Page 1 T3 Magnetostatik T3.1 Die Feldgleichungen In § T2.2 hatten

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T3
Magnetostatik
T3.1
Die Feldgleichungen
In § T2.2 hatten wir die Gleichungen, denen das statische elektrische Feld gehorcht, aus dem
Coulomb’schen Kraftgesetz, d.h. dem experimentellen Befund hergeleitet. Dies entspricht
dem historischen Vorgehen. Hier wollen wir anders, ’theoretisch’, vorgehen. Wir konstruie~
ren uns die einfachsten Gleichungen, die das B-Feld
bestimmen könnten. Dann haben wir im
nächsten Schritt zu zeigen, dass die beobachteten Phänomene aus diese Gleichungen folgen.
~ für eine Größe ist. Wir haben B
~ über die LorentzZunächst müssen wir herausfinden, was B
kraft definiert: Ein Punktteilchen mit Ladung q erfährt in Anwesenheit eines elektrischen
~ r , t) und eines Magnetfeldes B(~
~ r , t) am Punkt ~r die Kraft
Feldes E(~
Lorentzkraft
~ = q E(~
~ r , t) + q ~r˙ × B(~
~ r , t) .
K
(T3.1)
Dies ist eine Beziehung unter physikalischen Größen und damit unabhängig vom gewählten
Koordinatensystem. Üblicherweise wählen wir als unser Koordinatensystem K ein kartesisches Rechtssystem, aufgespannt durch das Orthonormalsystem
~e1 , ~e2 , ~e3 = ~e1 × ~e2 .
Wir können aber auch ein Linkssystem K ′ , aufgespannt durch die gespiegelten Einheitsvektoren
~e ′1 = − e~1 , ~e ′2 = − ~e2 , ~e ′3 = − ~e3
verwenden.
’
Spiegelung
’
’
’ ’=- ’
Hier gilt
~ gilt
Für einen Vektor K
~e ′3 = −~e3 = −(−~e ′1 ) × (−~e ′2 ) = −~e ′1 × ~e ′2
~ =
K
3
X
α=1
Kα~eα =
3
X
K
′ ′
eα
α~
α=1
=−
3
X
K ′α~eα
α=1
Also
Kα′ = −Kα
T3 - 1
(T3.2)
Dies ist die Transformation von Vektorkomponenten unter Punktspiegelungen. ~r˙ ist natürlich
ein Vektor, denn ~r ist ein Vektor und t ist ein Skalar: t = t′ .
ṙα′ = −ṙα
(T3.3)
Eα′ = −Eα
(T3.4)
K1 = q E1 + q(ṙ2 B3 − ṙ3 B2 )
(T3.5)
Auch die Ladung ist ein Skalar: q = q ′
~ ein Vektor ist.
Aus der Gleichung (T3.1) folgt sofort, dass E
~ zu untersuchen, schreiben wir das Kreuzprodukt aus. Um
Um die Transformation von B
Zeit zu sparen, betrachten wir nur die ~e1 -Komponente von Gleichung (T3.1).
In K:
In K ′ :
K1′ = q E1′ + q(ṙ ′2 B3′ − ṙ ′3 B2′ )
Mit (T3.2)-(T3.4) folgt
− K1 = − q E1 − q(ṙ2 B3′ − ṙ3 B2′ ) .
(T3.6)
Bα′ = Bα .
(T3.7)
Vergleich mit (T3.5) zeigt
~ ihr Vorzeichen nicht. B
~ ist ein
Unter einer Punktspiegelung ändern die Komponenten von B
Pseudovektor.
Pseudovektoren sind uns in der Mechanik schon begegnet. Beispiele sind der Drehvektor ~ω oder der Dreh~
impuls L.
~ r ) aufstellen. Wir wissen: Die
Nun können wir Gleichungen für das statische Magnetfeld B(~
~ linear
Felder zweier Magneten addieren sich einfach. Deshalb müssen die Gleichungen in B
~
~
sein. Zur Erzeugung von B haben wir die Stromdichte j(~r) und gegebenenfalls die Ladungs~ ist
dichte ρq (~r) zur Verfügung. ρq ist ein Skalar und ~j ist ein Vektor. Wir wissen weiter: B
~
~
durch div B und rot B festgelegt.
