Behandlung von Patienten mit Paraphilien

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Praxis:
Rothenbaumchaussee 7, 20148 Hamburg
6. Internationales Symposium Forensische Psychiatrie
Zürich, 4.-6.6.2014
Behandlung von Patienten mit
Paraphilien
Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Hill
Prävalenz von Paraphilien
• 
• 
• 
• 
Seltene Störungen
Beginn häufig peri-/postpubertär
Wesentlich häufiger bei Männern (> 80 %)
Schätzungen: zwischen 1-7 % einer männlichen
Normalpopulation (Abel et al., 1997)
Paraphilie (DSM-V)
•  Wiederkehrende, intensive sexuelle Erregung
manifestiert in Phantasien, dranghaften Bedürfnisse
oder Verhaltensweisen, bezogen auf
–  Nicht-lebendige Objekte oder nicht-genitale
Körperteile
–  das Leiden oder die Demütigung von sich selbst
oder eines Partners
–  Kinder oder andere nicht-einwilligende bzw. nichteinwilligungsfähige Personen
•  Klinische signifikantes Leiden oder Beeinträchtigung in
sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen
Funktionsbereichen
•  Dauer: mindestens sechs Monate
DSM-V: Paraphilie vs. Paraphile
Störung
•  Paraphilie: irgendein intensives und
überdauerndes sexuelles Interesse außer dem an
genitaler Stimulation oder Vorspiel mit
phänotypisch normalen, einwilligenden
erwachsenen menschlichen Partnern
•  Paraphile Störung: eine Paraphilie, die zu
Leidendruck oder sozialer Beeinträchtigung des
Individuums oder zu Schaden bei anderen führt
Struktur
•  Kriterium A:
–  Beschreibt die paraphilen Fantasien, dranghaften
Bedürfnissen oder Verhaltensweisen
–  stellt die Paraphilie fest
•  Kriterium B:
–  Beschreibt die negativen Konsequenzen für das
Individuum oder Andere
–  diagnostiziert eine paraphile Störung
Verlaufsspezifizierung
•  In beschützter Umgebung
•  In Remission (kein Leidensdruck,
Beeinträchtigung, der wiederkehrende
Verhaltensweisen in nicht-beschützter oder
unkontrollierter Umgebung)
Klassifikation DSM-V
• 
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• 
Voyeuristische Störung
Exhibitionistische Störung
Frotteuristische Störung
Sexuell masochistische Störung
Sexuell sadistische Störung
Pädophile Störung
Fetischistische Störung
Transvestitische Störung
Andere spezifische paraphile Störung (z.B. Zoophilie,
Scatologie, Nekrophilie, Urophilie, Koprophilie, Klismaphilie)
•  Unspezifizierte paraphile Störung
Häufig liegen mehrere Paraphilien vor! (Abel et al. 1988)
Verdacht auf sadistische
Tatmotivation (Knight & Prentky 1990,
Kraus & Berner 2000)
Kriterium A:
Kriterium B:
•  Fantasien mit gleichzeitig
aggressivem u. sexuellem Inhalt
•  Steigerung der sex. Erregung
durch Furcht od. Schmerz des
Opfers
•  Symbolisch-sadistische
Handlungen in Delikten oder
Beziehungen
•  Drehbuchartig ritualisierte
Gewalt in den Delikten
•  Sexueller Verkehr mit totem
Opfer
•  Verstümmelung erogener Zonen
nach Tod des Opfers
•  Gewalt gegen erogene Zonen
•  Zufügung von Verbrennungen
•  Sexueller Verkehr mit
bewusstlosem Opfer
•  Schmerzhaftes Einführen von
Gegenständen in Vagina od.
Anus des Opfers
•  Verwendung von Fäzes od. Urin
zur Erniedrigung des Opfers
Mindestens 1 A-Kriterium oder
2 B-Kriterien zur Verdachtsdiagnose sexuell-sadistische
Tatmotivation notwendig!
