C. Charta der Patientenrechte

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C. Charta der Patientenrechte
I. Präambel
Das vorliegende Dokument soll Gesunde und Patienten über ihre wichtigsten Rechte als
Patienten und Versicherte informieren. Es soll gleichzeitig Ärzte und nichtärztliches Personal in der Praxis und im Krankenhaus über die Rechte der Patienten und über wichtige
Pflichten gegenüber Patienten informieren. Nur wenn beide Seiten der Arzt-PatientBeziehung ausreichend informiert sind, können das vertrauensvolle Gespräch und das gegenseitige Einverständnis zustandekommen, die Voraussetzung jeder guten ärztlichen
Behandlung sind. Patienten, Ärzte und nichtärztliches Personal sind Partner in der Zielsetzung, die persönliche Gesundheit zu erhalten, Krankheiten vorzubeugen, sie zu erkennen, zu
lindern und zu heilen. Dieses Ziel zu erreichen, erfordert eine gemeinsame Anstrengung aller
am Gesunderhaltungs-, Gesundungs- und Behandlungsprozeß Beteiligten. Gesundheit ist
eine gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten im Gesundheitssystem, auch der Krankenversicherungen und der Gesundheitsverwaltungen.
Wer seine Rechte und Pflichten kennt, kann diese Aufgabe bewußt und erfolgreich wahrnehmen. Wer als Patient über seine Rechte informiert ist, kann sich besser schützen; wer als
Arzt über seine Pflichten informiert ist, kann den Patienten besser schützen; wer als Krankenhaus oder Versicherung über seine Pflichten informiert ist, kann den Patienten und den
Versicherten besser schützen und unterstützen.
Diese Charta der Patientenrechte will zu einem erfolgreichen Patientenschutz beitragen,
informierte Patientenentscheidungen im Gespräch mit dem Arzt ermöglichen und das gegenseitige Gespräch, das Voraussetzung für den Erfolg jeder ärztlichen Behandlung ist,
anregen.
Patienten haben ein Recht auf gute Information und Beratung, auf gute Behandlung und auf
angemessene Beteiligung. Deshalb gibt der folgende Text einen Überblick über allgemeine
Grundsätze (II.) und die Rechte des Patienten auf eine gute und sichere Behandlung (III.),
eine gute Information und Beratung (IV.), eine angemessene Beteiligung (V.) und auf Hilfe
im Sterben (VI.). Am Ende wird ein Überblick über die Rechtsbehelfe von Patienten bei
möglichen Schadensfällen gegeben (VII.).
II. Allgemeine Grundsätze
Niemand darf bei Behandlung und Pflege in der medizinischen Versorgung wegen seines
Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft,
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seines Glaubens, seiner religiösen, politischen und sonstigen Anschauungen, seines Alters,
seiner Lebensumstände, seines Lebensstils oder seiner Behinderung diskriminiert werden.
Behandlung und Pflege haben die Würde und Integrität des Patienten zu achten, sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf Privatheit zu respektieren und das Gebot der
Humanität zu beachten.
Der gegenseitige Respekt, das gegenseitige Vertrauen und die einverständliche – miteinander und untereinander – Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten sind die
unabdingbaren Voraussetzungen des Gelingens einer jeden Behandlung.
III. Patientenrechte auf gute und sichere Behandlung
Die gute Behandlung durch gut ausgebildete Angehörige der Heilberufe in gut ausgestatteten und organisierten Praxen, Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitseinrichtungen ist
der beste Patientenschutz.
Wahlrechte des Patienten
Der Patient hat grundsätzlich ein Recht auf freie Arzt- und Krankenhauswahl. Dies schließt
das Recht ein, den Arzt zu wechseln. Im Notfall hat der Patient grundsätzlich ein Recht auf
sofortige Krankenhausaufnahme und Behandlung.
Der gesetzlich Krankenversicherte kann nur unter den zugelassenen Behandlern auswählen,
und sein Behandlungsrecht ist auf die in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten
Behandlungsmethoden beschränkt. Der Wechsel des Arztes kann mit Kostenfolgen für den
Patienten verbunden sein.
