Landkreis Alzey-Worms Kreisverwaltung 13. Fortbildungsveranstaltung für die in der Altenhilfe Tätigen Thema: „Therapeutischer Umgang mit Demenzkranken – unter Berücksichtigung von Depression und herausforderndem Verhalten“ vom 27. November 2013 in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey, -Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dautenheimer Landstr. 66 55232 Alzey Zusammengestellt und herausgegeben durch die Koordinierungsstelle für Psychiatrie des Landkreises Alzey-Worms An der Hexenbleiche 36 55232 Alzey Alzey, im Juli 2014 Vorwort Die jährlich stattfindende Gerontopsychiatrische Fortbildungsveranstaltung ist zum festen Bestandteil in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey geworden. Die gemeinsame Veranstaltung der Rheinhessen-Fachklinik Alzey und Koordinierungsstelle für Psychiatrie im Landkreis Alzey-Worms fand zum 13. Mal statt. der Drei Vorträge zum „Therapeutischen Umgang mit Demenzkranken – unter Berücksichtigung von Depression und herausforderndem Verhalten“ dargeboten von Frau Eva Quack, Demenznurse der Universitätsklinik Mainz, Frau Marion Rahn, Lotte-Lemke-Haus Bad Kreuznach und Dr. Wolfgang Gather, Chefarzt der gerontopsychiatrischen Abteilung der Rheinhessen-Fachklinik Alzey gestalteten den Nachmittag interessant, lebendig und praxisnah (Teilnehmerrückmeldungen). Die integrierte Lockerungs- und Dehnübungen von Frau Andrea Brodersen fanden erneut große Zustimmung. Im Folgenden finden Sie die Vorträge dokumentiert. Wir bedanken uns für die Unterstützung bei den Firmen Lilly und Norgine. Landkreis Alzey-Worms Kreisverwaltung „Therapeutischer Umgang mit Demenzkranken“ Unter Berücksichtigung von Depression und herausforderndem Verhalten 13. Gerontopsychiatrische Fortbildungsveranstaltung am 27. November 2013 in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey ausgerichtet durch die Koordinierungsstelle für Psychiatrie in Zusammenarbeit mit der Rheinhessen-Fachklinik Alzey Programm 14:00 Uhr Begrüßung Frau Anita Haas, Psychiatriekoordinatorin 14:05 - 14:50 Uhr „Umgang mit Demenz im Krankenhaus“ Eva Quack, Demenznurse Universitätsmedizin Mainz 14:50 - 15:00 Uhr Bewegungspause Andrea Brodersen 15:00 - 15:45 Uhr „Umgang mit herausforderndem Verhalten“ nach Erwin Böhm Marion Rahn, Lotte-Lemke-Haus, Bad Kreuznach 15:45 - 16:15 Uhr Kaffeepause 16:15 – 17:00 Uhr „Depression und/oder Demenz“ – differentialdiagnostische und therapeutische Optionen – Dr. Wolfgang Gather, Rheinhessen-Fachklinik Alzey Ca. 17:10 Uhr Veranstaltungsende Wir bedanken uns für die Unterstützung von: Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Umgang mit Demenz im Krankenhaus Eva Quack, Leitung der Servicestelle für Patienten mit kognitiven Einschränkungen oder Demenz, Ressort Pflegevorstand 26.11.2013 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Übersicht Problematik „Demenz im Akutkrankenhaus“ Herausforderungen im Akutkrankenhaus Gezielter Umgang mit herausforderndem Verhalten Intervention vs. Prävention Serial Trial Intervention©, Validationstherapie© Fazit 2 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Problematik „Demenz im Akutkrankenhaus“ (1) Fehlende Angabe der bestehenden Diagnose Demenz bei Aufnahme in ca. 40% der Fälle Häufig wurde im ambulanten Setting keine fachärztliche Diagnose gestellt Verschlechterung der Kognition durch zusätzliche somatische Erkrankung und Aufnahme ins Krankenhaus Erstmaliges Auftreten von bisher kompensierten Defiziten/ Demenzsymptomen 3 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Problematik „Demenz im Akutkrankenhaus“ (2) Erhöhte Mortalität bei der Ko-Diagnose Demenz (Shen et al. 2013) Längere Behandlungsdauer (Ø 7,1 Tage) (Nordheim 2001) Signifikante Erhöhung von Komplikationen und Kosten im Vergleich zu nicht-dementen Patienten (Lin et al. 2013) Deutlich erhöhtes Delirrisiko bei Patienten mit Demenz (Zuliani et al., 2012) Häufigere stationäre Aufnahme bei Patienten mit Demenz (Phelan et al. 2012) → eine stationäre Behandlung ist bestenfalls ganz zu vermeiden! 