolutionieren: Der MRAM 1 . Mit seiner Hilfe würde das lästige und zeitraubende Booten eines PCs entfallen, der Stromverbrauch mobiler Geräte drastisch sinken und auch in der Geschwindigkeit wäre dieser Speichertyp heutigen Speicherbausteinen überlegen. Die Grundidee des MRAM ist schnell erklärt: Der elektrische Widerstand eines Systems aus zwei ferromagnetischen Schichten, welche durch eine nichtmagnetische Schicht getrennt sind, hängt maßgeblich von der Winkeldifferenz ihrer Magnetisierungen ab, da die Tunnelwahrscheinlichkeit durch die Zwischenschicht spinabhängig ist. Geschrieben wird die Information durch Ummagnetisieren einer der beiden Schichten, das Auslesen erfolgt durch eine Widerstandsmessung. Abbildung 1.1 verdeutlicht das Prinzip am Beispiel des TMR-Effekts (Tunnelmagnetowiderstand). Ein Beispiel für eine in der Praxis genutzte Geometrie für MRAM-Zellen zeigt Abbildung 1.2. Um zu erreichen, dass nur eine Schicht schaltet, ist der Aufbau dieser Speicherzelle etwas komplizierter als in unserem Modell: Ganz unten in der MRAM-Speicherzelle befindet sich ein Antiferromagnet. An ihn koppelt, jedoch nicht perfekt, eine ferromagnetische Schicht. Der Coupling-Layer, eine dünne Kupferlage, sorgt dafür, dass der nächste Ferromagnet antiferromagnetisch 1 Magnetic Random Access Memory 6 1.1 Motivation Ferromagnet 1 Tunnelbarriere Ferromagnet 2 a) b) Abbildung 1.1: Schema des Tunnelmagnetowiderstandes. Der elektrische Widerstand zwischen den beiden Ferromagneten ist im Fall der entgegengesetzten Magnetisierung (a) ca. 2040% höher als bei paralleler Magnetisierung (b). Der Grund hierfür ist die Spinabhängigkeit des Tunnelprozesses. Bit Line Tunnelbarriere Kopplungsschicht ferromagnetische Schichten Antiferromagnet untere Elektrode Schreib- Word Line Abbildung 1.2: Ein einzelnes Speicherelement eines MRAM-Chips. an die darunterliegende Schicht perfekt koppelt. Nun folgt eine Tunnelbarriere und schließlich die informationstragende, nicht gepinnte Ferromagnet-Schicht. Die Speicherung eines Bits erfolgt durch Ummagnetisierung des nicht gepinnten Ferromagneten. Das Schalten einer Speicherzelle innerhalb eines Arrays geschieht durch die Überlagerung der Magnetfelder der Bit Line und der Schreib- Word Line (siehe Abbildung 1.2). Das Marktpotential eines magnetischen RAM-Speichers ist sehr groß, und so ist es nicht verwunderlich, dass auf diesem Gebiet ein enormer Forschungsaufwand betrieben wird. Untersucht wird zum einen das statische Verhalten von magnetischen Speicherzellen, also die Auswirkungen der Teilchengröße, der Form, der Anisotropie und eventueller Wechselwirkungen zwischen benachbarten Speicherelementen untereinander. Zum anderen ist die Untersuchung der magnetischen Dynamik, also des zeitlichen Verlaufs der Magnetisierungsänderungen, von In- 1.2 Zielsetzung 7 teresse. Denn gerade die Dynamik spielt bei einem Speicherbaustein, der mit den weit entwickelten und inzwischen sehr schnell arbeitenden herkömmlichen DRAM- und SRAM-Zellen konkurrieren soll, eine entscheidende Rolle. Theoretische Rechnungen zeigen, dass die Schaltgeschwindigkeit einer MRAMSpeicherzelle schneller sein kann als die Schaltgeschwindigkeit der herkömmlichen Speicher. In Experimenten sollen nun die Vorgänge in realen Systemen orts- und zeitaufgelöst untersucht werden, um schließlich die optimale Geometrie und den optimalen zeitlichen Verlauf der Schalt- und Lesefelder für eine magnetische Speicherzelle zu finden. Die meisten schnellen“ Experimente, also jene mit guter Zeitauflösung, werden ” durchgeführt, indem man einen kurzen Magnetfeldpuls an das zu schaltende Teilchen anlegt oder durch mehrere Resonanzen ’sweept’ (FMR2 ). Auch nach Ende der Anregung durch das externe Magnetfeld präzedieren die Spins weiter, bis schließlich die eingebrachte Energie aufgebraucht wurde. Die Magnetisierungsdynamik verschiedener Probengeometrien ist schon in Kerr-Experimenten mit Hilfe der Pump/Probe Technik beobachtet worden, jedoch ist die Ortsauflösung dieser Experimente durch die Lichtwellenlänge der verwendeten Laser beschränkt (siehe [Sto04]). In diese Lücke soll nun das TEM treten. Durch seine sehr gute Ortsauflösung können Sub-Mikrometer-Teilchen im Lorentzmodus in ihrer magnetischen Konfiguration beobachtet werden. Für die Untersuchung dynamischer Vorgänge mit dem TEM gibt es bislang jedoch noch keine erprobten Verfahrensweisen. 1.2 Zielsetzung Ziel dieser Arbeit ist es, das Transmissionselektronenmikroskop auf seine Eignung in Bezug auf dynamische Messungen der Magnetisierung hin zu untersuchen. Zeitaufgelöste Messungen sind aufgrund der im TEM üblicherweise verwendeten Bildaufnahmemethoden wie des fotografischen Films und der Slow-Scan-CCDKamera wegen der Belichtungszeiten im Sekundenbereich noch nicht möglich. Dennoch lassen auch diese Mittelungen über lange Zeiten Aussagen über dynamisches Verhalten zu, näheres hierzu in Kapitel 4. Bevor man sich jedoch mit der Bildaufnahme und Bildauswertung befasst, muss die Möglichkeit geschaffen werden, hochfrequente Magnetfelder am Probenort des TEMs zu erzeugen, ohne dabei die Abbildung selbst zu sehr zu stören. Dazu muss ein Probenhalter entwickelt werden, der viel Raum für Variationen lässt. Anschließend werden verschiedene Versuchsanordnungen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft und an diversen Proben getestet. 2 Ferromagnetische Resonanz 8 1.2 Zielsetzung 9 KAPITEL 2 Grundlagen der Elektronenmikroskopie In diesem Kapitel soll am Beispiel des Philips CM30 Lorentz Transmissionselektronenmikroskops der Aufbau, die Funktionsweise und die verschiedenen für diese Arbeit verwendeten Betriebsmodi eines TEMs erläutert werden. 2.1 Aufbau und Funktionsweise eines TEM Abbildung 2.1 zeigt den schematischen Strahlengang im CM30. Zunächst einmal benötigt man eine Elektronenquelle für den Strahl. Beim CM30 wird dazu eine Kathode aus einem Lanthanhexaborid-Kristall (LaB6 ) verwendet. Dieses Material besitzt eine geringe Austrittsarbeit für die Elektronen und hat im Vergleich zu anderen Kathoden eine sehr kleine Austrittsfläche, so dass sich ein relativ kohärenter Elektronenstrahl erzeugen lässt. Zur Freisetzung der Elektronenwolke wird die Kathode auf ca. 2000 K erhitzt. Durch das elektrische Feld des Wehneltzylinders wird der Strahl im sog. Cross Over fokussiert, welcher als virtuelle Elektronenquelle fungiert. Durch eine mehrstufige Anode wird der Strahl auf bis zu 300 keV beschleunigt und verlässt danach durch ein Loch in der Anode das Strahlerzeugungssystem (Gun) mit einer der Beschleunigungsspannung entsprechenden Energie. Zur gleichmäßigen Ausleuchtung der Probe werden Kondensorlinsen eingesetzt. Die Konvergenz des Strahls und somit auch seine laterale Kohärenz wird durch 10 2.1 Aufbau und Funktionsweise eines TEM die Kondensorblende beeinflusst. Im Idealfall trifft der Elektronenstrahl parallel zur optischen Achse auf die Probe und erzeugt mit Hilfe der Objektivlinse in ihrer hinteren Brennebene die Fouriertransformierte des Objekts. Durch die Objektivblende lassen sich hier einzelne Ortsfrequenzen 1 herausfiltern. Die SA-Blende (Feinbereichsblende) ist auf Höhe des Zwischenbildes angebracht, so dass mit ihr ein Bildbereich ausgeblendet werden kann. Beugungs- bzw. Zwischenlinse bilden das Beugungsbild der Probe oder das erste reelle Zwischenbild in die Gegenstandsebene der ersten Projektionslinse ab. Die Aufgabe der Projektionslinsen ist eine starke Nachvergrößerung dieses Bildes, damit es auf dem Leuchtschirm betrachtet werden kann. Neben dem Leuchtschirm besteht noch die Möglichkeit, das Bild auf einem fotographischen Film oder mit einer Slow-ScanCCD-Kamera aufzunehmen. Im Lorentzmodus übernimmt die weit von der Probe entfernte Lorentzlinse die Aufgabe der Objektivlinse. Dies hat den Vorteil, dass am Probenort so gut wie kein von den Linsen erzeugtes Magnetfeld die magnetischen Eigenschaften der Probe beeinflusst. 1 Die Fouriertransformation eines Bildes liefert das Spektrum der Ortsfrequenzen – ein feines Muster besitzt eine höhere Ortsfrequenz als ein grobes. 2.1 Aufbau und Funktionsweise eines TEM 11 Kathode LaB6 Wehneltzylinder Anode Kondensorlinse 1 Kondensorlinse 2 Kondensorblende Kondensorlinse 3 Objektivlinse (TWIN) Probe Objektivblende Lorentzlinse SA-Blende Beugungslinse Zwischenlinse Projektionslinse 1 Projektionslinse 2 Leuchtschirm / CCD / Fotoplatte a) Standardmodus b) Lorentzmodus Abbildung 2.1: Schematischer Strahlengang des Philips CM30 im a) Standardmodus und b) Lorentzmodus. Die gestrichelt dargestellten Linsen sind nicht aktiv (vgl. [Phi93] und [Zim95]). 