Der Patient hat ein Recht auf die Wahl zwischen Behandlung und Nichtbehandlung und auf
die Wahl der Behandlungsmethode, wenn mehrere Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Der Patient kann eine Behandlung oder ihre Fortsetzung ablehnen. Auch kann der Patient
seinen Wunsch, bei unheilbaren Erkrankungen keine lebensverlängernden Maßnahmen erdulden zu müssen, in einer Patientenverfügung schriftlich niederlegen. Ein solcher
niedergelegter Wille des Patienten ist durch den Arzt grundsätzlich zu beachten.
Niemand kann zur Behandlung gezwungen werden und niemand darf eine Behandlung erzwingen.∗
∗
In ganz seltenen Ausnahmefällen kann der Staat auf gesetzlicher Grundlage die Gesundheit und Selbstbestimmung des Patienten berührende Anordnungen treffen (z. B.: Einweisungsmöglichkeit nach dem
Unterbringungsrecht und die Pflicht, Untersuchungen nach dem Bundesseuchengesetz zu dulden).
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Jeder sollte die Entscheidung über eine Behandlung nach eingehender Beratung durch den
Arzt seines Vertrauens treffen. Bei schwerwiegenden Eingriffen hat der Patient ein Recht
auf eine ärztliche Zweitmeinung. Dies kann für den Patienten mit Kostenfolgen verbunden
sein.
Recht auf gute und sichere Behandlung
Der Patient hat ein Recht auf eine gute und sichere Behandlung. Das setzt voraus, daß die
Behandlung wissenschaftlich gesichert und/oder aufgrund praktischer ärztlicher Erfahrung
in der Ärzteschaft akzeptiert ist. Die Wirksamkeit der Patientenbehandlung ist zu optimieren, ihre Schädlichkeit zu minimieren und über ihre Wirkungen ist zu informieren.
Eine Behandlung, die diesen Erfordernissen nicht entspricht, darf nur durchgeführt werden,
wenn der Patient über die Unsicherheit der Behandlung und über ihre Nutzen und Risiken
aufgeklärt wird und daraufhin eingewilligt hat. Auch über Außenseiterbehandlungen, die in
der Medizin nicht allgemein akzeptiert sind, die der Arzt aber anwenden will, muß der Patient umfassend aufgeklärt werden.
Werden Behandlungen in der Arztpraxis oder im Krankenhaus unter Verwendung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten (z. B. Röntgengeräte) durchgeführt, so müssen diese
Produkte rechtlichen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen genügen, für die der Hersteller und teilweise auch der Anwender (Arzt/Krankenhaus) verantwortlich sind.
Sind die Voraussetzungen einer guten Organisation der Behandlung in einer Praxis oder im
Krankenhaus nicht gegeben oder sind die erforderlichen personellen (z. B. fehlende Ausbildung des Personals, fehlende Spezialisierung) oder sachlichen (z. B. medizinische Geräte,
aber auch Hygienestandards) Voraussetzungen einer Behandlung nicht gegeben, so ist der
Patient an einen geeigneten und ausgestatteten Arzt oder ein ebensolches Krankenhaus zu
überweisen, mindestens ist der Patient aber über die Situation zu informieren.
Recht auf gute Pflege und Versorgung
Der Patient hat während der ambulanten und stationären Behandlung auch ein Recht auf
gute Pflege. Dieses Recht umfaßt auch eine angemessene und sichere Unterbringung und
Versorgung, den Schutz der Privatsphäre und die Möglichkeit, Besuche zu empfangen.
Dazu gehört auch, daß der Patient informiert wird, wer für seine Behandlung und Pflege zuständig ist. Andere Personen als das Behandlungs- und Pflegepersonal dürfen bei therapeutischen Gesprächen (auch Visiten) nur nach vorheriger Zustimmung des Patienten anwesend
sein.
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Versuchsbehandlung und klinische Prüfung
Kein Patient muß an einer Versuchsbehandlung (individueller Heilversuch, klinische Prüfung z. B. von Arzneimitteln) teilnehmen; er hat das Recht, diese ohne Angabe von Gründen
abzulehnen. Es gibt aber Situationen, in denen eine Versuchsbehandlung (individueller Heilversuch, klinische Prüfung) die einzige Chance auf eine Verbesserung der
Krankheitssituation darstellt. Patient und Arzt sollten in solchen Situationen im vertrauensvollen Gespräch den Nutzen und die Risiken miteinander klären und eine gemeinsame
Entscheidung über die Behandlung treffen.