4 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Ausgangslage in der Universitätsmedizin Mainz Alter 71 – 80 J. über 80 J. gesamt (70 +) 18000 16901 16000 14000 12000 11432 10000 Anzahl alter Patienten und geschätzte Demenzfälle in der Universitätsmedizin 2011 (stationäre Behandlung) 8000 5469 6000 9% 4000 2000 1520 1017 503 0 71 bis 80 Jahre Demenzfälle (4,4%) über 80 Jahre Demenzfälle (18,6%) über 70 Jahre Demenzfälle gesamt real wurden in 2011 nur 784 Demenz Diagnosen (ICD-10) gestellt weniger als 50% der möglichen Demenzfälle werden erfasst Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Wie begegnen wir häufig Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus? Quelle: Malteser 6 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Ungünstige Faktoren für Pflege und Ärzte Fehlende Sensibilisierung Fehlende Informationen, Biografie unbekannt Kurze Verweildauer Fehlende Bezugspflege/ Primary Nursing Defizit-Modell vs. Person-zentrierte Sicht Fehlende demenzsensible Versorgungskonzepte Fehlende Betreuungs- und Beschäftigungsangebote Fehlende Qualifizierungsmaßnahmen 7 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Ungünstige Faktoren für Patienten Unbekannte, unüberschaubare Umgebung Eingeschränkte Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten veränderte Tagesabläufe veränderte Umgangsformen Andere Form der Betreuung Beängstigende Handlungen Fehlende Bezugsperson Hektik, chaotische Geräuschkulisse, schlechte Beleuchtung. 8 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Folgen für Patienten und Personal Patienten… verstehen nicht was passiert lehnen pflegerische und medizinische Maßnahmen ab können ihre Bedürfnisse nicht klar ausdrücken büßen an Alltagskompetenzen ein Pflege und Ärzte… sind auf die spezifischen Probleme unzureichend eingestellt haben zu wenig Zeit, auf spezifische Bedürfnisse einzugehen sind mit den Anforderungen an Kommunikation und Begleitung überfordert 9 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Neuropsychiatrische Begleitsymptome Agitiertes Verhalten: Reizbarkeit Erregung/ Aggressivität Enthemmung motorische Unruhe/ "Wandering" Wahnvorstellungen Halluzinationen Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus Passives Verhalten: Angst/ Unsicherheit Sozialer Rückzug Apathie/ Gleichgültigkeit Depression Herausfordernde Verhaltensweisen ↑ Medizinischer und pflegerischer Mehraufwand Definition: Problematische Verhaltensweisen, die ↑ Belastung für die der Person, Klinikpersonal sie aufweist, oder UND dem Patient/ Setting, in Angehörige dem sie stattfinden Schwierigkeiten bereiten 10 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Erwartungen von Pflegenden Patentrezepte für Akutsituationen?! Psychosoziales Pendant zu hoch „wirksamen“ Pharmaka?! 1. Optimale Umgebung und Pflege schaffen! 2. Nicht-medikamentöse Therapien anbieten! 3. Medikamentöse Therapie erst als ultima ratio! 11 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Nicht-medikamentöse Ansätze Bedürfnisorientierte Interventionen vs. präventive Strategien Zahlreiche theoretische Erklärungsmodelle unterstützen Pflegeexperten beim Assessment und der Wahl der Interventionen (Kitwood; Cohen-Mansfield) Kernaussage: Herausforderndes Verhalten als Versuch ein Bedürfnis zu äußern bzw. zu befriedigen Bedürfnisorientierte Intervention setzt Bereitschaft zum Verstehen voraus 12 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Ursache für Herausforderndes Verhalten Identifikation der Ursachen/Bedürfnisse Soziale Umgebung/Setting: Struktur und Interaktion mit dem Personal Verhaltensweisen Oberfläche Wahrnehmungsdefizite: visuell, auditiv, taktil Physiologische Bedürfnisse: Schmerzen, Hunger, Durst, Ausscheidung, Schlaf, Unwohlsein Veränderungen: Auswirkungen auf Appetit, Energie, Reizbarkeit Medikationsproblematik: Wechselwirkungen, Nebenwirkungen Geistiger und körperlicher Gesundheitsstatus: Allgemeinzustand, Ängste, Psychose, Depression Neurologischer Status: Kognition, FTD Quelle: eigene Abbildung Überzeugungen/ Psychosoziale Bedürfnisse: Fürsorge, Pflichtgefühl, Verantwortung 13 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Affektive Bedürfnisse von Menschen mit Demenz Kontakt und Gespräche Aufmerksamkeit Zuwendung Ansprache ohne Reizüberflutung Mitspracherecht Sicherheit und Orientierung Beschäftigung 14 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Gezielter Umgang mit Herausforderndem Verhalten (1) Bedürfnisorientierte Interventionen: Strukturiertes Vorgehen nach Serial Trial Intervention© Zielsetzung Verhaltensweise als Ausdruck unbefriedigter Bedürfnisse begreifen Bedürfnisse befriedigen Optimierte Schmerzbehandlung Reduktion der Psychopharmaka-Gabe 15 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Vorgehen der Serial Trial Intervention Fallbesprechung Quelle: Christine Kovach Erkennen einer Verhaltensänderung Abfolge von Assessments Körperlich + _ 2 Affektiv + _ Serial Trial Intervention Abfolge von Interventionen Bedürfnis befriedigen wenn das Verhalten zu mehr als 50 % fortbesteht Bedürfnis befriedigen weiter zu 2 weiter zu 3 3 Versuch: Nicht-medikamentöse Maßnahme weiter zu Versuch: Analgetika weiter zu Beratung Arzt oder