Severe Sexual Sadsim Scale
Nitschke et al., 2009; Marshall & Hucker, 2006)
-  Cut off: 7
1.  Ausüben exzessiver Gewalt
2.  Ausüben von Macht/Kontrolle/Dominanz -  Reliabilität: gut
-  Kriterien-Validität:
3.  Erniedrigung des Opfers
gut
4.  Sexuelle Erregung durch Tathandlungen -  Sensitivität: 56 %
-  Spezifität: 90 %
5.  Quälen des Opfers
6.  Ritualisiertes Verhalten während der Tat
7.  Entführen oder Einsperren des Opfers
8.  Einführen von Objekt(en) in Körperöffnungen
9.  Verstümmeln der Genitalien des Opfers
10.  Verstümmeln anderweitiger Körperteile
11.  Behalten von Trophäen
Progredienz: Hypersexuelle Störung
(Vorschlag für DSM V, Kafka 2010)
A. Über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten
wiederkehrende und intensive sexuelle Fantasien,
sexuelle Bedürfnisse oder Verhaltensweisen in
Verbindung mit ≥ 4 der folgenden Kriterien:
1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
Starke zeitliche Beanspruchung durch sexuelle Fantasien,
Bedürfnisse und Verhaltensweisen; wiederholte Beeinträchtigung von
anderen wichtigen Zielen, Aktivitäten und Verpflichtungen
... als Reaktion auf dysphorische Stimmungszustände (Angst,
Depression, Langeweile, Reizbarkeit)
... als Reaktion auf belastende Lebensereignisse
Wiederholte erfolglose Bemühungen, die sexuellen Fantasien,
Bedürfnisse, Verhaltensweisen zu kontrollieren oder reduzieren
Wiederholtes sexuelles Verhalten trotz Risiko von körperlicher und
psychischer Schädigung für sich selbst oder andere
Hypersexuelle Störung
(Vorschlag für DSM V, Kafka 2010)
B. Klinisch bedeutsames persönliches Leiden und eine
Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen und anderen
wichtigen Funktionsbereichen
C. Die Symptomatik ist nicht auf eine direkte
physiologische Wirkung exogener Substanze (z.B.
Drogen, Medikamente) zurückzuführen.
Spezifisches Verhalten: Masturbation, Pornografie,
direkte sexuelle Kontakte (Prostituierte, Escortservice,
„One-night-stands“, Anonyme sexuelle Begegnungen,
Affären), Cybersex, Telefonsex, Strip Clubs etc.
Ursachen
Biologie: Gene,
Hirnschädigung, Hormone,
Neurotransmitter,
„Konstitution“
Sexuelle
Devianz u./o.
Gewalt
Proximale Ursachen:
Lebenskrisen (Arbeit, Partnerschaft); Stimulation bzw.
Enthemmung, z.B. Alkohol o.
Drogen, Pornographie
Distale Ursachen:
Frühsozialisation, Bindung,
Traumata u.
Identifizierungen / Lernen am
Modell (Pornographie?)
Biologische
Faktoren
Familiäre Belastung Genetische Ursachen?
•  Kaum Studien:
•  Erhöhtes Risiko für Paraphilien bei Angehörigen 1. Grades
von Patienten mit Pädophilie und anderen Paraphilien im
Vgl. zu depressiven Pat. (Gaffney et al. 1984)
•  Erhöhtes Risiko für Sexualdelikte bei männlichen
Verwandten 1. Grades von Sexualstraftätern
(Kindesmissbraucher > Vergewaltiger, OR 2.0-15.0,
Langström et al. 2008)
•  Bei Männern mit XYY-Syndrom i.Vgl. zu Männern mit XXY
(Klinefelter-Syndrom) und einer Normalgruppe häufiger
unkonventionelle sexuelle Aktivitäten und Phantasien
(Krueger u. Kaplan 2001); bei sexuellen Tötungen in 3/166
Fällen (Briken et al. 2006)
Neurotraumatologische
Befunde bei sexueller Devianz
•  Unfälle in der Kindheit mit Bewusstlosigkeit (vor 6 Lj.) sind
mit niedrigem Intelligenzniveau, schlechterem
Bildungsstand u. Pädophilie assoziiert (Blanchard et al.
2002).
•  Erklärungsmöglichkeiten:
–  Traumatische zentralnervöse Beeinträchtigungen in der
Kindheit führen zum Auftreten einer Pädophilie
–  Eine vorbestehende Entwicklungsstörung begünstigt
sowohl die Neigung zu Unfällen als auch zur Pädophilie
–  ADHD als mögliches Bindeglied zwischen
Entwicklungsstörung, Unfallneigung und Pädophilie
→ ADHD gehäuft bei pädophilen Pat. (Kafka u. Hennen
2002) u. Sexualstraftätern (Blocher et al. 2001, VaihKoch et al. 2001) Cerebrale Bildgebung
Neurobiologische Erklärungsmodelle für Pädophilie bzw.