12 2.2 2.2 Elektronenoptische Linsen Elektronenoptische Linsen Elektronenoptische Linsen fokussieren den Elektronenstrahl durch magnetische Felder (siehe auch [Goo91], Kapitel 2). Die Linsen in einem Elektronenmikroskop bestehen im Wesentlichen aus einer stromdurchflossenen Kupferwicklung, welche von einem weichmagnetischen Polschuh umgeben ist (siehe Abbildung 2.2). Die Brechkraft der Linse lässt sich durch Variation des Stromflusses regeln. Enormen Einfluss auf die Abbildungsqualität der Linse hat die Form des Polschuhs. Jede Inhomogenität seines Materials und auch jeder kleinste Kratzer beeinflussen das Bild negativ, da das Magnetfeld der Linse nicht mehr der idealen Form entspricht und somit Linsenfehler zum Tragen kommen. Zur Korrektur der in der Praxis unvermeidlichen astigmatischen Fehler werden sogenannte Stigmatoren eingesetzt. Der Astigmatismus einer Linse bezeichnet den Effekt, dass sie nicht in jeder Richtung senkrecht zur optischen Achse die gleiche Brechkraft aufweist. Die Stigmatoren bestehen meist aus zwei ineinander liegenden magnetischen Quadrupollinsen, welche so effektiv einen Oktupol bilden, und jeweils die Funktion einer Zylinderlinse übernehmen. Ihre Feldrichtung ist zueinander und zur optischen Achse jeweils senkrecht. Polschuh der Objektivlinse Windungen der Objektivlinse Wasserkühlung der Linse Mini-KondensorLinse Probe LorentzLinse Abbildung 2.2: Querschnitt der Objektivlinse mit Feldlinienverlauf. Im Lorentzmodus ist die große Objektivlinse ausgeschaltet; die Lorentzlinse übernimmt die Abbildung. Durch die MiniKondensorlinse können dabei störende Restfelder am Probenort praktisch völlig unterdrückt werden. 2.3 Lorentzmikroskopie 2.3 13 Lorentzmikroskopie Um im Transmissionselektronenmikroskop magnetische Domänenstrukturen sichtbar zu machen, bedient man sich der Lorentzmikroskopie. Wie bereits in Abschnitt 2.1 beschrieben, wird hierfür die Objektivlinse durch die Lorentzlinse ersetzt, um starke Magnetfelder am Probenort zu vermeiden. Neben der im folgenden erläuterten Fresnelabbildung existiert noch die Foucaultabbildung sowie DPC2 , welche jedoch in dieser Arbeit nicht zur Anwendung gekommen sind. Intensität x -Df Probe mit unterschiedlich magnetisierten Bereichen +Df bl Intensität Intensität x x Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der Abbildung im Fresnelmodus. Durch Defokussieren der Probe können magnetische Strukturen sichtbar gemacht werden. Durch Über- (+∆f ) oder Unterfokussieren (−∆f ) werden Ebenen ober- bzw. unterhalb der Probe in der Bildebene abgebildet. Sich überlappende Teilwellen erzeugen eine höhere Intensität, auseinanderlaufende Teilwellen eine geringere Intensität. Die Kontrastentstehung ist in Abbildung 2.3 dargestellt. Der Elektronenstrahl wird beim Durchgang durch magnetische Gebiete durch die Lorentzkraft FL = B⊥ d abgelenkt. Hier bezeichnet e die q~v × B~⊥ um den Lorentzwinkel βL = eλ h Elementarladung, λ die Elektronenwellenlänge, d die Dicke der Probe, B⊥ die lokale magnetische Induktion in der Probe senkrecht zur Strahlrichtung und h das Planck’sche Wirkungsquantum. Teilstrahlen, welche unterschiedlich magne2 Differential Phase Contrast 14 a) 2.3 Lorentzmikroskopie b) Abbildung 2.4: Der Wellencharakter des Elektronenstrahls kann bei starkem Defokus an den Domänenwänden beobachtet werden: a) zeigt die Fresnelbeugung an einer schwarzen Wand, b) die Interferenz an einer weißen Wand. tisierte Bereiche durchlaufen, werden auch unterschiedlich abgelenkt. Dies hat zur Folge, dass die Teilstrahlen unterhalb der Probe überlappen oder auseinanderlaufen. Erhöht man die Brechkraft der Lorentzlinse, so verkürzt sich die Brennweite f ; man spricht dann vom Überfokus +∆f . Da sich die Bildweite b im Mikroskop durch das Defokussieren nicht ändert, verringert sich gemäß der Linsengleichung 1 = g1 + 1b auch die Gegenstandsweite g, d.h. es wird eine Ebene unterhalb der f Probenebene in die Bildebene abgebildet. Die Teilstrahlen bilden also in der Bildebene ein Muster aus hellen und dunklen Bereichen, wodurch sich Änderungen in der Magnetisierungsrichtung und Domänenwände direkt im Bild beobachten lassen. Bei Abbildungen im Unterfokus (−∆f ) wird, analog zum Überfokus, eine Ebene oberhalb der Probe abgebildet, der magnetische Kontrast ist invertiert. Durch den Wechsel vom Über- in den Unterfokus lässt sich in der Praxis auch leicht ein magnetischer von einem anderen Kontrast unterscheiden. Lediglich der Kontrast durch eine eventuell vorhandene elektrostatische Aufladung der Probe kann nicht vom magnetischen Kontrast unterschieden werden, da die Aufladung 2.3 Lorentzmikroskopie 15 analog zu einem Magnetfeld den Elektronenstrahl um einen bestimmten Winkel ablenkt und so bei einem Wechsel vom Über- in den Unterfokus ebenfalls eine Kontrastumkehr hervorruft. Solche Aufladungen müssen deshalb verhindert werden. In (Abbildung 2.3) sind die durch die Lorentzablenkung entstehenden Helligkeitsunterschiede unter Berücksichtigung der Welleneigenschaften der Elektronen dargestellt. Während im klassischen Bild die Elektronen als Teilchen betrachtet werden, sodass sich ihre Anzahl im Überlappungsbereich einfach aufsummieren lässt, beschreibt das quantenmechanische Bild die Elektronen als Wellen, wodurch im Überlappungsbereich der Teilstrahlen Interferenzmuster, welche bei einem hinreichend lateral kohärenten Elektronenstrahl deutlich beobachtet werden können, auftreten. Auch an den Rändern der auseinanderlaufenden Teilstrahlen sind Beugungssäume vorhanden, da die unterschiedliche Magnetisierung quasi als Kante wirkt; diese können aber aufgrund des in der Praxis benutzten kleinen Defokus kaum beobachtet werden. Bei der Fresnelabbildung muss man beachten, dass es sich dabei um eine ’outof-focus’-Abbildung handelt, man also prinzipbedingt nicht die volle Auflösung des Elektronenmikroskops nutzen kann. Es muss also ein Kompromiss zwischen magnetischem Kontrast und Bildschärfe gefunden werden. 16 2.3 Lorentzmikroskopie 17 KAPITEL 3 Magnetismus dünner Schichten Sowohl die Domänentheorie als auch die mikromagnetische Theorie basieren auf ~ r)/JS , dem Prinzip der Energieminimierung. Das heißt das Vektorfeld m(~ ~ r) = J(~ wobei JS die Sättigungsmagnetisierung bezeichnet, ist so gewählt, dass sich unter der Randbedingung m ~ 2 = 1 1 ein Minimum der totalen freien Energie einstellt. Die Folge daraus ist, dass an jedem Ort das Drehmoment auf die Magnetisierung verschwinden muss. Die Gleichungen welche dies beschreiben werden als mikromagnetische Gleichungen bezeichnet. Im folgenden werden zunächst die einzelnen Beiträge zur totalen freien Energie behandelt. 3.1 3.1.1 Energiebeiträge eines Ferromagneten Austauschenergie Ein Ferro- oder Ferrimagnet ist dadurch gekennzeichnet, dass er danach strebt, im Gleichgewicht eine konstante Magnetisierungsrichtung anzunehmen. Abweichungen davon lassen die hier als Austauschenergie bezeichnete Energie anwachsen. Z Ex = A (grad m(~ ~ r))2 dV (3.1) 1 Der Fall eines variierenden JS , in welchem diese Randbedingung nicht eingehalten wird, wird hier nicht behandelt. 18 3.1 Energiebeiträge eines Ferromagneten Hierbei bezeichnet A eine Materialkonstante, welche im Allgemeinen temperaturabhängig ist und die magnetische ’Steifigkeit’ des Ferromagneten beschreibt. Diese Formel kann aus der Heisenberg-Theorie mit ihrer Spinwechselwirkung für benachbarte Spins hergeleitet werden. Aber auch wenn die Heisenbergwechselwirkung zwischen lokalisierten Spins das System nicht richtig beschreibt – wie beispielsweise bei metallischen Ferromagneten – gilt diese Gleichung, wobei jedoch A anders interpretiert werden muss. 3.1.2 Streufeldenergie An den Rändern einer homogen magnetisierten ferromagnetischen Struktur bilden sich Pole aus, welche im Inneren der Struktur zu einem entmagnetisierenden Feld führen. ~ = div (µ0 H ~ + J) ~ = 0 definieren wir Ausgehend von der Maxwellgleichung div B ~ d das durch die Divergenz der Magnetisierung J~ erzeugte Feld: als Streufeld H ~ d (~r) = −div J(~ ~ r)/µ0 div H (3.2) Die Energie des Streufeldes ist damit Z 1 ~ ~ d (~r) · J(~ ~ r)dV. Ed = − H 2 (3.3) Durch eine Ausrichtung der randnahen Spins parallel zur Oberfläche der Probe kann diese ihre Streufeldenergie minimieren, weil dadurch magnetische Pole, welche ein Streufeld erzeugen, vermieden werden. 3.1.3 Anisotropieenergie Die Anisotropieenergie hängt von der Lage von J~ bezüglich verschiedener Achsen einer magnetischen Struktur ab. Wird die Anisotropieenergie minimal, so liegt J~ parallel zur sog. leichten Achse. Die Richtung mit maximaler Anisotropieenergie wird als schwere Achse bezeichnet. Falls nur eine ausgezeichnete Achse existiert spricht man von uniaxialer Anisotropie. J~ stellt sich spontan entlang dieser Achse, deren Lage im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt wird, ein. Formanisotropie Hat die magnetische Struktur eine andere Form als die der Kugel, so resultiert aus ihrer Entmagnetisierungsenergie die Formanisotropie. Für ein Rotationsellipsoid 3.1.4 Zeemanenergie 19 besitzt die Entmagnetisierungsenergie die Hauptachsenform Nx N= . Ny (3.4) Nz Eine dünne Schicht kann durch ein stark abgeflachtes Ellipsoid angenähert werden, so dass man Nx = Ny ' 0 und Nz ' 1 erhält. Die Formanisotropie sorgt also dafür, dass die Magnetisierung in dünnen Schichten in Richtung der längsten geometrischen Achse zeigt. Kristallanisotropie Auch von den kristallographischen Achsen des Kristalls hängt die Anisotropieenergie ab. So stellen bestimmte Kristallachsen leichte bzw. schwere Achsen dar. Bei den in dieser Arbeit verwendeten polykristallinen Proben mittelt sich die Anisotropie der einzelnen Kristallite weg und ergibt keinen Energiebeitrag. 