LESERBRIEFE / INFORMATION Zum Informationsbegriff der Physik 1 Einleitung Der Artikel von Peter Rechenberg über den „Informationsbegriff in der Informationstheorie“ [15] kritisiert vollständig zu Recht die ungenaue Verwendung des Informationsbegriffes, kommt jedoch am Ende zu einem falschen Schluss. Danach soll Information – im Sinne der semantischen Information, der Bedeutung also – nicht messbar sein, also sollte ihr keine Grundlageneigenschaft zukommen. Dieser Schluss ist deshalb falsch, weil er sich weder aus der historischen Betrachtung noch aus den Argumenten des Artikels ziehen lässt. Allenfalls kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt präzise gesagt werden, dass der semantische Informationsbegriff offenbar unverstanden ist. Dem Artikel von Rechenberg kommt deshalb weitgehende Bedeutung zu, denn er weist den Weg zu weiterer Forschung und arbeitet das zu diskutierende Problem klar heraus. Im vorliegenden Beitrag soll diese Konkretisierung weitergeführt werden, indem das Informationsproblem in der Physik vorgestellt und in Relation zum Informationsproblem der Informatik gesetzt wird. Dabei erweist sich, dass die beiden Probleme äquivalent sind und demnach einer gemeinsamen Lösung bedürfen. 2 Messung in der Quantenmechanik Die „gewöhnliche“ nichtrelativistische Quantenmechanik entstand in den Jahren 1923 – 1927 im Wesentlichen durch die Arbeit von de Broglie, Pauli, Schrödinger, Heisenberg und Bohr. Nach der immer noch von den meisten Physikern als gültig erachteten „Kopenhagener Deutung“ haben quantenmechanische Objekte – z.B. Photonen – einen dualen Charakter. Mal müssen sie als Welle betrachtet wer- } Peter A. Henning den, mal als Teilchen – und die Frage, was sie denn nun eigentlich sind, macht keinen Sinn. Dieser duale Charakter wird durch die Quantenmechanik auch anderen Objekten zugeschrieben, die weniger immateriell sind als Photonen. Nach der traditionellen Interpretation der Quantenmechanik haben alle Materieteilchen gleichzeitig auch Wellencharakter. Diese Idee wurde zuerst 1923 von dem französischen Prinzen Louis de Broglie vertreten – und sie hat sich bisher, in tausenden von Experimenten, nicht als falsch herausgestellt: Materieteilchen zeigen Interferenzeffekte, die sonst eigentlich nur bei Wellen auftreten. Der Nachweis dieser Wellennatur ist um so schwieriger, je größer die Teilchen sind. Der „Weltrekord“ wird von Physikern der Universität Wien gehalten, die große Kohlenstoffmoleküle, so genannte Buckminsterfullerene oder Buckyballs zur Interferenz brachten [1]. Quantenmechanisch wird ein beliebig großes Ensemble von Teilchen durch eine komplexwertige Wellenfunktion beschrieben. Das Betragsquadrat dieser Wellenfunktion an einem Raum-Zeitpunkt ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung in diesem Raum-Zeitpunkt ein Teilchen zu finden. Die Entwicklung der Wellenfunktion Ψ (x t) in Raum und Zeit wird durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben: DOI 10.1007/s00287-004-0363-3 © Springer-Verlag 2004 Prof.Dr.rer.nat.habil. Peter A.Henning MediaLab, Fachhochschule Karlsruhe Moltkestraße 30 76133 Karlsruhe [email protected] Informatik_Spektrum_23_April_2004 1 } LESERBRIEFE / INFORMATION (1) Darin wurde der Einfachheit halber das Problem auf eine Raum- und eine Zeitdimension reduziert und eine bestimmte Darstellung gewählt. Der Differentialoperator in eckigen Klammern auf der rechten Seite ist der Hamilton-Operator, V(x) ist das Potential der auf die Teilchen des Ensembles wirkenden Kraft und ist das Plancksche Wirkungsquantum dividiert durch 2π. Die Wellenfunktion beschreibt den Zustand des