~ = ∇ · B.
~
div B
Wie transformiert sich ∇?
∇=
Hieraus folgt
3
X
α=1
~eα
3
3
X
X
∂
∂
∂
~e ′α ′ = −
~eα ′ .
=
∂rα
∂rα
∂rα
α=1
∂
∂
=−
.
′
∂rα
∂rα
α=1
(T3.8)
Die Komponenten von ∇ ändern unter Punktspiegelungen ihr Vorzeichen. Also ist ∇ ein
Vektor.
T3 - 2
~ ist ein Pseudoskalar: Das Vorzeichen ändert sich unter Spiegelung
div B = ∇ · B
3
X
∂ ′
B
∂rα′ α
α=1
= −
(T 3.8)
3
X
∂ ′
B
∂rα α
α=1
= −
(T 3.7)
3
X
∂
Bα .
∂rα
α=1
~ aufzustellen, benötigen wir also einen Pseudoskalar. Die einUm eine Gleichung für div B
fachste Möglichkeit ist Null: 0 = −0. Also versuchen wir es mit
~ r) = 0 .
div B(~
(T3.9)
Dies ist sehr vernünftig. Es besagt, dass es keine magnetischen Ladungen, ’Monopole’, gibt.
~
Das B-Feld
hat keine Quellen. Integrieren wir (T3.9) über ein endliches Volumen Ω, so
erhalten wir mit dem Gauß’schen Satz
Z
Z
3
~ r) = 0 .
~
(T3.10)
d r div B(~r) = df~ · B(~
Ω
F
~ durch eine geschlossene Fläche verschwindet. Also müssen Feldlinien, die
Der Fluss von B
durch F in Ω hineingehen auch wieder herauskommen. Sie können nicht an einer Quelle
~ Dies erklärt, warum beim Zerbrechen eines Magneten die
enden, ganz anders als für E.
beiden Teile wieder je einen Nordpol und einen Südpol haben.
~ = ∇ × B.
~
rot B
~
Das Kreuzprodukt eines Vektors mit einem Pseudovektor ist ein Vektor, (vergleiche ~r˙ × B).
~
~
Also ist rot B ein Vektor. Als Vektor haben wir die Stromdichte j(~r) zur Verfügung, und wir
~ irgendwie mit ~j zusammenhängt. Also kann rot B
~ =0
wissen aus dem Experiment, dass B
nicht korrekt sein, und die einfachste Annahme ist
~ r ) = µ0 ~j(~r)
rot B(~
(T3.11)
mit einem konstanten Proportionalitätsfaktor µ0 , der ’Permeabilität des Vakuums’. Diese
~ ein Wirbelfeld ist, das durch Ströme erzeugt wird, wie wir es auch
Gleichung besagt, dass B
in Hinsicht auf die Experimente erwarten. Mit (T3.9)(T3.11) haben wir die
Maxwellgleichungen der Magnetostatik
~ r) = 0
div B(~
(T3.12)
~ r ) = µ0 ~j(~r) .
rot B(~
gefunden.
Einen wichtigen Test dieser Gleichungen können wir sofort durchführen. Wir wissen, dass
die Ladung erhalten ist. Also gilt die
Kontinuitätsgleichung der Ladung
∂
∂t
ρq (~r, t) + div ~j(~r, t) = 0 .
T3 - 3
(T3.13)
Da wir hier zeitunabhängige Probleme behandeln, folgt
div ~j(~r) = 0 .
(T3.14)
Dies ist konsistent mit den Maxwellgleichungen, denn aus (T3.11) folgt
~ r) (T1.63)
µ0 div ~j(~r) = div rot B(~
= 0
Wir können also feststellen: Durch rein theoretische Überlegungen, ausgehend von der De~ über die Lorentzkraft, haben wir Feldgleichungen gefunden, die eine gute
finition von B
Chance haben, alle magnetostatischen Phänomene zu beschreiben.
T3.2
Das Vektorpotential
~ = 0 gelöst, indem wir E
~ durch
In der Elektrostatik hatten wir die homogene Gleichung rot E
das skalare Potential Φ dargestellt hatten.
