Die gesellschaftliche Konstituierung der Kulturlandschaft

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Die gesellschaftliche Konstituierung der
Kulturlandschaft –
aus dem DFG-Verbundprojekt KULAKon
Ludger Gailing
Leibniz-Institut
für Regionalentwicklung
und Strukturplanung (IRS), Erkner
Tagung
„Naturschutz und gesellschaftliche
Modernisierung“
1.Oktober 2009,
Bundesamt für Naturschutz, INA Vilm
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
Gliederung des Vortrags
1. Vorstellung des DFG-Verbundprojekts KULAKon
2. Zur neuen gesellschaftlichen Attraktivität der
„Kulturlandschaft“
3. Die gesellschaftliche Konstituierung der
Kulturlandschaft
4. Beispiele Naturschutz und Raumordnung
5. Fazit
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
1. DFG-Verbundprojekt KULAKon
Kernanliegen des Projektbündels KULAKon
(Konstituierung von Kulturlandschaft)
Analyse der gesellschaftlichen Prozesse, die zur
Konstituierung von Kulturlandschaft führen
Verständnisse und Bewertungen von Kulturlandschaft bei
unterschiedlichen Akteuren und in unterschiedlichen
institutionellen Kontexten
Auswirkungen auf kulturlandschaftsbezogenes Alltags-,
Steuerungs- und Kooperationshandeln
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
1. DFG-Verbundprojekt KULAKon
Prozessebenen und -elemente
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
1. DFG-Verbundprojekt KULAKon
Spezifik des KULAKon-Ansatzes
Konstruktivistische Perspektive auf Gestaltung,
Wahrnehmung und Kommunikation von Kulturlandschaft
Analyse von Raumkodierungen und semantischen
Bedeutungszuweisungen aus interdisziplinärer Perspektive
Institutionenbasierte, akteursbasierte, alltagsweltlich
verankerte und/oder diskursbasierte empirische
Untersuchungen
Zusammenführung der Ergebnisse mit Blick auf den
gesellschaftlichen Umgang mit Kulturlandschaft
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
1. DFG-Verbundprojekt KULAKon
KULAKon Teilprojekte
Technische Universität Berlin
„Planerische Bilder“
Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL)
„Subjektive Konstruktion“
Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)
„Grenzüberschreitende Diskurse“
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und
Strukturplanung (IRS)
„Institutionen der Kulturlandschaft“
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
1. DFG-Verbundprojekt KULAKon
KULAKon „Institutionen der Kulturlandschaft“
Fokus: „Kulturlandschaft als Handlungsraum“
Konstituierung von kulturlandschaftlichen
Handlungsräumen durch sektorale Institutionensysteme,
die mit ihrer spezifischen Ausrichtung bestimmte
Eigenschaften einer Kulturlandschaft hervorheben und
diese pflegen, nutzen oder entwickeln
Koordination des Handelns sektoraler Akteure, die diese
unterschiedlichen Institutionensysteme repräsentieren,
sowie Management von deren Interaktion über spezifische
Formen kulturlandschaftsbezogener Governance
http://www.4r-netzwerk.de/koop/kulakon.shtml
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
2. Zur neuen gesellschaftlichen Attraktivität der „Kulturlandschaft“
Warum ist „Kulturlandschaft“ wieder modern?