Mitwirkung des Patienten an der Behandlung
Jede Behandlung erfordert die Mitwirkung des Patienten. Die Verständigung zwischen Arzt
und Patient ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg einer Behandlung.
Deshalb muß der Arzt den Patienten über das wünschenswerte Verhalten zur Sicherung des
Behandlungserfolges und zur Abwendung von Behandlungsgefahren informieren. Es muß
also beispielsweise über die Dosierung, den Zeitpunkt der Einnahme und das richtige Verhalten beim Auftreten unerwünschter Wirkungen eines Arzneimittels durch den Arzt
informiert werden. Nur wenn solche Informationen gegeben sind, kann der Patient an der
erfolgreichen Durchführung der Behandlung mitwirken. Diese Information muß verständlich
und in der Landessprache des Patienten oder in einer ihm ausreichend vertrauten Sprache (z.
B. durch Beiziehung eines Übersetzers oder einer Vertrauensperson des Patienten) erfolgen.
Mitwirkung bedeutet auch, daß es dem Patienten im eigenen Interesse obliegt, den Arzt
umfassend zu informieren und den vom Arzt gegebenen Verhaltensregeln (z. B. Arzneimitteleinnahme, Regeln der Lebensführung, Information des Arztes über unerwünschte
Wirkungen einer Behandlung) zu folgen. Von diesen Verhaltensregeln sollte nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abgewichen werden. Die erfolgreiche Durchführung
einer Behandlung hängt ganz wesentlich auch von der Bereitschaft des Patienten ab, die
ärztlichen Empfehlungen zur Behandlung zu erfüllen.
Dokumentation der Behandlung
Jede Behandlung muß nach Maßgabe des medizinisch Erforderlichen dokumentiert, also
schriftlich oder auf einem elektronischen Datenträger festgehalten werden, um Ärzten und
Patienten die Information über die Behandlung zu ermöglichen. Die Dokumentation soll in
enger zeitlicher Beziehung zur Behandlung erfolgen.
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Einsichtsrecht
Jeder Patient hat ein Recht auf Einsicht in diese (seine) Dokumentation. Ein besonderes
Interesse an der Einsicht muß nicht erklärt werden. Um sein Einsichtsrecht wahrzunehmen,
können Patienten einen Arzt oder eine sonstige Person ihres Vertrauens beiziehen oder mit
der Einsicht beauftragen. Patienten können Kopien der Dokumentation durch den behandelnden Arzt oder das Krankenhaus fertigen lassen, die der Patient aber in der Regel selbst
bezahlen muß. Die Fertigung von Kopien muß in angemessener Zeit erfolgen.
Das Einsichtsrecht bezieht sich auch auf die Befunde und Röntgenbilder. Der Patient kann
sich Röntgenbilder ausleihen (insbesondere für den weiterbehandelnden Arzt, um Doppelaufnahmen zu vermeiden), muß sie aber zurückgeben, da der Arzt rechtlich verpflichtet
ist, sie zehn Jahre bei sich bzw. im Krankenhaus aufzubewahren. Bei einem Arztwechsel
lassen sich durch die Ausübung des Einsichtsrechts Doppeluntersuchungen und die damit
verbundenen Belastungen und Kosten vermeiden.
Dieses Einsichtsrecht kann allerdings in besonderen Fällen (z. B. psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung) oder durch Rechte Dritte, die in die Behandlung einbezogen
wurden, eingeschränkt sein.
Nach einer Behandlung im Krankenhaus wird in der Regel ein ”Arztbrief” an den weiterbehandelnden (Vertrags-)Arzt ausgestellt. Patienten haben das Recht, auch diesen Arztbrief
einzusehen.
Unter bestimmten Voraussetzungen (begründetes Interesse – z. B. vermögensrechtliches
oder nachwirkendes persönliches Interesse des Verstorbenen ist erforderlich) kann das Einsichtsrecht nach dem Tode des Patienten auch durch die Erben oder nahe Angehörige
ausgeübt werden. Das Einsichtsrecht ist auch gegenüber Dritten einzuräumen, wenn der
Verstorbene dieses zu Lebzeiten ausdrücklich erklärt hat.