~ = −gradΦ
E
~ = −rot grad Φ = 0 .
rot E
Ebenso können wir hier die homogene Gleichung
~ =0
div B
~ r ) einführen:
lösen, indem wir das Vektorpotential A(~
~ r ) = rot A(~
~ r)
B(~
(T3.15)
~ = 0. Das skalare Potential Φ war nur bis auf eine frei
Wegen div rot ≡ 0 folgt sofort div B
wählbare Konstante Φ0 bestimmt: Mit Φ(~r) ist auch
Φ̂(~r) = Φ(~r) + Φ0
(T3.16)
ein Potential:
~
− grad Φ̂ = − grad Φ − grad Φ0 = − grad Φ = E.
~ nur bis auf den Gradienten einer beliebigen Funktion f (~r) bestimmt. Mit
Ebenso ist A
~ˆ r ) = A(~
~ r ) + grad f (~r)
A(~
folgt
(T3.17)
~ˆ r ) = rot A(~
~ r ) + rot grad f (~r) = rot A(~
~ r) = B(~
~ r) ,
rot A(~
denn rot grad ≡ 0, (Gl. (T1.63)) Man nennt die Möglichkeit beliebige Konstanten Φ0 und
differenzierbare Funktionen f (~r) zu wählen die Eichfreiheit der Theorie, (T3.16),(T3.17) sind
T3 - 4
’Umeichungen’. Sie werden verwendet um möglichst einfache, übersichtliche Ausdrücke zu
erhalten, etwa in dem man Zusatzbedingungen fordert, wie
Φ(~r) → 0 für |~r| → ∞.
Solche Bedingungen nennt man dann Eichungen. Eine in der Magnetostatik zweckmäßige
Eichung ist die
Coulombeichung:
(T3.18)
~ r) = 0 ,
div A(~
gültig für alle ~r. Wir wollen zeigen, dass wir dies immer fordern können.
~ r ) 6= 0. Wir eichen gemäß (T3.17) um und fordern
Angenommen div A(~
~ˆ r ) = 0
div A(~
Es folgt, in dem wir die Divergenz von Gl. (T3.17) bilden
~ˆ r ) = div A(~
~ r ) + div grad f (~r),
0 = div A(~
oder
~ r)
−∆f (~r) = div A(~
(T3.19)
ρq
ǫ0 .
~ an stelle von
Das ist die Poisson-Gleichung, mit der Inhomogenität div A
Diese Gleichung
hat immer eine Lösung, d.h. wir können immer ein f (~r) finden, so dass das umgeeichte
Vektorpotential divergenzfrei ist.
~ = µ0~j zu. Wir setzen (T3.15) ein
Jetzt wenden wir uns der inhomogenen Gleichung rot B
und finden
~ r ) = µ0 ~j
rot rot A(~
Wenn wir zu faul sind, rot rot selbst auszurechnen schlagen wir in der Formelsammlung nach
und finden
~ r ) = grad (div A(~
~ r )) − ∆A(~
~ r)
rot rot A(~
(T3.20)
Der Laplace-Operator wirkt hier auf die einzelnen Vektorkomponenten:

3
X


~ r) =

Aα (~r)~eα 
A(~


~ r) =
∆A(~
α=1
3
X
∆ Aα (~r)~eα
α=1
(T3.21)






~ weg und wir
Wir fordern nun Coulombeichung. Damit fällt in (T3.20) der Beitrag ∼ div A
erhalten für die einzelnen Komponenten Aα die Gleichung
− ∆ Aα (~r) = µ0 jα (~r) .
T3 - 5
(T3.22)
ρ
Dies ist wieder die Poisson-Gleichung, mit der Inhomogenität µ0 jα an stelle von ǫ0q . Wir
nehmen nun an, dass wir die Stromdichte ~j(~r) im ganzen Raum kennen und das ~j(~r) für
|~r| → ∞ verschwindet. Dann können wir als Randbedingung fordern
~ r) → 0 ,
A(~
|~r| → ∞ .