Antworten aus der Literatur
beschleunigte Veränderungen der physischen Umwelt /
neue Qualität, Intensität und Geschwindigkeit des
Landschaftswandels
Kulturlandschaft im Standortdiskurs, im interregionalen
Wettbewerb
„Kultur“ als neue Ressource raumbezogener Politik und
raumpolitischer Agenden
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
2. Zur neuen gesellschaftlichen Attraktivität der „Kulturlandschaft“
„Kulturlandschaft“ als Gegenbegriff zur
Globalisierung
Globalisierungsdiskurse und -folgen als Triebfedern einer
verstärkten Kulturlandschaftsrhetorik
Gegenbewegung zu kulturpessimistischen Szenarien einer
globalen, kulturellen Homogenisierung
„re-embedding“ statt „dis-embedding“
Ausdruck eines neuen Regionalismus
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
2. Zur neuen gesellschaftlichen Attraktivität der „Kulturlandschaft“
„Kulturlandschaft“ als Entwicklungsbegriff
Elemente der traditionellen Perspektive auf
„Kulturlandschaft“: Verlustparadigma, Prädikatsbegriff,
Erbe, enthistorisierte regionale Utopie, Eigenart
Neuer „Kulturlandschaftsdiskurs“:
– EUREK (1998)
– Leitbilder und Handlungsstrategien für die
Raumentwicklung in Deutschland (MKRO) (2006)
– neuer Grundsatz im ROG (2009)
Kulturlandschaft als Entwicklungsfaktor
Erweiterung des Kulturlandschaftsverständnisses auf
potenziell alle Räume
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
2. Zur neuen gesellschaftlichen Attraktivität der „Kulturlandschaft“
Thesen zu dieser Begriffskonjunktur
1. simple Okkupation eines „good word“
2. tatsächlich eine neue Politik, echter Institutionenwandel,
neuer „qualitativer Regionalismus“
3. strategische Nutzung des Begriffs als „boundary concept“
utopischer Gehalt
anschlussfähig für viele Disziplinen, Weltsichten und Debattenkontexte
Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft
Natur/Kultur
Individuum/Gesellschaft/Materialität
Ästhetik/Ökonomie
konservative Werte/aktuelle Gestaltungs- und Nutzungsansprüche
Grundlage für neue Akteursallianzen („Akteurslandschaft“)
4. symbolische Kompensation von Machtlosigkeit
5. Ausdruck irrationalen Denkens in wirtschaftlichen
Krisenzeiten
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
3. Gesellschaftliche Konstituierung von Kulturlandschaft
Aspekte der Konstituierung von Kulturlandschaft
I. Die gedankliche (erkenntnisorientierte) Konstruktion durch
die Wissenschaft
Analytisches Werkzeug zur Ordnung von
Forschungsthemen
z.B.: synthetisierende und objekthafte
Kulturlandschaftsauffassung der klassischen
Landschaftsgeographie
z.B. „Kulturlandschaft“ als Basis interdisziplinärer
Forschung
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
3. Gesellschaftliche Konstituierung von Kulturlandschaft
Aspekte der Konstituierung von Kulturlandschaft
II. Die subjektive Konstruktion in und durch die
Wahrnehmung
Kulturlandschaft als Seh- und Sichtweise: Der
„landschaftliche Blick“
Kulturlandschaft als subjektiv konstruierter,
wahrgenommener Teilraum
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
3. Gesellschaftliche Konstituierung von Kulturlandschaft
Aspekte der Konstituierung von Kulturlandschaft
III. Die physisch-materielle Konstruktion
Kulturlandschaft als Resultat der Interaktion des
Menschen mit seiner physisch-materiellen Umwelt
Kulturlandschaft als (Neben)produkt menschlichen
Handelns
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
3. Gesellschaftliche Konstituierung von Kulturlandschaft
Aspekte der Konstituierung von Kulturlandschaft
IV. Die gesellschaftliche Konstruktion
Kulturlandschaften als in sozialen und kulturellen, also
überindividuellen Prozessen konstituierte Entitäten
(von emergenten bis zu politischen Prozessen)
z.B. Kulturlandschaft als konkrete regionale Utopie
z.B. Kulturlandschaft als Prädikatsregion
z.B. Kulturlandschaft als materielles und immaterielles Erbe
z.B. Kulturlandschaft als politischer Raum, als regionaler Handlungsraum
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
3. Gesellschaftliche Konstituierung von Kulturlandschaft
Aspekte der Konstituierung von Kulturlandschaft
V. Kulturlandschaft als sozial konstruierender Raum
„Kulturlandschaft“ ist z.B. als institutionelle Sphäre,
zweite Natur, Sprachsymbol oder symbolische Umwelt
des Menschen ein strukturierender Faktor sozialen und
individuellen Handelns.
Von dem (Neben)produkt oder Konstrukt
„Kulturlandschaft“ gehen selbst konstruierende
Wirkungen aus.
