Rolle - Institut für Weltwirtschaft

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Institut für Weltwirtschaft
an der Universität Kiel
Der Präsident
12. März 2003
Horst Siebert
Zur Diskussion um die Rolle der Wirtschaftswissenschaften
1.
Das
Gutachten
des
Wissenschaftsrates
„Empfehlungen
zur
Stärkung
wirtschaftswissenschaftlicher Forschung an den Hochschulen“ vom November 2002
legt eine Bestandsaufnahme der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung in
Deutschland vor. Dieser Befund bedarf der Diskussion im Fach.
2. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit mit einer bibliometrischen Analyse an
den Veröffentlichungen in internationalen Fachzeitschriften zu messen steht mit
Recht im Zentrum dieser Evaluierung der Wirtschaftswissenschaften.
Die der Analyse des Wissenschaftsrates zugrunde liegende Liste der Zeitschriften ist
jedoch
in
unzulässiger
Weise
verzerrt.
So
sind
darin
die
beiden
Wirtschaftsillustrierten Forbes mit 8339 und Fortune mit 7068 Nennungen von
Artikeln vertreten. Wer diese Illustrierten je in der Hand hatte, würde nicht auf die
Idee kommen, sie in ein Sample einzuschließen, das den Fortschritt der
Volkswirtschaftslehre messen soll. Von den etwa insgesamt 77 080 Nennungen
gehören eine ganze Reihe der aufgenommenen Zeitschriften nicht in ein Sample für
„Economics“. Dies gilt etwa für Futures, Journal of Marketing Research, Journal of
Marketing, Accounting Review, Journal of International Business Studies, Accounting
Organizations, Journal of Real Estate Finance and Economics, Journal of Real
Estate Taxation, Journal of Business Venturing, Auditing Journal, Journal of
Research in Retailing, Journal of Business, Journal of International Marketing, Intern.
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Journal of Research in Marketing, Journal of World Business (in der Reihenfolge von
Anhangtabelle A-4 des Anhangs des Gutachtens). Dies sind betriebswirtschaftliche
Zeitschriften. Zusammen mit Forbes und Fortune ergibt dies 18 875 Nennungen.
Auch Harvard Business Review passt nicht in das Sample. Im Anhang sind die
Zeitschriften aufgeführt, die meines Erachtens nicht in das Sample gehören.
Andererseits sind eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Zeitschriften in das
Sample aufzunehmen, so die in der Anlage aufgeführten mehr als 30 Zeitschriften
(überwiegend in englisch) wie etwa das Journal of Economic Integration (siehe
Anhang).
3. Eine weitergehende Frage ist, welche anderen oder zusätzlichen Indikatoren der
Publikationsergebnisse heranzuziehen sind, wie beispielsweise der Social Citation
Index oder auch Besprechungen, die Bücher von Autoren in den Fachzeitschriften
erfahren
haben
(anstatt
Buchbesprechungen
als
Produktionsoutput
zu
interpretieren). Nicht erfasst sind ferner Monographien, selbst wenn sich diese
international in englisch in der fünften Auflage behaupten und in anderen Sprachen
wie in Chinesisch erschienen sind und gerade ins Japanische übersetzt werden.
Zudem
sollte
neben
der
Präsenz
im
angelsächsischen
Raum
auch
der
Publikationserfolg in Europa angemessen erfasst werden.
4. Mir macht Sorge, dass die Messung der wissenschaftlichen Tätigkeit an
Publikationen in Fachzeitschriften eine Fehlorientierung bewirken kann, wenn sie das
alleinige Kriterium abgibt. Sie misst den Publikationsoutput des Einzelnen, aber nicht
die
Gesamtwirkung
(den
Impact)
seiner
Tätigkeit.
Sie
ist
ein
wichtiger
Informationsindikator, aber ist sie auch ein geeigneter Lenkungsindikator für das
Fach insgesamt?