pädosexuelle Handlungen:
1.  Störungen der Exekutivfunktionen des Frontalhirns
(Disinhibition)
2.  Störungen des temporolimbischen Systems (z.B.
gesteigertes sexuelles Verlangen und verminderte
Hemmung durch Amygdala)
3.  Duale Dysfunktion des Frontalhirns und des
Temporolimbischen Systems
4.  Störungen der Verbindungen zwischen Hirnbereichen, die
für die Motivationsbildung, emotionale Verarbeitung und
Kontrolle über sexuelle Impulse wichtig sind
(Cantor et al. 2008, Briken et al. 2010)
Psychosoziale
Faktoren
Kognitiv-behaviorale
Erklärungsmodelle
•  Klassische Konditionierung: Paarung von sexueller
Stimuliertheit (=unbedingter Reflex) mit
ungewöhnlichen Reizen (=bedingter Reflex)
→ empirisch nur selten nachweisbar
•  Positive Verstärkung durch Lustgefühl
•  Störung der Bindung (und damit von Intimität und
Empathie)
•  Sexualität als Copingmechanismus (Selbsttröstung)
•  Kognitive Verzerrungen (Selbsttäuschungen) tragen
zur Aufrechterhaltung bei (insbes. bei
Sexualstraftätern)
Psychoanalytische Theorien
Integrierende, praxisnahe Übersicht bei Berner 2011:
Perversion nach Stoller (1978)
•  Perversion ist die erotische Form der
Feindseligkeit.
•  In der Perversion wird ein traumatisches
Kindheitserlebnis in einen lustvollen Triumph
umgewandelt.
•  Das Risiko dient zur Steigerung der Erregung
(Angstlust).
Kernkomplex (Glasser 1979,
1986)
Unerträglicher Konflikt zwischen
1. tiefen Verschmelzungswünsche mit der
Mutter, die Auflösung des Selbst
(Identitätsverlust) bedeuten und
2. Getrenntheit von Mutter, was unerträgliche
Einsamkeit und Angst bedeutet
Ausweg aus diesem „Mutterkomplex“:
èSexualisierung der gegen die Mutter
gerichteten Aggression
Integrierte psychoanalytische
Perversionstheorie (Berner 2011)
Definitionselemente
Verlaufsmerkmale
Strukturmerkmale
Fetischbildung
Perversion als Plombe
Neurotische Struktur
Sadomasochistischer
Beziehungsmodus
Perversion als
Impulsdurchbruch
Borderline-Struktur
PartialtriebLustelemente
Perversion als Sucht
oder Zwang
Psychotische Struktur
(Realitätskontrolle,
Identitätsgefühl,
Abwehrmechanismen)
Störung der Motive:
1. Traumatisierungen; z.B. selbst
erlebter sexueller Missbrauch
•  Eigene sexuelle Missbrauchserfahrung erhöht das Risiko
später selbst Kinder zu missbrauchen
•  Aber: keineswegs zwingender Zusammenhang oder
notwendige Ursache
•  Prospektive Studie: von 224 missbrauchten Jungen wurden
12% selbst zu Missbrauchstätern → im Vgl. zur
Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Risiko (Salter et al.
2003)
Weitere Risikofaktoren waren:
–  Materielle Vernachlässigung und Mangel an Beaufsichtigung
–  Eigener Missbrauch durch eine weibliche Person
–  Zeuge heftiger innerfamiliärer Gewalt
–  Grausamkeit gegenüber Tieren
•  Andere Studien: 40-100% CSA (Freund 1998, Marshall
1996, Cohen et al. 2002)
Tony Wards „Pathway Model“
• Multiple
Dysfunktionen
• Antisoziales
Verhalten/
Gedanken
• Deviante
„Sexual Scripts“
• Gestörtes Bindungsverhalten
Emotionale Dysregulation
Soziale Isolation
Kognitive Defizite
Deviantes sexuelles Verhalten
• Soziale Defizite
Vulnerabilität
• Emotionale
Dysregulation
(Familienumfeld, Entwicklung,
Lernprozesse, biologische/
kulturelle Faktoren)
Wann kann die paraphile Symptomatik
dekompensieren? (proximale
Ursachen)
•  Bei Reaktualisierung früherer, traumatischer
Erlebnisse (Ohnmacht, Entwertung, Zurückweisung,
z.B. Verlust von Arbeit, Partnerschaftskrisen, Geburt
eigener Kinder: Pat. wird an eigene Entbehrungen als
Kind erinnert und gleichzeitig wendet sich die
Partnerin vermehrt dem Kind zu → Neid)
•  Einsamkeit, Langeweile
•  Selbsttröstende Phantasien mit Aspekten von Rache
und Dominanz (Narzisstischer Triumph)
•  Phantasie reicht nicht mehr aus. Elemente davon
„müssen“ realisiert werden.
•  Enthemmung durch Alkohol und Drogen,
Pornographie
Fallbeispiel Herr S.
Herr S.