Versuch Psychopharmaka start low; go slow wiederholte Beratung neue STI-Abklärung weiter zu 16 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Gezielter Umgang mit Herausforderndem Verhalten (2) Präventive Strategien: Präventive psychosoziale Therapieverfahren: Reminiszenztherapie Musiktherapie Bewegungstherapie Pflegepraktiken verbessern: Validationstherapie Wissen Einstellung/ Haltung Fertigkeiten „Veränderungsverhinderer“? Präventive psychosoziale Methoden sind die häufigsten pflegerischen Strategien Milieugestaltung: Garten- und Außenanlage Rückzugsmöglichkeiten Farben, heimische Gestaltung Quelle: eigene Abbildung 17 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Validation® nach Naomi Feil Validation = Wertschätzung, Gültigkeitserklärung Ziel: Kommunikation im Sinne: „In den Schuhen des anderen gehen“ Grundlagen: • Perspektivwechsel im Umgang und in der Kommunikation mit Menschen mit Demenz • Wert liegt auf dem emotionalen Gehalt des Gesagten • Stützt auf Theorie der Lebensstadien (E. Erikson) • Bewältigung spezifischer Lebensaufgaben • Aufarbeitung der Vergangenheit über vier Aufarbeitungsphasen 1. Stadium unglückliche Orientierung 2. Stadium Zeitverwirrtheit 3. Stadium wdh. Bewegung 4. Stadium Vegetieren Quelle: www.derwesten.de 18 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Integrativen Validation® nach Nicole Richard Ausgangslage: Menschen mit Demenz ziehen sich in ihre innere Wirklichkeit („Insel“) zurück Ziel: praxisorientiert und pragmatisch zu einem wertschätzenden, lösungsorientierten Umgang finden Grundlagen: • Kommunikationstechnik, die Zugang zum Erleben ermöglicht • Fokus liegt auf der Wahrnehmung und Benennung von Gefühlen (Affekten)/ Antrieben (Bedürfnissen) • Kommunikation als Zusammenwirken von Gedächtnis, Sprache UND Emotion Realität von Menschen ohne Demenz Realität von Menschen mit Demenz Nebelwelt „Innere Realität des Menschen mit Demenz“ „Gefühlsmäßige Erinnerung“ Quelle: Nicole Richard 19 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Prinzipien der integrativen Validation Respektieren des demenzbetroffenen Menschen als Person Sich einstimmen auf seine verbalen und nonverbalen Signale Gefühle und Antriebe wahrnehmen – auch Angst, Wut oder Heimweh akzeptieren Gefühle nicht korrigieren oder abschwächen/ mildern Gefühle und Antriebe benennen, die zum Ausdruck gebracht werden (= Ressourcen) Authentische Sprache, kurze Sätze verwenden Bekannte Redewendungen, Metaphern verwenden Keine Fragen stellen, die nicht beantwortet werden können 20 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Validationsgespräch 1. Gefühl und Antrieben erkennen: Was will er durch Worte und Verhaltensweisen ausdrücken? 2. Gefühl und Antrieb ernst nehmen, bestätigen und „spiegeln“ 3. Allgemein mit Hilfe von Sprichwörten, Redewendungen, Liedern, etc. bestätigen 4. Biografisches Echo geben, Einbindung von Schlüsselwörtern http://www.youtube.com/watch?v=ESpXeEse9-k 21 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz 22 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Wirksamkeitsnachweis Validation zeigt tendenziell positive Effekte (Finnema et al., 2005) Evidenzlage noch ungenügend (Neal et al., 2009) Betrifft eine Vielzahl von nicht-medikamentösen Interventionen Möglicher positiver Effekt: Erfahrungen zeigen, dass sich verbale und nonverbale Ausdrucksweisen verbessern und Aggression und Depression gemindert werden können Möglicher negativer Effekt: Reizbarkeit erhöht 23 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Fazit In einem „demenzfreundlichen“ Krankenhaus verändert sich die Perspektive Interventionen zielen auf die Vermeidung von Störungen Interventionen zielen auf die Befriedigung des Bedürfnisses 24 Ressort Pflegevorstand – Servicestelle Demenz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Eva Quack, Leitung der Servicestelle Demenz Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstraße 1, 55131 Mainz Tel.: 06131 / 17 – 7440 Mail: [email protected] 25 Vor Böhm und nach Böhm Eine Bildergeschichte erzählt von Axel Holz; dargestellt von Alfrun Jacobi **** Der sachgerechte, liebevolle und freundliche Umgang mit Menschen, die eine Demenz haben, ist möglich. ALEXIUS Kommunikation Vor der Böhm-Schulung ALEXIUS Kommunikation Die Tochter sitzt am Tisch und legt Karten. ALEXIUS Kommunikation „Du hast meine Brille gestohlen!“ ALEXIUS Kommunikation „Du hast meine Brille gestohlen!!!“ ALEXIUS Kommunikation „Ich habe deine verdammte Brille nicht gestohlen. Gestern nicht, heute nicht und morgen auch nicht!“ ALEXIUS Kommunikation „Deine elende Brille klaue ich nie. Merk‘ dir das! Verschwinde jetzt!!!