3.1.4 Zeemanenergie ~ ext übt auf die Magnetisierung J~ ein Drehmoment Ein äußeres magnetisches Feld H aus, welches versucht, die Magnetisierung parallel zum externen Feld auszurichten (siehe Abbildung 3.1). Die sich daraus ergebende Energie Z Ez = −Js ~ ext (~r) · m(~ H ~ r)dV (3.5) wird als Zeemanenergie bezeichnet. Hext J leichte Achse ~ ext aus der Richtung der Abbildung 3.1: Die Magnetisierung J~ wird durch das externe Feld H leichten Achse herausgedreht. ~ ext k J~ ist die Zeemanenergie minimal. Für H 20 3.2 3.2.1 3.3 Magnetische Domänen Mikromagnetische Gleichungen Gesamtenergie Fasst man all die Energiebeiträge zusammen, so erhält man die gesamte magnetische Energie Etot des magnetischen Teilchens: Z 1 2 ~ ext · m ~d · m Etot = Eex + Ez + Ed = A(grad m) ~ − Js H ~ − Js H ~ dV (3.6) 2 {z } | tot (m) ~ Durch Variation von tot (m) ~ aus Gleichung 3.6 nach m ~ erhält man das effektive ~ Magnetfeld Heff : ~ eff = − 1 δtot = 2A ∇2 m ~ ext + H ~d H ~ +H (3.7) Js δ m ~ Js Mit Hilfe dieses, durch das Prinzip der Energieminimierung gefundenen effektiven Magnetfeldes lassen sich in einem späteren Abschnitt auch dynamische Effekte beschreiben. 3.3 Magnetische Domänen Ein ferromagnetisches Material kann eine verschwindende Netto-Magnetisierung aufweisen, wenn es aus magnetischen Domänen besteht. In jeder dieser Domänen ist die Magnetisierung einheitlich, aber die Magnetisierung jeder einzelnen Domäne zeigt in eine andere Richtung als die ihrer Nachbardomäne. Erst 1931 konnte diese von P. Weiss vorgeschlagene Theorie experimentell bestätigt werden. Die Versuche führten zu drei Ergebnissen: Die Domänen sind bis zu mehrere µm groß, zeitlich stabil und haben häufig ein periodisches und regelmäßiges Aussehen. Der energetische Grund für die Bildung von Domänen ist die Minimierung der Streufeldenergie (siehe Abbildung 3.2). Durch Bildung von Bereichen, die verschiedene Magnetisierungsrichtungen aufweisen, innerhalb derer die Magnetisierung aber konstant ist, kann diese Energie minimiert werden. Aufgrund der Austauschwechselwirkung ändert sich die Magnetisierung beim Übergang von einer zur anderen Domäne nicht abrupt, vielmehr gibt es einen Übergangsbereich, in dem sich die Ausrichtung der Spins kontinuierlich dreht. Diesen Bereich bezeichnet man als Domänenwand. Je nach Probengeometrie können sich zwei verschiedene Arten von Wänden ausbilden (siehe auch Abbildung 3.3). Zum einen die Néelwände, in denen sich die Magnetisierungsrichtung in der Schichtebene dreht und die typisch sind für Schichten dünner als ca. 40 nm, und 3.3 Magnetische Domänen a) 21 b) ++++++++++ - - - - - - - - - - +++++ - - - - - - - - - - +++++ c) ++ ++ ++ + + -+ - + - + - + - -+ + - + - + - + - + - + + Abbildung 3.2: Streufelder bei verschiedenen Domänenkonfigurationen. Das Streufeld nimmt von a) nach c) ab; c) selbst hat aufgrund seines geschlossenen magnetischen Flusses überhaupt kein Streufeld mehr. Man nennt die obere und untere Domäne von c) ’Abschlussdomäne’. a) b) Abbildung 3.3: Schema der beiden unterschiedlichen Wandtypen. a) zeigt die Drehung der Magnetisierung in einer Néelwand; b) eine Blochwand. Bis zu einer Schichtdicke von ca. 40nm überwiegen Néelwände, ab 40nm entstehen vermehrt Blochwände. zum anderen die Blochwände in dickeren Schichten, bei denen sich die Magnetisierung aus der Schichtebene herausdreht. Im Grenzbereich zwischen Bloch- und Néelwänden treten auch sog. Stacheldrahtwände auf, welche eine Kombination aus beiden Wandarten darstellen (siehe 22 3.4 Magnetisierungsripple Abbildung 3.4). Abbildung 3.4: Magnetisierungsverlauf einer Stacheldrahtwand (cross-tie-wall). Die verschiedenen Grautöne deuten das Bild im Lorentzmodus des TEMs an. Die Magnetisierung dreht sich bis auf die Kreuzungspunkte und die Mitte zwischen den Kreuzungspunkten in der Schichtebene. An den beschriebenen Punkten bilden sich Blochlinien, die Magnetisierung dreht sich dort also aus der Ebene heraus. 3.4 Magnetisierungsripple In den Domänen einer magnetischen Probe erhält man bei einer konstanten magnetischen Induktion keinen Kontrast im Fresnelbild. Den Betrag der Sättigungsmagnetisierung in einer Domäne kann man als konstant annehmen. Im Gegensatz dazu ist die lokale Richtung der Magnetisierung nicht konstant, man spricht von Magnetisierungsripple [Hof65]. Durch die Ripplebildung verringert sich die magnetostatische Energie der Probe, da sich die lokalen Magnetisierungen teilweise gegenseitig aufheben (siehe Abbildung 3.5). a) b) m Abbildung 3.5: a) Ripplekontrast im TEM, verursacht durch lokale Variationen der Magnetisierung. b) Vergrößerte schematische Darstellung des Magnetisierungsverlaufs eines Ripples. 3.5 Magnetostatik 23 Das Ripple führt also zu einer lokal variierenden Ablenkung des Elektronenstrahls innerhalb einer Domäne. Da die Komponente der lokalen magnetischen Induktion parallel zur mittleren Magnetisierung konstant ist, führt sie zu keinem Kontrast in der Abbildung. Anders die dazu senkrechte Komponente, welche ihre Richtung ständig ändert und somit den eintreffenden Elektronenstrahl lokal in verschiedene Richtungen ablenkt. Anhand des Verlaufs der Magnetisierungsripple kann man deshalb die Richtung der Magnetisierung bestimmen (siehe Abbildung 3.5). 3.5 Magnetostatik Die in Kapitel 6 untersuchten Proben sind Quadrate und Kreisscheiben aus Permalloy 2 . Für die verwendeten Abmessungen befinden sich die Kreisscheiben in Remanenz im sogenannten Vortex-Zustand, in welchem die Magnetisierung das Zentrum der Kreisscheibe kreisförmig umläuft (Abbildung 3.6 links oben). In der Mitte der Kreisscheibe drehen sich die Spins aus der Ebene heraus. Für die Quadrate ist der remanente Zustand die sogenannte Landau-Konfiguration, bei der die Magnetisierung in vier durch 90◦ -Wände getrennte Bereiche aufgeteilt ist, in denen die Magnetisierungsrichtung jeweils parallel zur jeweiligen Kante des Quadrats ist (Abbildung 3.6 links unten); in der Mitte befindet sich ebenfalls ein Vortex. Bei Anlegen eines in-plane Feldes reagieren die Quadrate in Landau-Konfiguration derart, dass sich die Domäne mit der zum externen Feld parallelen Magnetisierung vergrößert (Abbildung 3.6 b). Der Kreuzungspunkt der Domänenwände, an dem sich ein Vortex befindet, weicht also um 90◦ zum externen Feld aus. Die Kreisscheiben mit Vortexstruktur verhalten sich analog dazu, da auch hier bei einem senkrechten Ausweichen des Vortex sich der Bereich mit paralleler Magnetisierung vergrößert (Abbildung 3.6 a). Die Bewegung des Vortex zum Teilchenrand hin führt zu einer Zunahme der Streufeldenergie, während die Zeemanenergie abnimmt. Es stellt sich schließlich eine Gleichgewichtsposition ein. Diese Position des Vortex-Zentrums, bei der die Gesamtenergie minimal ist, ist in Abbildung 3.7 mit ∆0 bezeichnet. 3.6 Dynamik ~ eff , so erfolgt eine Präzessionsbewegung der MaExistiert ein Drehmoment J~ × H gnetisierung um das effektive Feld: ˙ ~ eff , J~ = −|γ0 |J~ × H 2 Permanent Alloy, eine weichmagnetische Legierung (N i80 F e20 ) (3.8) 24 3.6 Dynamik a) b) Hext=0 Hext Abbildung 3.6: Reaktion auf ein externes Magnetfeld im statischen Fall. Abbildung 3.7: Berechnete Energiedichten eines verschobenen Vortexkerns als Funktion der Verschiebung ∆. (Permalloy-Zylinder mit Radius 150 nm, Höhe 4 nm und angelegtem Feld von 40 Oe. Die senkrechte Linie bei ∆ = 150 nm kennzeichnet den Rand des Zylinders. [Hoe04] mit |γ0 | = g · (eµ0 /2me ) = g · 1,1051 · 105 m/As (Gyromagnetisches Verhältnis); g = Landé-Faktor, ≈ 2 für die meisten Ferromagnetika. Die Frequenz dieser Präzession wird als Larmorfrequenz ωL = B ·e/(2m) bezeichnet, sie liegt bei B = 1 mT in der Größenordnung von 100 MHz . Diese Gleichung ist Grundlage aller dynamischen Betrachtungen mikromagnetischer Prozesse. Allerdings ändert sich bei dieser Bewegung der Winkel zwischen Magnetisierung und Feld nicht, da wir keine Verluste betrachtet haben. Solche 3.6.1 Geschwindigkeit von Domänenwänden 25 Heff Heff J J Abbildung 3.8: Präzession der Magnetisierung um das effektive Feld. Links ohne, rechts mit ~ eff und zu sich selbst. Dämpfung. J~ ändert sich senkrecht zu H Verluste können von Wirbelströmen, makroskopischen Unregelmäßigkeiten, Gitterdeffekten, Spinstreuung usw. herrühren. Zur Beschreibung dieser Verluste wird der dimensionslose Dämpfungsparameter α phänomenologisch eingeführt. Mit Hilfe von Gleichung 3.6, 3.7 und 3.8 haben Landau, Lifshitz und Gilbert eine mikromagnetische Beschreibung des dynamischen Verhaltens eines magnetischen Teilchens formuliert: h i dm ~ |γ0 | ~ eff ) − α|γ0 | m ~ eff ) =− ( m ~ × H ~ × ( m ~ × H (3.9) 2 2 dt 1 + α 1 + α | {z }| {z } P räzessionsterm 3.6.1 Dämpf ungsterm Geschwindigkeit von Domänenwänden Legt man an eine magnetische Probe ein externes Magnetfeld an, so verändert sich deren Magnetisierung und es stellt sich ein neuer Gleichgewichtszustand ein. Dies geschieht jedoch nicht instantan, und so kann man für klar erkennbare Objekte, wie z.B. Domänenwände, eine Geschwindigkeit ihrer Bewegung definieren und messen. Ausgehend von dieser Gleichung 3.9 läßt sich die Bewegung von Bloch- und Néelwänden theoretisch gut beschreiben (siehe auch [Zha00]). Unter der Annahme einer