PR AX IS N ur die möglichst frühzeitige und zielgerichtete Behandlung von akuten Augenerkrankungen kann verhindern, dass Trübungen der lichtbrechenden Medien des Auges, Sehbehinderungen oder gar Blindheit und chronische Schmerzen zurückbleiben, dass das Auge schrumpft und entfernt werden muss. Im folgenden sollen die wichtigsten Augenprobleme bei Pferden kurz besprochen werden. Verletzungen der Augenumgebung, der Lider und der Augen Verletzungen der Augenregion sind bei Pferden nicht selten. Hierzu kommt es durch Stürze, Unfälle, Anrennen gegen Hindernisse, Scheuern an scharfkantigen Gegenständen, Hängenbleiben mit den Lidern an Baumästen und durch Hufschläge. Die Anzeichen sind je nach Art und Ausmaß der Verletzung unterschiedlich. Eingedrückte Angesichtskonturen in der Augenumgebung, offene Verletzungen mit oder ohne sichtbare Knochensplitter, eingerissene und geschwollene Lidränder, Tränenfluss und Blutungen können die Folgen sein. Da die lockeren Gewebe der Augenlider bei Verletzungen sehr zu Schwellungen neigen, kann schon kurz nach dem Unfall die Lidbewegung so eingeschränkt sein, dass der Lidschlag die Hornhaut nicht mehr mit Tränenflüssigkeit benetzt und diese rasch austrocknet und schweren Schaden nimmt. Der Pferdehalter sollte die verletzte Region genau betrachten, um seine Feststellungen einem Tierarzt mitteilen zu können. Keinesfalls sollte aber ein Laie die Verletzungen betasten, die Lider gewaltsam öffnen oder andere Manipulationen vornehmen. Es könnte sein, dass durch Manipulationen und Abwehr des Pferdes ein möglicherweise verletzter Augapfel weiter geschädigt wird. Es muss durch tierärztliche Untersuchung festgestellt werden, ob z.B. eine Lidwunde vor Ort versorgt werden kann, oder ob eine Klinikeinweisung ratsam ist. Wenn die verletzten Lider schon stark geschwollen sind oder wenn der Augapfel aufgrund erheblicher Abwehr 30 BAYERNS PFERDE 9/2002 Aus der Tierarztpraxis SERIE: Aus der Tierarztpraxis Augenverletzungen / Augenerkrankungen Augenverletzung und Augenkrankheiten bei Pferden sollten stets als Notfälle angesehen werden, die die sofortige Hinzuziehung tierärztlicher Hilfe not- wendig machen. Panikmache? Nein! Aber Augenverletzungen sind eben in den meisten Fällen nur anfangs erfolgreich zu behandeln. Prof. Dr. Hartmut Gerhards Nach dem Studium der Tiermedizin in Hannover (1974-1979) erfolgte die Promotion (1982), Fachtierarzt für Pferde (1986), Fachtierarzt für Chirurgie (1990), Habilitation (1992), Zusatzbezeichnung: Augenheilkunde (2000). 1992 Ruf auf die C 4-Professur für Allgemeine Chirurgie und Spezielle Chirurgie des Pferdes der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seitdem Vorstand und Lehrstuhlinhaber (für Innere Medizin und Chirurgie des Pferdes sowie Gerichtliche Tiermedizin). führt, der Sekrete absondert, die Fliegen anziehen, wodurch das Pferd sehr belästig wird und entstellt ist. Die Entscheidung darüber, ob das Auge besser entfernt oder operiert wird, sollte am besten in Vollnarkose getroffen werden, weil man dann erst ein verletztes Auge eingehend und gefahrlos untersuchen kann. Lidtumoren Zubildungen an den Augenlidern und an der Bindehaut sind bei Pferden ebenfalls nicht selten. Sie geben sich durch glatt-rundliche, warzenartige oder flächige Erha- Augenerkrankungen bei Pferden Bild 1: Ein nahezu vollkommen abgerissenes Unterlid. Das Auge ist durch Austrocknung der Hornhaut in Gefahr. auch nach medikamentöser Ruhigstellung nicht ausreichend