Das SPD-Schicksal

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Das SPD-Schicksal
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emokratie ist eine feine Sache, bereitet aber durchaus Mühe. Wer ein
Mandat haben möchte, muss schon Einiges auf sich nehmen. Meistens
ist die Zugehörigkeit zu einer Partei erforderlich. Dann müssen ein
Programm her, schicke Plakate sowie Fähnchen und Ballons. Sonst
kann man nicht ernsthaft antreten. Diese essentiellen Kulturtechniken
der Demokratie wollen früh eingeübt sein und daher spielten sie an der
Schule unseres Sohnes Wahlkampf.
Nick berichtete, dass er eine erfolgversprechende Partei gegründet
habe, nämlich die SPD. Ich entgegnete, dass das eine gute Idee sei, aber es gebe bereits eine
Partei mit diesem Namen. „SPD steht aber bei uns für Snowboard-Partei Deutschlands“, sagte
er. Dann legte er mir sein Programm dar. Es bestand in der Forderung, eine SnowboardAnlage auf dem Schulgelände zu bauen und diese ganzjährig zu beschneien, außer im
August, weil dann niemand da sei, um Snowboard zu fahren. Ich fragte Nick, wie viele
Mitglieder seine Partei habe und er antwortete, sie seien zu zweit. Dennoch rechne er sich
große Chancen aus, wenn sie erst die Plakate aufgehängt und mit dem Wahlkampf so richtig
begonnen hätten.
Ich bestärkte ihn in seinen Bemühungen, denn er hat Recht: Auch bei Parteien kommt es
nicht unbedingt auf die Größe an. Es gibt sehr kleine Gruppierungen, die überraschend
erfolgreich agieren. Im Rat der Stadt Datteln sitzt zum Beispiel die „Dattelner Stadt Partei“, die
es so überhaupt nur in Datteln gibt. Und der Rat der Stadt Ilmenau wird durch die
Anwesenheit von zwei Vertretern der Partei „Pro Bockwurst“ bereichert. Es handelt sich bei
„Pro Bockwurst“ um eine Initiative für Bildung, Wissenschaft und die Manifestierung der
Bockwurst als Kulturgut. Im Magdeburger Stadtrat tummelt sich ein Vertreter von „Future!“
Das ist eine Partei für junge Leute. Deshalb der englische Name und das Ausrufezeichen. Aber
immerhin: Einen Sitz hat „Future!“ ergattert. Und das ist gut für die Demokratie.
Nach einigen schwierigen Wahlkampfauftritten, in deren Verlauf Nick die Vertreter aller
anderen Parteien als Arschkrampen verunglimpft hatte, schwante ihm, dass seine SPD nicht
besonders hoch in der Wählergunst stand. Ich riet ihm daher zum Führen eines Doktortitels.
Das macht was her und bringt belegbar politischen Erfolg: Es besitzt nämlich gerade mal ein
Prozent der Deutschen einen Doktortitel, aber 17 Prozent der Abgeordneten des Deutschen
Bundestages. Und wenn man geschickt in Prag oder Brazzaville oder an der Universität von
Aschgabat promoviert, geht das auch ganz schnell. Das machte Nick Mut und er pinselte ein
„Doktor“ vor seinen Namen auf den Wahlplakaten seiner SPD.
Seine große Schwester Carla sicherte ihm ihre Stimme zu, was ich nett fand, auch wenn sie
von seinem Programm nichts hält. Überhaupt pflegt sie eine seltsame Beziehung zur
Demokratie. In Ihrem Freundeskreis wird nicht mehr gewählt, sondern nur noch nominiert.
Die Nominierung ist zwar auch eine Art Klassiker der Demokratie, aber bei ihrer Clique ist
damit etwas ganz anderes gemeint, nämlich eine ultimative Aufforderung. Sie spielen da
gerade alle „Neknomination“. Dieses Saufspiel verbreitet sich in rasender Geschwindigkeit
über Facebook und geht so: Jemand filmt sich dabei, wie er eine Pulle Bier auf Ex
hinunterspült. Wenn er die Flasche abgesetzt hat, fordert er drei Bekannte dazu auf, dasselbe
zu tun. Und die müssen sich dann ebenfalls dabei filmen wie sie Bier trinken und wiederum
drei Bekannte dafür nominieren. Es dürfte höchstens noch eine Woche dauern bis sämtliche
deutsche Jugendliche einmal dran waren. Heute sah ich auf Facebook das Filmchen von Alex.
Er schaffte sein Bier in knapp zehn Sekunden und nominierte dann Max, Finn und Julius. Ich
kann mich noch erinnern, wie ich Alex die Schwimmflügelchen angezogen habe. Und jetzt ist
er schon so groß, dass er Bier trinken kann. Ich bin alt.
Und Nick ist am Ende mit seinem Wahlkampf gescheitert. Seine SPD erhielt insgesamt
vier Stimmen, nämlich seine, Carlas, die seines Genossen Paul und die von Maxine, welche in
Paul verknallt ist und alles macht, was er sagt. Dennoch hat die SPD gewonnen, und zwar die
SPD von Madelaine. Sie forderte Kuchen für Alle in jeder großen Pause und eine schulweite
Aufhebung des Kaugummiverbotes. SPD steht bei ihr für „Süßigkeiten-Partei Deutschlands“.
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10. FEBRUAR 2014
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