(T3.23)
Die Lösung von Gleichung (T3.22) mit dieser Randbedingung kennen wir aber schon aus
der Elektrostatik. Dort hatten wir gesehen: Ist ρq (~r) im ganzen Raum bekannt und in einem
endlichen Raumbereich konzentriert, so ist die Lösung der Poisson-Gleichung
(T2.19)
− ∆Φ =
ρq
ǫ0
mit Randbedingung
Φ (~r) → 0 ,
durch Gleichung
(T2.10)
Φ (~r) =
|~r| → ∞
Z
d3 r ′
ρq (~r)
1
4πǫ0 |~r − ~r ′ |
ρ
gegeben. Offensichtlich müssen wir hier nur Φ durch Aα und ǫ0q durch µ0 jα ersetzen.
Z
1
µ0 jα (~r ′ )
Aα (~r) = d3 r ′
4π
|~r − ~r ′ |
~ r)
Also erhalten wir für A(~
~ r ) = µ0
A(~
4π
Z
d3 r ′
~j(~r ′ )
.
|~r − ~r ′ |
(T3.24)
Für das Magnetfeld folgt aus Gl.(T3.15)
~ r) = rot A(~
~ r ) = µ0
B(~
4π
Z
d3 r ′ ∇r × (
~j(~r ′ )
)
|~r − ~r ′ |
~ r ) ein Vektorfeld, f (~r) ein
Wir schlagen in der Formelsammlung nach und finden: Sei V(~
skalares Feld. Dann gilt
~ r )f (~r) = f (~r)∇r × V(~
~ r ) − V(~
~ r ) × ∇r f (~r)
∇r × V(~
(T3.25)
Hier hängt das Vektorfeld ~j nicht von ~r ab. Also folgt
!
′
~j(~r ′ )
1
~j(~r ′ ) × ∇r
~j(~r ′ ) × ~r − ~r
=
−
=
∇r ×
|~r − ~r ′ |
|~r − ~r ′ |
|~r − ~r ′ |3
~ r ) = µ0
B(~
4π
Z
~r − ~r ′
d3 r ′~j(~r ′ ) ×
|~r − ~r ′ |3
T3 - 6
(T3.26)
~ r ) die Coulombeichung erfüllt,
Wir müssen noch nachweisen, dass die Lösung (T3.24) für A(~
denn diese hatten wir bei der Herleitung von (T3.22) vorausgesetzt. Wir berechnen die
Divergenz.
~ r ) = ∇r · A(~
~ r)
div A(~
Z
~j(~r ′ )
µ0
)
d3 r ′ ∇r · (
=
4π
|~r − ~r ′ |
Z
3
X
µ0
1
∂
=
jα (~r ′ )
d3 r ′
4π
∂rα |~r − ~r ′ |
α=1
Z
3
X
∂
1
µ0
jα (~r′ ) ′
d3 r ′
=−
4π
∂rα |~r − ~r ′ |
α=1
partielle Integration, Randterme verschwinden
Z
3
X
µ0
∂
1
=
jα (~r ′ )
d3 r ′
′
4π
|~r − ~r | α=1 ∂rα′
Z
µ0
div ~j(~r ′ )
=
d3 r ′
4π
|~r − ~r ′ |
(T3.14)
=
0.
Also löst (T3.24) unser Problem in Coulombeichung.
Die Gleichungen (T3.24),(T3.26) lösen (fast) alle Probleme bei denen ein statisches Magnetfeld durch stromdurchflossene Leiter und nicht durch Permanentmagnete erzeugt wird. Ihr
Anwendungsbereich ist viel größer als der der entsprechenden Gleichungen (T2.10),(T2.9)
der Elektrostatik. Woher kommt dieser Unterschied? In der Elektrostatik war das Problem,
dass wir die Influenzladungen nicht kennen. Bringen wir also eine Ladung vor eine leitfähige
Platte, so müssen wir zunächst die Poisson Gleichung mit den richtigen Randbedingungen
auf der Platte lösen und können dann die Influenzladungen bestimmen. Diese verhindern,
~
dass das E-Feld
in die Platte eindringt. Bringen wir ein stromdurchflossene Spule in die Nähe
einer leitfähigen nicht magnetisierbaren Platte, so werden in dieser auch zunächst Ströme
angeworfen, die das Magnetfeld abschirmen wollen, (Induktion). Wegen des Ohm’schen Widerstands klingen aber diese Ströme ab, während der Strom in der Spule durch die Spannungsquelle aufrecht erhalten wird. Im stationären Zustand ist also die Platte stromfrei und
es bleibt nur der bekannte äußere Strom der Spule. Dies bedeutet auch, dass ein statisches
Magnetfeld durch die Platte nicht abgeschirmt wird. Es geht einfach durch. Anders wäre
es nur, wenn die Platte supraleitend wäre. Dann wäre der Widerstand Null, die Abschirmströme würden ewig fließen und das Magnetfeld im Inneren der Platte würde verschwinden.