untersucht werden kann, kann die Untersuchung gefahrloser in Vollnarkose vorgenommen und dabei ggf. behandelt oder operiert werden. Es kann auch sein, dass der Tierarzt zunächst nur abschwellende und entzündungshemmende Medikamente und Antibiotika verabreicht, einen Kopf- bzw. Augenverband anlegt und dadurch bessere Voraussetzungen für eine später vorzunehmende Operation schafft. Achtung! Das Anlegen eines Kopfverbandes sollte nur von einem Tierarzt vorgenommen werden, da das Auge bei unsachgemäßem Verband durch diesen geschädigt werden kann! Zum Schluss noch das Gute: Lidverletzungen sehen oft dramatisch aus, können jedoch in vielen Fällen vollkommen geheilt werden, vorausgesetzt, sie werden rechtzeitig festgestellt und operiert. Anders ist es, wenn der Augapfel selbst beschädigt ist. Es hängt dann sehr von der Art und dem Ausmaß der Verletzung ab, ob die Sehfähigkeit, oder nur das Auge als solches erhalten werden können. Das Pferd sollte deshalb schnellstmöglichst in eine für Augenoperationen (Hornhautnähte) eingerichteten Klinik eingeliefert werden. Oft ist es besser, einen schwer verletzten Augapfel zu entfernen, da die unabwendbare Schrumpfung zu einem offenen Bindehautsack benheiten an der Lidhaut oder an der sichtbaren Lidbindehaut, zuweilen auch am sog. dritten Augenlid zu erkennen. Bei Tumoren der Bindehaut und des dritten Augenlides ist oft eine chronische Tränenspur das erste auffällige Anzeichen, das auch der Laie leicht erkennen kann. Alle Zubildungen sind tumorverdächtig und sollten bezüglich ihres Wachstums sehr genau beobachtet werden. Große Tumoren führen dazu, dass die Lider nicht mehr richtig geschlossen werden können und bieten bei Operationen große Probleme, da mit der Tumorentfernung oft viel Lidhaut verloren geht, der Lidschlag behindert ist und die Hornhaut in Gefahr gerät, auszutrocknen und zu trüben. Deshalb gilt auch hier, dass nur bei möglichst frühzeitiger Behandlung Schäden am Auge verhindert werden können. Hornhautverletzungen und Hornhautentzündungen Sie können durch Unfälle, Scheuern, in den Bindehaut- Bild 2: Ein Lidtumor behindert durch seinen Umfang die Öffnung des Lides und damit das Sehen. www.bayernspferde.de Innere Augenentzündung, sog. periodische Augenentzündung oder Mondblindheit Die Krankheit war wegen ihrer augenzerstörenden Wirkung von jeher sehr gefürchtet und ihre Symptome wurden bereits in der Antike beschrieben. Es handelt sich dabei um eine schubartig wiederkehrende Entzündung der Gefäßhaut des Auges. Als Ursache konnten im Auge (Glaskörper) angesiedelte Bakterien (Leptospiren) und dadurch hervorgerufene Immunprozesse identifiziert werden. Die Entzündungen können akut und von Bild 4: Hornhauttrübung, Blutgefäßeinsprossung und Entzündungsprodukte in der vorderen Augenkammer und enge Pupille bei schwerer innerer Augenentzündung (equine rezidivierende Uveitis). Bild 3: Kreisrunde Hornhautverletzung mit Trübung und Blutgefäßeinsprossung vom Hornhautrand. www.bayernspferde.de Fotos: Gerhards fungen durch bakterielle Besiedelung oder durch Pilzbefall Hornhauteinschmelzungen (Hornhautgeschwüre) entstehen können, die zum Augenverlust führen können, ist auch dabei auf eine sachgemäße tierärztliche Untersuchung Wert zu legen. Keinesfalls dürfen ohne tierärztlichen Rat kortisonhaltige Medikamente angewendet werden. Durch Gabe von antibakteriellen, pilzwachstumhemmenden und heilungsfördernden Salben kann in den meisten Fällen eine komplette Abheilung