Vertraulichkeit der Patientendaten
Alle persönlichen und die Erkrankung betreffenden Patientendaten sind vertraulich zu behandeln. Der Arzt darf solche Daten nur im Rahmen des Behandlungsverhältnisses,
aufgrund gesetzlicher Regelungen oder nach vorheriger Erlaubnis durch den Patienten weitergeben.
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Tragung der Krankenbehandlungskosten
in der gesetzlichen Krankenversicherung
Ein in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherter Patient hat einen Anspruch auf
umfassende Versorgung bei Krankheit und Schwangerschaft, soweit die Behandlung notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Daneben besteht Anspruch auf einige speziell
geregelte Leistungen (Sterilisation, Empfängnisregelung, Früherkennung von Krankheiten,
Zahnprophylaxe).
Es gelten Konkretisierungen und Einschränkungen der Leistungspflicht:
—
—
—
—
Es besteht ein Anspruch auf Behandlung nach dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse, dabei ist auch der medizinische Fortschritt zu berücksichtigen. In der ambulanten Behandlung kann der Versicherte neue Behandlungsmethoden
erst beanspruchen, wenn sie ein Anerkennungsverfahren durchlaufen haben.
Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen sind nur in sehr eingeschränkter Weise von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
umfaßt.
Es bestehen Zuzahlungspflichten, namentlich bei Arzneimitteln.
Es bestehen Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen namentlich bei Arzneimitteln, kieferorthopädischer Behandlung und Zahnersatz.
In der Regel ist der Anspruch des Versicherten darauf gerichtet, daß die Krankenkasse ihm
die Leistung verschafft. Daher ist die Freiheit der Arzt- und Krankenhauswahl auf die zugelassen Behandler und Einrichtungen beschränkt.
Der Versicherte kann Kostenerstattung wählen. Er erhält eine Rechnung für privatärztliche
Behandlung, die er der Krankenkasse zur Erstattung einreicht und selbst bezahlt.
Ein familienversicherter Patient hat eigene Leistungsansprüche als Versicherter gegenüber
der Krankenkasse, die er selbst geltend macht.
in der privaten Krankenversicherung
Einem Versicherten der privaten Krankenversicherung erstattet die Krankheitskostenversicherung im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige
Heilbehandlungen wegen Krankheit und Unfallfolgen sowie für andere vereinbarte Leistungen. Selbstbeteiligung und individuelle Leistungsausschlüsse gelten nach Maßgabe des
Versicherungsvertrages. Der Leistungsumfang wird durch allgemeine Versicherungsbedingungen konkretisiert.
Der Versicherte hat die Wahl unter allen Ärzten und Zahnärzten sowie – soweit die Tarifbedingungen nichts anderes bestimmen – Heilpraktikern.
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Die private Krankenversicherung leistet für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und
Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind, darüber hinaus werden
die Kosten für Behandlungen erstattet, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend
bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden zur
Verfügung stehen.
Der privat Versicherte muß sich über die Übernahme der Kosten durch seine Krankenversicherung informieren. Arzt und Krankenkasse haben die Verpflichtung, den Patienten zu
informieren.
Der privat Versicherte hat im Krankenhaus grundsätzlich das Recht, den behandelnden
Arzt, sofern dieser liquidationsberechtigt ist, persönlich auszuwählen.
Für Empfänger sozialer Hilfen
Sozialhilfeempfänger
Wer Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhält und nicht
krankenversichert ist, hat einen Anspruch auf Krankenhilfe durch den Sozialhilfeträger. Diese Leistungen entsprechen denen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt
werden. Zuzahlung und Leistungsbegrenzungen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen, werden bei Bedürftigkeit vom Sozialhilfeträger (Sozialamt) übernommen. Es
besteht die freie Wahl unter den Ärzten, die sich gegenüber dem Sozialhilfeträger zur Behandlung bereit erklärt haben. Das sind in der Regel Ärzte und Zahnärzte, die zur
vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
Ausländer, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) fallen, erhalten Leistungen
bei Krankheit, soweit die Behandlung wegen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände
erfolgt. Ein Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz besteht nur, soweit die Leistung unaufschiebbar ist.
Aufklärung über die Kostentragung
In Fällen, in denen die Kostentragung durch einen Leistungsträger nicht gesichert ist, muß
der Patient über die mangelnde Übernahme der Kosten durch den Arzt oder das Krankenhaus informiert werden. Der Patient entscheidet auf der Grundlage dieser Information, ob er
die nicht der Leistungspflicht einer Krankenkasse unterfallende Behandlung selbst finanzieren will.
