Ausgabe 02/2016 Aus dem Inhalt: Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor vier Jahren haben wir uns als Assistentenvertreterinnen an dieser Stelle vorgestellt – nun möchten wir uns aus dieser Funktion verabschieden, da wir beide als Fachärztinnen in der Praxis angestellt sind. Auf dem Assistentenkongress Anfang April in München wurde Sebastian Bartels als neuer Assistentenvertreter gewählt. Der BVKJ versteht sich als Interessensvertreter aller Kinder- und Jugendärzte in Deutschland, seien sie niedergelassen, in der Klinik, als Facharzt oder in der Weiterbildung. Genau deswegen gibt es auch das Amt des/r Assistentensprecher/in. Die Assistentensprecher sind zuallererst Ansprechpartner für die Weiterbildungsassistenten im Verband und identifizieren assistentenrelevante Themen für Fortbildungen oder die Berufspolitik. Man nimmt an den Vorstandssitzungen teil und bringt den Blickwinkel des „Nachwuchses“ in die Vorstandsarbeit ein. Denn auch wenn die Vorstandsmitglieder (innerlich) jung geblieben sind, vergisst man doch mit der Zeit, wie die Arbeit in der Klinik mit all ihren Spät-, Nacht- und Wochenenddiensten war. Als Assistentenvertreter ist man zudem Mitglied im Redaktionsteam des p@ediatrie-Express und sorgt mit für praxisnahe fachliche und berufspolitische Informationen. Der Austausch mit der Vertreterin der Assistenzärzte in der DGKJ oder die Mitgestaltung von lokalen Veranstaltungen (z.B. Workshop „Sprung in die Praxis“) und beim Assistentenkongress gehört ebenfalls zum Aufgabenspektrum dieses Amtes. Neue Technologien in der Neonatologie: Kleinste Strukturen Seite 1 ----------------Die neuen ERCReanimationsleitlinien 2015 Seite 4 -----------------Kindernotfälle trainieren Seite 10 -----------------Meine Arbeit, mein Recht Zur Einwilligung in ärztliche Heileingriffe bei Kindern Uns hat die Arbeit sehr viel Spaß gemacht, da man Einblicke in die ambulante Pädiatrie und die Berufspolitik gewinnt und viele neue Kollegen kennenlernt. Wir möchten uns deshalb bei allen Mitstreitern aus dem Verband ganz herzlich für die Unterstützung und das Verständnis bedanken, das sie für unsere Anliegen gezeigt haben. Seite 10 --------------- Euch bitten wir, den neuen Assistentenvertreter zu unterstützen. Meldet Euch, wenn ihr Ideen habt oder Angebote vermisst. Macht z.B. mit bei der Aufgabe, ein Netzwerk der Assistenten aufzubauen, in dem man sich über Dienstpläne, Weiterbildungskonzepte oder die praktische Umsetzung von Leitlinien austauschen kann. In der nächsten Ausgabe wird sich Sebastian Bartels an dieser Stelle vorstellen. Wir danken ihm heute schon für sein Engagement und wünschen ihm viel Erfolg im Amt! Seite 11 --------------- Eure Johanna Harris und Manuela Goecke Neue Technologien in der Neonatologie: Kleinste Strukturen Bundesweit werden jährlich 60 000 bis 63 000 Babys zu früh geboren. Das sind rund neun Prozent aller Neugeborenen. Problematisch sind vor allem die Hochrisiko-Frühgeburten. Darunter versteht man Babys, die mit einem Gewicht von weniger als 1250 Gramm und mehr als zehn Wochen vor dem eigentlichen Geburtstermin auf die Welt kommen. Wie neue Technologien in der Bildgebung die medizinische Versorgung der Frühchen verbessern, erklärt im Interview mit paediatrie-express Prof. Dr. Hans-Joachim Mentzel, Leiter der Sektion Kinderradiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikum Jena. Kinder- und Jugendärzte schwören auf die Magnetresonanz-Tomographie (MRT). Sie ist strahlungsfrei und liefert sehr detaillierte Bilder des Gehirns. Aber für Frühgeborene ist ein MRT im Wortsinn bisher "unerreichbar" gewesen, da sie den Inkubator nicht verlassen durften. Und heute? Mentzel: Häufig treten bei Frühgeborenen Krampfanfälle auf. Ursachen können sowohl angeborene Fehlbildungen als auch Hirnblutungen oder ein ischämischer Schlaganfall sein. Das Gehirn kann in dieser Zeit nachhaltig geschädigt werden und als Folge kann es zu geistigen und körperlichen Behinderungen kommen. Der BVKJ hilft mit Rat und Tat Der BVKJ: Vorstellung und Mitgliedsantrag Seite 12 --------------- Seite 2 Früher war es nahezu unmöglich, Frühgeborene im MRT zu