•  60j., verheirateter, kinderloser Flamencolehrer
aus Südamerika
•  Kam wegen Zunahme masochistischer und
fetischistischer Sexualität mit gehäuften
Prostituiertenbesuchen → Schulden → Ehekrise,
er gibt Checkkarten an Ehefrau ab
•  wuchs in von aggressiven Frauen dominiertem
Haushalt auf, Vater unbekannt, mütterlicherseits
manisch-depressive Verwandte
Herr S.
•  Mutter trug Waffe, in Wutausbrüchen schlug sie
ihn oft mit einem Kabel
•  Er flüchtete sich unter ein Bett, beobachtete wie
sie barfuß oder mit Schuhe mit hohem Absatz vor
Wut rasend um das Bett ging.
•  Dabei Gefühl von Erregung, bald auch sexuell
•  Schon früh in sexuellen Fantasien immer
Reinszenierung, wichtig: Fußrücken und Fußfessel
(Knöchel)
•  Später entsprechende masochistische
Inszenierungen mit Prostituierten (er bestimmt die
Regeln im voraus!)
Herr S.
•  Mit Ehefrau (ebenfalls traumatisiert) eher
geschwisterliche Beziehung, wenig Sexualität
•  Dekompensation der sadomasochistischen und
fetischistischen Sexualität (erst dann Paraphilie
i.e.S.), als er sich für eine politische Partei
engagiert und im Wahlkampf zunehmend unter
Druck gerät.
•  deutliche Reduzierung der zwanghaft
dekompensierten Paraphilen Symptomatik
unter SSRI und supportiver Einzel- und
Paartherapie
Kasuistik: Hypersexuelle Störung
- Video -
Diagnostik
Diagnostik: Sexual- und
Beziehungs-Anamnese
•  Umgang mit Sexualität in der Familie (u.a. Beziehung der Eltern)
•  Frühe Erfahrungen (Doktorspiele)
•  Körperliche Entwicklung (bes. Pubertät)
•  Entwicklung von Geschlechtsidentität u. sexueller Orientierung
•  Sexuelle Praktiken, Wünsche u. Fantasien (inkl. Masturbation)
•  Partnerschaftliche Kontakte u. Beziehungen
•  Pornographiekonsum, Prostituiertenbesuche
•  Sexuelle Funktionsstörungen; Erkrankungen/OPs im Urogenitalbereich
•  Eigene traumatische Erlebnisse
•  Konsum von sexuellen Stimulantien, Alkohol, Drogen
•  Ggf. Sexuelle Übergriffe / Straftaten
•  Allgemeine biographische u. psychiatrisch-somatische Anamnese,
dissoziale Entwicklung? (Komorbidität!)
(Hill et al. 2005)
Weitere Diagnostik
•  Ggf. Fremdanamnese (Partner, Eltern)
•  Ggf. Akteninformationen (bei Sexualstraftätern, z.B.
Bundeszentralregister-Auszug)
•  Testpsychologische Untersuchungen: z.B. Multiphasic Sex
Inventory (MSI), Intelligenz- und Persönlichkeitstests,
Psychopathy Checklist (PCL-R), evtl. projektive Tests
(Rorschach, Picture-Frustration-Test)
•  Prognose-Instrumente zur Risikoabschätzung (z.B.
SVR-20, Static-99, HCR-20)
•  Penisplethysmographie zur Objektivierung sexueller
Devianz (umstritten)
•  Somatische Abklärung (körperliche Untersuchung, ggf.
Hormone, CCT/MRT, EEG, Chromosomen u.a.)
Diagnostik
Neuro-physiologische and neuro-psychologische Tests:
•  Penisplethysmographie
•  Visuelle Reaktionszeit (Visuelle Fixationszeit)
•  Stroop Test
•  Impliziter Associations-Test
•  ...
•  Zukunftig: functionelles MRI ??
Fragebogen:
•  Card Sort Test, Sexual Interest Card Sort Questionnaire
•  Clarke Sexual History Questionnaire
•  Multiphasic Sex Inventory
Rollenspiel:
Sexualanamnese
Psychotherapie bei
sexueller Delinquenz
Wirksamkeit
kognitiv-behavioral (35)
1.45
rein behavioral (7)
2.17
einsichtsorientiert (5)
0.98
therap. Gemeinschaft (8)
0.85
andere (5)
0.93
hormonal (6)
3.13
chirurg. Kastration (8)
0.1
14.29
1
10
100
Odds Ratio
Metaanalyse (n=22.181, Lösel und Schmucker, 2005)
Schmuckers Metaanalyse:
Behandlungseffekte insgesamt
% 50,0
Behandlungsgruppen
Kontrollgruppen
40,0
32,5
30,0
22,4
17,5
20,0
11,8
11,1
6,6
10,0
0,0
sexuell (74)
Gewalt (20)
jede Straftat (49)
Rückfallbereich (Anzahl der Vergleiche)
Schmucker 2007, Lösel und Schmucker 2005)
Prinzipien der effektiven StraftäterBehandlung (Andrews & Bonta 2006)
•  Risk
Behandle nur Straftäter mit einem (mittleren bis
hohen) Risiko für erneute Delikte!
