Bauelemente und Schaltungstechnik EMV

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BAUELEMENTE UND SCHALTUNGSTECHNIK
EMV-GERECHTER SCHNITTSTELLEN
H. Leopold und G.Winkler
4.6.97, Institut für Elektronik der TU-Graz
Die als Beispiel betrachteten digitalen Schnittstellen RS 232, die 20mA Stromschleife und
RS 485 sowie das analoge 4 bis 20mA (life zero) Zweidrahtsignal ermöglichen die
Informationsübertragung zwischen Geräten und Systemteilen mit Hilfe von elektrischen
Signalen. Über die Leitungen für diese Signale – meist durch den Schnittstellenstandard
definiert – gelangen auch Störungen in das Innere der Geräte. Das sich ergebende EMVProblem wird durch die Verwendung geeigneter Bauelemente und die richtige
Schaltungstechnik bewältigt.
Vor welchen Beeinflussungen müssen wir uns fürchten?
1.) Elektrostatische Entladung (ESD), IEC 1000-4-2, EN 61000-4-2
Nach EN 50082-2 gilt für dasCE-Zeichen Kriterium B (flüchtiger Fehler erlaubt).
E = 4kV (Kontakt)
E = 8kV (Luft)
2.) Impulsgarben (Burst), IEC 1000-4-4, EN 61000-4-4, Kriterium B
Dauer der Garbe 15ms, Abstand zwischen den Garben 300ms
Einkopplung in Datenleitung
Einkopplung in Netzleitung
-23.) Stoßspannung (Surge), IEC 1000-4-5, EN 61000-4-5, Kriterium B
Leerlaufspannung EO der Form 1,5/50µs:
Kurzschlußstron IO der Form 8/20µs:
EO = 2kV gegen Erde
EO = 1kV zwischen den Datenleitungen
Einkopplung in Datenleitung
4.) HF leitungsgebunden (150kHZ - 80MHz) IEC 1000-4-6, EN 61000-4-6
als Strahlung
(80MHz - 1GHz)
IEC 1000-4-3, EN 61000-4-3
In industrieller Umgebung E = 10V/m,amplitudenmoduliert mit 1kHz, 80%.
Kriterium A, weil Störung stationär: Auch während des Auftretens der Beeinflussung muß
richtiger Datenverkehr möglich sein.
Die Einführung des EMV-Richtlinie (CE-Zeichen 1.1.1996) zwang viele Hersteller,
vorhandene Konstruktionen nachzubessern. Mit großem Aufwand und unter Zeitdruck wurden
„naive“ Interfaceschaltungen mit Hilfe von zusätzlichen Bauelementen störfest gemacht.:
Längs- bzw. Querglieder zur Stördämpfung (leider auch Signaldämpfung); R, L und deren
Kombination (R dissipiert, L schwingt) bzw. Kondensatoren hoher Impulsfestigkeit
(Dielektrikum, Bauform, 1cm Zuleitung verursacht etwa 10nH
Serieninduktivität).
Heute bieten mehrere Hersteller stör- und zerstörfeste integrierte Interfaceschaltungen an:
digitale z.B. LT, AD, TI, MAX; analoge z.B. HP und BB. Es gibt hochwirksame schnelle
Suppressordioden bis zu 5kW Impulsleistung und robuste Varistoren für jede in
elektronischen Geräten übliche Betriebsspannung. Beide Begrenzerarten lassen sich auch in
Parallelschaltung vorteilhaft anwenden. TI und ST bieten genaue Klemmschaltungen (z.B.
Hexclamp TL7726) an, deren Klemmspannung von außen zugeführt wird. Integrierte
Instrumentenverstärker (z.B. BB) sind an den Eingängen so spannungsfest (±40V), daß die
Dimensionierung derSchutzbeschaltung ohne Kompromisse erfolgen kann.
-3Für die richtige Wahl einer Schnittstelle ist neben dem zu übertragenden Format des Signals
(analog, digital, Spannung, Strom, Datenrate) auch die zu überbrückende Entfernung zu
berücksichtigen. Bei Entfernungen <3m sind auch störempfindliche Spannungsschnittstellen
verwendbar (Centronics mit TTL-Pegel), wobei die Schirmung der Datenleitungen unbedingt
notwendig ist. Bis 30m und einer Datenrate von 20kBd muß die RS 232 Schnittstelle
eingesetzt werden. Bei höheren Datenraten (1MBd) und größeren Entfernungen (1,5km) kann
die geschirmte RS 485 verwendet werden. Die 20mA Stromschleife ist sowohl für die digitale
als auch für die analoge Signalübertragung geeignet (20kBd, 1km).
