Tages-Anzeiger - Donnerstag, 23. September 2OlO h Die Frau und der Frauenversteher: Ulla Westvik und Christoph Bichsel sind Teil eines starken Ensembles. Foto: Flurin Bertschinger Ein Casanova gan z olrne Ballast Die neue Taschenopern-Aufführung ist eine Verführung. Gestern war Premiere. Von J6röme Stern Feldmeilen - Was braucht es im knappen Sekretärinnen-Dress, die bild etwas Besonderes einfallen lassen. für einen Männer als Manager verkleidet. Plötz- Sie beschränkte sich auf einen Fauteuil originellen und überzeugenden Opern. abend? Im Fall der neuesten Produktion der Taschenoper Operella nicht viel: lich taucht ein geheimnisvoller Fremder, Casanova (Christoph Bichsel) auf. Der und eine riesige Schrankwand, durch Scheinwerfer, eine Pianistin mitsamt Flügel (Corina Gierd), eine Bühnenwand, praktisch und funktional wie ein Ikea-Schrank, und natürlich Sängerinnen und Sänger. Dazu kommen noch eine Rahmenhandlung mit,möglichst vielen amourösen Verstrickungen und eine schillernde Hauptfigur. Mit diesen Zutaten bringt Dramaturgin Regina Heer eine Minioper um den legendären Frauenversteher und Verführer Casanova auf die winzige Heubühne in Feldmeilen. Die Oper des Schweizer Komponisten Frauenheld ist aus den l(erkern Venedigs geflohen und mischt sich unter die Spassgesellschaft. Als er dort seinen verarmten Freund Soranzo (Benjamin Berweger) trifft, tauscht er einen wertvollen Ring gegen dessen Maske. Nun kann das Spiel des unwidersteh- lichen Casanova beginnen, schon liegt ihm die Frau des Inquisitors zu Füssen. Sie kommen sich nahe, sehr nahe. Hingerissen von seinen heissen I(üssen verhilft sie ihm schliesslich zur erfolgrei chen Flucht. Volkmar Andreae hatte 1924 an der Die Reduktion'ist ein Gewinn Dresdner Staatsoper ihre Uraufführung. Anstelle eines grossen Opernorchesters spielt Gier6 die Musik alleine auf dem Idavier, und man vermisst nichts - im Gegenteil. Gerade durch diese Intimität Nun haben Regina Heer und Corina Gier6 als musikalische Leiterin diese grosse Oper auf ein absolutes Minimum reduziert. Mit sechs begabten Sängerin- nen und Sängern, alle noch in Ausbildung an Musikhochschulen, unterhält diese Version dennoch aufs Beste. Erster Akt - ein Maskenball in Venedig. Die Frau des Inquisitors (Ulla Westvik) langweilt sich mit ihrem Liebhaber und der feinen Gesellschaft. Die Frauen gewinnen die Melodien von Volkmar Andreae an Dramatik. Mal zart schmelzend und süffig wie Nino Rotas Filmmusik für Fellini, mal schroff und kalt wie die Nacht, entfaltet die Komposition ihre eigene Faszination. Da die Heubühne wenig Platz bietet, musste sich Regina Heer für das Bühnen- deren viele Offnungen die Protagonisten immer wieder überraschend erscheinen und verschwinden. Eine überzeugende Lösung. Die jungen Künstler, die alle gleich mehrere Rollen spielen müssen, meis- te.rn ihre komplizierten Partituren scheinbar mit Leichtigkeit, und auch ihre schauspielerische Leistung verblüfft. Ulla Westvik brilliert geradezu in ihren verschiedenen .Rollen: Ob als wahnsinnige- Nina oderals-*iebeshu*g+ rige Marquise, die Feldner Bühne schcint zu klein für ihr Talent. Aber auch andere zeigen aussergewöhnliche Leistungen. In der finalen Szene wird Casanova vor Gericht der Verführung einer Frau angeklagt. Wie er es,fertigbringt, dass die Verhandlung schliesslich in einen rauschhaften Liebestaumel umschlägt, sei hier aber nicht verraten. Heubühne Feldmeilen. 24. September, 19.30 Uhr, 26. September, 17 Uht 28. September, 19.3O Uhr, 30. September, 19.3O Uhr, 2. Oktober 19.3O Uhr, 3. Oktober 17 lJhr. ww w. at elier the at er - m e il e n. ch