Systems, in einer etwas abstrakteren Formulierung wird sie als Vektor in einem Hilbert-Raum aufgefasst. In dieser abstrakten Formulierung lautet die Schrödinger-Gleichung dann (2) Zur weiteren Behandlung der Schrödinger-Gleichung sei auf die einschlägige Grundlagenliteratur über Quantenmechanik verwiesen, wir wollen uns nur auf die Frage der Messung konzentrieren. Mathematisch handelt es sich bei der Quantenmechanik um eine von Neumann-Dirac Theorie: Zustände sind Vektoren in einem Hilbert-Raum, messbare Eigenschaften sind Operatoren in diesem HilbertRaum und mögliche Messwerte sind die Eigenwerte dieser Operatoren. In der Wellenfunktion stecken deshalb alle möglichen Messwerte, die ein Experimentator an dem System feststellen könnte. Als Beispiel betrachten wir ein Teilchen mit halbzahligem Spin (vereinfacht gesagt: Eigendrehimpuls). Die möglichen Messwerte für diesen Teilchenspin bezogen auf eine bestimmte Richtung sind die beiden Eigenwerte +1/2 und –1/2. Das Messergebnis entspricht also einer Informationsmenge von einem Bit - wobei wir zunächst offen lassen wollen, was für eine Art der Information damit gemeint ist. Betrachtet man nun zwei solcher Teilchen, können sich deren Spins zum Gesamtspin J=1 oder zum Gesamtspin J=0 addieren. Im ersten Fall sind die möglichen Messwerte für den Spin bezogen auf eine bestimmte Richtung die Eigenwerte M= +1, 0 oder –1, im zweiten Fall kann nur M=0 gemessen werden. Der Systemzustand kann also durch eine Informationsmenge von 2 Bit beschrieben werden. Nach Shannon sind diese Bits gleichwertig, die Frage der Bedeutung dieser zwei Bits geht in die weitere Behandlung für Zwecke des Transports und der Datenverarbeitung nicht ein. 2 Informatik_Spektrum_23_April_2004 Zusammenfassung Der Informationsbegriff in der Physik wird dem von Rechenberg diskutierten „Informationsbegriff der Informationstheorie“ gegenüber gestellt. Es wird gezeigt, dass die Entstehung semantischer, Bedeutung tragender Information sehr eng mit dem Vorgang der Messung verbunden ist. Die Relevanz des Informationsbegriffes wird an Hand einiger Beispiele aus der Kosmologie dargestellt. Der Informationsbegriff verbindet mikroskopische und makroskopische Physik und bildet damit ein Fundament des modernen Weltbildes. Für die Zwecke des Transports, aber auch der zeitlichen Weiterentwicklung durch die SchrödingerGleichung zählt alleine die syntaktische Information. Allerdings macht es einen wesentlichen Unterschied für die physikalische Realität aus, welche semantische Information in den Messwerten steckt! Nach der quantenmechanischen Vorstellung sorgt nämlich der Messprozess dafür, dass sich die Wellenfunktion instantan und im gesamten Raum in diejenige Wellenfunktion umwandelt, welche dem gemessenen Eigenwert entspricht. Hat also unser System aus zwei Teilchen vor der Messung den Zustand Ψ = α 11 1, 1 + α 10 1, 0 + α 1−1 1, − 1 + α00 0, 0 . (3) wobei der Zustandsvektor J, M 〈 den Gesamtspin und seine Komponente in Bezug auf die gemessene Richtung bezeichnet, und messen wir den Wert M=1, so hat das System nach der Messung den Zustand (4) Dieser so genannte „Kollaps der Wellenfunktion“ findet genau dadurch statt, dass beim Experimentator semantische Information entsteht. Semantische Information hat also physikalische Realität und ist somit messbar. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die „gewöhnliche“ Quantenmechanik ihre Probleme hat. Ihre wesentliche Schwäche ist, dass sie die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von physikalischen Wirkungen nicht berücksichtigt, ebensowenig die Identität von Masse und Energie. Anders ausgedrückt: Die Quantenmechanik steht im Widerspruch zur Relativitätstheorie, eigentlich soll- ten alle obigen Überlegungen mit Hilfe quantenfeldtheoretischer Modelle gemacht werden. Darüber hinaus ist natürlich die Trennung zwischen Beobachter und Experiment unbefriedigend, siehe Textkasten 1 und Schlussfolgerungen. Dennoch lassen sich bereits mit der einfachen Quantenmechanik Fragen ableiten, die wesentlich mit der Frage der Realität von Information zusammenhängen. 3 Wieviel Information steckt im Universum? Als Beispiel für eine dieser Fragen soll die Hypothese des Low Information Universe (LIU) diskutiert werden, die zuerst von Tegmark aufgestellt wurde [17]. Er befasste sich mit der Frage, wieviel Information man eigentlich benötigt, um den gegenwärtigen Zustand des Universums zu beschreiben. Auch dabei soll zunächst offen bleiben, um welche Art der Information es sich handelt. Diese Frage ist deshalb relevant, weil die Physik schon seit Anbeginn der Zeiten auf der Suche nach der „Weltformel“ ist, also nach der Theory of Everything oder TOE. Die derzeit diskutierten Modelle für eine solche TOE sind Superstringtheorien, welche alle Naturkräfte (starke und schwache Kernkraft, Elektromagnetismus und Gravitation) unter einen Hut bringen und in einem gemeinsamen mathematischen Rahmen beschreiben. Obwohl sie noch nicht gefunden ist, hat der aussichtsreichste Kandidat für eine TOE schon den Namen M-Theory erhalten. Eine solche TOE kann durchaus mathematisch komplex sein – sie wird hoffentlich aber strukturell einfach sein. Darunter ist die Einfachheit und Klarheit der Formulierung zu verstehen – ohne dass dieser Begriff genauer formuliert werden muss. Tatsächlich ist diese strukturelle Einfachheit bei den „großen“ Theorien durchaus gegeben: Die strukturelle Einfachheit (und intellektuelle Schönheit) der Maxwell-Gleichungen und der Einsteinschen Feldgleichungen ist schon sprichwörtlich. Strukturelle Einfachheit ist aber kein Garant für Benutzbarkeit – so etwa kann man mit einer TOE, wenn sie denn irgendwann gefunden wird, vermutlich nicht erklären, warum eine Katze wie eine Katze aussieht. Dazu bedarf es nämlich noch eines anderen Aspektes, nämlich der Symmetriebrechung. In jedem Moment der zeitlichen Entwicklung unseres Universums geschehen zufallsgesteuerte Vorgänge, die den weiteren Weg der Entwicklung beeinflussen. Abstract The concept of information in physics ist compared to its equivalent in computer science as discussed by Rechenberg. It is shown, that the creation of semantic, meaningful information is deeply connected to the measurement process. The relevance of the concept of information is demonstrated in a few examples from cosmology. The concept of information joins microscopic and macroscopic physics and therefore ist fundamental for our understanding of the universe. Als makroskopisches Beispiel mag die Katze dienen: Katzen gäbe es sicher nicht, wenn zufallsbedingt vor etwa 65 Millionen Jahren der Asteroid knapp an der Erde vorbeigeflogen wäre. Dinosaurier hätten überlebt, und die Welt wäre eine andere. Mikroskopisch wird der Begriff deutlicher, wenn wir Gleichung (3) betrachten, die – je nach den Werten der Koeffizienten – in mehr oder weniger symmetrischer Weise alle denkbaren Ergebnisse der Messung enthält. Die Messung aber zerstört die Symmetrie vollständig, der Zustand aus (4) ist ein Zustand gebrochener Symmetrie. In dieser stark vereinfachten Erklärung des Begriffes kommen natürlich wesentliche Aspekte der Symmetriebrechung zu kurz, auch hier sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. Nach der LIU-Hypothese könnte das