•  Need
Fokussiere auf kriminogene Bedürfnisse /
Faktoren!
•  Responsivity
Passe die Behandlung zu den Lernstilen/möglichkeiten und der Kultur des Täters an!
Effektstärken bei Adhärenz
zu R/N/R Prinzipien
R/N/RPrinzipien
Odds
ratio
N (k)
0
1.10
1.067 (3)
1
0.64
1.226 (7)
2
0.74
4.283 (9)
3
0.22
170 (3)
(Hanson, 2010)
Relevante „dynamische“ Risikofaktoren (Hanson & Morton-Bourgon 2005)
Risikofaktoren
Effektstärke d
Sexuelle Devianz
.31
Sexuelle Überbeschäftigung
.39
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
.21
Psychopathy (PCL-R)
.29
Probleme mit der Selbstkontrolle
.37
Instabile Beschäftigungsverhältnisse
.22
Feindseligkeit
.17
21.01.2010
Bewährungshilfe
42/43
Mögliche „dynamische“
Risikofaktoren
(Hanson & Morton-Bourgon 2005)
Risikofaktoren
Effektstärke d
Zwang / körperliche Gewalt bei dem Delikt
.09
Opfer von Kindesmisshandlung
.10
Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch
.09
Einsamkeit, Isolation
.03
Niedriges Selbstwertgefühl
.04
21.01.2010
Bewährungshilfe
43/43
Fragliche „dynamische“ Risikofaktoren (Hanson & Morton-Bourgon 2005)
Risikofaktoren
Effektstärke d
Fehlende Opferempathie
-.08
Leugnung des Sexualdelikts
.02
Geringe Motivation bei Therapiebeginn
-.08
Langsamer Therapiefortschritt
.14
21.01.2010
Bewährungshilfe
44/43
Entwicklung
•  1960: Modifikation sexueller Interessen
•  1970/80: Kognitive Verzerrungen, Empathie, soziale
Fertigkeiten à kognitiv-behaviorale Programme
•  1982: Rückfallvermeidungsprogramm (J. Marques):
Fokus auf Vermeidungszielen
•  1985: Hamburger Projekt (E. Schorsch et al.): Focus auf
Psychodynamik à strukturelle Veränderungen
•  1990-2014: SOTP von R. Mann, Integrated Approach
von B. Marshall, Good Lifes Model von T. Ward:
Integrative Ansätze: Annäherungsziele, Risikomeidung,
Fertigkeiten (GLM orientiert)
Wer kann es machen?
TherapeutInnenmerkmale
(Marshall et al. 2011)
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Empathie
Wärme
Echtheit
Respekt
Unterstützung
Vertrauen
Emotionale
Ansprechbarkeit
•  Selbst-Offenbarung
•  Offene Frageform
•  Direktiver Stil
•  Flexibilität
•  Ermunterung zu aktiver
Teilnahme
•  Verstärkend
•  Humorvoll
•  Unterstützend
anspruchsvoll
•  Ernsthaftigkeit
•  Aufrichtigkeit
•  Interesse
Zentrale Behandlungsmethoden
•  Motivation
•  Kognitive Umstrukturierung
•  Modelling
•  Positive Verstärkung
•  Stärkung sozialer Kompetenzen
•  Medikamentöse Therapie
Wirksamkeit des Sex Offender
Treatment Program (SOTP)
•  SOTP: seit 1990 in England & Wales in 25 Gefängnissen
•  Vergleich 647 Behandelte vs. 1910 Unbehandelte (aus früheren
Jahren), Time at risk 2 J.
(Friendship et al. 2003)
Rückfälle bei
Behandelten %
Rückfälle bei
Unbehandelten %
Niedrig
1,9
2,6
Mittel niedrig
2,7
12,7
Mittel hoch
5,5
13,5
Hoch
26,0
28,1
Risikolevel
Positive Verstärkung
Positive Verstärkung = Belohnung (verbal oder nonverbal) für
antikriminelle Einstellungen oder Verhaltenweisen.