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IV. Patientenrechte auf gute Information und Beratung
Eine gute Patienteninformation und ärztliche Beratung und das vertrauensvolle Gespräch
mit dem Arzt über die Behandlung sind die beste Voraussetzung für eine gute Vorsorge,
Diagnose, Behandlung und Nachsorge.
Recht auf Information
Patienten haben ein Recht, von ihrem Arzt im Rahmen des Behandlungsverhältnisses vor
der Behandlung über
–
die geeignete Vorbeugung vor Erkrankungen,
–
die Diagnose der Erkrankung,
–
den Nutzen und die Risiken diagnostischer Maßnahmen,
–
die Behandlung im Vergleich zum Krankheitsverlauf ohne Behandlung,
–
die Behandlung der Erkrankung und ihre Alternativen,
–
den Nutzen und die Risiken der Behandlung und
–
eine eventuell erforderliche Nachbehandlung
gut, und das heißt verständlich, sachkundig und angemessen informiert und beraten zu werden.
Aufklärung und Beratung müssen auch für Patienten, die sich mit dem Arzt sprachlich nicht
verständigen können, durch entweder den Einsatz eines Übersetzers oder die Beiziehung
einer der Sprache des Patienten mächtigen Vertrauensperson verstehbar sein.
Pflicht zur Information
Der Arzt hat umgekehrt die Pflicht, Patienten über die genannten Punkte im Rahmen des
Behandlungsverhältnisses z. B. durch Aufklärungsbögen und in einem persönlichen Gespräch zu informieren. Nur ein so informierter Patient kann wirksam in eine Behandlung
einwilligen.
Der Arzt muß sich davon überzeugen, daß der Patient die gegebene Information versteht
und verstanden hat.
Einwilligung
Jede Behandlung bedarf der vorherigen Einwilligungserklärung durch den Patienten (Ausnahme: Notfallbehandlung nach mutmaßlicher Einwilligung). Die Einwilligungserklärung
sollte ausdrücklich erfolgen, kann sich aber auch aus eindeutigen Umständen ergeben (z. B.
der Patient erscheint zur angesetzten Behandlung).
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Die wirksame Einwilligung des Patienten ist die unabdingbare Voraussetzung jeder ärztlichen Behandlung. Wirksam kann eine Einwilligung nur sein, wenn der Patient vorher
aufgeklärt wurde.
Wirksam einwilligen kann nur, wer einwilligungsfähig ist. Einwilligungsfähig sind auch Betreute und Minderjährige, wenn sie die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen. Gerichte fordern
teilweise auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit die Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters in die Behandlung (z. B. Schwangerschaftsabbruch), die – wenn sie von ihm
verweigert wird – unter bestimmten Bedingungen durch gerichtliche Entscheidung ersetzt
werden kann. Im Falle der fehlenden Einwilligungsfähigkeit ist die Zustimmung des/der gesetzlichen Vertreter/s (Eltern) oder des Betreuers erforderlich. Der Patient kann auch eine
Person seines Vertrauens für die Zustimmung in Gesundheitsangelegenheiten bevollmächtigen (Vorsorgevollmacht). In lebensbedrohlichen Fällen bedarf die Entscheidung über eine
ärztliche Maßnahme grundsätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Bei dringenden lebens- und gesundheitserhaltenden Notfallbehandlungen reicht – wenn der
Patient nicht ansprechbar ist – seine mutmaßliche Einwilligung aus, die durch Auskünfte naher Angehöriger (auch Lebenspartner, Freunde) belegt werden sollte.
Umfang der Information
Der Umfang der Information richtet sich insbesondere nach der Schwere und der Dringlichkeit des Eingriffs. Je dringlicher der Eingriff ist, desto geringer kann die für die Information
über die Behandlung zur Verfügung stehende Zeit bemessen sein; aber auch dann muß eine
Aufklärung erfolgen. Kann man die Behandlung vorausplanen, gilt eine solche Einschränkung nicht.