Ökonomen wissen nur zu gut, wie schwierig es ist, Prinzipal-Agenten-Verträge zu
schreiben und die richtigen Anreize zu definieren. Historisch ist hinreichend bekannt,
dass Indikatoren zu Fehllenkungen von Systemen führen können. Die Orientierung
des Indikators alleine an den internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften kann
3
dazu führen, dass sich der einzelne Forscher auf ein sehr enges Thema spezialisiert
und eine Publikationsstrategie verfolgt, bei der auf diesem engen Feld das Thema in
all seinen Facetten immer wieder hin und her wendet. Er muss dann zitiert werden,
weil er sich immer wieder zu diesem Thema äußert. Ein neues Thema zu erobern
bedeutet eine erhebliche Investition mit der Konsequenz, dass die Zitationsrate
vorübergehend absinkt. Damit ist ein klarer Anreiz für den Spezialisten gesetzt. Ich
persönlich würde dies für eine Verarmung der eigenen Arbeit halten, aber diese
Wertung mag nicht interessieren.
Für das Fach insgesamt kann es jedoch zu negativen externen Effekten kommen:
Die Bereitschaft, sich für die anwendungsorientierte wirtschaftspolitische Beratung
zur Verfügung zu stellen, mit der Notwendigkeit, sich institutionelle Kenntnisse
anzueignen, die international kaum verwertbar sind, geht dann zurück. Die Aussagen
der Wirtschaftswissenschaft für benachbarte Disziplinen wie die Jurisprudenz, für
Verfassungsfragen und die Sozialwissenschaften deutlich zu machen, wird durch
den Indikator nicht angeregt. Das Fach Volkswirtschaftslehre ist dann zwar
international präsent, aber es verarmt, da es seine Botschaft an die Gesellschaft und
an die Politik nicht mehr transportiert.
Per Saldo birgt die Strategie für ein gesellschaftswissenschaftliches Fach also das
Risiko des gesellschaftlichen Bedeutungsverlusts, wenn der Lenkungsindikator die
hier angesprochenen anderen Aspekte nicht berücksichtigt.
Anhang: Zeitschriftenauswahl der bibliometrischen Analyse für den Wissenschaftsrat,
Anhangtabelle A-4 (Economics), S. 189
Zu streichen
Accounting Organizations And Society
Accounting Review
Auditing-A Journal Of Practice & Theory
Economist
Ekonomicky Casopis
Ekonomiska Samfundets Tidskrift
Finance A Uver
Forbes
Fortune
Futures
International Monetary Fund Staff Papers (reviewed, aber i.d.R. nur IMF-Autoren)
Journal Of Accounting Research
Journal Of Business
Journal Of Business Ethics
Journal Of Business Research
Journal Of Business Venturing
Journal Of Consumer Affairs
Journal Of Consumer Research
Journal Of International Marketing
Journal Of Marketing
Journal Of Marketing Research
Journal Of Portfolio Management
Journal Of Real Estate Taxation
Journal Of Retailing
Journal Of The Academy Of Marketing Science
Journal Of World Business
Marketing Science
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Ergänzungsvorschläge
Applied Financial Economics
Aussenwirtschaft
Baltic Journal of Economics
CATO Journal
Comparative Economic Studies
Economic Systems
Economics of Innovation and New Technology
European Journal of Devlopment Research
European Journal of Law and Economics
European Journal of Political Economy
German Economic Review
Information Economics and Policy
International Economic Journal
Journal of Asian Economics
Journal of Common Market Studies
Journal of Economic Development
Journal of Economic Geography
Journal of Economic Growth
Journal of Economic Integration
Journal of International Economic Studies
Journal of International Trade & Economic Development
Journal of South African Economics
Regional Science and Urban Economics
Research in Law and Economics
Review of Development Economics
Review of Financial Economics
Review of International Economics
Review of Political Economy
Revue d’Economie Politique
Revue Economique
Rivista Internazionale di Scienze Economiche
Swiss Journal of Economics and Statistics
The International Economy
World Economics
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Falls deutschsprachige Zeitschriften ergänzt werden sollen
Finanzarchiv
Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik
Kredit und Kapital
Zeitschrift für Wirtschaftspolitik
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