untersuchen. Denn in der Regel sind diese auf den besonderen Schutz eines Inkubators angewiesen und sollten diesen nicht verlassen. Mit dem MR-tauglichen Inkubator konnte diese Lücke in der Kinderradiologie geschlossen werden, da Früh- und Neugeborene mit diesem Inkubator für die Untersuchung direkt in das MRT-Gerät geschoben werden können. Für eine sehr gute Bildqualität sorgen die integrierten MR-Spulen wie zum Beispiel die Mehrkanal-Kopfspule, die Wirbelsäulen- und die Körperspule. Vorteilhaft ist, dass unter Verwendung aller Spulenkombinationen nahezu der gesamte Körper gescannt werden kann. Das Kind kann bereits auf der neonatologischen Intensivstation mit der entsprechenden Spule im MR-Inkubator platziert werden – aufwändige und das Früh- bzw. Neugeborene stark belastende Umlagerungen in der MR-Abteilung entfallen dadurch. Während der gesamten Untersuchung liegen die Kleinen geschützt im MR-Inkubator und können durch den Neonatologen während der Untersuchung sehr gut betreut werden. Alle Strukturen des Hirns können mit der MRT erfasst werden – Hirnparenchym und Gefäße können exakt beurteilt werden. Aussagen zum Stoffwechsel und zur Hirnreifung sind unter Einsatz neuer MR-Techniken möglich. Im Anschluss an die Messung wertet der Radiologe gemeinsam mit dem Kinderarzt die MRT-Bilder aus, sodass eine erforderliche Behandlung sofort begonnen werden kann. Gibt es ähnliche Fortschritte im Bereich Ultraschall? Mentzel: In der Neonatologie kommt der Ultraschall im Inkubator auf der Intensivstation zur Bildgebung als Methode der ersten Wahl zum Einsatz. Das räumliche Auflösungsvermögen der modernen Ultraschallsysteme wird immer besser. Hochauflösende Sonden von 14 – 20 MHz liefern heute exzellente Bilder von oberflächlich liegenden Organen und Körperteilen. Somit können Bilder erzeugt werden, die histologischen Schnitten vergleichbar sind. Bei Früh- und Neugeborenen kann zum Beispiel das Gehirn mit dem Rückenmark, aber auch die parenchymatösen Organe des Bauchraums wie Nieren und Leber besser dargestellt werden. Auch Notfallsituationen in der Neonatologie wie beispielsweise der Nachweis von freier Luft bei einer Darmperforation oder von Luft in der Darmwand bei einer Nekrotisierenden Enterocolitis sind hervorragend zu detektieren. Die Durchblutung von geschwollenen Hoden bei Neugeborenen zum Ausschluss bzw. Nachweis einer Verdrehung (Torsion) ist gut zu beurteilen. Welche Bedeutung kommt dabei Kontrastmitteln zu? Mentzel: Seit einigen Jahren werden Kontrastmittel nicht nur im Röntgen, CT oder MRT, sondern auch im Ultraschall verwendet. Im Gegensatz zu den nebenwirkungsreicheren Röntgenkontrastmitteln sind die Kontrastmittel beim Ultraschall nahezu unschädlich für den Organismus und wären somit auch gut für die Untersuchung von Kindern geeignet. Bislang gibt es aber keine Zulassung für den Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln im Kindesalter – sie sind daher nur mit großer Vorsicht und nach entsprechender Aufklärung der Sorgeberechtigten einzusetzen. Mitunter können durch den Kontrastmittelultraschall aber aufwändigere Verfahren wie die CT oder MRT den Kindern erspart werden. Insbesondere die Möglichkeit, das Kontrastmittel direkt am Bett des Kindes einzusetzen, ist von großem Vorteil. Bei den Ultraschall-Kontrastmitteln handelt es sich um Lösungen, die als „Wirkstoff“ Gasbläschen enthalten, die von einem Hüllmaterial (z. B. Phospholipiden) umgeben sind. Nachdem die etwa drei Mikrometer großen Bläschen in das Venensystem eingespritzt wurden, lösen sie sich nach wenigen Minuten von selbst auf. Die Gase sind für den Körper ungefährlich und werden unbemerkt über die Lunge ausgeatmet. Mit Hilfe des Kontrastmittel-Ultraschalls kann das typische Durchblutungsverhalten von Organen oder von Tumoren bzw. Entzündungen in Organen untersucht werden. Eingesetzt werden Ultraschall-Kontrastmittel bei Kindern und Jugendlichen hauptsächlich für die Charakterisierung bestimmter Raumforderungen in der Leber. Hierfür ist es wichtig, die verschiedenen Phasen der Organdurchblutung zu untersuchen. Bei unklaren Leberherden lässt sich so viel genauer zwischen gutartigen