Im allgemeinen genügt eine Information ”im großen und ganzen”. Es muß also nicht über
medizinische Details informiert werden, sondern es reicht aus, wenn die für die Lebensführung des Patienten wichtigen Informationen wie insbesondere der Nutzen der Behandlung,
ihre Risiken, die Auswirkungen auf die Lebensführung nach der Behandlung und Verhaltensanweisungen für die weitere Lebensführung gegeben werden. Über in der Bevölkerung allgemein bekannte Risiken einer Behandlung (z. B. Risiko von Wundinfektionen) muß nicht
aufgeklärt werden.
Auch über den Nutzen und die Risiken von Arzneimitteln, die angewendet oder verordnet
werden sollen, muß der Arzt aufklären.
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Patienten haben über die allgemeine Informationspflicht des Arztes hinaus das Recht zu fragen. Der Arzt ist verpflichtet, auf diese Fragen wahrheitsgemäß, vollständig und verständlich zu antworten.
Information über Heilversuche und klinische Prüfungen
Über eine mögliche Teilnahme an individuellen Heilversuchen oder klinischen Prüfungen
(heilversuchende Behandlungen) muß umfassend und vollständig informiert werden. Eine
Information ”im großen und ganzen” reicht nicht aus. Es ist über den Heilversuch oder die
klinische Prüfung, die Durchführungsbedingungen, den Nutzen und die Risiken sowie über
mögliche Behandlungsalternativen im Verhältnis zum Versuch oder zur Prüfung vollständig
aufzuklären. Dazu gehört im Falle einer klinischen Prüfung auch die Information darüber,
welche Chancen der Patient hat, tatsächlich die neue Behandlung zu erhalten. Jeder Patient
hat das Recht, die Teilnahme an solchen Versuchen ohne Angabe von Gründen und ohne
Nachteile für ihn in der ärztlichen Betreuung abzulehnen. Nimmt der Patient an einem Heilversuch oder einer klinischen Prüfung teil, kann er die einmal erteilte Einwilligung jederzeit
zurücknehmen.
Zeitpunkt der Information
Der Patient hat das Recht, rechtzeitig, also zum geeigneten Zeitpunkt vor der Behandlung,
informiert zu werden. Der richtige Zeitpunkt der Information hängt von der Art der Behandlung und ihrer Dringlichkeit ab. Wird ein Eingriff geplant, dann muß die Aufklärung
grundsätzlich bei der Planung, also zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme des
Eingriffs, erfolgen. Ausnahmsweise ist insbesondere bei kleineren Eingriffen eine Aufklärung am Tag – nicht erst am Abend – davor zulässig.
Wer informiert den Patienten?
Zur Aufklärung verpflichtet ist grundsätzlich der behandelnde Arzt. Im Krankenhaus kann
das auch ein anderer Arzt sein, der mit der Behandlung vertraut ist. Bei Eingriffen unter
Narkose ist der Narkosearzt zusätzlich für die Narkoseaufklärung zuständig. Das nichtärztliche Personal darf grundsätzlich keine Aufklärungsaufgaben übernehmen.
Wer ist außer dem Patienten zu informieren?
Der Patient entscheidet, wer außer ihm durch den Arzt informiert werden darf. Eine solche
Entscheidung des Patienten kann ausdrücklich erfolgen oder sich aus den Umständen erge-
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ben. Der Arzt ist an eine solche Entscheidung des Patienten gebunden und darf nur die benannte Vertrauensperson informieren.
Ist der Patient zu einer solchen Entscheidung nicht in der Lage und unansprechbar, darf der
Arzt dem Patienten nahestehende Angehörige (Ehepartner, Kinder) oder sonstige Vertrauenspersonen (Lebenspartner, Freunde) informieren, insbesondere dann, wenn der
mutmaßliche Wille des Patienten zur Behandlung festgestellt werden soll. Diesen Personen
steht dann ein Recht auf Auskunft über den Gesundheitszustand des Patienten zu.
Verzicht auf die Information
Patienten haben auch das Recht, auf die ärztliche Aufklärung zu verzichten. Einen solchen
Verzicht auf die Aufklärung sollten Patienten klar und ausdrücklich äußern. Der Arzt hat
grundsätzlich nicht das Recht, von der Aufklärung nach eigenem Ermessen abzusehen. Eine
enge Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn das Leben oder die Gesundheit
des Patienten durch die Aufklärung erheblich gefährdet würde.