Das wäre dann das Analogon zum Influenzproblem.
T3 - 7
T3.3
Konsequenzen der Feldgleichungen
Wir wollen jetzt zeigen, dass aus den Maxwellgleichungen die im Experimentalteil gefundenen Gesetze folgen. Wir beginnen mit dem Gesetz von Ampère:
I
~ = µ0 I .
d~r · B
C
~ r ) über eine geschlossene Kurve so erhalten wir den Strom, der eine von
Integrieren wir B(~
dieser Kurve berandete Fläche durchsetzt. Dies folgt strikt aus der Maxwellgleichung (T3.11)
~ r ) = µ0 ~j(~r)
rot B(~
mit Hilfe des Stokes’schen Satzes. Wir integrieren die Gleichung über eine von C berandete
Fläche F:
Z
Z
~
~
df · rot B(~r) = µ0 · df~ · ~j(~r)
F
F
df~ = df~n(~r).
R ~n(~r) ist aus der Umlaufrichtung von C durch die Rechtsschraubenregel zu
~ · ~j(~r) = I ist der Gesamtstrom, der durch die Fläche tritt, (§ T1.2).
bestimmen. df
F
~ wenden wir den Stokes’schen Satz an.
Auf das Integral über B
I
Z
~
~ r) .
~
df · rot B(~r) = d~r · B(~
C
F
Also gilt
I
C
~ r ) = µ0
d~r · B(~
Z
~ · ~j(~r) ≡ µ0 I .
df
(T3.27)
F
Das Gesetz von Ampère ist also einfach die integrierte Form der Maxwellgleichung
~ = µ0 ~j .
rot B
~ r ) können wir den Strom I bestimmen.
Es lässt sich so interpretieren: Bei Kenntnis von B(~
~ r ) bestimmen. Dies
Umgekehrt können wir bei Kenntnis des Stromes I das Magnetfeld B(~
ist der Inhalt des Gesetzes von Biot-Savart. Wir wollen zeigen, dass es ein Spezialfall der
allgemeinen Lösung (T3.26) ist.
Im Biot-Savart Gesetz betrachten wir unendlich dünne Stromfäden, gegeben durch eine
~ r ) zum Feld am Ort ~r an, der vom
glatte Kurve C. Es gibt den differentiellen Beitrag dB(~
differentiell kleinen Stücken ds des Stromfadens am Punkt ~r ′ herrührt. ds ist hierbei die
differentielle Bogenlänge. Dies müssen wir genauer erklären.
T3 - 8
Mathematischer Exkurs: Bogenlänge
Wir wissen, dass wir eine Kurve durch ein vektorwertige Funktion
~r = ~r(α)
darstellen können. Die genaue Wahl der Parametrisierung ist hierbei nicht festgelegt. Es gibt viele
Parametrisierungen derselben Kurve. Sie
√ können den Halbkreis ~r(ϕ) = cos ϕ ~e1 + sin ϕ ~e2 ,
0 ≤ ϕ ≤ π auch als ~r(x) = x ~e1 + 1 − x2 ~e2 darstellen. Ist die Kurve glatt, so existiert im
d~
r
. Der Tangenteneinheitsvektor ist
Punkt ~r(α) die Tangente und hat die Richtung dα
−1
d~r d~
r
.
~t(α) =
dα dα (T3.28)
Nun gibt es eine durch die Kurve selbst definierte Parametrisierung: Wir verwenden als Parameter
die Länge s der Kurve gemessen vom Anfangspunkt bis zum Ort ~r. Das ist die ’Bogenlänge’. Wir
betrachten jetzt ein Stück der Kurve zwischen s und s + δs. δs sei so klein, dass wir das Stück
durch eine gerade Strecke annähern können. Dann ist die Länge dieses Stückes gegeben durch
(δs)2 = (~r(s + δs) − ~r(s))2 + O((δs)3 )
(Pythagoras!).
