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Konrad Adenauer, deutscher Bundeskanzler 1949-1963
Elisabeth Langgässer (1899-1950)
Elisabeth Langgässer: Frühling 1946 (1947)
Holde Anemone,
bist du wieder da
und erscheinst mit heller Krone
mir Geschundenem zum Lohne
wie Nausikaa? [...]
Aus dem Reich der Kröte
steige ich empor,
unterm Lid noch Plutons Röte
und des Totenführers Flöte
gräßlich noch im Ohr. [...]
Anemone! Küssen
laß mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
um das Nein und Nicht. [...]
Günter Eich (1907-1972)
Günter Eich: Inventur (1948)
Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.
Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.
Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.
Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,
so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.
Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.
Dies ist mein Notizbuch,
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.
Wolfgang Borchert (1921-1947): Draußen vor der Tür (1947)
Ilse Aichinger (* 1921): Die größere Hoffnung (1948)
Gruppe 47, Tagung 1964
Heinrich Böll (1917-1985):
Wanderer, kommst du nach Spa ... (1950)
Günter Grass (* 1927): Die Blechtrommel (1959)
Martin Walser (* 1927): Ehen in Philippsburg (1957)
Christa Wolf (* 1929): Der geteilte Himmel (1963)
Peter Weiss (1916-1982): Die Ermittlung (1965)
Gerhard Rühm (* 1930): Ohne Titel (Typocollage 1955)
Max Frisch (1911-1991)
Freibad Letzigraben (Zürich), erbaut von Max Frisch (1947)
Uraufführung von „Biedermann und die Brandstifter“
29.3.1958, Schauspielhaus Zürich
Bühnenbild von Max Frisch
Eines Morgens kommt ein Mann, ein Unbekannter, und du kannst
nicht umhin, du gibst ihm eine Suppe und ein Brot dazu. Denn das
Unrecht, das er seiner Erzählung nach erfahren hat, ist unleugbar,
und du möchtest nicht, daß es an dir gerächt werde. Und daß es
eines Tages gerächt wird, daran gebe es keinen Zweifel, sagt der
Mann. Jedenfalls kannst du ihn nicht wegschicken, du gibst ihm
Suppe und Brot dazu, wie gesagt, und sogar mehr als das: du
gibst ihm recht. [ ... ] Du bist einverstanden mit ihm, denn wärest
du es nicht, müßtest du sozusagen zugeben, daß du selber
Unrecht tust, und dann würdest du ihn vielleicht fürchten. Du
willst dich aber nicht fürchten. Du willst auch nicht dein Unrecht
ändern, denn das hätte zu viele Folgen. Du willst Ruhe und
Frieden, und damit basta! Du willst das Gefühl, ein guter und
anständiger Mensch zu sein, und also kommst du nicht umhin,
ihm auch ein Bett anzubieten, da er das seine, wie du eben
vernommen, durch Unrecht verloren hat. [...] und am nächsten
Morgen, siehe da, bist .du verkohlt und kannst dich nicht einmal
über deine Geschichte verwundern ...
(Tagebuch 1948)
• „Burleske“ (Prosa; Tagebuch 1948)
• „Herr Biedermann und die
Brandstifter“ (Hörspiel, 1952)
• „Biedermann und die Brandstifter.
Ein Lehrstück ohne Lehre“ (1957)
• „Nachspiel“ (1958)
• Fernsehfassung (1966)
Ich frag mich manchmal, Doktor, was du eigentlich
machst bei uns, wenn du keine Freude hast an
Feuersbrünsten, an Funken und prasselnden Flammen,
an Sirenen, die immer zu spät sind, an Hundegebell und
Rauch und Menschengeschrei - und Asche.
Der Dritte setzt seine Brille auf; stumm und ernst.
Eisenring lacht.
Weltverbesserer!
Er pfeift eine kurze Weile vor sich hin, ohne den Doktor
anzusehen.
Ich mag euch Akademiker nicht, aber das weißt du,
Doktor, das sagte ich dir sofort: ’s ist keine rechte
Freude dabei, euresgleichen ist immer so ideologisch,
immer so ernst, bis es reicht zum Verrat - ’s ist keine
rechte Freude dabei.
DR. PHIL. Ich kann nicht länger schweigen.
Er nimmt ein Schriftstück aus der Brusttasche und verliest.
„Der Unterzeichnete, selber zutiefst erschüttert von den
Ereignissen, die zur Zeit im Gang sind und die auch von unsrem
Standpunkt aus, wie mir scheint, nur als verbrecherisch
bezeichnet werden können, gibt die folgende Erklärung zuhanden
der Öffentlichkeit: -“
Viele Sirenen heulen, er verliest einen ausführlichen Text, wovon
man aber kein Wort versteht, man hört Hundegebell,
Sturmglocken, Schreie, Sirenen in der Ferne, das Prasseln von
Feuer in der Nähe; dann tritt er zu Biedermann und überreicht
ihm das Schriftstück.
Ich distanziere mich –
BIEDERMANN Und?
DR. PHIL. Ich habe gesagt, was ich zu sagen habe.
Er nimmt seine Brille ab und klappt sie zusammen.
Sehen Sie, Herr Biedermann, ich war ein Weltverbesserer, ein
ernster und ehrlicher, ich habe alles gewußt, was sie auf dem
Dachboden machten, alles, nur das eine nicht: Die machen es aus
purer Lust!
BIEDERMANN Herr Doktor –
Der Akademiker entfernt sich.
Sie, Herr Doktor, was soll ich damit?
Der Akademiker steigt über die Rampe und setzt sich ins Parkett.
Wer denn eigentlich mit den beiden Brandstiftern gemeint sei, die
Frage ist mir in zwanzig Jahren mindestens von tausend Schülern
gestellt worden. Gottlieb Biedermann ist ein Bourgeois, das ist
offenbar. Aber zu welcher Partei gehören die beiden Brandstifter? kein Satz, den sie sagen, weist darauf hin, daß sie die Gesellschaft
verändern wollen. Keine Revolutionäre also, keine Weltverbesserer.
Wenn sie Brand stiften, so aus purer Lust. Es gibt Pyromanen. Ihre
Tätigkeit ist apolitisch ... Ich meine: die beiden gehören in die
Familie der Dämonen. Sie sind geboren aus Gottlieb Biedermann
selbst: aus seiner Angst, die sich ergibt aus seiner Unwahrhaftigkeit.
Natürlich gilt das nicht nur für den Bourgeois: aus der permanenten
Diskrepanz zwischen Phraseologie (welcher auch immer) und Realität
wächst das Unheil langsam, aber sicher. Warum unaufhaltsam? Da
ist immer ein kleiner Spalt, wo die Dämonen, wenn Gottlieb redet,
ihren Fuß hineinstellen können, grinsend: Der geht lieber zugrunde,
als daß er seine kleinen Falschheiten auch nur sich selber zugibt.
(1978)
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