Dokumentation der Information
Ebenso wie die Behandlung ist die Patienteninformation zu dokumentieren. In Arztpraxen
und Krankenhäusern werden zur Erleichterung der Dokumentation der Aufklärung Formulare oder Aufklärungsbögen verwendet, die unter anderem den Nutzen und die Risiken der
jeweiligen Behandlung allgemein und genau beschreiben und Besonderheiten des individuellen Aufklärungsgesprächs festhalten. Diese Dokumente werden zu den Krankenakten des
Patienten genommen, nachdem sie von ihm unterschrieben sind. Es wird allen Arztpraxen
und Krankenhäusern dringend empfohlen, dem Patienten in seinem und im eigenen Interesse
eine Kopie dieser Dokumente auszuhändigen. Das schafft Klarheit und vermeidet Streit um
die erfolgte Aufklärung und ihren Umfang.
Einsichtsrecht in die Dokumentation der Aufklärung
Der Patient hat ein Recht auf Einsicht in die Dokumentation der Aufklärung. Bezüglich der
Organisation und der Kosten der Einsichtnahme, der Fertigung von Abschriften oder Kopien gilt das oben unter III. Gesagte.
Information und Beratung durch Krankenkassen und andere öffentliche Stellen
Der Patient hat einen Anspruch auf individuelle Beratung durch seine Krankenkasse der
gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beratung bezieht sich auf einen konkreten rechtlichen Anspruch, wenn dazu Anlaß besteht.
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Versicherte haben auf Antrag einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Information
über die in einem Geschäftsjahr in Anspruch genommenen Leistungen.
Die Sozialleistungsträger haben die Pflicht, der Bevölkerung eine allgemeine Aufklärung
über die sozialrechtlichen Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch zu geben.
Der öffentliche Gesundheitsdienst erfüllt durch die kommunalen Gesundheitsämter eine
Vielzahl von Aufgaben der Beratung, Förderung und Hilfe in gesundheitlichen Belangen, bei
Krankheit und Behinderung. Es besteht – im Rahmen des Verfügbaren – in der Regel ein
Anspruch auf Gewährung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen. Die Sozialhilfebehörden
beraten, informieren und unterstützen bei Behinderung.
Unabhängige Patientenberatungsstellen beraten über gesundheitspolitische Belange und
unterstützen Patienten bei der Durchsetzung von Rechten.
V. Patientenrecht auf angemessene Beteiligung an Entscheidungen des
Versorgungssystems
Patienten und Versicherte sind berechtigt, an Entscheidungen über die Organisation des
Versorgungssystems, die Formulierung von Behandlungsstandards sowie in der Qualitätssicherung mitzuwirken, soweit ihnen solche Beratungs- und andere Mitwirkungsrechte
eingeräumt werden.
VI. Recht auf Hilfe im Sterben
Jeder Patient hat, auch wenn der Sterbeprozeß bereits begonnen hat, das Recht schmerzlindernde Mittel vom Arzt zu verlangen, selbst wenn diese sein Leben verkürzen.
Jeder Patient, der entscheidungsfähig und über seine Situation aufgeklärt ist, hat das Recht,
den Abbruch oder das Unterlassen weiterer lebensverlängernder Maßnahmen zu verlangen, unabhängig davon, ob der Sterbeprozeß bereits unmittelbar eingesetzt hat.
Der Patient kann für den Fall, daß er nicht mehr entscheidungsfähig sein sollte, durch eine
Patientenverfügung auf lebenserhaltende und -verlängernde Maßnahmen verzichten. Der
Arzt muß diese Patientenverfügung für die Erforschung des mutmaßlichen Willens des Patienten heranziehen. Die Bindungswirkung der Patientenverfügung wird verstärkt, wenn sie
schriftlich unter Zeugen verfaßt ist, möglichst konkret den Fall des Behandlungsverzichts
beschreibt und eine Unterschrift, die nicht älter als ein Jahr ist, trägt.
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VII. Rechtsbehelfe im Schadensfall
Jeder Patient hat das Recht, seine Kritik geltend zu machen und sich zu beschweren. Im
Falle eines möglichen Schadens aufgrund der ärztlichen Behandlung hat er das Recht, sich
zu beschweren, sich beraten zu lassen und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend
zu machen.
Vor der Beschwerde sollte in der Regel ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt in der
Praxis oder im Krankenhaus stehen.