“ ALEXIUS Kommunikation „Nun mach‘ endlich. Lass‘ mich in Ruhe!!!“ ALEXIUS Kommunikation Die Tochter wischt die Karten vom Tisch. ALEXIUS Kommunikation Nach der Böhm-Schulung ALEXIUS Kommunikation Die Tochter sitzt am Tisch und legt Karten. ALEXIUS Kommunikation “Du hast meine Brille gestohlen!“ ALEXIUS Kommunikation “Du hast meine Brille gestohlen!“ ALEXIUS Kommunikation “Deine Brille, deine Brille? Ja, ja natürlich. deine Brille!“ ALEXIUS Kommunikation „Klar, deine Brille! Und du brauchst sie jetzt!“ ALEXIUS Kommunikation „Du brauchst deine Brille, hast ja früher alle Kindersachen genäht, damit wir Kinder immer ordentlich aussahen. ALEXIUS Kommunikation „Wir müssen die Brille gemeinsam suchen.“ ALEXIUS Kommunikation „Da ist ja die Brille!“ ALEXIUS Kommunikation „Ja. Tatsächlich! Da liegt die Brille!“ ALEXIUS Kommunikation Die Tochter geht an den Tisch zurück. ALEXIUS Kommunikation Die Tochter sitzt am Tisch und freut sich, dass das Kartenspiel aufgegangen ist. ALEXIUS Kommunikation Vor Böhm und nach Böhm Die Tochter handelte nach der Strategie des sachgerechten, liebevollen und freundlichen Umganges getrennter Welten: Immer bestätigen, nie widersprechen, überall hin folgen, und das Ergebnis gemeinsam bestaunen. **** Die Strategie lässt sich auch sonst anwenden, zum Beispiel zwischen Untergebenen und Vorgesetzten. ALEXIUS Kommunikation Referat Zur 13. Gerontopsychiatrischen Fortbildungsveranstaltung am 27. November 2013 in der Rheinhessen-Fachklinik zum Thema „Therapeutischer Umgang mit Demenzkranken“ Referentin: Frau Marion Rahn, Lotte-Lemke-Haus, Bad Kreuznach Pflegeforscher Prof. Erwin Böhm, geb. 1940 ist der Begründer der psychobiographischen Pflegetheorie. Er ist Österreicher, gelernter Krankenpfleger in verschiedenen Fachgebieten der Psychiatrie, bevorzugt in der Psychogeriatrie. Zielt vor allem auf die Seelenpflege der Menschen ab. „Wiederbelebung der alten Seele“ Solange wie möglich in so vielen Alltagssituationen wie möglich selbstständig denken, fühlen und handeln. Grundlage dazu bildet in 1. Linie die Lebensgeschichte und damit verbundene prägende Ereignisse, die mit bestimmten Gefühlen zusammenhängen. Hier geht es also hauptsächlich um Gefühle – Thymopsyche genannt und nicht um Vernunft – Noopsyche. Sie steuern maßgeblich das Verhalten unserer Bewohner. Böhm formuliert: „Ein Mensch, der seelisch lebt, bewegt auch freiwillig seine Beine.“ Verhaltenseigenartige Menschen verstehen lernen: Wir müssen wissen: 1) Was prägte den Menschen? 2) Was erlebte er in der Kinder- und Jugendzeit? 3) Was ist und was war für ihn normal? Vier Grundannahmen von Prof. Böhm: 1) Jeder Mensch ist geprägt. 2) Jeder Mensch lebt in seiner Alltagsnormalität. 3) Jeder Mensch braucht Daheimgefühl, Vertrautes und Bekanntes. 4) Jeder Mensch braucht das Gefühl der Ich-Wichtigkeit. Praktische Umsetzung durch uns: 1) 2) 3) 4) - Bedrohliche Situationen erkennen. Einschätzung der seelisch-psychischen Situation erkennnen Impulse setzen Ziel: Reaktivierung der Seele, damit des gesamten Menschen. Positive Veränderungen Zufriedenheit auf beiden Seiten Wahrung der Individualität eingehen auf jeden persönlich Fähigkeiten und Fertigkeiten wiederfinden und leben singen und tanzen sich wohl und wichtig fühlen gefördert und gefordert werden sich am täglichen Leben aktiv beteiligen Kontakte zulassen und aufnehmen Vertrauen haben dies alles führt immer weg von Medikamenten, die Zuversicht, Sicherheit und Vertrauen wächst. Das Aufleben der Bewohner führt zum Aufleben der Mitarbeiter. - „ Lasst mich doch so, wie ich war! “ ist das Konzept für die Böhm-Station WB I des Altenheim der AWO „Lotte Lemke Haus“, Theodorshalle 22, 55542 Bad Kreuznach. Sich sauber und satt zu fühlen ist das Eine. Die gesunde Seele, die den Körper bewegt, ist das Andere. Anders sein, in unserem Fall im Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen, heißt noch lange nicht, nicht mehr dazu zu gehören. Im Gegenteil, es ist eine Welt, ihre Welt, in der diese Menschen leben. Wir sind es, die lernen müssen, uns darauf einzulassen, zu helfen diese Welt lebenswert zu machen. Auch wenn das klare Denken verloren geht, so ist diese Welt eine Welt voller Emotionen und Gefühlen. Man kann erinnern, man kann lachen und weinen, man kann sich gut und weniger gut fühlen. All das wird Auslöser für Handlungen sein, die für unsere anvertrauten Menschen genau in diesem Moment richtig und wichtig sind. Unsere Reaktion wird ihm Bestätigung sein. Es wird ihm helfen, dass er sich verstanden und wertvoll in unserer Gesellschaft fühlen kann. Vergessen sollten wir nicht, dass deren