2. Preis | Sozialwissenschaften Sexualstraftaten verhindern, potenzielle Opfer schützen Ein neues Modell zur Klassifizierung von Tätern anhand des Tatverhaltens erlaubt erstmals empirisch fundierte Rückfallprognosen. In den Medien wird häufig ein Stereotyp von Sexualstraftätern vermittelt: der triebgesteuerte Mann, der zuschlägt, sobald er die Gelegenheit bekommt. Wissenschaftler wie Jürgen Biedermann zeigen mit ihren Forschungsarbeiten ein wesentlich differenzierteres Bild. Biedermann entwickelte im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Landeskriminalamt (LKA ) Berlin und der Berliner Charité ein Modell zur Einschätzung der Gefährlichkeit und des Rückfallrisikos von Sexualstraftätern. Das Modell enthält empirische Studien und Statistiken zum konkreten Tatverhalten: Anhand der individuellen Verbrechen klassifizierte der Psychologe die Fälle von rund 1000 rechtskräftig verurteilten Sexualstraftätern. Er identifizierte acht Klassen mit spezifischen Verhaltensmustern und unterschiedlichen Rückfallrisiken. Ausführliche Fallbeschreibungen erklären und analysieren besonders typische Tatverläufe. Das Modell verbindet statistische und analytische Ansätze. »Die Täter psychologisch besser zu verstehen hilft, mögliche zukünftige Sexualverbrechen zu verhindern«, so Biedermann. Ein neues Sexualdelikt lässt sich nun einer der acht Klassen zuordnen. Dies ist für die Prognosen von Sexualstraftätern besonders wichtig. Denn der Gesetzgeber fordert hier ganz explizit ein, dass die »durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit« berücksichtigt wird. Biedermanns Methode ermöglicht nun erstmals eine Rückfalleinschätzung der Männer nach empirisch fundierten Kriterien. 16 Seine Arbeit mit dem Titel »Die Klassifizierung von Sexualstraftätern anhand ihres Tatverhaltens im Kontext der Rückfallprognose und Prävention« hilft zudem dabei, besonders gefährdete Personengruppen auf Opferseite zu identifizieren. Sie können frühzeitig über Risiken und Täterstrategien informiert werden. »Ziel ist es, potenzielle Opfer durch Aufklärungsarbeit zu stärken, zum Beispiel in Schulen und Sportvereinen«, so Biedermann. Die Präventionsabteilung des LKA Berlin arbeitet bereits mit einem von Biedermann entwickelten Excel-Tool auf Basis seines Modells. Jürgen Biedermann (34) studierte von 2001 bis 2007 Psychologie an der Universität Konstanz. 2010 begann er am Institut für Forensische Psychiatrie an der Charité ­Universitätsmedizin Berlin seine Promotion, die er 2013 an der Freien Universität Berlin abschloss. Er ist seit Juni 2014 wissenschaftlicher Angestellter beim Psychologischen Dienst der Polizei Berlin. Zudem lehrt er am Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Beitragstitel Tatmuster bei Sexualstraftätern im Kontext der Prävention und Rückfallprognose: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile Dr. Jürgen Biedermann Promotion an der Freien Universität Berlin Der Polizeipräsident in Berlin, Psychologischer Dienst – ZSE IV C3 Telefon dienstlich +49 · 176 · 247 54 354 E-Mail [email protected] Deutscher Studienpreis | Ergebnisse 2014