magnetischen Anisotropieenergie der Form β (Jx Jy )2 , Jz ≡ 0, (3.10) 2 also für einen Film mit in-plane Magnetisierung leitet J. Zhai folgenden Zusammenhang für die Geschwindigkeit von Domänenwänden her: WA (J) = v= mit ε̄ = p c |γ0 |Js A , ε̄ 1 + α2 A/β/(1cm), β = Anisotropiekonstante. (3.11) 26 3.6 Dynamik Man sieht, dass die Geschwindigkeit direkt proportional zur Steifigkeit A und der Sättigungsmagnetisierung JS und indirekt proportinal zum Quadrat des Dämpfungsparameters ist. Die Konstante c ist u.a. bestimmt durch die Form der lokalen Magnetisierung m beim Queren einer Domänenwand. Somit hat auch die Krümmung einer Domänenwand Einfluss auf ihre Geschwindigkeit. Ebenso steckt in der Konstante noch die Neigung der Wand relativ zur Probenoberfläche (siehe Abbildung 3.9). Für einen Wert von n3 ≈ 0,7, was einem Neigungswinkel von β ≈ 136◦ entspricht, ist die Geschwindigkeit maximal. Diese Gleichung 3.11 sagt für Permalloy mit den Parametern A = 13 · 10−12 J/m, Js = 1 T , α = 0,1 und β = 4 · 104 J/m3 eine Geschwindigkeit von ca. 5 m/s voraus. Abbildung 3.9: Theoretische Geschwindigkeit einer geraden Wand in Abhängigkeit vom Normalenvektor der Domänenwand. [Zha00] 3.6.2 Vortexdynamik Im Folgenden wird nur auf die Vortex-Verschiebungs-Mode, also die Bewegung des Vortexzentrums relativ zum magnetischen Teilchen, eingegangen, da sie die niederfrequenteste Anregung eines Vortex darstellt und auch als einzige mit den im experimentellen Teil verwendeten Verfahren sichtbar gemacht werden kann (siehe auch [Gus02]). 3.6.2 Vortexdynamik 27 Diese Schwingungsmode läßt sich mit Hilfe der Thiele-Gleichung (siehe [Hoe04]) ~ ~ ~ × dX − ∂W (X) = 0 G ~ dt ∂X (3.12) ~ = (X, Y ) ist die Position des Vortex-Zentrums; W (X) ~ die pobeschreiben. X tentielle Energie des verschobenen Vortex. Der erste Summand beschreibt die ~ ist hierbei der in [Thi73] definierte sogenannte Kreiselkraft“ auf den Vortex, G ” Gyrovektor, welcher in unserem Fall durch ~ = − 2πhJs · ~ez , G |γ0 | (3.13) wobei ~ez den Einheitsvektor in z-Richtung bezeichnet, beschrieben wird. Abbildung 3.10: Trajektorie des Vortexzentrums um die remanente Gleichgewichtsposition für verschiedene Dämpfungsparameter α = 0,1 (links) und α = 0,5 (rechts) nach Anregung durch einen kurzen in-plane Magnetfeldpuls. (Dotradius R = 0,1 µm, Dicke h = 20nm) Die Eigenfrequenz des Vortexzentrums ist für einen zylindrischen Dot ξ2 1 ω0 = |γ0 |Js . 2 χ(0) (3.14) χ(0) bezeichnet die anfängliche Suszeptibilität des Vortex, welche von geometrischen Parametern wie dem Dot-Durchmesser R und der Dicke h abhängt. Der Parameter ξ trägt verschiedenen Modellen der Magnetisierungsverteilung Rechnung und hat im Falle des Rigid-Vortex-Modells [Gus01] den Wert ξ = 1. Das Rigid-Vortex-Modell nimmt vereinfachend an, dass sich auch für einen aus der Mitte heraus verschobenen Vortex die ringförmige Magnetisierungsstruktur nicht ändert; dies ist für kleine Vortex-Verschiebungen eine sehr gute Näherung. Für 28 3.6 Dynamik typische Permalloy-Dots mit χ(0) ∼ 1 und Js = 10000 Oe liegt die Eigenfrequenz im Bereich von einigen 100 MHz . Nähert man sich dem kritischen Wert für die Stabilität des Vortex-Zustandes (χ(0)−1 = 0) an, so geht diese Frequenz natürlich gegen 0. 3,0 Höhe der Kreisdots: 30 nm MS=800 kA/m f [ GHz ] 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1 2 3 4 5 Durchmesser [ m] Abbildung 3.11: Frequenz der Vortex-Verschiebungs-Mode in Abhängigkeit vom DotDurchmesser. In Abbildung 3.10 sieht man die die Präzession des Vortexkerns um den remanen~ = 0) für verschiedene Dämpfungsparameter α. Die Anzahl der ten Zustand (X Oszillationen variiert, nicht jedoch ihre Frequenz. Der Umlaufsinn hängt vom Umlaufsinn des Vortex und seiner Chiralität3 p ab. Für die verwendete Probengeometrie zeigt Abbildung 3.11 die berechneten Frequenzen der Vortex-VerschiebungsMode. 3.6.3 Simulationen zur Vortexdynamik Für die im späteren Experiment verwendeten Probenparameter wurden einige Simulationen mit dem Programm OOMMF (Object Oriented Micromagnetic Framework, siehe [OOM04]) durchgeführt, welches auf der Landau-Lifshitz-GilbertGleichung (Gleichung 3.9) beruht. Die Simulationen geben jedoch nur einen groben Überblick über das reale Verhalten eines magnetischen Systems. Dies liegt an den vielen Näherungen, die aufgrund der beschränkten Rechenleistung gemacht werden müssen. Dennoch lassen sich mit ihrer Hilfe experimentelle Beobachtungen kritisch bewerten und überprüfen. 3 Händigkeit, auch Polarisierung 3.6.3 Simulationen zur Vortexdynamik 29 y x Abbildung 3.12: OOMMF-Simulation der Reaktion eines Dots mit 2,8 µm Durchmesser auf ein symmetrisches Wechselfeld von 6 Oe bei 195 MHz . Das Biasfeld beträgt 20 Oe in x-Richtung, das out-of-plane-Feld 2 kOe. Schwarz eingezeichnet ist die Trajektorie des Vortex-Zentrums, welche nach ca. 30 ns in eine elliptische Bewegung übergeht. Das Bild der Vortex-Struktur stellt exemplarisch die Magnetisierungskonfiguration ca. 10 ns nach dem Puls dar. Abbildung 3.12 zeigt die Simulation eines Kreisdots, der dem im Experiment untersuchten entspricht. Die Trajektorie der Vortexkernbewegung läßt die schon im vorherigen Abschnitt hergeleitete Bewegung erkennen. Eine weitere Simulation soll die Eigenfrequenzen der Vortexkernbewegung als Ergebnis liefern. Dazu wurde an den Kreisdot ein einziger kurzer in-plane-Feldpuls angelegt und sein Nachschwingen aufgezeichnet (Abbildung 3.13). Durch die Fouriertransformation dieser Messung lassen sich die Eigenfrequenzen ermitteln. Für die verwendeten Parameter erhält man damit eine Frequenz von 117,5 MHz sowie deren Vielfache. Der berechnete Wert beträgt 270 MHz (vergleiche Abbildung 3.11, Kapitel 3.6.2). Diese Diskrepanz zwischen Simulation und Theorie zeigt, dass die Simulation im Bereich der Vortex-Dynamik nur Anhaltspunkte und Größenordnungen für das reale Verhalten im Experiment liefern kann. 30 3.6 Dynamik Mx/MS 0,000 -0,008 -0,016 0 10 20 Zeit (ns) Abbildung 3.13: Reaktion des Dots (Mx /MS , wobei die M über die Zellen gemittelt sind ) auf einen kurzen Magnetfeldpuls. FFT-Amplitude 117,5 235 353 500 1000 f (MHz) Abbildung 3.14: Fouriertransformation des Graphen 3.13. 31 KAPITEL 4 Meßverfahren 4.1 Allgemeines Der experimentelle Aufbau ist bei der Untersuchung aller Proben gleich (Abbildung 4.1): Ein Frequenzgenerator erzeugt ein Rechteck- oder Sinusstromsignal, welches mit Hilfe des Bifilaments bzw. der Stripline ein in-plane-Magnetfeld am Ort der Probe erzeugt. Mit Hilfe einer CCD-Kamera bzw. eines chemischen Films wird, während das magnetische Wechselfeld an der Probe anliegt, ein Lorentzmikroskopisches Bild der Probe aufgenommen. Probenhalter Signalgenerator Oszilloskop Abbildung 4.1: Übersichtsschema des Versuchsaufbaus, bestehend aus Probenhalter mit Probe, Signalgenerator und Oszilloskop. Zur Kontrolle des elektrischen Ausgangssignals des Frequenzgenerators ist parallel zum Probenhalter ein Oszilloskop angeschlossen. Damit soll beobachtet werden, wie sich die Ausgangs-Amplitude des Funktionsgenerators mit der Frequenz 32 4.2 Die Entstehung des Bildes verändert. Leider spielen Effekte der Hochfrequenztechnik wie Reflexionen usw. bei höheren Frequenzen eine nicht zu vernachlässigende Rolle, so dass bei der Interpretation der Oszilloskopbilder Vorsicht geboten ist. 4.2 Die Entstehung des Bildes Durch den Einfluss des vom Probenhalter erzeugten magnetischen Wechselfeldes verändert sich die magnetische Konfiguration der Probe. Diese Veränderungen geschehen auf einer Zeitskala im sub-µs-Bereich, so dass durch die im Vergleich dazu extrem lange Belichtungszeit im Sekundenbereich eine zeitliche Mittelung über die Magnetisierungskonfigurationen als Bild aufgenommen wird (siehe Abbildung 4.2). + Hext = Bild= + Hext dt = Abbildung 4.2: Veranschaulichung der Entstehung des Bildes bei anliegendem Wechselfeld. Ein externes Magnetfeld führt dazu, dass sich die Domänenwand (weiß) derart verschiebt, dass der Bereich mit einer Magnetisierung in Richtung des Feldes vergrößert. Der rechte Teil des Bildes symbolisiert die Entstehung des Bildes bei anliegendem Wechselfeld, also das Aufsummieren der Bildintensitäten über die gesamte Bewegung der Domänenwand. Für eine Domänenwand oder einen Vortexkern und für den Fall, dass die Magnetisierung der Probe dem externen Feld quasi instantan folgt, lässt sich dieser Vorgang mathematisch beschreiben. Im Folgenden betrachten wir dazu einen Linescan des Bildes in Richtung der Wand- bzw. Vortexbewegung (x-Richtung). Istat (x) bezeichne den Anteil des Intensitätsverlaufs, der sich durch ein angelegtes Magnetfeld nicht verändert (z.B. Amplitudenkontrast, homogen magnetisierte Bereiche); Imag (x) denjenigen Anteil, der sich durch das Magnetfeld verändert. f (t) beschreibe den zeitlichen Verlauf des periodischen magnetischen Wechselfeldes mit der Periode T . Für die während einer Periode aufgezeichnete Intensität B(x) am Ort x gilt dann Z T B(x) ∝ Istat (x) + Imag (x + c · f (t))dt, (4.1) 0 wobei c eine Konstante bezeichnet, welche durch die magnetischen Eigenschaften der Probe und die Stärke des externen Magnetfeldes bestimmt ist. 4.2 Die Entstehung des Bildes 33 Die Tatsache, dass im realen Experiment während einer Bildaufnahme das Wechselfeld viele hundert Perioden durchläuft ändert die Form von B(x) nicht, sondern erhöht nur die Absolutwerte der Intensitäten. Abweichungen von dem durch Gleichung 4.1 beschriebenen Intensitätsverlauf im Experiment bedeuten, dass die Reaktion der Probe nicht mehr quasistatisch beschrieben werden kann, sondern dass man sich mit der Frequenz des angelegten Magnetfeldes im dynamischen Bereich der Probe befindet. Abbildung 4.3 veranschaulicht die Bildentstehung am Beispiel einer einfachen 180◦ Domänenwand; die Linescans wurden mit Gleichung 4.1 berechnet. Man kann deutlich erkennen, dass im Falle eines nahezu rechteckförmigen magnetischen Wechselfeldes (a) die Domänenwand zwischen zwei Endpositionen hin- und her zu springen scheint. Im Gegensatz dazu ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit und somit die von der Kamera aufgezeichnete Intensität der Wand beim Sinussignal (b) auch zwischen den Extremalpositionen relativ hoch. Die Position der Extremalzustände ändert sich jedoch nicht. 