Es folgt
1 = lim
δs→0
d~r(s) 2
~r(s + δs) − ~r(s) 2
=
δs
ds
d~r(s) ds = 1
oder
(T3.29)
Bei Parametrisierung mit der Bogenlänge gilt also
~t(s) = d~r(s) .
ds
Ende des mathematischen Exkurses
T3 - 9
(T3.30)
Wir definieren jetzt
d~s = ds ~t(s) .
(T3.31)
Das Gesetz von Biot-Savart lautet mit dieser Notation
~ r) =
dB(~
µ0 d ~s × (~r − ~r ′ (s))
I
.
4π
|~r − ~r ′ (s)|3
(T3.32)
~r ′ (s) parametrisiert hierbei die stromtragende Kurve. Zur Herleitung aus der allgemeinen
Lösung
Z
~r − ~r ′
µ0
~
d3 r ′~j(~r ′ ) ×
B(~r) =
4π
| ~r − ~r ′ |3
betrachten wir ein Stück der Länge δs eines stromdurchflossenen Leiters endlicher aber sehr
kleiner Dicke. Wir approximieren das Stück durch eine Gerade und wählen unser Koordinatensystem so, dass das Stück in z-Richtung zeigt:
~t = ~e3 .
~ r ) liefert es den Beitrag
Zu B(~
~ r ) = µ0
δB(~
4π
z ′ (s)+δs
Z
dz
z ′ (s)
Der gesamte Strom ist
I=
′
Z
Z
~r − ~r ′
dx′ dy ′ | ~j(~r ′ ) | ~e3 ×
.
| ~r − ~r ′ |3
dx′ dy ′ |~j(~r ′ )| .
Nun bilden wir den Limes verschwindender Dicke. Der ’Draht’ soll aber immer noch den
Strom I tragen. Dies bedeutet:
| ~j(~r ′ ) | = δ(x′ − x′ (s)) δ(y ′ − y ′ (s)) I .
(T3.33)
Damit folgt
~ r) =
δ B(~
µ0
I
4π
z ′ (s)+δs
Z
dz ′ ~e3 ×
z ′ (s)
~r − x′ (s) ~e1 − y ′ (s) ~e2 − z ′ ~e3
| ~r − x′ (s) ~e1 − y ′ (s) ~e2 − z ′ ~e3 |3
In führender Ordnung in δs können wir z ′ im Integranden gleich z ′ (s) setzten und erhalten
~ r) =
δ B(~
~r − ~r ′ (s)
µ0
I δs ~e3 ×
+ O (δs)2
′
3
4π
|~r − ~r (s)|
Aber ~e3 = ~t(s), und wenn wir δs → ds differentiell klein machen, erhalten wir das Biot-Savart
Gesetz
′
~ r ) = µ0 I d~s × ~r − ~r (s) .
d B(~
4π
|~r − ~r ′ (s)|3
T3 - 10
Ist der Leiter durch die Kurve C beschrieben, so folgt durch Integration
Z
~r − ~r ′ (s)
µ0
~
B(~r) =
I
d~s ×
.
4π
| ~r − ~r ′ (s) |3
C
Damit haben wir gezeigt, dass die grundlegenden experimentellen Gesetze aus den Maxwellgleichungen folgen. Unsere einfachen Überlegungen zur Konstruktion von Gleichungen für
~ und rot B
~ haben also zum Ziel geführt.
div B
T3.4
Die Energie des Magnetfeldes
~ Diese Kraft ist geEine bewegte Ladung erfährt in einem Magnetfeld eine Kraft q~r˙ × B.
schwindigkeitsabhängig, besitzt also kein skalares Potential. Dennoch lässt sich mit Hilfe des
Vektorpotentials eine potentielle Energie definieren. Ströme sind nichts anderes als bewegte
~ r ) erzeugt, findet man
Ladungen und für eine Stromdichte ~j(~r), die ein Vektorpotential A(~
die potentielle Energie
Z
1
~ r) .
d3 r~j(~r) · A(~
(T3.34)
Wmag =
2
Dieser Ausdruck hat offensichtlich die gleiche Struktur wie die potentielle Energie einer
Ladungsverteilung ρq (~r) im selbst erzeugten elektrischen Potential Φ(~r):
Z
1
d3 rρq (~r)Φ(~r) ,
(Gl. T2.42) .
