32 | TITELTHEMA lippe wissen & Wirtschaft | 02 2016 Als Global Player das Gesamtpaket sehen Kultur als Standortfaktor Aus unserer Sicht ist es in der Tat elementar, dass ein überregionales, gemeinsames Marketing gemacht wird − und nicht ­jedes Stadtmarketing alleine vor sich hin kruschtelt. Das bezieht natürlich auch das gemeinsame Tun ein − nicht jedes Dorf wird sein Freibad halten können, da sind Kompromisse gefragt. Genauso richtig und wichtig ist es, dass nur mit Kooperation und Kollaboration ländliche Regionen eine Zukunft haben − weil die Menschen weniger werden, die Kassen leerer und der Regionen-Wettbewerb schärfer. Und auch zutreffend ist, dass die „Perlen“ der Kultur in ländlichen Regionen zwar nicht pauschal übersehen, jedoch nicht gebührend gewürdigt werden, auch nicht gebührend überregional kommuniziert. „Wege durch das Land“ hat es in die FAZ, die WELT und sogar die „Landlust“ geschafft, maximale Kommunikationsforen! Allerdings erst nach vielen Jahren. Aber wissen die Lipper und OWLer, was für ein Kaliber dieses Festival ist? Und wissen die Lipper und OWLer, dass das europäische Straßentheaterfestival „Bildstörung“, das das Kulturteam der Stadt Detmold alle zwei Jahre zu Pfingsten „stemmt“, eines der größten Festivals seiner Art in Europa ist? Ganz zu schweigen davon, dass jenseits der Region bestimmt kaum einer weiß, was damit auf hohem Niveau an moderner Kunst im öffentli- chen Raum hier in Lippe geboten wird. Also: es muss professionelle Medienarbeit geleistet werden, um in die Foren FAZ, WELT, ZEIT, Süddeutsche... sowie in Publikumsmagazine wie Landlust zu ­ kommen. Nun zur Rolle der Wirtschaft: Der Wettbewerb von ländlicher Region zu Metropolen und urbanen Regionen ist da. Die Wirtschaft OWL steht mit starken Marken gut da, es sind solide, oft familiengeführte Unternehmen mit nachhaltigem Erfolg. Im Maschinenbau und der B2B-Industrie stehen die Unternehmen jedoch oft im Wettbewerb zu den sexy Marken z. B. der Automobilindustrie im lippe wissen & Wirtschaft | 02 2016 TITELTHEMA | 33 und bei jungen Menschen: Auch Kunstschaffende sind abgewandert und wandern ab, weil es z. B. in Lippe keinen festen (musealen) Ausstellungsraum gibt oder keine Plattform für Kunst im öffentlichen Raum, Jugendkultur etc. Es gibt etliche Kunstschaffende aus Lippe, die nach Berlin gegangen sind... Foto: Fotolia©Blickfang wird das breite Angebot an Kinos, ­­Barund Club-Szene (auch für Teens), ÖPNV, Nachtkultur (Öffnungszeiten) sowie Breiten- als auch Straßenkultur. Mir ­fehlen z. B. Museen mit zeitgenössischem Fokus − wenn ich Bielefelder Kunsthalle und MaRTa „durch habe“, wird’s eng. Süden. Da können hiesige HRler nur mit günstigen Immobilienpreisen (Erwerb oder Bau von Eigenheimen auch für Berufsanfänger möglich), gesunden ­ und unternehmenskulturell vorbildlichen (Familien-)unternehmen − gegen Konzerne mit dem Blick auf shareholders ­value − punkten, hoher Freizeitwert und die zentrale Lage in der Mitte Deutschlands sind weitere Argumente, die wir ­bedienen. Ja, wir fragen nach Gründen der Absage bei Bewerber/-innen. Natürlich spielt die fehlende Urbanität eine Rolle. Fehlender Autobahnanschluss bzw. vorherrschender Landstraßen-Verkehr. Da halten wir die Stau-Freiheit gegen. Aber vermisst Fazit: Kultur ist auch ein Standortfaktor, bei dem Wirtschaft durch Förderung beitragen kann, dass ländliche Regionen modern, breit und vielseitig auftreten. Die Verantwortung liegt jedoch bei Kulturträgern und Kommunen, deren Aufgabe es jetzt ist, sich in enger Kooperationen zusammen zu tun, um effizient ein gemeinsames Agieren und Kommunizieren bei begrenzten Mitteln zu erreichen. Foto: privat Generell: Viele Wirtschaftsunternehmen sponsern bereits Kultur seit Jahren. Nicht nur aus Gründen von CSR und Reputation, s­ ondern oftmals als klares StandortCommittment, z. B. bei kleinen Vereinen. Aber: Kultur ist nicht das originäre ­Thema der Wirtschaft. Im Sinne der Breitenwirkung ist z. B. Sportsponsoring deutlich stärker. Und der Anspruch, dass die Wirtschaft „muss“, kann nicht gestellt werden. Sie trägt auch keine Verantwortung für das kulturelle Standortmarketing − sie kann dabei unterstützen mit Expertise im Marketing, mit den Erfahrungen, was überregional Bewerber ­anzieht oder abstößt. Primäre Aufgabe der Wirtschaft ist es, Umsatz und Gewinn zu machen, Steuern zu zahlen sowie gute und sichere Arbeitsplätze zu bieten. Dass Wirtschaftsunternehmen die Verantwortung für Kultur bei den Kommunen und Kulturträgern sehen, ist demzufolge schlüssig. Eine ­Aufgabenzuweisung durch einen Fonds ist m. E. nicht realistisch. Unternehmen ­wollen die Freiheit besitzen, zu entscheiden, wann, wie und in welchem Umfang sie Sport, Soziales oder Kultur fördern. Es kann keine fordernde Haltung gegenüber der Wirtschaft geben − attraktive Angebote im Sinne von Win-win sind natürlich willkommen und zeitigen auch ­Erfolge. Richtig ist, dass eine gute Kulturlandschaft auch eine Facette der Standort-­ Attraktivität ist − aber für Arbeitnehmer/ -innen und Arbeitgeber nicht die pri­ märe. Was Lippe betrifft, so hat der KEP eindeutig gezeigt, dass es an Foren für zeitgenössische bildende Kunst, Jugend- und Breitenkultur fehlt. Hier sehe ich ein ­Potenzial, als Region zu gewinnen, damit Lippe nicht nur für Wald, Hermann und Externsteine steht. Die Kultur, speziell der Landesverband, sollte sensibel dafür sein, nicht im historischen Rückblick stecken zu bleiben, sondern Darbietungen mit zeitgemäßen und vielleicht sogar ­zukunftsorientierten Ausrichtungen zu wählen, um damit durchaus urbanen Regionen Paroli zu bieten. Denn eines sollte man auch bedenken: Abwanderungen gibt es nicht nur im Fachkräftebereich ANGELA JOSEPHS M.A. Pressesprecherin und Leiterin der ­Presse- & Öffentlichkeitsarbeit Phoenix Contact GmbH & Co. KG