4.2 Die Entstehung des Bildes Bildintensität 34 Ruhezustand H H a) b) t Magnetfeld t I Bild x Bildintensität Bildintensität I x Abbildung 4.3: Beispiele für das von der Kamera aufgenommene Bild (schematisch) einer einfachen Domänenwand und dazugehörige Linescans, im Bild markiert durch gelbe Rechtecke. a) zeigt den Fall eines sinusförmigen Signalverlaufs, b) den eines angenäherten Rechtecksignals. Die Einheiten sind beliebig. 35 KAPITEL 5 Konstruktion der Probenhalter Zunächst galt es, einen möglichst universellen und modularen Probenhalter zu konstruieren, der später ohne großen Aufwand mit verschiedenen Magnetfeldspulen bzw. Proben bestückt werden kann. Desweiteren sollte der Halter sowohl im Philips CM30 als auch im TECNAI F30 eingesetzt werden können. Die Maße des Halters wurden den Konstruktionsplänen der Firma Philips [Phi97] für TECNAIProbenhalter entnommen und so angepasst, dass sich der Probenhalter in beiden Mikroskopen verwenden läßt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde der Probenhalter zweigeteilt: In einen Stiel mit der Möglichkeit, verschiedene Buchsen zur Kontaktierung einsetzen zu können und eine Spitze. Beide Teilen wurden aus Messing gefertigt, um die Beeinflussung der Magnetfelder im Mikroskop möglichst gering zu halten. 5.1 Bifilar-Spitze Zur Erzeugung eines hochfrequenten Magnetfeldes kann aufgrund ihrer Eigeninduktivität keine Spule im eigentlichen Sinn verwendet werden, da diese mit zunehmender Frequenz das Signal immer mehr verfälscht bzw. zu stark dämpft; man muss sich also auf stromdurchflossene gerade Leiter beschränken. Eine Möglichkeit, ein in-plane-Feld am Ort der Probe zu erzeugen ist die Verwendung eines sogenannten Bifilaments, also zweier paralleler Drähte, welche gleichsinnig vom Strom durchflossen werden (Abbildung 5.2). Der Feldlinienverlauf ist in Abbildung 5.3 dargestellt. Der Spielraum für die Anordnung der Drähte wird durch 36 5.1 Bifilar-Spitze 3 1 4 { 2 Abbildung 5.1: Der Stiel des Probenhalters: Der Griff (3) wurde aus Kunststoff, der Stiel selbst (1) aus Messing gefertigt. Zur Abdeckung des Kontaktierungsfläche (4) kann die Hülse (2) aufgesteckt werden. a) b) Mylar Golddrähte Messing-Blöcke Abbildung 5.2: a) 3D-Ansicht der Probenhalter-Spitze mit Bifilaments. b) Bifilament Prototyp zur Verwendung in der Universalspitze (siehe 5.2). die Abmessungen der für die Proben verwendete Si3 N4 -Membran sehr stark eingeschränkt; numerische Simulationen haben gezeigt, dass sich mit der Geometrie aus Abbildung 5.4 das stärkste in-plane-Magnetfeld am Probenort erzeugen lässt. Leider hat die Verwendung der Bifilament Anordnung zwei gravierende Nachteile: Um hinreichend große Magnetfelder zu erzeugen sind Ströme in der Größenordnung von mehreren Ampere erforderlich. Dies führt einerseits durch den elektri- 5.1 Bifilar-Spitze 37 z x Golddraht Abbildung 5.3: Feldlinienverlauf des Bifilaments. Elektronenstrahl Probenebene z x d Bx t g z y Bx Mylar Bx Golddraht s Abbildung 5.4: Skizze der Bifilament-Anordnung in Quer- und Längsschnitt. g = 100 µm ist durch die Membranabmessungen vorgegeben; für ein paralleles und möglichst starkes Feld am Probenort ergeben sich: t = 125 µm und d = 100 µm. s bezeichnet die Strahlverschiebung durch das Magnetfeld, welche nur schematisch gezeichnet ist. schen Widerstand des Filaments zu einer enormen Verlustwärme am Probenort und andererseits muss der Signalgenerator eine sehr hohe mittlere Ausgangsleistung im kW -Bereich liefern können, was sich als technisch nicht zu realisieren erwiesen hat, da keine elektronischen Bauteile gefunden werden konnten, welche zugleich hohe Frequenzen und große Ströme schalten können. Der zweite Nachteil ist die ebenfalls in Abbildung 5.4 dargestellte Verschiebung des Elektronenstrahls durch das Magnetfeld des Bifilaments, welche zu zwei überlagerten Bildern auf 38 5.3 Stripline-Proben 5 H [Oe] 4,8 4,6 4,4 4,2 4 60 70 80 90 100 110 120 b [mm] Abbildung 5.5: Abhängigkeit der In-Plane-Magnetfeldstärke mit dem Abstand d vom Bifilament bei I = 500 mA. Die ideale Dicke für die Mylar-Schicht beträgt also 100 µm. der Kamera führt. Dieses Doppelbild lässt sich nicht durch Methoden der Bildverarbeitung rückgängig machen, da die Änderungen der magnetischen Struktur der Probe ebenfalls ein Doppelbild erzeugt. Beide Effekte lassen sich im aufgenommenen Bild nicht voneinander trennen. 5.2 Universal-Spitze Eine zweite Möglichkeit zur Erzeugung eines in-plane-Feldes ist das direkte Strukturieren einer Stripline auf die Membran. Für diese und viele weitere Anwendungen wurde eine Probenhalter-Spitze und ein zugehöriger Probenträger konstruiert, welche eine hohes Mass an Felxibilität bieten (Abbildung 5.6) und auch schon für den Bifilament-Prototypen verwendet wurde. Da sich der Probenträger in weiten Bereichen frei gestalten lässt wird diese Spitze inzwischen auch für viele andere Arbeiten verwendet. 5.3 Stripline-Proben Die direkte Strukturierung eines Leiterstreifens auf die Membran scheint zunächst für TEM-Untersuchungen problematisch zu sein, weil der Elektronenstrahl ja sowohl die Leiterbahn als auch die magnetischen Strukturen durchdringen muss. Es hat sich aber gezeigt, dass Leiterbahn-Dicken bis zu 30 nm sowohl bei Verwendung von Aluminium als auch von Titan genügend elektronentransparent sind. Durch die geringe Dicke der Leiterbahn von nur 30 nm im Vergleich zu den 100 µm Durchmesser der Bifilament-Drähte und des dadurch viel weniger 5.3 Stripline-Proben a) 39 1 2 4 3 5 1cm b) 1cm Abbildung 5.6: Halter-Spitze a) und Probenträger b). Die Probenträger-Platine wird unter den Steg (1) geklemmt und bei (4) festgeschraubt. Die Kontaktierung erfolgt durch ein Stück leitfähiger Folie bei (2); der Elektronenstrahl verläuft durch das Loch (3). Die Stirnfläche (5) der Spitze ist poliert, da sie im CM30 auf einem Widerlager zur Probenverschiebung aufliegt. Bond-Pad Membran Bond-Pad Stripline 100µm Abbildung 5.7: Die fertig strukturierte Stripline. 40 5.3 Stripline-Proben ausgedehnten Raumbereichs zwischen den beiden entgegengesetzten Magnetfeldrichtungen kommt die in Abbildung 5.4 dargestellte Strahlverschiebung nicht zum Tragen und kann im Experiment nicht beobachtet werden. Das auf die Probe wirkende Magnetfeld läßt sich aus dem Stomfluß durch den Leiter mit folgender Formel in guter Näherung berechnen: H= I , 2w (5.1) wobei w die Breite des Leiterstreifens bezeichnet. I B Abbildung 5.8: Magnetfeld der stromdurchflossenen Stripline mit einem Dot mit Vortexstruktur als Beispiel. a) b) 10µm 10µm Abbildung 5.9: Elektromigration in einer Alu-Stripline. Die grün gestrichelten Linien begrenzen die Stripline. a) zeigt erste Defekte (rot markiert); b) eine schon zerstörte Stripline, das zusammengeklumpte Leiterbahnmaterial ist als schwarze Flecke zu erkennen. Insbesondere bei Proben mit einer Stripline aus Aluminium konnte jedoch der Effekt der Elektromigration beobachtet werden, so dass schon bei einer Stromstärke von ca. 10 mA bereits nach wenigen Minuten die Leiterbahn durchgebrannt“ ist ” (siehe Abbildung 5.9). 5.3.1 Probenherstellung 5.3.1 41 Probenherstellung Die verwendeten Stripline-Proben wurde mit Elektronenstrahllithographie hergestellt (siehe auch Abbildung 5.10). Dabei wird die Siliziumnitridmembran zunächst mit zwei unterschiedlichen Schichten PMMA-Lack1 beschichtet. Anschließend werden die Strukturen im Rasterelektronenmikroskop mit dem Elektronenstrahl in den Lack geschrieben. Beim anschließenden Entwickeln entsteht dadurch, dass die beiden Lackschichten eine unterschiedliche Empfindlichkeit besitzen, ein sog. Undercut. Dadurch sind die im nächsten Schritt aufgedampften Metallschichten randschärfer, da sie den Lack nicht direkt berühren, und somit der nach dem Aufdampfen folgende Lift-Off-Prozess, also das Auflösen des restlichen Lacks und das Ablösen des überschüssigen Metalls exakter abläuft. Anschließend wird der Prozess für die magnetischen Permalloy-Strukturen wiederholt. Das Permalloy wird zum Schutz vor Oxidation jetzt noch mit ca. 5 nm Aluminium bedeckt. 