Für effektive therapeutische Verstärkung sind drei
Gesichtspunkte zu beachten:
•  Unmittelbare Verstärkung des Beitrags, verbal oder
nonverbal (durch Lächeln oder Augenkontakt)
•  Erklärung, warum der Beitrag des Klienten verstärkt
wurde
•  Intensität der Verstärkung ist hinreichend deutlich, um sich
von der normalen positiven Zugewandtheit im
therapeutischen Setting zu unterscheiden
Positive Verstärkung
Beispiele:
•  Das war hervorragend, dass Sie Verantwortung für
ihr Verhalten übernommen haben ohne jemand
anderem die Schuld zu geben.
•  Sie sind damit sehr effektiv umgegangen und haben
dabei die Rechte anderer respektiert.
•  Was mir wirklich gut gefallen hat an dem, was Sie
gerade gesagt haben, ist, dass Sie die
Zusammenhänge zwischen ihren Gedanken und
ihrem Verhalten sehr deutlich gemacht haben.
Positive Verstärkung
Ineffektive oder unangemessene Beispiele positiver
Verstärkung:
•  Während der gesamten Gruppensitzung wird kein
einziges Lob verteilt und am Ende sagt man der
Gruppe, dass sie hervorragend mitgearbeitet hat.
•  Einem Gruppenmitglied rückmelden, dass seine
Beiträge hervorragend sind, wenn dies nicht stimmt.
•  Einem Gruppenmitglied immer nur rückmelden, was
falsch ist an seinen Beiträgen, ohne die positiven
Aspekte hervorzuheben.
Modelling
•  Angemessen mit Kritik umgehen, nicht vom Thema
ablenken oder unterbrechen
•  Nicht vor unangenehmen Aufgaben zurückschrecken
•  Fehler zugeben
•  Angemessenes Lob akzeptieren
•  Andere angemessen loben
•  Nicht über das eigene Leben, die Gesellschaft im
allgemeinen oder den Job lamentieren. Stattdessen
deutlich machen, dass man selbst für das eigene
Leben verantwortlich ist.
•  Versprechungen sind einzulösen
Kognitive Umstrukturierung
Wichtig:
• 
Angemessene Form der Fragenformulierung
• 
Ein ermutigender und unterstützender
Behandlungsstil
Kognitive Umstrukturierung
Das sokratische Fragen ist nicht feindlich und unterstützt
das „Selberdenken“.
Zu vermeiden sind:
–  Geschlossene Fragen
–  Fragen, die Annahmen beinhalten
–  Suggestivfragen
–  Konfrontationen
– 
Kognitive Umstrukturierung
Beispiele für Sokratisches Fragen:
•  Welche Verbindungen können Sie herstellen zwischen
Ihren Taten und dem, was Ihnen vorher durch den Kopf
gegangen ist?
•  Was für andere Gründe könnte es dafür geben, dass
das passiert ist?
•  Wenn Sie andere Leute sagen hören, dass die Dinge
„einfach so passiert“ sind, was denken Sie darüber,
warum so etwas gesagt wird?
Umgang mit Verleugnung
Es wurden insgesamt fünf Faktoren identifiziert, die das
Aufgeben von Verleugnungen erleichtern:
1.  Ein vertrauensvolles Klima
2.  Ex-Verleugner als Rollenmodelle
3.  Beseitigung der Angst von Negativkonsequenzen, wenn
die Straftat eingestanden wird
4.  Herausarbeiten der positiven Konsequenzen, wenn das
Delikt eingestanden wird
5.  Ermutigung, das Delikt einzugestehen
Kognitive Verzerrung
Beispiel: Geschwindigkeitsübertretung
Ich fahre mit einem neuen, schnellen Auto auf einer
wenig befahrenen, gut ausgebauten Straße. Die Sicht
ist hervorragend.
Ich überschreite die Geschwindigkeitsbegrenzung
erheblich.
Definition:
Ich lege mir die Dinge so zurecht, dass sie für mich
passen, damit ich mein Verhalten rechtfertigen
kann und es nicht ändern muss.
Beispiele kognitiver Verzerrungen
Kindesmissbrauch
Ich hätte aufgehört, wenn sie „nein“
gesagt hätte.
Sie war sexuell sehr erfahren. (über
ein 13-jähriges Mädchen)
Ich bin selbst als Kind durch meinen
Onkel sexuell missbraucht worden.
Es hat mir nicht geschadet.
Vergewaltigung
Im Gerichtssaal war sie völlig ruhig
und gelassen. Wenn sie die Tat
wirklich belasten würde, dann wäre sie
mehr durcheinander gewesen.
