Brief Parteireform - Blog der SPD-BW

Werbung
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
An
die Mitglieder des Parteivorstands
die Mitglieder des Parteirates
Berlin, den . Mai 
Lieber Genossinnen und Genossen,
auf dem Dresdner Parteitag haben wir uns als SPD auf den Weg gemacht, uns
programmatisch und organisatorisch neu aufzustellen. Wir haben bei unserer Wahl
das Versprechen abgegeben, die demokratische Kultur in unserer Partei zu erneuern
und der Beteiligung der Mitglieder einen wesentlich höheren Stellenwert einzuräumen.
Die Afghanistan-Konferenzen, die Entscheidungen zur Arbeitsmarktpolitik, zur „Rente
mit “ und die Arbeit in den Zukunftswerkstätten sind gute Beispiele für diese neue
Diskussionskultur in der SPD. Diesen Weg wollen und müssen wir in Zukunft
konsequent fortführen. Ziel ist es, auf dem Parteitag Ende des Jahres das politische und
programmatische Profil der SPD deutlich geschärft und die Partei dahinter versammelt
zu haben.
In den Debatten und Entscheidungen auf dem Dresdener Parteitag  ging es aber
nicht nur um die Fragen der programmatischen und inhaltlichen Ausrichtung unserer
Partei. Nach der Wahlniederlage  musste es auch darum gehen, die Verankerung
der SPD in unserer Gesellschaft wieder zu stärken. Dazu müssen wir auch unsere
innerparteiliche Organisation sowie unsere Willensbildungs- und Führungsstruktur auf
den Prüfstand stellen. Alle Parteien – auch die SPD – haben seit vielen Jahren sinkende
Mitgliederzahlen. Die Verankerung in allen Generationen und gesellschaftlichen
Bereichen ist schwächer geworden und es fehlt in allen Parteien an breit gefächerten
Lebenserfahrungen aus dem Lebensalltag. Und wenn wir ehrlich zueinander sind: Wir
bemerken diese Entwicklung schon seit Jahren.
Wir meinen: Damit muss man sich nicht abfinden! Wir wollen und können neue
Beteiligungsformen entwickeln, z.B. für diejenigen, die nicht mehr über die Ortsvereine
den Weg zur SPD finden, sondern über das Internet. Wir sehen, dass Mitglieder in
großer Zahl die Angebote ihrer Landesverbände nutzen, wenn sie wirklich gefragt und
zur Mitentscheidung aufgerufen werden.
Deshalb haben wir seit Monaten mit Vertreterinnen und Vertretern aus Ortsvereinen,
Unterbezirken, Arbeitsgemeinschaften, Landes- und Bezirksverbänden und auch mit
externen Vertreterinnen und Vertretern über ganz verschiedene Modelle einer Reform
der Parteiorganisation beraten. Auch diese Diskussion um die organisatorische und
kulturelle Erneuerung der Partei folgt dem Geist einer hohen Beteiligungsorientierung
und einer offenen Diskussionskultur in der SPD. Die Vorschläge, die jetzt öffentlich
geworden sind, werden in den kommenden Monaten in unserer Partei breit diskutiert.
Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstr. 
 Berlin
Postanschrift:
 Berlin
Telefon ( )   -
Telefax ( )   - 
Telegramm-Adresse:
Sopade Berlin
e-Mail:
[email protected]
Internet:
http://www.spd.de
SEB AG
Berlin
BLZ   
Konto   
2
Unsere Ziele sind klar und folgen dem, was wir in Dresden versprochen haben:
•
•
•
Stärkung der Mitgliedsrechte und der Einflussmöglichkeiten der Mitglieder der SPD
auf inhaltliche und personelle Entscheidungen.
Stärkere Öffnung der SPD in die Gesellschaft und Beteiligung von engagierten
Menschen und Gruppen an der Entwicklung sozialdemokratischer Politik.
Stärkung der Verbindlichkeit in unseren innerparteilichen Führungsstrukturen.
Alles, was wir bislang erarbeitet haben und vorschlagen, orientiert sich an diesen
Zielen. Aber wir wollen keine Festlegungen für alles und jeden in der SPD. Die
Ortsvereine, Unterbezirke und Bezirke und Länder sind ebenso unterschiedlich wie die
Menschen in unserer Partei. Deshalb möchten wir Ermöglichungen schaffen: keine
starren Regeln, sondern Angebote, die vor Ort selbst entschieden werden müssen.
Klar ist: Unsere Partei erneuern wir nur gemeinsam. Diese Parteireform wird in einem
offenen Diskussionsprozess erarbeitet. Unsere Richtung ist klar, aber kein Vorschlag ist
„in Stein gemeißelt“, alle sind aufgerufen und eingeladen, ihre Vorstellungen zur
Diskussion zu stellen. Uns geht es um das gemeinsame große Ziel, die
Sozialdemokratie so schlagkräftig wie möglich zu machen. Die SPD soll die
fortschrittlichste Partei Europas sein.