5.4 Charakterisierung des Magnetfeldes Um quantitative Aussagen über die Experimente machen zu können ist es notwendig, das durch den Probenhalter erzeugte Magnetfeld zu vermessen. Da die eigentlichen Versuche mit Wechselfeldern von unterschiedlicher Frequenz durchgeführt werden muss auch die Frequenzabhängigkeit der Magnetfeldstärke untersucht werden. 5.4.1 Lorentzablenkung Erste Versuche, dies mit einer Pick-Up-Spule durchzuführen, scheiterten sowohl an der geringen Magnetfeldstärke als auch an seiner geringen räumlichen Ausdehnung. Die Messung mit einer Hallsonde lieferte ebenfalls keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Die praktikabelste Lösung für die Stripline-Proben zeigt Abbildung 5.11. Der Elektronenstrahl des Mikroskops wird parallel zur Stripline an dieser vorbeigeführt (a), sodass dieser eine dem erzeugten magnetischen Feld proportionale Auslenkung aufgrund der Lorentzkraft erfährt (b). Dazu musste die Membran mit der darauf strukturierten Stripline um 90◦ gedreht auf den Probenträger montiert werden (d). Die daraus resultierende Verschiebung des Lichtflecks in der Bildebene wurde mit der CCD-Kamera aufgenommen und mit einem in MatLab erstellten Programm ausgewertet. Dazu wurde die Breite des verschmierten Randes des Lichtflecks an mehreren Stellen bestimmt und davon der Mittelwert 1 PolyMethylMetAcrylat, ein dem Plexiglas ähnlicher Fotolack 42 5.4 Charakterisierung des Magnetfeldes 7 1 Si3N4 Si 2 3 PMMA1 PMMA2 e-Strahl Al/Au/Ti e-Strahl 9 10 4 5 8 PMMA1 PMMA2 Py 11 6 Abbildung 5.10: Präparation der verwendeten Probe: Auf einer Siliziumnitridmembran (1) werden zwei Schichten PMMA-Lack aufgebracht (2). Nach dem Schreiben der Strukturen mittels Elektronenstrahllitographie (3) und dem Entwicklungsprozess (4) liegen die belichteten Stellen der Membran frei und dort wird im Schritt (5) die Stripline aufgedampft. Danach werden die PMMA-Schichten und das darüberliegende Metall abgelöst (6). Der Prozess wiederholt sich nun ein weiteres mal (7) - (11), mit dem Unterschied, dass jetzt die magnetischen Permalloy-Strukturen aufgedampft werden. gebildet (c). Diese Methode liefert nur eine qualitative Aussage über die Stärke des Magnetfeldes, sie eignet sich nicht für quantitative Messungen. Leider läßt sich auch keine verlässliche Aussage über den zeitlichen Verlauf des Magnetfeldes machen, da dieses dazu zwischen seinen Maxima monoton steigend oder fallend 5.4.1 Lorentzablenkung 43 sein müsste, was jedoch gerade in den interessanten Fällen nicht der Fall ist. Abbildung 5.12 zeigt das Messergebnis für niedrige Frequenzen (rot). a) Elektronenstrahl Stripline d) Probe c) b) Abbildung 5.11: Messverfahren des Magnetfeldes der Stripline durch die Lorentz-Ablenkung des Elektronenstrahls (a), (b). (d) zeigt die dafür notwendige um 90◦ gedrehte Probe. Ein Beispiel für die Auswertung am Computer zeigt (c). Es läßt sich am Oszilloskop beobachten, dass das für die Experimente und diese Messung verwendete Rechtecksignal mit steigender Frequenz zunehmend ver” schliffen“ und deformiert wird. Da die verwendete Auswertungsmethode, ebenso 44 5.4 Charakterisierung des Magnetfeldes wie die Bildaufnahme aus Kapitel 4 selbst, auch sensitiv für die Pulsform ist, muss man diese berücksichtigen. Es verschiebt sich nämlich die zur Auswertung herangezogene Grauwert-Schwelle (Abbildung 5.11 c) und das gemessene Magnetfeld scheint schwächer zu werden (vergleiche auch Abbildung 4.3, Kapitel 4). Zur Korrektur dieses Fehlers wird vereinfachend angenommen, dass sich die Wellenform linear mit steigender Frequenz immer mehr einem Sinus annähert. Diese Korrekturmethode hat den Nachteil, dass es nötig ist, einen Parameter p für den Grad der Annäherung an den Sinus zu bestimmen (p = 1 für einen reinen Sinus, p = 0 für ein reines Rechtecksignal). Experimentell ist dies aufgrund der komplizierten realen Wellenform für höhere Frequenzen mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Aufgrund des relativ niedrigen Frequenzbereichs bis 10 MHz kann man ausschließen, dass die Peak-Magnetfeldstärke durch den Versuchsaufbau signifikant beeinflusst wird. Dies rechtfertigt den zur Korrektur angenommenen Annäherungsfaktor von p = 0,85 bei 10 MHz , welcher zur schwarzen Kurve aus Abbildung 5.12 führt, die keinen Feldabfall mehr zeigt. Strahlverschiebung (Pixel) 280 260 240 220 200 180 2 4 6 8 10 Frequenz (MHz) Abbildung 5.12: Rot: Messung der Lorentzablenkung des Elektronenstrahls für Frequenzen bis 10 MHz .Schwarz: Messung mit Korrektur der Wellenform. 5.4.2 Magnetic Force Microscopy 5.4.2 45 Magnetic Force Microscopy Funktionsprinzip Als weitere Methode zur Magnetfeldcharakterisierung wurde die magnetische Kraftmikroskopie (MFM) verwendet. Um MFM zu verstehen muss man sich zunächst die Funktionsweise der Rasterkraftmikroskopie (AFM, Atomic Force Microscopy) veranschaulichen: Eine sehr feine Spitze wird in geringem Abstand über eine Probe gerastert. Sie wird dabei in Resonanzschwingungen versetzt, wobei sich ihre Resonanzfrequenz mit zunehmender Annäherung an die Probenoberfläche aufgrund von Van-der-WaalsKräften verringert. Die Resonanzfrequenz wird nun konstant gehalten, in dem der Abstand in z-Richtung variiert wird. Diese z-Verschiebung ist das eigentliche Messignal (siehe Abbildung 5.13). Die MFM-Messung geschieht in zwei Stufen: Zuerst wird mit AFM eine Zeile des Bildes gescannt, wobei die magnetische Kraft auf die Nadel im Vergleich zur kurzreichweitigen Van-der-Waals-Kraft vernachlässigbar ist und das Höhenprofil vermessen, danach wird die hieraus gewonnene Information dazu verwendet, um die Spitze in einem höhrern Abstand dem Höhenprofil folgend erneut an der Probe entlangzuführen. Jetzt kann die langreichweitige magnetische Kraft auf die Spitze, welche senkrechte Streufelder der Probe verursachen, gemessen werden. Die z-Komponente des gemessenen Magnetfeldes wird nun in einen Helligkeitswert umgewandelt, so dass weisse Bildbereiche eine den schwarzen Bildbereichen gegensinnige z-Komponente der Streufeldes aufweisen. Detektor Laserstrahl Cantilever Spitze Probe Piezo-Scanner Abbildung 5.13: Skizze des AFM (Atomic Force Microscopy)/MFM (Magnetic Force Microscopy) Versuchsaufbaus. Die am sog. Cantilever befestigte Messpitze wird zeilenweise über die Probe geführt. Die Kraft zwischen Probenoberfläche und Spitze verbiegt den Cantilever; dieser Winkel wird mit Hilfe eines Laserstrahls und eines Vierfelderdetektors gemessen. 46 5.4 Charakterisierung des Magnetfeldes Messung Stripline abgetasteter Ausschnitt Membran AFM a) b) MFM I I Abbildung 5.14: MFM-Messung an einer Stripline. Das gelbe Rechteck im oberen Bild markiert den abgetasteten Bereich. In den Bildern darunter ist jeweils links die AFM- und rechts daneben die zugehörige MFM-Messung für beide Stromflussrichtugen abgebildet. Die von Michael Huber am Lst. Weiss durchgeführte MFM-Messung (Abbildung 5.14) zeigt verschiedene Ergebnisse: • Das Bild in der einen Stromrichtung (a) entspricht den Erwartungen. Aufgrund der entgegengesetzten senkrechten z-Komponente des magnetischen Streufeldes beiderseits der Stripline ist das Bild links der Stripline deutlich dunkler als rechts. Anders bei entgegengesetzter Stromrichtung (b): Bei dieser Messung musste, um Strukturen im Bild erkennen zu können, der Bildkontrast stark erhöht werden, woraus sich folgern lässt, dass die gemessenen Magnetfelder viel schwächer sind als bei a). Die fleckige Struktur des Bildes zeigt, dass die Probe nicht magnetisch homogen ist. Auch Störungen des Messaufbaus während der Aufnahme sind in diesem Bild aufgrund des 5.4.3 U-I-Kennlinie 47 schwachen Messignals deutlich zu erkennen, so z.B. der Kontrastsprung in der Mitte des Bildes. • Die Stripline der untersuchten Probe liegt nicht mittig auf der Membran, und so ist aufgrund der verschiedenen Probendicke und der unterschiedlichen relativen Permeabilität in und neben der Membran das Magnetfeld leicht verzerrt. Die MFM-Messung liefert also ein wichtiges Ergebnis: Das von der Stripline erzeugte Magnetfled ist nicht unabhängig von der Stromrichtung, was bei den folgenden Experimenten und deren Interpretation beachtet werden muss. 5.4.3 U-I-Kennlinie Zur Überprüfung der MFM-Messung wurde eine U-I-Kennlinie der Stripline aufgenommen. Die Form der Kennlinie (siehe Abbildung 5.15 a) zeigt die typische Form einer Diodenkennlinie. Damit ist das Ergebnis der MFM-Messung bestätigt: Die Stärke des von der Stripline erzeugten Magnetfledes hängt von der Stromrichtung ab. a) b) 25 20 Al I (A) 15 Ti Si3N4 Al Si Si3N4 Au 10 Au 5 c) 0 RTi -5 RMembran -2 -1 0 1 2 U (V) Abbildung 5.15: a) U-I Kennlinie der Stripline-Probe. b) Querschnitt durch die Probe. c) Ersatzschaltbild. Der Grund für dieses Verhalten läßt sich wie folgt erklären (siehe Abbildung 5.15 b, c): Der Übergang zwischen Titan und dem Silizium bildet eine SchottkyBarriere, welche als Diode wirkt. In ihrer Sperrichtung fließt der Strom nur durch das Titan selbst; in der Durchlassrichtung bildet sich jedoch eine Parallelschaltung aus der Titan-Stripline und dieser Diode aus, so dass der Gesamtwiderstand der Probe sinkt. Der Widerstand des Siliziumnitrids kann hier vernachlässigt 48 5.4 Charakterisierung des Magnetfeldes werden, da es durch den Bondvorgang, und das Aufdampfen des Titan keine perfekte Schicht mehr bildet. Der Übergang Gold-Silizium ist bekanntermaßen in guter Näherung ohmsch, auch hier ist das Siliziumnitrid durch mechanische Beanspruchungen beim Montageprozess unterbrochen. 