Welt auch einmal unsere Welt werden könnte. Alltagsnormalität ist kein Zauberwort von Prof. Böhm, sondern eine Tatsache, in der wir tagaus, tagein leben, wir gestalten sie uns nach unserer ganz speziell gelebten und erlebten Biografie. Sie prägte jeden Menschen in einer ganz bestimmten Zeit, verbunden mit Gefühlen, Emotionen und Erinnerungen. Je intensiver, desto intensiver auch das nachfolgende Handeln. Denn es wurde gelernt und geübt. Was man oft übte, dass kann man dann auch irgendwann einmal richtig gut und man vergisst dann auch nicht mehr. Das ist der „unsichtbare Helfer“ der beisteht, das andere Leben als ein nützliches Leben zu empfinden. Ganz wichtig sind klare Strukturen aber immer mit dem Blick auf die gelebte Geschichte jedes einzelnen Bewohners. Es ist eine sehr individuelle Geschichte. Es wir nie 2 Menschen geben, die haargenau das gleiche Leben lebten und erlebten. Hier kommt eine gute Zusammenarbeit mit den Angehörigen ins Spiel. Nur ihre Informationen, die eigenen Informationen helfen uns, die Alltagsgewohnheiten, Rituale, Vorlieben und Abneigungen spielen eine außergewöhnliche Rolle. Mit diesen eigenen Lebenserfahrungen sind immer bestimmte Begebenheiten verbunden, diese, auch Impulse genannt, können jetzt an genau der richtigen Stelle eingesetzt bedeuten. Dies wiederum wir ein Handeln aus der Vergangenheit hervorrufen. Man erinnert sich und tut. Dann fühlt man sich wichtig und gebraucht. Dies wird eine Bestätigung meiner Person in der jetzigen Gesellschaft bedeuten. „Ich bin wichtig.“ 2 x am Tag Dieses Gefühl brauchen wir alle, ein Mensch der sich nicht mehr zurechtfindet, erst recht. Gemessen an biographischen Erfahrungen sollte sich der Tag gestalten. Das Frühstück in der Gemeinschaft ist der 1. Höhepunkt des Tages. So wird schon seit geraumer Zeit ein offenes Frühstück mit anschließender Aufräum- und Küchentätigkeiten durchgeführt. Das tragen der Schürze ist dabei wichtig. Man aß gemeinsam in der früheren Zeit, genauso wurde gemeinsam abgeräumt und abgewaschen. Erstaunlich hierbei ist, dass sich schon nach kurzer Zeit ein Stamm herausbildete, der ganz bestimmte Aufgaben zu ganz bestimmter Zeit erfüllte. Dabei ist deutlich zu spüren, wie stolz jeder auf seine geleistete Arbeit ist. Hier haben wir den Punkt der „Ich-Wichtigkeit: Ich tue etwas – Ich bin wichtig - Ich werde gebraucht.“ Es ist schon ein Prozess, bei jedem Einzelnem genau das herauszufinden, was ihn wichtig werden lässt. Aber dazu gibt es die Instrumente beobachten, Informationen und testen. Dies nie im Alleingang, sondern immer gepaart mit Biografie, momentaner Gefühlsregung und unter Mithilfe der Angehörigen. Eine gesunde Mischung wird helfen, den Tag gut werden zu lassen. Mittagessen und Abendbrot gestalten sich ebenso. Dabei schreibt man nicht vor, sondern unterstützt das Handeln mit Hilfestellungen. In einem sind wir uns einig, schon allein die Mahlzeiten verleihen dem Tag eine bestimmte Struktur und Regelmäßigkeit. Struktur und Regelmäßigkeit sind zwei ganz wichtige Faktoren, sich in einer nicht mehr ganz eindeutigen Welt zurecht zu finden. Dazu liegen bereits Konzepte für morgens und abends vor. Es wird aber nicht nur gegessen. Der Tag bietet noch mehr, so gibt es während des Tages und am Abend vielfältige Freizeitangebote. Auch früher wurde nicht nur gearbeitet. Viele unserer Bewohner rätselten gern, sie spielten gern, sie sangen und tanzten, es wurde gekocht und gebacken. Wein am Abend schmeckt gut. Dabei über früher zu plaudern macht allen Spaß. Wenn dies dann noch bei Kerzenschein und Knabbergebäck geschieht, geht man später gut ins Bett. Es verleiht Abwechslung und bewahrt vor Eintönigkeit und gibt dem jetzigen Leben einen Sinn. Wenn die Bewohner ins Bett gehen, gehen sie sozusagen heim. Was gibt es Schöneres, alles in ein Heim zu gehen, was ich wiedererkenne. Sei es durch Bilder, Gardinen, Bettwäsche, Dekorationen und Möbel von „meinem früheren Zuhause“. Dies fördert das „Daheimgefühl“. Es fällt dann nicht so schwer, in die nicht so vertraute Fremde zu gehen. Gerade dieses Bild oder die Bettwäsche zeigt unseren Bewohnern „Hier ist mein Zuhause.