gesamte Universum aus einem einfachen Anfangszustand entstanden sein, sich nach einer einfachen TOE entwickeln – und dennoch die gesamte von uns gesehene Komplexität aufweisen. Dazu müssen wir den gegenwärtigen Zustand des Universums nur auffassen als das Resultat eine ungeheuer großen Menge von Messprozessen, von aneinandergereihten Zusammenbrüchen der Wellenfunktion also. Dieser Kollaps ist, wie wir oben gesehen haben, jedesmal mit dem Entstehen semantischer Information verbunden [12]. Das Universum wäre also, folgen wir der LIUHypothese, durch sehr wenig Komplexität im Anfangszustand (daher „Low Information“) beschreibbar. Sein gegenwärtiger Zustand wiederum wäre einer gewaltigen Ansammlung von semantischer Information gleichzusetzen. Prinzipiell kann man die Zeitentwicklung eines gegebenen Zustandes Informatik_Spektrum_23_April_2004 3 } LESERBRIEFE / INFORMATION durch eine Gleichung als den Transport von syntaktischer Information betrachten: Die Gleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung des Systems für alle Systemzustände (= semantischen Informationsinhalte) gleich. Über die Informationsmenge an semantischer Information, die für eine Beschreibung des Universums nötig wäre, lassen sich derzeit nur vage Vermutungen anstellen, eine solche stammt von Lloyd [14]. Nach dieser Abschätzung ergibt sich die Skala für diese Informationsmenge durch das Verhältnis zwischen dem Alter des Universums t und der Planck-Zeit (5) Darin ist c die Lichtgeschwindigkeit und G die Gravitationskonstante der Allgemeinen Relativitätstheorie. Loyd berechnete die Anzahl der Rechenoperationen, die ein das gesamte Universum umfassender Computer seit dem Urknall hätte durchführen können zu 2 Ops = t ≈ 10120. tP (6) Die Anzahl der Bits, die dabei maximal gespeichert werden können, ist durch die maximale Entropie des Universums gegeben, die sich bei Umwandlung der Gesamtenergie in Strahlung ergibt: (7) Interessant dabei ist, dass offenbar – zumindest in dieser Abschätzung – nicht jeder Rechenschritt zum Entstehen semantischer Information führen kann. 4 Information in der Relativitätstheorie Obwohl sie immer noch als „Theorien“ apostrophiert werden, ist an der Gültigkeit der Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie zumindest als Grenzfall der oben erwähnten TOE nicht zu rütteln. Das bedeutet insbesondere, dass die Struktur von Raum und Zeit wesentlich komplizierter ist, als sich dies unsere naive Anschauung erträumt. Eine der frühesten Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen stammt von Schwarzschild und sagt vorher, dass große Massen die Raumzeit so stark krümmen können, dass dies zu einer Art Abschnürung führt. Diese „Schwarzen Löcher“ sind durch einen Ereignishorizont vom Universum abgetrennt – jedes 4 Informatik_Spektrum_23_April_2004 Alternative Universen und Information Die Quantenmechanik ist – bis auf den in Abschnitt 1 beschriebenen Messprozess – zeitlich reversibel. Das bedeutet, dass eine Quantenmechanik des gesamten Universums nicht formulierbar ist, denn sie würde den Beobachter mit einbeziehen und einen irreversiblen Messprozess ausschließen. Bereits 1957 wurde von Everett eine Möglichkeit vorgeschlagen, dieses Problem zu vermeiden [8]. Nach dieser so genannten Vielwelteninterpretation der Quantenmechanik entstehen mit jedem quantenmechanischen Vorgang mehrere (viele) Tochteruniversen, die parallel existieren und über quantenmechanische Interferenzeffekte miteinander wechselwirken. Im Gesamtsystem ist die Zeitentwicklung unitär und symmetrisch, die Wellenfunktion enthält also nur syntaktische Information [7, 12]. In jedem