49 KAPITEL 6 Untersuchungen zur Domänendynamik Experimente mit dem Bifilar-Probenhalter 6.1 Flächige Probe Als erste Proben dienten vollfächig mit 20 nm Py bedampfte Membranen, welche mit Hilfe des Bifilar-Probenhalters angeregt wurden (Abbildung 6.1). Aufgrund des für das in-plane-Feld nötigen großen Abstandes zwischen der Probe und den das Magnetfeld erzeugenden Drähten konnten nur schwache Felder von ca. 5 Oe erzeugt werden. Auf den Bildern 6.1 sind die Magnetisierungskonfigurationen als Mittelung über die Belichtungszeit von 0,5 s zu erkennen. Durch die Rechteckform des Signals erzeugen bei niedrigen Frequenzen nur die Endzustände der Domänenwände ausreichenden Kontrast. Erst bei hohen Frequenzen sieht man eine Kontrastveränderung innerhalb der Umkehrpunkte der Wandbewegung, da einerseits die Wände jetzt aufgrund ihrer endlichen Geschwindigkeit einen Großteil der Zeit in Bewegung sind (siehe Linescans von Abbildung 6.1), und andererseits das anliegende Signal kein perfektes Rechteck mehr ist (vergleiche Kapitel 4). Der in b) verringerte Abstand der Endzustände der Domänenwand kommt alleine aufgrund ihrer endlichen Geschwindigkeit zustande. Da die Frequenz und der Abstand der beiden Domänenwandendpositionen bekannt sind, läßt sich die 50 6.1 Flächige Probe Wandgeschwindigkeit berechnen: vdw = 2f · ∆w, (6.1) ∆w bezeichnet den Abstand der Domänenwandendpositionen. Für unsere Messung läßt sich somit ein Wert von ca. 45 m/s ermitteln. a) b) 50Hz 5µm 8MHz 5µm 2,7µm Abbildung 6.1: Flächige Permalloy-Probe mit einer Kantenlänge ca. 20 µm. H ≈ 5Oe. a) zeigt den quasistatischen, b) den dynamischen Fall. Die gelben Rechtecke markieren die Bereiche, über die für die Linescans gemittelt wurde. 6.1 Flächige Probe 51 Ein zweiter Versuch mit der flächigen Probe betrachtet die Ripple-Strukturen. Auch hier kann man beide Endzustände, welche je bei der positiven bzw. negativen Halbwelle des Rechtecksignals eingenommen werden, in einem Bild als Überlagerung erkennen (oberer Teil Abbildung 6.2). Da die Ripplestruktur sehr fein ist und sich die entscheidende Änderung am Bild selbst nur unsicher ausmachen läßt, wird die Fourier-Transformation der Bilder zu Hilfe genommen. Man kann bei einer Anregungsfrequenz von 5 MHz deutlich zwei Linien im Fourierbild erkennen, die Endzustände herrschen also während der Belichtungszeit vor. Ganz anders bei 10 MHz : Hier ist nur noch eine verbreiterte Linie in der FFT zu erkennen, die Magnetisierung kann also dem schnellen externen Feld nicht mehr überall komplett folgen. 5MHz 10MHz FFT FFT Abbildung 6.2: Doppelbilder einer Ripple-Struktur bei angelegtem Rechtecksignal. In der unteren Hälfte sind die Fouriertransformierten dargestellt. Die durch die Ripple erzeugten Linien im Fourierbild sind mit roten Linien markiert. 52 6.2 6.2 Kreisdots Kreisdots Als nächste Struktur wurden Permalloy-Kreiszylinder mit einer Dicke von 30 nm und Durchmessern von wenigen µm untersucht. Zunächst kam wieder der bifilare Probenhalter zum Einsatz. Die bereits in 5.1 be- Abbildung 6.3: Kreisdot bei niederfrequentem Wechselfeld im Bifilar-Probenhalter. Der gelbe und rote Kreis markiert die Umrandungen der Einzelbilder. schriebenen Bildstörungen durch unerwünschte Bildverschiebungen sind in Abbildung 6.3 gut zu erkennen. Da die magnetischen Veränderungen der Probe jedoch stärker sind als das Verwackeln“ des Bildes können die Bilder durch einfaches ” Subtrahieren voneinander mit Einschränkungen qualitativ ausgewertet werden. Abbildung 6.4 zeigt dieses Verfahren für einen Dot mit 5 µm Durchmesser. Die komplexe Domänen- und Vortexstruktur läßt keine exakten Vorhersagen aus der Theorie über die Geschwindigkeiten der Vortexbewegung zu. In der Mitte der Abbildung sieht man die beiden statischen Zustände des Dots bei angelegtem externen Feld in positiver (4) bzw. negativer (2) Richtung. Das Bild rechts oben (5) entstand beispielsweise dadurch, dass von dem Doppelbild bei 50 Hz (1) nacheinander die Bilder bei negativem (2) bzw. positivem (4) statischem Feld subtrahiert wurden. Die beiden Vortex-Endpositionen sind bei 250 kHz (6) deutlich näher beisammen als bei der niedrigeren Frequenz. Das bedeutet, der Vortex ist nicht schnell genug, um während des z.B. positiven Magnetfeldpulses seine Endposition, die er im statischen Fall einnehmen könnte, zu erreichen. 6.2 Kreisdots 53 1) 3) H 50Hz 5) t 2) - = DC H 4) H = H t - t - = = H 250kHz 6) t 7) 8) Abbildung 6.4: Kreisdot im Bifilar-Halter. Es wurde versucht, die einzelnen Teilbilder durch Subtraktion zu rekonstruieren. (z.B. 1)-2)=3), 3)-4)=5) ) 54 6.2 Kreisdots Experimente mit Stripline-Proben Die weiteren Experimente wurden mit Stripline-Proben durchgeführt, da das durch das Bifilament hervorgerufene Bild-Wackeln für eine quantitative Auswertung zu sehr stört. Anregungsfrequenzen < 10 MHz Abbildung 6.5 zeigt das Verhalten einer Vortexstruktur, welche direkt auf die Stripline strukturiert wurde. Ein Verwackeln“ des Bildes ist hier nicht mehr zu ” erkennen; deutlich sieht man bei niedrigeren Frequenzen den Vortex in seinen beiden Endzuständen. Aufgrund seiner endlichen Geschwindigkeit nähern sich diese beiden Positionen immer näher an, bis sich schließlich bei 10 MHz nicht mehr klar voneinander trennen lassen. Der Abstand der beiden Vortexkern-Positionen ist in Abbildung 6.6 graphisch in Abhängigkeit von der Frequenz des Magnetfeldes dargestellt. Man erkennt deutlich den Abfall der Vortexabstände mit zunehmender Frequenz. Die mittlere Geschwindigkeit des Vortex ist mit ca. 0,24 m/s deutlich geringer als die der Domänenwand im obigen Experiment. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Vortex wesentlich steifer und damit langsamer ist als eine Domänenwand (vergleiche [Hoe04]). Anregungsfrequenzen > 100 MHz Als nächstes wurden zwei Dots mit einem Durchmesser von 2 µm bzw. 2,8 µm bei Frequenzen um ihre theoretisch berechneten bzw. simulierten Resonanzfrequenzen, welche im Bereich von 200 MHz liegen (siehe Kapitel 3.6 und 3.6.3), untersucht. An die Probe wurde ein out-of-plane-Feld von ca. 3 kOe angelegt; durch Verkippen des Probenhalters wurde eine in-plane-Komponente von ca. 20 Oe erzeugt. Das Hochfrequenzsignal ist am Ausgang des Signalgenerators symmetrisch um 0V und erzeugt ein Magnetfeld mit einer Stärke von ca. ±2 Oe am Probenort. In Abbildung 6.7 erkennt man zwei signifikante Auslenkungen des Vortexkerns bei 195 MHz und 235 MHz . Bemerkenswert ist, dass die beobachtete einfache Verschiebung des Vortexkerns nicht mit der aus Simulationen (siehe Kapitel 3.6.3) erwarteten Umlaufbewegung des Vortexkerns übereinstimmt. Eine mögliche Erklärung ergibt sich aus der MFM-Messung der Stripline (siehe 5.4.2), welche eine Assymmetrie des Magnetfeldes mit der Stromrichtung aufzeigt. Desweiteren sollten die beiden Dots (grüne bzw. rote Kurve in Abbildung 6.7 leicht unterschiedliche Resonanzfrequenzen zeigen. Bei diesem Experiment wurde die Ausgangsspannung des Frequenzgenerators 6.2 Kreisdots 55 10Hz 100Hz 1kHz 5kHz 10kHz 10kHz 50kHz 100kHz 200kHz 500kHz 800kHz 1MHz 2MHz 5MHz 10MHz Abbildung 6.5: Permalloy-Kreisdot mit einem Durchmesser von 4 µm. Die Endpositionen des Vortex nehmen mit zunehmender Frequenz des Magnetfeldes deutlich ab. nicht nach der Amplitude am Oszilloskop nachgeregelt, da bei hohen Frequenzen zu erwarten ist, dass Reflexionen an elektrischen Kontaktstellen im Versuchsaufbau zu einer starken Verfälschung der Oszilloskopmessung führen und diese da- 56 6.2 Kreisdots 0,16 0,14 0,12 Vort (m) 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0 2000 4000 6000 8000 10000 Frequenz (kHz) Abbildung 6.6: Vortexabstand in Abhängigkeit von der Frequenz des Magnetfeldes. durch unbrauchbar machen. Dies wird durch den Vergleich des Oszilloskop-Signals bei zwei verschiedenen Kabellängen (rote und gelbe Kurve in Abbildung 6.9, Längenunterschied 1 m) bzw. mit der Lorentz-Magnetfeldmessung bestätigt (grüne Kurve Abbildung 6.9): Die Extrema der Messung am Oszilloskop sind bei den beiden Kabellängen deutlich verschoben, die Kurve der Lorentz-Messung lässt keinerlei Zusammenhang mit der am Oszilloskop gemessenen Spannung erkennen. Kontrollmessungen an anderen Proben zeigten jedoch ebenfalls bei 195 MHz ein auffälliges Verhalten wie z.B. eine leichte Bildverzerrung, was darauf hindeutet, dass die Auslenkung der Vortexkerne nicht auf einen magnetischen Resonanzeffekt des Vortex zurückzuführen ist, sondern vielmehr ein durch die hochfrequenten Eigenschaften des Probenhalters selbst erzeugter Effekt ist. Dennoch hat dieses Experiment gezeigt, dass zumindest für schmale Frequenzbereiche mit dem Probenhalter ein hochfrequentes Magnetfeld im TEM erzeugt werden kann, welches eine signifikante Reaktion der magnetischen Probe hervorruft. 