Ich hab´ viele Sachen gemacht, mit
denen die Frauen anfangs nicht
einverstanden waren. Später haben
sie es dann alle genossen. Nur diese
beiden Frauen haben das falsch
verstanden. Wo ist das Problem mit
meinem Verhalten, wenn es den
meisten Frauen gefällt?
Sie war immer sehr aufreizend
gekleidet und hatte zahllose
Bekanntschaften. Normalerweise war
sie nicht so zimperlich.
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Ziele:
•  Dem Täter Erklärungen für kognitive Verzerrungen bei
Sexualdelikten liefern (allgemeine Beispiele, z.B.
Geschwindigkeitsübertretungen)
•  Den Täter über die Auswirkungen von Sexualdelikten
auf die Opfer informieren (auf neutrale, nicht
verurteilende Art und Weise)
•  Den Täter beim Erkennen eigener kognitiver
Verzerrungen unterstützen
•  Übungen, die den Täter beim Erkennen und Beseitigen
kognitiver Verzerrungen unterstützen
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Wie werden kognitive Verzerrungen bearbeitet?
• 
Alternativen darstellen / modellieren
• 
Alternative / realitätsgerechtere Aussagen des Täters
verstärken
• 
Im Rollenspiel die Argumente der Gegenseite
vertreten
• 
Selbstwert steigern
• 
Selektive Reflektion nutzen
• 
Unterstützung der Gruppe nutzen
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Wie kann die Gruppe zur Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
genutzt werden?
•  Modellieren, wie Fragen gestellt werden
•  Das Fragen von Gruppenteilnehmern verstärken
•  Diejenigen Gruppenteilnehmer loben, die sich aufrichtig mit
ihren kognitiven Verzerrungen auseinandersetzen
•  Falls keine Beiträge von der Gruppe kommen, kognitive
Verzerrungen direkt bearbeiten
Die Bearbeitung von kognitiven Verzerrungen funktioniert am
besten nach der sokratischen Methode:
Wir sind eher bereit, Erkenntnisse zu akzeptieren und zu
integrieren, die durch eigenes logisches Denken erworben
wurden.
Das heißt: Belehren und Streiten funktioniert eher schlecht.
Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
Ich hab´ es nicht getan.
Gehen Sie im Detail mit dem Täter durch, was er bereit ist zuzugeben.
Wieweit war er tatsächlich involviert?
Konfrontation mit der Aktenlage (ohne dass der Täter das Gesicht verliert).
Warum ist der Tatablauf im Urteil anders dargestellt? Warum hat das
Opfer andere Angaben gemacht?
Es ist wichtig, so viel Informationen wie möglich über die Tat zu haben.
Es kann auch hilfreich sein zu explorieren, was genau hinter der
Aufrechterhaltung der Verleugnung steht, z.B. die Angst, die Partnerin zu
verlieren.
Das Kind hat mich darum gebeten, es zu tun.
Fragen Sie den Täter, ob er einem Kind eine Flasche Schnaps oder eine
geladene Pistole geben würde, wenn es ihn darum bäte.
Fragen Sie ihn, warum er so etwas nicht machen würde.
Lassen Sie ihn Parallelen zum sexuellen Missbrauch ziehen.
Aktive Deliktdarstellung
•  Erklärung des Entscheidungsketten–Modells
•  Wichtig: Gruppenmitglieder sollen richtige
Zusammenhänge zwischen Situationen, Gedanken
sowie Gefühlen und Verhaltensweisen erkennen:
Gedanken steuern Gefühle und Verhaltensweisen,
nicht Situationen.
•  Die Straftaten werden anhand dieses Modells
exploriert, die Teamer erstellen am Flipchart die
Entscheidungskette.
Passive versus aktive
Deliktdarstellung: Vergewaltigung
1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
6. 
7. 
8. 
9. 
Meine Frau hat wieder mal Zoff angefangen, und da bin ich in die Kneipe
gegangen...
Meine Kumpels waren am Feiern und haben sich ganz schön was
eingeschenkt.
Es waren auch einige Mädels da, die offensichtlich Spaß haben wollten.
Als die Kneipe zugemacht hat, wollte ich noch was essen gehen, eins der
Mädels ging in dieselbe Richtung.
Ich sprach sie an, sie war sehr freundlich.
Sie hat es wirklich nötig gehabt, und so landeten wir hinter dem nächsten
Gebüsch.
Ich zog sie aus. Sie hat nichts dagegen gesagt.
Ich hatte Sex mit ihr. Sie hat es genossen. Sie wollte mich wieder treffen.
Als ich sie das nächst mal in der Kneipe sah, hat sie die Polizei gerufen
und mich der Vergewaltigung bezichtigt. Es war unfassbar.