erzielt werden oder es bleiben nur unbedeutende Narben zurück. heftigen Schmerzen begleitet auftreten, aber auch chronischschleichend verlaufen. Die von der akuten Augenentzündung betroffenen Pferde wirken schlapp, sind appetitlos, stehen mit leicht gesenktem Kopf, haben nicht selten leichtes Fieber (38,7 - 39,0 ∞C) und lassen sich kaum anfassen. Die leicht geschwollenen Lider werden krampfhaft geschlossen gehalten (Lichtscheue) und aus der Lidspalte entleert sich ein wässriges Sekret. Wenn das Pferd doch veranlasst werden kann, die Lider einen spaltbreit zu öffnen (z. B. durch Papierrascheln), sieht man eine gerötete Bindehaut und eine hauchartig getrübte Hornhaut. In der vorderen Augenkammer befindet sich anstatt des glasklaren Kammerwassers eine weiß-gelbliche, manchmal auch rötliche Masse (Fibrin und Entzündungszellen, manchmal mit Blutspuren vermischt). Die Pupille ist eng und der Glaskörper trübt ein. Bei geöffneter Pupille (nach Behandlung) offenbart sich ein gelblich-grüner Pupillenreflex. Bei derartigen Symptomen sollte immer frühestmöglich (Notfall!) tierärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Der Tierarzt wird das Auge eingehend untersuchen und bei Bestätigung der Diagnose „innere Augenentzündung“ pupillenerweiternde, entzündungshemmende und schmerzlindernde Medikamente verordnen, die der Pferdehalter streng nach Vorschrift anwenden sollte. Achtung! Da bei manchen Verletzungen ähnliche Symptome hervorgerufen werden, die Behandlung aber unter Umständen ganz anders erfolgen sack eingedrungenen Fremdkörper und durch Lidverletzungen entstehen. Die Folgen sind neben den oben beschriebenen Schmerzsymptomen, schleimiger Augenausfluss, gerötete Bindehaut und partielle oder ausgedehnte Trübungen der Hornhaut. Da diese das optische Fenster zu den Strukturen im Augeninneren darstellt, führen Hornhautveränderungen rasch zu Sehbehinderungen. Da aus leichten Abschür- Bild 5: Glaskörperoperation bei einem Pferd mit innerer Augenentzündung. muss, sollte der Pferdehalter nicht darauf verzichten, die Untersuchung des Auges durch einen Tierarzt vornehmen zu lassen. Unter der Behandlung klingen die Symptome rasch ab, die Schmerzen lassen nach, die Trübungen verschwinden aus dem Auge und die Pupille öffnet sich. Manchmal sind dann nur noch die Spuren der Entzündung im inneren Auge mittels Augenspiegel erkennbar. In der Folgezeit treten weitere Schübe meist in unregelmäßigen Abständen auf, in manchen Fallen aber auch alle 4 bis 6 Wochen, was der Krankheit den Namen „periodische Augenentzündung“ eingebracht hat. Ohne Behandlung dauern die Schmerzsymptome 8 bis 10 Tage und die Folgen sind sehr viel dramatischer als bei konsequenter Behandlung. So kommt es oft schon nach dem ersten Anfall zu Verklebungen der Regenbogenhaut mit der Linse und dadurch zu Linsentrübungen und Erblindung. Der Glaskörper weist starke Trübungen auf und die Netzhaut kann sich ablösen. Weitere Schübe schädigen das Auge immer weiter und führen zur Erblindung und zur Schrumpfung des Augapfels. Den Schüben und der drohenden Erblindung kann heute mittels einer Glaskörperoperation wirksam begegnet werden. Dadurch hat die innere Augenentzündung einen Teil ihrer Schrecken verloren. Dennoch darf die Behandlung mit Medikamenten keinesfalls vernachlässigt werden, da die Operation nur optimale Ergebnisse erzielt, wenn die akute Entzündung abgeklungen ist und wenn das Auge nicht zu stark beschädigt ist. ■ BAYERNS PFERDE 9/2002 31