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
4. Beispiele Naturschutz und Raumordnung
Gedanklich-erkenntnisorientierte Konstruktion
Naturschutz
Raumordnung / -entwicklung
z.B. naturräumliche Gliederung
z.B. historisch-geographische
Grundlagen, z.B. sozialwissenschaftliche Grundlagen
Quellen: LUA Brbg., GL Brbg., LVR/LWL
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
4. Beispiele Naturschutz und Raumordnung
Subjektive Konstruktion
Naturschutz
Raumordnung / -entwicklung
subjektives Empfinden der Akteure subjektives Empfinden der Akteure
kann sehr prägend selbst für
kann sehr prägend selbst für
Landes- oder Bundespolitik sein
Landes- oder Bundespolitik sein
Tendenz zur Objektivierung
individuellen Landschaftsempfindens
(Landschaftsbildbewertung)
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
4. Beispiele Naturschutz und Raumordnung
Physisch-materielle Konstruktion
Naturschutz
Raumordnung / -entwicklung
konkrete Maßnahmen verändern / keine unmittelbare Steuerung des
konservieren Landschaftszustände Kulturlandschaftswandels
dennoch zweifelsohne häufig hohe Metaregulierung durch formelle
Diskrepanz zwischen fachplaneri- und informelle Instrumente der
schen Aussagen (z.B. in LandRaumordnung
schaftsplänen und -programmen)
und Realität
starke Wirkungsmacht bei
gelungenem Einwirken auf die
Landnutzung (Tourismus, Land-,
Forst- und Wasserwirtschaft…)
und beim Verhindern
unerwünschter Veränderungen
Planaussagen (fehlende)
Genehmigungsfähigkeit von
Vorhaben
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
4. Beispiele Naturschutz und Raumordnung
Gesellschaftliche Konstruktion
Naturschutz
Raumordnung / -entwicklung
Großschutzgebiete als „Idealfall“:
emergent-gesellschaftliche
konstruierte Kulturlandschaften
werden auf der Basis regionaler
Utopien (enthistorisierte
Sehnsuchtslandschaft, Prädikatsregion) zu einem politischen
Handlungsraum
über Expertenkulturen hinaus
geringe Wirkungsmacht;
Ausnahmen z.B. Regionalparks in
Stadtregionen enthistorisierte
Sehnsuchtslandschaft entspricht
hier idealisierten Resten des
Ländlichen oder des
industriekulturellen Erbes
Politische Visionen und
gesellschaftliche Vorstellungen
von Mensch-Naturverhältnissen
können dort Realität werden
Kulturlandschaft als
„Gestaltungsraum“, als planerisch
entworfener, bewusst gestalteter
Lebensraum
Tendenz zur Kommodifizierung
von Landschaftsräumen
Handlungsräume nur im Fall
der Regionalparks
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
4. Beispiele Naturschutz und Raumordnung
Sozial konstruierender Raum
Naturschutz
Raumordnung / -entwicklung
z.B. in einem Großschutzgebiet
sind bestimmte Handlungen
möglich und andere nicht, was den
weiteren Landschaftswandel
pfadabhängig macht
formelle und informelle
Institutionen ermöglichen /
restringieren raumbezogenes
Handeln
dies gilt nicht nur für die Wirkung
formeller Regeln, sondern
insbesondere für informelle
Handlungsgrundlagen (Images,
Grenzen, Traditionen, Symbole…)
allerdings wirkt die Raumordnung
hier nur marginal als
strukturierender Faktor, das gilt
auch für die schwach
institutionalisierten Regionalparks
(Ausnahme: konkrete Projekte)
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
5. Fazit
Fazit
Verschiedene Ebenen der Konstruktion sind nur analytisch
voneinander zu trennen
Kulturlandschaften sind heute vielfältig institutionalisierte
Räume (mit unterschiedlichem Gewicht verschiedener
Institutionensysteme)
Lösungen für bestimmte Herausforderungen können oft
nicht gefunden werden, denn Ebene „Kulturlandschaft“ ist
weder die Ebene, auf der zentrale Regelungen getroffen
werden (EEG...), noch die Ebene der konkreten
Landnutzungsentscheidung
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
5. Fazit
Fazit
Paradoxien des Brückenbegriffs „Kulturlandschaft“ bleiben
bestehen
(Visionen guten Lebens in regionalisierter angepasster
Ökonomie vs. „Fit-Machen der Region für den
interregionalen Wettbewerb“ etc.)
interessant: alle Institutionensysteme begründen ihr
Handeln zunehmend mit ökonomischen Erfolgen
( Beiträge zur Kommodifizierung)
„Regionalismus“ ist nicht nur als „Gegenbewegung“ zu
verstehen, sondern auch als Teil der Ökonomisierung von
Natur und Landschaft
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
Vielen Dank
für Ihre
Aufmerksamkeit!
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
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