Bevor Patienten eine Beschwerde oder einen Schadensersatzanspruch geltend machen,
sollten sie Einsicht in die Behandlungsdokumentation nehmen bzw. sich Kopien fertigen
lassen.
Bei wem kann man sich beschweren und von wem kann man sich beraten lassen?
Mit Beschwerden und Beratungsanliegen kann sich ein Patient an folgende Institutionen
wenden:
die Patientenbeschwerdestellen, die Krankenhäuser – teilweise gibt es dort Patientenberatungsstellen im Hause – und die Städte oder Länder eingerichtet haben, insbesondere
− die Patientenberatungsstellen, die teilweise in privater Initiative, teilweise durch öffentliche Träger, teilweise durch die Verbraucherzentralen der Länder in den Städten
eingerichtet wurden, und
− die bei den Landesärztekammern eingerichteten Beschwerdestellen.
Wie und wo kann man Schadensersatzansprüche geltend machen?
Mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kann sich ein Patient wenden an
− die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die durch die Ärztekammern und
Versicherungen eingerichtet wurden,
− Anwälte, die auf solche Fragen spezialisiert sein sollten (zu erfragen bei den Anwaltskammern), und
− die Gerichte (Amtsgerichte – bei geringen Streitwerten – oder Landgerichte, bei denen ein Anwaltszwang, also eine Verpflichtung zur anwaltlichen Vertretung besteht).
Kosten
Die Beratung durch die Patientenbeschwerde-, -beratungsstellen und die Geltendmachung
von Ansprüchen bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist in der Regel
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kostenlos. Bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen erhält der Patient eine
kostenlose medizinisch-sachverständige Beurteilung seines Beschwerdefalles und bei den
Schlichtungsstellen im Falle der Bejahung eines ärztlichen Fehlers häufig auch einen Regulierungsvorschlag für die entstandenen Schäden.
Voraussetzungen einer gerichtlichen Geltendmachung
Der Patient kann seinen möglichen Anspruch auch direkt bei Gericht geltend machen. Dies
ist ohne vorherige sachverständige medizinische und rechtliche Beratung aber nicht zu raten.
Bei der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist der Patient in der
Regel mit der Darlegung eines ärztlichen Fehlers, der Ursächlichkeit des Fehlers für die Verletzung der Gesundheit oder des Körpers, des Verschuldens des Arztes und des Zusammenhangs zwischen Gesundheitsverletzung und eingetretenem Schaden verpflichtet und er hat
das auch zu beweisen. Unter bestimmten Umständen kann die Beweislast für die Ursächlichkeit und das Verschulden erleichtert werden (z. B. bei der Verletzung von
Dokumentationspflichten und groben Behandlungsfehlern). Bei einer ärztlichen Verletzung
von Informationspflichten muß der Arzt beweisen, daß er tatsächlich aufgeklärt hat; der
Patient muß seinerseits plausibel dartun, daß er bei gehöriger Aufklärung die zur Verletzung
führende Behandlung abgelehnt hätte. Die ordnungsgemäße Dokumentation muß ebenfalls
durch den Arzt bewiesen werden.
Bei Schäden, die durch Arzneimittel oder durch ein Medizinprodukt (z. B. Röntgengerät)
verursacht werden, können auch Ansprüche gegen den pharmazeutischen Unternehmer, der
das Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat, oder den Medizinproduktehersteller bestehen.
Schadensersatzansprüche – z. B. auf Schmerzensgeld – können schon in drei Jahren ab dem
Zeitpunkt der Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen verjähren. Das
gilt aber nicht für alle Ansprüche; teilweise verjähren sie erst in dreißig Jahren. Wegen dieser unterschiedlichen Verjährungsfristen ist besondere Aufmerksamkeit geboten.
Unterstützung durch die Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung können bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen Behandlungsfehlern Unterstützung durch ihre Krankenkasse
beantragen. Die Krankenkasse kann dem Versicherten durch Erteilung von Auskünften aus
ihren Akten und Daten bei der Durchsetzung seines Anspruchs unterstützen. Geldleistungen
für die Rechtsverfolgung dürfen nicht gewährt werden. Die Krankenkassen kann die Unterstützung aus sachlichen Gründen versagen.
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Adressen der Beschwerde- und Beratungsstellen:
Hinweis der Verf.: Im Zusammenhang mit der Charta sollten diese in geeigneter Form dokumentiert werden.
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