Hochschule: Alice-Salomon-Hochschule Berlin-Hellersdorf Studiengang: B.A. Soziale Arbeit Antrag: Projektmodul WiSe 2016/2017 bis SoSe 2018 Abgabetermin: 16.05.2016 Soziale Arbeit und soziale Bewegungen 1). Initiator*innen und Dozent*innen Initiator*innen: Jana Blottner, Jana Maria Knoop, John Patzwaldt, Nora Teuscher, Georgios Thodos, Stefanie Weigel Dozent*innen: Prof. Dr. Iman Attia 2). Darstellung des Inhaltes und der Zielsetzung des Projektes Historisch gesehen gab es viele soziale Bewegungen, die die Profession der sozialen Arbeit befruchtet haben. Kooperationen und häufig auch Personalunion zwischen Akteur*innen sozialer Bewegungen und professioneller sozialer Arbeit, aber auch kritische Auseinandersetzungen lösten Reflexions- und Transformationsprozesse in Konzepten und Praxis sozialer Arbeit aus. Partizipation, Selbsthilfe, Empowerment und soziale Gerechtigkeit gehören ebenso dazu wie die Kritik an Kontrolle, Bevormundung und Staatsgläubigkeit. Die Auseinandersetzungen haben die Weiterentwicklung sozialer Arbeit befruchtet, es entstanden zahlreiche Praxisansätze und Handlungsmethoden, die bis heute wichtige Impulse geben. Wir möchten uns zunächst mit verschiedenen sozialen Bewegungen beschäftigen und herausarbeiten, welche Schnittstellen zu sozialer Arbeit bestehen (können). Anschließend wollen wir uns in Arbeitsgruppen exemplarisch mit ausgewählten sozialen Bewegungen im Zusammenhang mit ihrem Beitrag zu sozialer Arbeit auseinandersetzen. Je nach Interessen der Projektmitglieder können das sein: Bürgerrechts- und antikoloniale Bewegungen Arbeiterbewegung Frauenbewegung Studentenbewegung Schwarze Frauenbewegung Selbstbestimmt-Leben- und Krüppelbewegung Antipsychiatriebewegung Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung LGBTIQA*-Bewegungen Obdachlosenbewegung Menschenrechtsbewegung Refugeebewegung Wir stellen uns vor, uns den obengenannten Themengebieten über folgende Fragen zu nähern (Auswahl): Was versteht mensch unter „Sozialer Bewegung“? Wie haben soziale Bewegungen das Verständnis der Profession beeinflusst? Wie betrachten Soziale Bewegungen die Profession der Sozialen Arbeit? Wie interagieren Soziale Arbeit und soziale Bewegungen? Welche theoretischen Konzepte, Handlungsmethoden und -räume haben sich Sozialarbeitende – in Auseinandersetzung mit Sozialen Bewegungen – erkämpft, um ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit für marginalisierte Menschen und Gruppen zu erreichen? Unsere Themenfelder sind vielschichtig und erweiterbar. Wir behandeln Themenfelder wie Rassismus, Migration, Sexismus, Heteronormativität, Ableism, Klassismus und ihre Wechselwirkungen und beschäftigen uns kritisch mit Konzepten wie Selbsthilfe, Solidarität, Aktivierung, Emanzipation und Entwicklung. Unser Ziel ist es, eine Sensibilität für gesellschaftliche Machtverhältnisse und verschiedene soziale Positionierungen zu wecken und Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die soziale Gerechtigkeit sowie vielfältige und alternative Lebensentwürfe berücksichtigen. Hierbei nimmt die Selbstreflexion und das Bewusstsein um die eigenen Verstrickungen in den vorhandenen hegemonialen Strukturen sowie die Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen marginalisierter Akteur*innen und Theoretiker*innen eine zentrale Rolle ein. Ein offener, respektvoller, sensibler und diskussionsfreudiger Umgang in der Gruppe ist Voraussetzung für ein konstruktives Projektseminar. Ziel des Projekts ist es, uns mit zentralen Begriffen und Konzepten sozialer Arbeit zu beschäftigen und dabei einen Fokus auf jene Zugänge zu legen, die in Auseinandersetzung mit sozialen Bewegungen entwickelt wurden. Um unser Wissen und unsere Reflexionsprozesse zu vertiefen und zu erproben, wollen wir in AGs verschiedene Produkte erarbeiten. Derzeit sind eine Veranstaltung und eine online-Publikation im Gespräch. Konkret werden die Pläne aber zu Beginn des Projektmoduls mit der gesamten Gruppe entwickelt werden. Denkbar wären etwa auch, Interviews mit Akteur*innen sozialer Bewegungen zu führen und auszuwerten, einen digitalen Stadtrundgang mit Geflüchteten zu entwickeln, einen kleinen Film mit Obdachlosen zu drehen oder mit Jugendlichen zusammen ein Theaterstück oder einen Song zu erarbeiten. 