“ Er wird es also finden und sich wieder zurechtfinden. Wenn man sich zurechtfindet, gibt es ganz bestimmt auch ein Gefühl der Zuversicht und Sicherheit. Dann ist man auch bereit, sich darauf einzulassen und zu handeln. Geht es der Seele gut, weil man zufrieden ist, wird auch der Körper angesprochen, er setzt sich in Bewegung, lässt nicht erstarren. Er wird animieren zu tun, was man schon immer tat. Das ist „sinnvoller Leben für jeden Einzelnen und Lust am Leben , ein aktives und reaktives Leben. Organisatorische Prozesse: 1) Pflegeplanerstellung anhand des Pflegeprozesses nach Prof. Erwin Böhm aus der Sicht des Seelenzustandes unter Verwendung von folgenden Unterlagen: 1) 2) 3) 4) 5) Problemerhebung mit Einschätzung der instabilen bzw. stabilen Gefühlslage Psycho-geriatrische Pflege-Bedürfnis-Erhebung Einschätzung der Gefühlregulationen im Alter Seelenpflege und Dokumentation Psycho-Biografische Erhebung 2) Regelmäßige Beobachtung und Pflegeplanungsgespräche mit dem Betroffenen, den Angehörigen sowie dem Team zur Aktualisierung der Pflegeplanung und deren Evakuierung. 3) Ergreifung von dem entsprechenden Maßnahmen und Impulsen mit dem Ziel: a) höchstmögliche Alltagsnormalität b) Schaffung eines Daheimgefühls c) Schaffung der Ich-Wichtigkeit 4) Schaffung von Voraussetzungen mit entsprechenden Klientel zur Umsetzung einer aktivierenden, bzw. reaktivierenden Böhm-Station (Jeden von Beginn an damit vertraut machen) 5) Entsprechende Milieugestaltung an Biografien ausgerichtet. 6) Regelmäßige Schulung aller auf der Station arbeitenden Mitarbeiter sowie Erstschulungen für neue Mitarbeiter sowie aller Alltagsbetreuer. 7) Fallbesprechungen Rheinhessen-Fachklinik Alzey Depression und / oder Demenz - differentialdiagnostische und therapeutische Optionen - Dr. med. Wolfgang Gather Gerontopsychiatrische Abteilung Rheinhessen-Fachklinik Alzey F32 depressive Episode In den unten beschriebenen typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) depressiven Episoden, leidet die betreffende Person gewöhnlich unter den typischen Symptomen von gedrückter Stimmung Interessensverlust, Freudlosigkeit Verminderung des Antriebs, erhöhter Ermüdbarkeit Die Verminderung der Energie führt zu erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung. Deutliche Müdigkeit tritt oft nach nur kleinen Anstrengungen auf. Andere häufige Symptome sind: 1. Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit 2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen 3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit (sogar bei leichten depressiven Episoden) 4. Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven 5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen 6. Schlafstörungen 7. Verminderter Appetit Typische Merkmale des somatischen Syndroms sind: 1. Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten. 2. Mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse emotional zu reagieren. 3. Frühmorgendliches Erwachen; zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit. 4. Morgentief. 5. Der objektive Befund einer psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit (festgestellt und berichtet von Personen der Umgebung des Kranken). 6. Deutlicher Appetitverlust. 7. Gewichtsverlust, häufig mehr als 5 Prozent des Körpergewichts im vergangenen Monat. 8. Deutlicher Libidoverlust. Das somatische Syndrom ist nur dann zu diagnostizieren, wenn wenigstens vier der genannten Symptome eindeutig feststellbar sind!!! Symptome der Depression Emotionale Symptome Kognitive Symptome Körperliche Symptome Traurige Grundstimmung Denkhemmung/Grübeln Schlafstörungen Antriebsminderung Konzentrationsstörung Appetitlosigkeit Interessenverlust Selbstentwertung Gewichtsverlust Schuldgefühle Hilflosigkeit/Ohnmacht Müdigkeit/ Abgeschlagenheit Angst/ Irritierbarkeit Insuffizienzgefühle Libidoverlust Gefühl der Erschöpfung Zukunftsängste/negative Zukunftserwartungen Psychosomatische Verlangsamung oder Agitation Tageszeitliche Schwankungen Gedanken an den Tod Hypochondrische Beschwerden Suizidalität Negative Einstellung zur eigenen Person Vegetative Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Verdaungstörungen) Versündigungsideen Orientierung am Misserfolg Ca. 30 % alle älteren Menschen (> 65 Jahre) entwickeln einzelne Symptome einer Depression (subsyndromales Spektrum) Ca. 30 - 50 % aller Demenzkranken weisen gleichzeitig die Symptome einer Depression auf Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit sind bei älteren depressiven Patienten keine Seltenheit, sie können den Schweregrad einer Demenz erreichen, sind aber in der Regel reversibel Ausgeprägte Depressionen sind jenseits des 70. Lebensjahres nicht häufiger als bei jüngeren Menschen Besonders Bewohner in Pflegeheimen entwickeln sehr häufig depressive Syndrome (bis zu 40% aller PflegeheimBewohner!) Die im Alter bestehende häufige Multimorbidität begünstigt die Entwicklung depressiver Symptome Alter ist per se kein Risikofaktor für eine Depression! Depressive Störung Was man tun soll: Modifiziert nach Boroffka, A., 1996 Ursachen / Anlässe und auch hereditäre Faktoren