Tochteruniversum – und nur in genau einem davon leben wir! – aber ist die Zeitentwicklung hochgradig bedeutungstragend, entsteht mithin immer mehr semantische Information – die in der inneren Struktur des Tochteruniversums selbst abgelegt ist. Seit ihrer Entwicklung ist diese Vielwelteninterpretation immer wieder hervorgeholt worden, um sie dann als „zu kompliziert“ oder „doch nicht überprüfbar“ wieder ad acta zu legen. In jüngster Zeit gibt es jedoch Argumente, die für die Richtigkeit der Vielwelteninterpretation sprechen, sie stehen interessanterweise in engem Zusammenhang mit der Frage nach der Realisierbarkeit großer Quantencomputer [11, 4]. Eine kurze Zusammenfassung der Argumente für die Vielwelteninterpretation findet man in [13]. Objekt, welches diesen Horizont durchtritt, kann keine Rückwirkungen mehr auf das Universum ausüben. Seit ihrer theoretischen Vorhersage waren Schwarze Löcher eine Art Lieblingsspielzeug der Physik, an dem sich Vieles über die Allgemeine Relativitätstheorie lernen lässt. Die schon länger existierenden indirekten Schlussfolgerungen über ihre tatsächliche Existenz wurden in der jüngsten Vergangenheit – Oktober 2003 – durch direkte Beobachtungen im Zentrum unserer Galaxis ergänzt, so dass an ihrem tatsächlichen Vorhandensein sogar in unserer relativen Nähe kein ernsthafter Zweifel mehr bestehen kann [9]. Klassische Schwarze Löcher haben nur sehr wenige Eigenschaften – ihre Masse, ihre Ladung und ihren Drehimpuls (Wheeler hat dies in dem Satz zusammengefasst „A Black Hole has no Hair“). Jede Art von syntaktischer Information, die dort hineinläuft, kann den Rest des Universums nicht mehr beeinflussen. Dies war lange Zeit akzeptabel – die Information blieb sozusagen im Schwarzen Loch gespeichert. 1975 jedoch postulierte Hawking die Evaporation Schwarzer Löcher durch quantenfeldtheoretische Effekte in der Nähe des Ereignishorizontes [10]. Schwarze Löcher sind danach nicht schwarz - sie strahlen, und zwar um so stärker, je kleiner sie sind. Wenn sie ganz „verdampft“ sind, ist der Teil der Wellenfunktion, welcher dort hineingelaufen sind, vollständig vernichtet worden. Dies aber steht im Widerspruch zur SchrödingerGleichung (2), da diese eine unitäre Zeitentwicklung (=Erhaltung der Gesamtwahrscheinlichkeit) beschreibt. In der aktuellen Diskussion der Physik ist dies als das „Informations-Paradoxon“ der Schwarzen Löcher bekannt – seine Auflösung scheint jedoch in Sicht zu sein. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nämlich die „Haarlosigkeit“ Schwarzer Löcher nur richtig, wenn quantenfeldtheoretische Aspekte nicht betrachtet werden. Bezieht man diese mit ein, können sehr wohl weitere Informationen in einem Schwarzen Loch gespeichert werden – und zwar als Anregungen des Ereignishorizontes. Dass dessen Ausdehnung und Struktur eng mit dem Informationsbegriff zusammenhängen, folgt aus der so genannten Bekenstein-Hawking-Entropie [2, 10] S= Ac 3 . 4 ln(10)Gh (8) Darin ist A die Fläche des Ereignishorizontes, c die Lichtgeschwindigkeit und G wiederum die Gravitationskonstante. Diese Entropie ist ein Maß für die Anzahl der Mikrozustände eines Schwarzen Loches [16] – und eben in diesen wird die Information gespeichert. Während der Evaporation eines schwarzen Loches durch Hawking-Strahlung wird diese Information in der Verteilung der Strahlung „codiert“ – es handelt sich also um Information, deren Abfluss den Zustand des Schwarzen Loches messbar Holographisches Universum In der aktuellen Diskussion der Physik spielt derzeit das Holographische Prinzip eine große Rolle [11, 4]. Zumindest für bestimmte Klassen von Universen