und bösartigen Veränderungen unterscheiden. Erkrankungen der Niere und Bauchspeicheldrüse können sich ebenfalls besser mithilfe der Kontrastmittelsonografie (CEUS = Contrast enhanced ultrasound) darstellen lassen. Ein weiteres Einsatzgebiet von Ultraschallkontrastmitteln ist die Diagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes (Rückfluss von Urin aus der Harnblase in den Harnleiter und das Nierenbeckenkelchsystem); hier gibt es bereits seit sehr langer Zeit Erfahrungen im Kindesalter. Seite 3 Und was verbirgt sich hinter der Elastographie? Mentzel: Die Elastographie ist eine weitere neue Entwicklung in der Ultraschalldiagnostik, mit deren Hilfe die elastischen Eigenschaften von Geweben abgebildet werden können: Die Elastographie berechnet kleine Verschiebungen in aufeinander folgenden Ultraschallaufnahmen, die unter verschiedenen Gewebekompressionen aufgenommen werden. Harte Gewebebereiche verformen sich unter Kompression nicht so stark wie weiche. Am „Elastogramm“ lassen sich diese Unterschiede verdeutlichen und Veränderungen, wie die gewöhnlich steifer imponierenden bösartigen Tumore, frühzeitig erkennen. Die Elastographie hat sich im Kindesalter vor allem bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen etabliert. Diese entwickeln sich als Folge von angeborenen Stoffwechselerkrankungen wie dem Morbus Wilson oder chronischen Erkrankungen wie der Mukoviszidose sowie angeborener Veränderungen der Gallenwege. Auch spät entdeckte, chronische Entzündungen der Leber kommen als Ursache für eine Leberfibrose in Betracht, die mit einer erhöhten Steifigkeit einhergeht. Die Sonde misst bei der Elastographie, wie schnell sich sogenannte Scherwellen, die durch den Ultraschallimpuls im Gewebe entstehen, ausbreiten. Je fester und unelastischer, also steifer das Lebergewebe ist, desto schneller laufen die Wellen hindurch. In der Neonatologie wird die Elastographie bislang kaum eingesetzt; denkbar ist die Beurteilung der Elastizität von Tumoren oder bei Entzündungen. Und dann gibt es noch moderne Scanner für die Computertomographie ... Mentzel: Moderne CT-Scanner haben jetzt eine Rotationszeit von Röhre und Detektoren von weniger als einer halben Sekunde. Das bedeutet, dass viel schneller Bilder aufgenommen werden können und so auch größere Körperregionen sehr rasch untersucht werden können. Eventuelle Bewegungen von Kindern spielen damit nur noch eine untergeordnete Rolle. Diese Vorteile helfen beispielsweise bei der Herzgefäßdarstellung und ermöglichen scharfe Bilder, auch wenn das Kind nur kurz oder überhaupt nicht die Luft anhalten kann oder sich bewegt. Bleibt die Gefahr der Strahlenbelastung beim CT Mentzel: In der Tat bisher ein Problem. Reduziert man einfach die Strahlendosis, führt das zu erhöhtem Bildrauschen und damit zu einem Verlust an Bildqualität. Um bei geringerer Dosis dennoch Aufnahmen hoher Qualität zu erzeugen, wurden spezielle Rekonstruktionsalgorithmen wie die interaktiven Techniken für die CT entwickelt. Genutzt werden hierfür Rechenmodelle aus der Mathematik, die zwar schon länger bekannt sind, aber erst mit den jetzt zur Verfügung stehenden leistungsfähigeren Rechnern im Klinikalltag angekommen sind. Mit dem neuen Algorithmus lässt sich die Dosis ohne Qualitätseinbußen deutlich reduzieren. Dies ist besonders für die Untersuchung von Neugeborenen wichtig, die besonders sensibel für die schädigenden Auswirkungen ionisierender Strahlung sind. Und die Strahlenbelastung beim Röntgen? Mentzel: In der Neonatologie werden Röntgenuntersuchungen wegen der Strahlenbelastung sehr zurückhaltend eingesetzt; sie sind allerdings bei sehr unreifen Frühgeborenen häufig erforderlich, um die noch unreife Lunge zu beurteilen. Um die Strahlendosisbelastung durch das konventionelle Röntgen in der Pädiatrie zu verringern, wurden mittlerweile Detektoren entwickelt, bei deren Verwendung eine geringere Strahlenbelastung erforderlich ist. Für Neonatologen interessant sind insbesondere die mobilen kleinen Detektoren, mit denen bei gleicher bzw. sogar besserer Bildqualität die Frühgeborenen im Inkubator mit reduzierter Dosis geröntgt werden können.