Wel =
2
Wmag gibt die Arbeit an, die geleistet werden muss um, ausgehend vom ruhenden Ladungen, die Stromdichte ~j(~r) aufzubauen. Dies kann ich Ihnen hier nicht zeigen, denn es ist
ein zeitabhängiges Problem, das über die Magnetostatik hinausgeht. In §T4.6 werden wir
die Energiedichte des vollen elektromagnetischen Feldes diskutieren aus dem für ein zeitunabhängiges Magnetfeld der Ausdruck (T3.34) folgt.
Analog zur Diskussion der elektrostatischen Feldenergie (§T2.4), können wir Wmag in verschiedenen Formen schreiben.
~ r ) aus Gl. (T3.24) ein und finden das Fernwirkungsbild:
Wir setzten A(~
Wmag =
µ0
8π
Z
d3 r d3 r ′
~j(~r) · ~j(~r ′ )
.
| ~r − ~r ′ |
(T3.35)
Hier sind die Ströme die zentralen physikalischen Größen. Wir können aber auch die Maxwellgleichung (T3.11) verwenden, um ~j(~r) zu eliminieren:
j(~r) =
Dann erhalten wir
Wmag
1
=
2µ0
Z
1
~ r) .
rot B(~
µ0
~ r )) · A(~
~ r) .
d3 r(rot B(~
T3 - 11
Nun gilt (Formelsammlung!)
~ × A)
~ = (rot B)
~ ·A
~ −B
~ · (rot A)
~ .
div (B
(T3.36)
Integration über den Raum liefert
Z
Z
Z
3
3 ~
~
~
~
~ r ) × A(~
~ r )) .
d r (rot B(~r)) · A(~r) = d r B(~r) · rot A(~r) + d3 r div (B(~
| {z }
|
{z
}
~
B(~
r)
0
(Gauß’scher Satz, angewandt auf den letzten Term. Das Oberflächenintegral verschwindet,
~ und A
~ hinreichend schnell abfallen.)
da für endliche Stromverteilungen B
Also folgt im Nahwirkungsbild
Wmag
1
=
2µ0
Z
~ 2 (~r)
d3 r B
(T3.37)
~
In diesem Bild ist das B-Feld
zentral. Wir erhalten eine lokale Energiedichte
wmag (~r) =
1 2
B (~r) .
2µ0
(T3.38)
Die Situation ist also völlig analog zur Elektrostatik.
Hiermit wollen wir die Magnetostatik abschließen. Was fehlt, ist die Behandlung von Per~
manentmagneten. In unserer Beschreibung wurde das B-Feld
immer durch Ströme erzeugt.
Um Permanentmagneten zu beschreiben, muss man sich mit dem Einfluss von Materie auseinandersetzen. Das werden wir tun, wenn wir die Elektrodynamik im Vakuum vollständig
beschrieben haben.
Was auch fehlt, sind Beispiele zur Berechnung von Magnetfeldern. Leider ist die Auswertung des Integrals (T3.26) auch für einfache physikalisch sinnvolle Stromdichten ~j(~r) recht
schwierig. Für Beispiele typischer Magnetfelder muss ich daher auf den Experimentalteil
verweisen.
Wir haben bis jetzt elektrische und magnetische Phänomene als völlig getrennte Zweige der
Physik behandelt, sowohl experimentell als auch theoretisch. Dies entspricht dem Stand der
Wissenschaft etwa um 1800. Im Laufe des 19.Jahrhunderts ist dann nach und nach klar
geworden, das elektrische und magnetische Phänomene zusammengehören und durch eine
gemeinsame Theorie, die Elektrodynamik, beschrieben werden. Die Entwicklung gipfelte in
der Aufstellung der Grundgleichung der Elektrodynamik durch Maxwell und führte zur Erkenntnis, dass auch die Optik Teil der Elektrodynamik ist. Dies war die erste großartige
’Vereinheitlichung’ unsere Beschreibung der Natur.
T3 - 12
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