Bei großen Entfernungen, aber auch schon bei Datenübertragungen zwischen zwei Häusern
müssen neben den Sörungen die direkt auf die Datenleitungen einwirken auch mögliche
Verschiebungen der Erdpotentiale (Blitzschlag, verschiedene Erdungssysteme) in Betracht
gezogen werden. Eine Potentialtrennung mit einer Spannungsfestigkeit entsprechend dem
Scheitelwert der Netzspannung (ca. 400V) in Kombination mit Überspannungsableitern
schützt vor Zerstörung.
Bei einer potentialgetrennten Schnittstelle ergibt sich zusätzlich der Vorteil, daß
eingekoppelte Störsignale nicht vollkommen unterdrückt werden müssen, da die Störgröße als
Gleichtaktsignal in Erscheinung tritt, das übertragene Nutzsignal jedoch ein Differenzsignal
ist. Durch geeignete Bauelemente (Transformator, Optokoppler) gelingt die Trennung
zwischen Nutz- und Störsignal auf einfache Weise ohne das Störsignal völlig unterdrücken zu
müssen. Nutz- und Störsignal können auch im gleichen Frequenzband liegen. Infolge der
parasitären Koppelkapazitäten in den verwendeten Bauteilen muß das Störsignal soweit
unterdrückt werden, daß ein Übersprechen zwischen Primär- und Sekundärseite ausreichend
klein bleibt. Bei Einsatz eines Optokopplers bedeutet dies, daß das dU/dt der Störspannung
soweit begrenzt werden muß, daß der Stromfluß durch die Koppelkapazität zwischen LED
und Fototransistor bzw. Fotodiode nicht störend in Erscheinung tritt. Die zulässige
Anstiegsgeschwindigkeit der Störspannung ist im Datenblatt angegeben.
Wenn man eine Störgöße (z.B. Burststörung) nicht zur Gänze unterdrückt, sondern
kontrolliert in das Innere eines Gerätes eindringen läßt, ist eine sorgfältige Konstruktion der
Schnittstelle unbedingt erforderlich. Alle Datenleitungen der Schnittstelle müssen möglichst
gleich behandelt werden, um Unsymmetrien und in der Folge Differenzstörspannungen zu
vermeiden. Da sich das Potential der Schnittstellenschaltung sehr rasch ändern kann, ist auf
einen kompakten Aufbau mit kurzen Verbindungen zu achten. Selbstverständlich sind
geschützte und ungeschützte Schaltungsteile räumlich voneinander zu trennen.
Beim Entwurf der Schaltungen sind störempfindliche Punkte möglichst zu vermeiden. Gute
Optokoppler können Daten ohne Störungen übertragen während sich das Potential des
Eingangs relativ zum Ausgang mit 1000V/µs verändert. Durch eine Streukapazität von 1pF
fließt dabei ein Strom von 1mA. An einem Widerstand von 10kΩ entsteht durch diesen
Störstrom eine Spannung von 10V (andere Kapazitäten nicht berücksichtigt). Wird dem
Widerstand eine Kapazität von 1nF parallelgeschaltet wird die Störung aufgrund der
Kapazitätsverhältnisse um den Faktor 1000 kleiner. Bei sorgfältiger Überlegung können
hochohmige Punkte selbst dort vermieden werden wo sie zuerst als unvermeidlich erscheinen
(siehe folgende Abbildung einesKomparators mit Hysterese).
-4-
Operationsverstärker undKomparator
Der Entwurf störfester Schaltungen sei noch an einem weiteren einfachen Beispiel gezeigt:
Beim Übergang von der analogen in die digitale Welt entstehen oft Probleme beim Vergleich
stark gestörter Spannungen mit einer Schwellspannung. Auch beim vorher gezeigten
Komparator kann nicht verhindert werden, daß bei großen überlagerten Störspannungen auf
der Eingangsseite am Ausgang je nach zeitlichem Verlauf der Eingangspannung in der Nähe
der Schwelle verschieden lange Impulse entstehen. Dabei sind Ausgangsspannungen möglich,
die die Logikschwelle z.B. eines Flip-Flops oder Zählers für beliebig kurze Zeit überschreiten.