6.2 Kreisdots 57 177,5MHz 187,5MHz 190,0MHz 192,5MHz 195,0MHz 197,5MHz 200,0MHz 202,5MHz 207,5MHz 212,5MHz 217,5MHz 222,5MHz 225,0MHz 227,5MHz 230,0MHz 235,0MHz 237,5MHz 240,0MHz 242,5MHz 250,0MHz Abbildung 6.7: Reaktion des Vortex auf hochfrequente Magnetfelder. Die Ruhelage ist mit einem gelben Kreis, die aktuelle Position des Vortexzentrums mit einem roten Punkt markiert. Man erkennt eine Auslenkung aus dem Gleichgewichtszustand bei Frequenzen von 195 und 235 MHz . 58 6.2 Kreisdots 0,9 2,8 2,8m µm 22m µm 0,8 DVortex (m) 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 140 160 180 200 220 240 260 Frequenz (MHz) Abbildung 6.8: Auftragung der gemessenen Vortexpositionen relativ zum Vortexmittelpunkt für Dot-Durchmesser von 2 und 2,8 µm. Man erkennt bei beiden Dots zwei signifikante Auslenkungen bei 195 MHz und 235 MHz . 2,4 140 130 2,0 120 1,8 1,6 110 1,4 100 1,2 V (V) Oszi B (ohne Einheit) 2,2 1,0 90 0,8 80 70 140 0,6 160 180 200 220 240 0,4 260 Frequenz (MHz) Abbildung 6.9: Lorentz-Magnetfeld-Messung (grün) und Messung der Amplituden mit dem Oszilloskop für verschiedene Kabellängen (gelb und rot), orange Skala. 59 KAPITEL 7 Ausblick Dynamische Untersuchungen im TEM sind prinzipiell möglich, jedoch erfordern wirklich auswertbare Experimente noch einige Vorarbeiten: Der nächste logische Schritt ist es, das Magnetfeld-erzeugende System genau zu charakterisieren und zu optimieren. Der Probenhalter mit seinen Kontaktstellen, den Bonds etc. muss hochfrequenztechnisch angepasst werden. Möglich macht dies eine Software, welche in drei Dimensionen die Eigenschaften des Probenhalters simulieren kann. Mit deren Hilfe kann man den Halter für einen eingeschränkten Frequenzbereich, welcher um die erwarteten Resonanzfrequenzen der Proben liegen sollte, optimieren. Auch der Signalgenerator muss durch ein Modell mit exakt definierter Ausgangscharakteristik ersetzt werden. Ist dies gelungen, wäre der nächste logische Schritt, dem TEM eine echte Zeitauflösung zu ermöglichen. Das bedeutet, dass es möglich sein muss, Bilder auf einer Zeitskala von ns und darunter aufzunehmen. Die Slow-Scan-CCD-Kamera muss durch ein gegatetes Modell ersetzt werden, um die Vorgänge in der Probe in ihrer Bewegung und nicht nur im zeitlichen Mittel untersuchen zu können. Ein weiteres Betätigungsfeld eröffnen die Proben selbst: Diese Diplomarbeit hat gezeigt, dass sowohl die elektrische Stabilität als auch die Oberflächenbeschaffenheit der Striplines noch stark zu wünschen übrig läßt. Es muss also sowohl das verwendete Material als auch der Wachstumsprozess verändert werden. Die für nachfolgende Experimente gewünschte echte Zeitauflösung kann durch verschiedene Ansätze erreicht werden: • Durch die Verwendung einer gegateten CCD-Kamera, also einer Kamera, die 60 KAPITEL 7. AUSBLICK nur in einem sehr kurzen und genau bestimmbaren Zeitfenster ihr Bild aufnimmt. Eine solche Kamera könnte durch Modifikation bestehender Hochgeschwindigkeitskameras realisiert werden. Die durch eine geeignete Vorrichtung in ihrer Energie ausreichend abgeschwächten Elektronen werden direkt auf den CCD-Chip gelenkt und erzeugen dort ein Ladungsbild. Die erreichbare Zeitauflösung läge bei < 500 ns. • Eine zweite Idee zielt auf einen viel komplexeren Versuchsaufbau ab: Der Elektronenstrahl müsste hochfrequent um wenige eV in seiner Energie variiert werden, so dass man über die energieselektive Aufnahme von Bildern zu einer hohen Zeitauflösung käme. Diese Energieselektivität ermöglicht ein GIF“(Gatan Image Filter) genanntes Zusatzgerät, welches im Handel ” erhältlich ist. Die Energievariation des Elektronenstrahls könnte durch die Wechselwirkung mit dem elektrischen Feld eines starken CO 2 -Lasers, welches in der Größenordnung von kV /mm liegt, erreicht werden. Erste Vorversuche dafür sind bereits in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. Prettl geplant. 61 KAPITEL 8 Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit war es, einen ersten Schritt in Richtung dynamischer Untersuchungen magnetischer Systeme im TEM zu tun. Hierfür wurde zunächst ein Probenhalter entwickelt, welcher ein Maximum an Flexibilität für verschiedenste Probengeometrien bietet, sich schnell an neue Anforderungen anpassen lässt und sowohl im CM30 als auch im TECNAI verwendet werden kann. Sein Probenraum wurde anschließend mit zwei verschiedenen Systemen zur Erzeugung des Magnetfeldes bestückt: Einem Bifilament und einer Stripline-Geometrie. Anschließend wurden sowohl flächige Proben als auch magnetische Kreisdots untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die experimentellen Parameter viel schwieriger zu kontrollieren sind als zunächst angenommen. Schon bei vergleichsweise geringen Fequenzen reagieren manche Teile des Versuchsaufbaus anders als erwartet: die Signalgeneratoren liefern keine konstante Ausgangsamplitude, Reflexionen und Dämpfung im Probenhalter beeinflussen das magnetische Wechselfeld maßgeblich. Mit der zur Verfügung stehenden Zeit und der Ausstattung ist es nicht möglich, alle Faktoren ausreichend zu kontrollieren. Dennoch kann ein positives Resümee gezogen werden. Es ist möglich, hochfrequente Magnetfelder am Probenort eines TEMs zu erzeugen, ohne das Bild störend zu beeinflussen; die Aufnahmen mit der CCD-Kamera enthalten auch für dynamische Vorgänge auswertbare Informationen, die sich aus der zeitlichen Mittelung gewinnen lassen. Und nicht zuletzt konnten Effekte beobachtet werden, welche in interessanter 62 KAPITEL 8. ZUSAMMENFASSUNG Weise von den erwarteten Werten der durchgeführten Simulationen abweichen und einer genaueren Untersuchung bedürfen. 63 Literaturverzeichnis [Goo91] P.J. Goodhew / F.J. Humphreys Elektronenmikroskopie, McGraw-Hill Book Company (UK) Limited, Maidenhead (1991) [Gus01] K. Guslienko, Field evolution of magnetic vortex state in ferromagnetic disks, Applied Physics Letters, 78(24) 3848 (2001) [Gus02] K. Guslienko, Eigenfrequencies of vortex state excitations in magnetic submicron-size disks, Journal of Applied Physics, 91(10) 8037-8039 (2002) [Hoe04] R. Höllinger, Statische und dynamische Eigenschaften von ferromagnetischen Nano-Teilchen, Dissertation, Regensburg (2004) [Hof65] H. Hoffmann, Mikromagnetische Theorie der quasistationären Eigenschaften dünner Schichten, Habilitationsschrift, München (1965) [OOM04] National Institute of Standards and Technology, The Object Oriented MicroMagnetic Framework (OOMMF) project at ITL/NIST, http://math.nist.gov/oommf/ (2004) [Par03] J. Park, Imaging of spin dynamics in closure domain and vortex structures, Physical Review B 67, 020403(R) (2003) [Phi93] Philips Electron Optics, Alignment of the Transmission Electron Microscope, Application Laboratory, Eindhoven (1993) [Phi97] Philips Electron Optics, Holder for Manual Stage Single Tilt, Konstruktionszeichnung, Eindhoven (1997) 64 LITERATURVERZEICHNIS [Sto04] H. Stoll, High-resolution imaging of fast magnetization dynamics in magnetic nanostructures, Applied-Physics-Letters 84(17): 3328-30 (2004) [Thi73] A. Thiele, Phys. Rev. Lett. 30, 230 (1973) [Zha98] J. Zhai, Theoretical velocity of domain wall motion in ferromagnets, Physics Letters A 242 266-270 (1998) [Zha00] J. Zhai, Velocity of domain wall in ferromagnets with demagnetizing field, Physics Letters A 279 395-399 (2000) [Zim95] T. Zimmermann, Untersuchungen der magnetischen Struktur von Co/Cu Mehrlagenschichten mit Lorentzmikroskopischen Methoden, Dissertation, Regensburg (1995) Dankeschön! An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben: • Herrn Prof. Dr. Josef Zweck für die spannende Themenstellung, seinen unerschütterlichen Optimismus, die vielen Diskussionen und die interessanten Nebenbeschäftigungen. • Herrn Prof. Dr. Christian Back für seine zahlreichen Ratschläge zwischen Tür und Angel. • Herrn Prof. Dr. Dieter Weiss für das zur Verfügung Stellen seines Reinraums. • Martin Heumann und Thomas Uhlig für ihre Arbeit als Ersatz-Betreuer in und ausserhalb der Arbeitszeit. • Thomas Uhlig für die schönen Proben und die vielen Korrekturen und Verbesserungsvorschläge an dieser Arbeit. • Herrn Walter Wendt für die trickreiche Anfertigung der Probenhalter. • Den Herren Dieter Riedl, Peter Gerhard und Max Simmel aus der Elektronikwerkstatt für ihre Unterstützung. • Stephanie Hußnätter, Christian Hurm und Christian Dietrich für unser unschlagbares Büro während und nach der Arbeit. • Michael Huber für seine geduldigen Messungen am MFM. • Allen Mitgliedern der TEM-Arbeitsgruppe für ihre Ratschläge, Hilfen, und den ganzen Rest ( Här ma auf!“). ” • Dem gesamten Lehrstuhl Back für die zahlreichen Nachfeiern und Ausflüge. • Tina Halbritter und Simon Wachter für das detektifische Aufspüren der letzten Tippfehler bei simultanem Verzehr von Unmengen von Ringos. • All meinen Freunden, die auch während meiner Physik-Ausbrüche immer unermüdlich zugehört haben und bei mir geblieben sind. • Ganz besonders meinen Eltern, auf deren Unterstützung und Vertrauen ich immer zählen kann. Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die Diplomarbeit selbstständig angefertigt und keine Hilfsmittel außer den in der Arbeit angegebenen benutzt habe. Regensburg, den 02.09.2004 ........................... Jürgen Gründmayer