der Erkrankung ansprechen Den Patienten über die Art seiner Erkrankung und die gute Prognose informieren Die Behandlungsstrategien einschließlich der Psychopharmaka- Behandlung erläutern Auf zeitweise Stimmungsschwankungen während der Behandlung hinweisen Über Suizidgedanken und –impulse offen sprechen Kleinere therapeutische Fortschritte sind zu betonen, den Patienten danach fragen Depressive Störung Was soll man nicht tun: Modifiziert nach Boroffka, A., 1996 Den Depressiven auffordern, sich zusammenzureißen und sich nicht „anzustellen“ Ihn überreden, sich in fröhliche Gesellschaft zu begeben Ihn in eine Ferien- oder Erholungsurlaub schicken Ihn lebenswichtige/sozial-relevante Entscheidungen treffen lassen Gespräche über Suizidgedanken und –impulse dürfen kein Tabu sein Ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfen und behaupten, es gehe ihm schon besser. Beruf Sozialer Standard Kollegen Bekanten Pflichten Freundeskreis Gesundheit Ehepartner Wohnung Liebhabereien/ Hobby Familie Sonstige Kontakte Bekannte des alters Verrichtung des täglichen Lebens Selbstverfügbarkeit Zunehmende Störungen oder Abbruch von familiären und sozialen Kontakten und Verwirklichungsmöglichkeiten mit steigendem Alter Depression im Alter-Zusammenfassung 1)Das Erkennen einer Depression im Alter ist häufig schwierig: Symptome einer Depression werden häufig fälschlicherweise als natürliche Folge des Alterungsprozesses betrachtet. Psychopathologisch dominieren häufig im Alter: • somatische Symptome und hypochondrische Befürchtungen • Angst, klagsam-dysphorischer Affekt • kognitive Störungen • paranoide Symptomatik Auftreten von Depressionen bei altersassoziierten Hirnerkrankungen (z. B. Alzheimer-Krankheit, Morbus Parkinson, vaskuläre Demenz) Polypharmazie (depressiogener Einfluss bestimmter Pharmaka) 2)Häufigeres Auftreten von „Life events“ (z. B. körperliche Erkrankung, Tod von Angehörigen) 3)Zunahme der Suizidrate in der Bevölkerung über 65 Jahre 4) Risikofaktoren: • wiederholte Depressionen in der Vorgeschichte • depressive Persönlichkeitsstruktur • soziale Isolierung und Einsamkeit • körperliche Erkrankungen >Konflikte mit Angehörigen • mangelnder sozialer Rückhalt 5) Verlauf: • bei wiederholtem Auftreten im Alter Chronifizierungstendenz • bei Erstmanifestation im Alter Prognose vergleichbar mit jüngeren Patienten 6) Folgen einer unerkannten Depression: • Verlust der Lebensqualität >soziale Isolation • erhöhte Mortalität (Suizide) • erhöhte Vulnerabilität gegenüber somatischen Erkrankungen •Aufnahme in ein Pflegeheim • finanzielle Lasten Therapeutische Optionen bei Depression Behandlung evtl. somatischer Komorbiditäten (Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, etc. etc. ) allgemeine Mobilisierung der körperlich/psychischen (Rest-) Ressourcen Psychoedukation strukturierte Aktivierung Ergotherapie Psychopharmakologische Behandlung mit Antidepressiva und Stimmungsstabilisatoren Psychotherapie einzeln und in Gruppen (tiefenpsychologisch oder verhaltenstherapeutisch) Angehörigengruppen Selbsthilfe-Gruppen Körperliche Aktivierung(täglich '/2 Stunde Bewegung in frischer Luft ) Krankengymnastik bei spezifischen Problemen etc. etc. Demenz (nach ICD-10) Demenz (F00 - F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt, die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen. Morbiditätsrisiko (in %) Morbiditätsrisiko Differentialdiagnosen der Demenz AAMI mildes kognitives Defizit (MCI) depressive Störung Delir leichte bis mittelschwere Intelligenzminderung Zustandsbilder kognitiver Schwäche aufgrund schwer gestörter sozialer Bedingungen mit mangelhafter Bildungsmöglichkeit iatrogene psychische Störungen als Folge einer Medikation Prävalenz von kognitiven Beeinträchtigungen und Demenzen in der Altenbevölkerung nach Resultaten der „canadian Study of Health and Aging“ (Graham et al. 1997). Demenzen 8% Häufigkeit verschiedener Demenz-Formen a) Demenz vom Alzheimer-Typ 60% b) Vaskuläre Demenz 15% c) Mischformen (a + b) 15% d) Andere Demenzursachen 10% Maurer. K. et al. 1997 Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf (Alzheimer-)Demenz • Allgemeinkörperliche Untersuchung • Klinische psychiatrisch-neurologische Untersuchung • Labor-Untersuchungen • Bildgebung (z. B. MRT, CCT, PET) • Testpsychologische Untersuchung • Evtl. Liquor-Untersuchung Liquor-Untersuchung bei V.a. Alzheimer-Demenz • Indiziert bei unklaren Fällen und jüngeren Patienten / < 65 Jahre mit klinischem und testpsychologischem Demenz-Verdacht: • "normales" Liquor-Programm • Amyloid ß 1 - 40 • Amyloid ß 1 - 42 / 1 - 40 Ratio • Amyloid ß 1 – 42 • Phospho-Tau 