ist bewiesen worden, dass ihre physikalischen Vorgänge vollständig durch eine alternative Physik beschreibbar sind, die nur auf der Begrenzung des Universums „abläuft“. Die Ähnlichkeit zur platonischen Realitätsvorstellung ist frappant. Eine Folgerung aus dem holographischen Prinzip wäre, dass die Oberfläche einer Raum-Zeit-Region den Informationsgehalt der Region begrenzt, in drei Dimensionen auf den Wert von ca. 1069 Bit/m2 – weit jenseits der durch die Bekenstein-Hawking Entropie (8) gesetzten Grenze. Dies ist insofern überraschend, als damit die maximal in einem bestimmten Volumen gespeicherte Information nicht proportional zum Volumen wäre. Eine kurze Zusammenfassung der Argumente für das holographische Prinzip findet man in [3]. beeinflusst: Sie sorgt für die Erhaltung der Gesamtwahrscheinlichkeit. Die Bekenstein-Hawking-Entropie ist ferner ein Maß für die maximal in einer kugelförmigen Masse abzuspeichernden (syntaktischen) Informationsmenge. Die Fläche des Ereignishorizontes vergrößert sich nämlich bei der Zufuhr einer Masse in das Schwarze Loch. Die Entropiezunahme in Gleichung (8) stellt die Obergrenze für die Informationsmenge dar, die auf der Masse vorhanden gewesen sein kann. Derzeit wird in der Physik das Holographische Prinzip diskutiert, welches eine noch exotischere Begrenzung für die Informationsmenge in Raum-Zeit-Regionen liefert (siehe Textkasten 2). 5 Schlussfolgerungen Auch in der Physik wird zwischen syntaktischer Information und semantischer Information entschieden. Erstere wird – sozusagen blind – von Gleichungen in der Zeit weiter transportiert, diese Zeitentwicklung ist reversibel. Mikroskopische Irreversibilität resultiert aus der Durchführung von Messungen, also aus dem Entstehen semantischer, Bedeutung tragender Information. Der physikalische Informationsbegriff ist also dem von RechenInformatik_Spektrum_23_April_2004 5 } LESERBRIEFE / INFORMATION berg propagierten diametral entgegengesetzt – wenigstens auf der mikroskopischen Ebene. Dabei ist allerdings eine Inkonsequenz enthalten, denn in diesen Informationsbegriff geht eine Trennung zwischen beobachteter mikroskopischer Welt und externem Beobachter ein. Eine umfassende Bescheibung, die den Beobachtungsprozess mit einschließt, haben wir bisher nicht – und damit bleibt das gleiche Dilemma offen, welches Rechenberg in seinem Artikel aufzeigte: Was ist die semantische Information, die beim Beobachter entsteht? Es gibt in der Physik lediglich ein – ziemlich exotisches – Modell, welches die Antwort auf diese Frage liefern könnte (siehe Textkasten 1). Die Antwort auf diese Frage spielt eine wichtige Rolle für kosmologische Fragestellungen. Darüber hinaus aber liefert sie auch den Zusammenhang zwischen Mikrowelt und Makrowelt, sie ist deshalb von fundamentaler Bedeutung für unser Weltbild. 6 Informatik_Spektrum_23_April_2004 References 1. Arndt, M., Nairz, O., Zeilinger, A. et. al.:Wave-particle duality of C60-molecules, Nature 401 (1999) 680 2. Bekenstein, J.D.: Black Holes and Entropy, Phys. Rev. D7 (1973) 2333 3. Bekenstein, J.D.: Das holografische Universum, Spektrum der Wissenschaft 11 (2003) 35 4. Bousso, R.:The holographic principle, Rev.Mod.Phys. 74 (2002) 825-874 5. Deutsch, D.: Quantum theory, the Church-Turing principle and the universal quantum computer, Proc.R.Soc.Lond. 400 (1985) 97 6. Deutsch, D.:The Fabric of Reality (Penguin 1997) 7. DeWitt, B.S.: Quantum Mechanics and Reality, Physics Today 23 No. 9 (1970) 30 8. Everett, H.: Relative state formulation of quantum mechanics, Rev.Mod.Phys. 19 (1957) 454 9. 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