Ein Tiefpaß am Eingang beseitigt das Problem nicht. Bei kritischen Anwendungen ist
folgende einfache Schaltung anwendbar:
Am Ausgang des zweiten Inverters können nur Impulse der Mindestdauer RC erscheinen.
Dabei gibt es keinen undefinierten Übergangsbereich. Die Schaltung ist auch geeignet
mögliche flüchtige Zuständekombinatorischer Logik zu unterdrücken.
Die Simulation des Verhaltens von Schnittstellen bei Auftreten von Störungen kann nach zwei
Gesichtspunkten erfolgen: Einerseits das Verhalten von Schutzelementen bei transienten
Überspannungen und andererseits die Untersuchung ob die Störung einen Fehler der zu
übertragenden Signale bewirkt bzw. ob diese fehlerhaft empfangen werden. Das Verhalten
und die Simulation einer digitalen Schnittstelle bei transienten Überspannungen wurde im
Rahmen des EMV-Seminars 1995 untersucht. Dabei ergab sich bei der Simulation mit dem
Hybridgenerators eine sehr gute Übereinstimmung, bei der Simulation mit dem Burstgenerator
eine gute Übereinstimmung mit der Messung, wobei sich jedoch die Problematik parasitärer
Schaltungselemente zeigte.
-5Die folgende Abbildung zeigt eine potentialgetrennte passive 4-20mA 2-Drahtschnittstelle zur
Übertragung analoger Signale. Die Fotodiode CNR201 ist Teil eines Optokopplers. Der
infolge der Beleuchtung dieser Fotodiode fließende Strom verursacht einen Spannungsabfall
am Widerstand mit Rsoll (8,66 kΩ). Der aus dem Operationsverstärker LT1077 und dem
Leistungtransistor BD939 gebildete Stromregler regelt den Strom durch den Widerstand Rist
(20 Ω) so, daß sich an ihm der gleiche Spannungsabfall ergibt. Dieser Strom ist der
Ausgangsstrom der passiven Stromsenke. Das Verhältnis von Fotostrom zu Ausgangsstrom
wird durch das Verhältnis der beiden Widerstände zueinander bestimmt.
Schaltbild einer passiven 2-Drahtschnittstelle 4-20mA
Bei der Prüfung der Störfestigkeit dieser Schaltung gegen leitungsgeführte hochfrequente
Störungen ergab sich eine Abweichung von ca. 200µA bei der Prüfung mit einer simulierten
Feldstärke von 12V/m und einer Frequenz von 150kHz. Der größte Fehler der
2-Drahtschnittstelle soll aber laut Spezifikation nur 20µA betragen (10bit).
Blockschaltbild des Prüfaufbaus nach EN 61000-4-6
-6-
Schaltbild einer Simulation mit PSPICE
Die Simulation der Störung mit PSPICE ergab keine Abweichung des eingestellten Stroms,
half aber trotzdem bei der Suche nach der Ursache für die gemessene Abweichung. Diese ist
zweifach begründet: Einerseits fließt ein Störstrom durch den 100nF Stützkondensator des
LT1077 und den 20 Ω Meßwiderstand des Stromreglers infolge einer von Unsymmetrien der
beiden π-Filter am Eingang hervorgerufenen Differenzstörspannung, andererseits entsteht eine
Störspannung an den 8,66 kΩ infolge der Koppelkapazität im Optokoppler CNR201. Diese
Störspannungen am Eingang des Stromreglers können von diesem nicht mehr richtig
verarbeitet werden da die Transitfrequenz des LT1077 nur ca. 100kHz beträgt. Eine teilweise
Gleichrichtung der Störung durch den Operationsverstärker und damit eine Veränderung des
eingestellten Stroms ist die Folge. Abhilfe: Fernhalten dieser Störspannung vom
Operationsverstärker durch Umbau der Schaltung in einen Differenzintegrator (Einfügen eines
zusätzlichen Tiefpasses vor den + Eingang). Die Simulation mit PSPICE konnte dieses
Verhalten nicht zeigen, da das verwendete Modell für den Operationsverstärker nicht für
diesen Extremfall entwickelt wurde. Die Störspannungen werden in ihrer Größenordnung
jedoch richtig wiedergegeben und sind zum Teil der Messung nicht zugänglich
(Tastkopfkapazität!).
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