2a/b) Gendermainstreaming und Interkulturelle Sensibilisierung Dieses Projekt hat sich gegründet, um sich mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, unterschiedlichen Lebenssituationen und -entwürfen auf theoretischer und praktischer Ebene zu beschäftigen. Doch was bedeutet Gender und Diversity Mainstreaming in der Praxis und wann macht es als Querschnittsaufgabe, wann als Schwerpunktsetzung Sinn? Führen Gender Mainstreaming, interkulturelle Sensibilisierung und intersektionale Machtkritik tatsächlich zu weniger naturalisierenden Fixierungen und einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit? Wie argumentieren Konzepte, die sich für die Vielfalt bzw. für die Dekonstruktion von Geschlecht, Ethnizität und anderen Differenzkategorien einsetzen? Wie können soziale Arbeit und soziale Bewegungen zu Diversity Mainstreaming beitragen? Was bedeuten die Begriffe Diversity, Mainstreaming und Intersektionalität und welche Konzepte stehen dahinter? Worin unterscheiden sie sich und welche Positionen haben soziale Bewegungen zu ihnen? Das Projekt wird sich mit Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Eurozentrismus, Ableismus, Lookismus, Klassismus, Heteronormativität und anderen Diskriminierungsformen beschäftigen. Dazu gehören auch eine durchgängige Auseinandersetzung mit diskriminierungsärmeren Sprachen, sowie das Anerkennen von Diskriminierungsmerkmalen als sozial konstruierte wirkmächtige Kategorien (in der Sozialen Arbeit). Der Abbau von struktureller, institutioneller, kultureller und subjektiver Diskriminierung, Benachteiligung und Gewalt und die Förderung von Teilhabe und Gleichberechtigung sind Ziele unterschiedlicher sozialer Bewegungen und gehören gleichzeitig zu den Kernaufgaben sozialer Arbeit. Im Rahmen des Projektmoduls werden die Debatten näher betrachtet, die in der Gesellschaft, aber auch innerhalb der Bewegungen ausgetragen werden, aufgrund der Thematisierung bzw. Skandalisierung von gesellschaftlichen Widersprüchen und sozialen Problemen. Soziale Bewegungen haben sich in inter- und transnationalen Auseinandersetzungen gebildet. Wir wollen uns im Projekt auch damit beschäftigen, welche Aspekte länderübergreifenden Charakter haben und welche spezifisch für jeweilige Gesellschaften oder historische Kontexte sind. Hiervon versprechen wir uns auch einen Gewinn an transnationalen Perspektiven und interkultureller Sensibilisierung. 3). Inhaltsverteilung auf die Semester Semester 1 – WiSe 2016/2017 Beschäftigung mit Praxen und Konzepten sozialer Bewegungen wie Teilhabe, Selbsthilfe, Solidarität bzw. solidarischer Ökonomie, geschützten Räumen und Identitätspolitik. Kennenlernen und Auseinandersetzung mit verschiedensten sozialen Bewegungen in historischen und gegenwärtigen Kontexten Auseinandersetzung mit dem politischen und gesellschaftlichen Kontext, in den soziale Arbeit eingebettet ist und der Rolle, Funktion und Position sozialer Arbeit darin. Texte und Exkursionen zum Verhältnis von sozialen Bewegungen und sozialer Arbeit Arbeitsgruppe bilden und konkrete Projekte planen Vorbereitung auf das Praxissemester Semester 2 – SoSe 2017 Reflexion der eigenen Macht-, Kontroll- und Normierungsposition als Sozialarbeiter*in in der jeweiligen Praxisstelle Analyse von Aspekten, die aus sozialen Bewegungen in die Praxis sozialer Arbeit Eingang gefunden haben (könnten) Begleitung der Erfahrungen in den jeweiligen Praxisstellen Erfahrungsaustausch, Verknüpfung der Praxiserfahrungen mit den Inhalten des Projektmoduls Evtl. Planung einer Studienfahrt Semester 3 – WiSe 2017/2018 Kritische Zusammenführung von Theorie und Praxis Arbeit in Kleingruppen, Vertiefung in einer von den Studierenden ausgewählten Sozialen Bewegung evtl. Studienfahrt (Soli-Party um Finanzierungsbarrieren zu minimieren): Denkbar wäre beispielsweise die Teilnahme an einer Tagung oder „Spurensuche“ an thematisch relevanten Orten Vertiefung der im ersten Projektsemester eingeführten Theorien Auseinandersetzung mit Handlungskonzepten Exkursionen zu Projekten, die aus sozialen Bewegungen bzw. der Auseinandersetzung mit ihren Forderungen entstanden sind und kritische Evaluierung Reflexion zur eigenen Macht-, Kontroll- und Normierungsposition als Sozialarbeiter*in nach Beendigung des Praktikums Themenfindung und Beratung zur Bachelor-Arbeit Semester 4 – SoSe 2018 Weitere Vertiefung und Zusammenführung der Erkenntnisse aus dem 6. Semester Schwerpunkte und Fragestellungen für die BA herausbilden Kolloquium für Bachelorarbeiten Abschlusspräsentation / Bildungsveranstaltung / Ausstellung / Vorführung ... 4). Literaturverzeichnis (Auswahl) Ali, Zahra (2012): Islamische Feminismen, Wien Attia, Iman / Köbsell, Swantje / Prasad, Nivedita (Hrsg.) 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Angabe konkreter Arbeitsfelder und potentieller Praktikumsplätze (Auswahl) a) konkrete Arbeitsfelder Projekte jeder Art, Bildungs- und Kulturarbeit, Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerkarbeit, Interessenvertretungen, Verbände, Anti-Diskriminierungs- und Anti-Gewalt-Arbeit, usw. b) potentielle Praktikumsplätze Kontakt- und Beratungsstelle für Migrant*innen und Flüchtlinge Opferperspektive Potsdam Gays and Lesbians aus der Türkei LesMigras Migrationsrat Berlin Brandenburg Antidiskriminierungsstelle des Bundes Antidiskriminierungsstelle des Landes Antidiskriminierungsnetzwerk Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Reach out Berlin Postkolonial Subway Dissens Jugendtheaterbüro Kreuzberg Museum Akademie des Jüdischen Museums Türkischer Bund Berlin Brandenburg Hydra Weglaufhaus Institut Mensch Ethik Wissenschaft Mob - Straßenfeger