Was haben wir bisher getan: Erstmals in der Geschichte der SPD haben wir alle
Ortsvereine nach ihrer Arbeitsweise und ihren Erwartungen an die SPD befragt. Zudem
wurde die Partei von der Ortsvereins- bis zur Landesebene durch sieben thematische
Werkstattgespräche einbezogen. Hier haben wir eine intensive Bestandsaufnahme der
Lage der Partei vorgenommen. Dann haben wir eine organisationspolitische
Kommission beim Parteivorstand eingesetzt, in der alle Vorschläge durch die
Landesverbände- und Bezirke abgewogen und bewertet werden und in der eigene
Vorstellungen eingebracht werden können.
Vor dem kommenden Bundesparteitag im Dezember , auf dem die Parteireform
beschlossen werden soll, werden wir beide die Landesverbände und -bezirke besuchen,
um die Diskussion über die Zukunft der Partei offen zu führen.
Diese Diskussion sollten wir mit großer Ernsthaftigkeit und großem
Verantwortungsbewusstsein führen. Wir sind nicht mehr die Partei von , die eine
Million Mitglieder hat und kaum etwas tun muss, um junge Menschen vom Eintritt in
die SPD zu überzeugen. Die Zahl unserer Mitglieder hat sich halbiert. Die Mitgliedschaft
wird älter.
Wir bewegen uns auch nicht mehr in dem gesellschaftlichen und politischen Umfeld
der er Jahre. Es gibt zwei zusätzliche konkurrierende Parteien, die auch frühere
SPD-Mitglieder und SPD-Wählerinnen und –wähler für sich gewinnen konnten. In der
heutigen Medienlandschaft wird es schwieriger, inhaltlich durchzudringen. Menschen
sind schwerer für Parteipolitik zu begeistern als früher. Gerade junge Menschen suchen
neue Alternativen jenseits der politischen Parteien, um sich politisch zu betätigen. Und
durch das Internet ist ein neues Medium entstanden.
3
Das alles ist kein Grund, zu verzagen. Manches birgt auch große Chancen wie die neuen
Medien. Dadurch lassen sich mehr Menschen denn je an politischen Prozessen
beteiligen. Das wollen wir nutzen, aber es wird nur gelingen, wenn wir unsere
Strukturen einer veränderten Gesellschaft anpassen. Und es wird scheitern, wenn wir
auf das Gegenteil hoffen. Nicht nur für die programmatischen Inhalte, sondern auch
für die Organisation der SPD gilt das berühmte Zitat von Willy Brandt: „Jede Zeit
braucht ihre eigenen Antworten“. Wir wissen, dass es Risiken bei jeder Veränderung
gibt. Aber das größte Risiko ist, alles so zu lassen wie es ist. Denn das haben wir alle in
manchen Bereichen schon viel zu lange getan!
Damit wir diesen Herausforderungen gerecht werden können, wollen wir bei allen
Vorschlägen im Rahmen der Parteireform drei Leitlinien folgen:
. Wir wollen nicht nur punktuell etwas verändern, sondern einen andauernden
Veränderungsprozess anstoßen. Die Vorschläge früherer Reformen sind in unsere
Arbeit eingeflossen. Viele neue Vorschläge aus der Partei sind im Zuge der
bisherigen Diskussion in der Partei hinzu gekommen. In erster Linie geht es in den
kommenden Monaten und Jahren nicht um Satzungsänderungen, sondern um
Praxisänderungen. Die Entwicklung unserer Organisation muss genauso zur
Daueraufgabe werden wie die Weiterentwicklung unserer Programmatik.
. Wir wollen alle Gliederungen ermutigen, neue Wege zu gehen. Unsere Mitglieder
wollen wir motivieren, mitzumischen und sich einzumischen. Sie sollen mehr
Beteiligungsmöglichkeiten und einen besseren Service erhalten. Wir wollen
neugieriger auf Neues sein, damit andere neugierig auf uns werden. Dazu soll die
Reform mehr Möglichkeiten schaffen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
. Wir wollen ein positives, realistisches und selbstbewusstes Leitbild für unsere Partei
entwickeln. Statt der Vergangenheit nachzuhängen, müssen wir die Gegenwart
ehrlich analysieren und die Chancen für die Zukunft nutzen. Wenn wir uns im Jahr
 unter dem Eindruck einer sich wandelnden deutschen Gesellschaft erneut auf
den Weg machen, unsere Arbeit zu verändern, müssen wir einen realistischen Blick
auf uns werfen. Dazu gehört auch die Feststellung: In unserer Partei und von
unserer Partei kann man viel lernen. Fast alles, was wir für eine moderne
Volkspartei brauchen, ist in der SPD vorhanden. Aber eben nicht immer überall und
zu jeder Zeit. Wir wollen gemeinsam besser werden.
Es liegt also eine große Aufgabe und eine spannende Diskussion vor uns. Wir sollten
uns dabei nicht verunsichern lassen – auch nicht von aufgeregten Meldungen in der
Presse. Viele, die da schreiben, haben weder Erfahrung mit Parteien noch mit anderen
Großorganisationen. Die Einladung an alle – in und außerhalb der SPD –, sich in diese
Debatte einzubringen, ist ausgesprochen. Sie ist ehrlich gemeint und wird von uns
ernst genommen. Wir freuen uns auf die Gespräche und Diskussionen in den nächsten
Monaten.
Herzliche Grüße
Sigmar Gabriel
Andrea Nahles
Herunterladen