181 Alzheimer-Konstellation: Tau erhöht Amyloid erniedrigt Spezifität: ca. 85 Sensitivität: ca. 85 Demenzmarker im Serum bisher nicht spezifisch nachweisbar! Diagnostik bei depressiven und / oder dementen Patienten allgemeinkörperlich-neurologische Untersuchung ausführliche Anamnese und Erhebung des psychopathologischen Befundes Fremdanamnese! Laboruntersuchungen einschließlich Vitamin-B-12 und Schilddrüsenfunktion EKG Röntgen-Thorax cerebrale Bildgebung (CCT oder MRT-Kopf) in Einzelfällen Liquoruntersuchung Testpsychologische Untersuchungen (MMST, DemTect, CERAD-Plus) Depressions-Skalen zum Verlauf (HAMD, BDI, etc.) Therapeutische Optionen bei Depression und Demenz gute, sorgfältige Grundpflege! gründliche Diagnostik (allgemeinkörperlich, psychopathologisch, testpsychologisch, bildgebend, laborchemisch, LiquorUntersuchung) allgemeine Aktivierung / Mobilisation Behandlung des somatischen Komorbiditäten Musik-, Ergo-, Mototherapie Einbeziehung / Beratung der Angehörigen psychopharmakologisch mit Antidepressiva und Stimmungsstabilisatoren antidementive Therapie mit Cholinesterase-Hemmern (Donezepil, Galantamin, Rivastigmin) oder Memantine körperliche Aktivität (mindestens 1/Stunde täglich Bewegung in frischer Luft ausreichende Flüssigkeitszufuhr Hinweise auf Depression Häufig detaillierte Schilderung der kognitiven Defizite, des Antriebsmangels, des subjektiven Versagens, Psychomotorische Verlangsamung Gute Alltagskompetenz im Gegensatz zum schlechten Abschneiden in Tests Meist gutes Ansprechen auch der kognitiven Symptome auf Antidepressiva und Psychotherapie Oft anamnestisch früher schon depressive Phasen Rascher Beginn, Dauer weniger als 6 Monate Anfällige Leistungsschwankungen bei Aufgaben gleichen Schweregrades "Ich weiß nicht" – Antworten Schlafstörungen,Gewichtsverlust, Grübelzwang, Suizidgedanken Hinweise auf Demenz Verlaufen, Fehlbedienung von Geräten, kognitive Werkzeugstörungen, Störungen der Sprache, des Rechnens und Schreibens Schlechte Alltagskompetenz und schlechtes Abschneiden in Tests entsprechen sich Kein Ansprechen der kognitiven Symptome auf Antidepressiva und Psychotherapie; bei gleichzeitiger Depression aber Besserung der Stimmung Meist in der Vorgeschichte keine depressiven Episoden eruierbar Meist langsamer Beginn, erste Anzeichen liegen oft länger als ein Jahr zurück Meist gleichmäßige Leistungsminderung bei Aufgaben gleichen Schweregrades Kurzzeitgedächtnis-Defizit im Vordergrund Desorientiert, ungezielt Hilfe suchend Demenz-Prozesse Begleitende Persönlichkeitsveränderungen Begleitende affektive Veränderungen Begleitende psychotische Phänomene Aggressive Tendenzen Tag-Nacht-Rhythmus-Störungen Zunehmende körperliche Hinfälligkeit Belastung von Angehörigen Demenz-Kranker Zeitlicher Betreuungsaufwand Finanzielle Belastungen Gesundheitliche Belastungen Einschränkungen der Freizeitgestaltung Negative Auswirkungen auf Beziehung zu anderen Erfahrungen von Diskriminierung und Ablehnung Informationsdefizit bezüglich der Erkrankung Gefühl des Nicht-Ernstgenommen-Werdens Mangel an institutioneller Unterstützung Belastungen durch wohnortferne stationäre Behandlung Emotionale Belastung Schwierigkeiten im Umgang Hinweise zum Umgang mit Demenz-Kranken Wertschätzung, Empathie, Geduld, non-verbale Kommunikation pflegen Persönlichkeit respektieren, wie sie war Hilfe holen, bevor „gar nichts mehr geht“ Wie mache ich dem Dementen den Hilfe/Pflegebedarf „schmackhaft“ Personale Stetigkeit schaffen, auch durch FremdPersonen, möglichst frühzeitig Schamverhalten/-empfinden auf beiden Seiten akzeptieren/beachten Akzeptanz von Fehlern auf beiden Seiten (immer „dieselben Fehler“ vermeiden, aber immer „neue Fehler“ akzeptieren) Distanzfähigkeit wahren, Nähe zulassen Neue psychische Probleme als „neu“ erleben und Hintergründe erfragen Neue körperliche Probleme erkennen und hinterfragen Fehler im Umgang mit Demenz-Kranken Ständig mit Defiziten/Ressourcen „konfrontieren“ „Recht-Behalten-Wollen“ Gefühl den Angehörigen im Stich gelassen zu haben (Altenpflegeheim!) Nicht-Akzeptieren der Defizite des Angehörigen Nicht-Zulassen von Fremd-Hilfe (Sozialstation etc.) Nicht-Erkennen der eigenen Hilfs-Grenzen Kein Austausch mit ähnlich Betroffenen Keine innere Auseinandersetzung mit Tod/Abschied Zu langes Tolerieren von nicht akzeptablen Verhaltensweisen der Demenz-Kranken Ablehnung von möglicher medikamentöser Behandlung der „schwierigen“ Verhaltensweisen Eigene Fehler im Umgang nicht akzeptieren Für sich selbst keine Freiräume zulassen Vielen Dank! Dr. med. Wolfgang Gather Gerontopsychiatrische Abteilung Rheinhessen-Fachklinik Alzey