Passive versus aktive
Deliktdarstellung:Vergewaltigung
1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
6. 
7. 
Meine Frau wollte nicht, dass ich in die Kneipe gehe. Wir hatten Streit
deswegen und ich bin aus dem Haus gestürmt. Ich wusste, dass ich auf
diesem Wege so oder so in die Kneipe komme.
Ich habe stark getrunken. Ich dachte, ich würde es meiner Frau schon
zeigen.
Als die Kneipe schloss, beschloss ich, einer der Studentinnen zu folgen.
Ich wählte die, die stadtauswärts ging.
Ich fragte sie nach der Uhrzeit, doch sie war sehr abweisend, was mich
verärgert hat.
An der nächsten einsamen Ecke hab ich ihr an die Kehle gefasst und
ihr eine reingehauen, sie wurde ganz benommen, ich begann sie
auszuziehen.
Dann hatte ich Sex mit ihr. Sie bat mich, sie nicht zu verletzen. Ich
fühlte mich gut. Ich ließ sie gehen, als sie mir bestätigte, dass ich ihr
nicht weh getan hatte.
Als ich das nächste Mal in der Kneipe war, erzählte ich, wie leicht es
war, die Kleine rumzukriegen. Als die Polizei erschien dachte ich, ihre
Aussage steht gegen meine, ich brauche die Vergewaltigung nur zu
leugnen.
“Altes Ich” versus “Zukünftiges Ich”
Altes Ich
Zukünftiges Ich
•  Herausarbeiten devianter
sexueller Interessen /
Erregungsmuster
•  Vertieftes Verständnis über
Defizite und unrealistische
Erwartungen in Beziehungen
•  Vertieftes Verständnis über
einen problematischen
impulsiven Lebensstil
•  Herausarbeiten
selbstrechtfertigender und
deliktrechtfertigender kognitiver
Verzerrungen und Ersetzen
durch prosoziale Ansichten
•  Verstärken der Motivation, nichtdeviante sexuelle Interessen zu
entwickeln.
•  Unterstützung bei der
Bewertung der Entwickeln
realitätsgerechter BeziehungsErwartungen
•  Erarbeitung neuer, funktionaler
Denkmuster
•  Gelegenheit geben zur
Neubewertung und
Neuformulierung von
Lebenszielen
Paradigmenwechsel in der
Sexualstraftäterbehandlung?
Rockwood Psychological Services Program (Marshall et al. 2011):
•  positive therapeutische Haltung: Therapeuten zeigen
Wärme, Empathie und Unterstützung für die Pat./Straftäter
•  Unterstützung für gesunde, prosoziale Lebensführung:
Förderung von Selbstwertgefühl, Reduzierung von Scham,
Aufbau persönlicher Stärken und Resilienz (Good Life
Model, positive Psychologie, Ressourcenorientierung)
•  Abkehr von Fokussierung auf Deliktbearbeitung und
Rückfallvermeidungsplänen
•  Kritik an zu starker kognitiver Ausrichtung von CBT
•  Ziele: nicht nur Reduzierung von Kriminalität, sondern
Förderung von Wohlbefinden
Good Lifes Model
1. 
2. 
3. 
4. 
Gesundheit - Ernährung und Bewegung
„Meisterhaftigkeit“ (Beherrschung) – in Arbeit & Spiel
Autonomie – Selbstbestimmung
Beziehungen – Intimbeziehung, Familie, Freunde,
Verwandtschaft, Gemeinde
5.  Innerer Friede – Freiheit von Unruhe, Stress; Gefühl von
zweck- und sinnvollem Leben
6.  Wissen und Kreativität – Befriedigung durch Lernen und
Erschaffen von Dingen (Arbeit, Hobbies, Musik,
Schreiben ...)
(Marshall et al. 2011, Ward & Mann 2004)
RPS Primary Program
Phase 1: „Engagement“
•  Überblick über Behandlung
•  Schweigepflicht
•  Hintergrundfaktoren
•  Förderung von Selbstwertgefühle, Reduzierung
von Scham
•  Verbesserung von Coping und
„Stimmungsmanagement“ (Emotionsregulation)
•  Erweiterung von Empathie
Phase 2: Modifizierung
kriminogener Faktoren I
1.  Einstellungen/Kognitionen
•  Deliktfördernde Einstellungen (Männer sollen
Frauen dominieren, feindselige
Einstellungen gegenüber
Frauen; Kinder als
selbstbestimmte sexuelle
Personen)
• 
• 
• 
• 
Emotionale Identifikation
mit Kindern
Antisoziale Einstellungen
Selbsteinschätzung als
nicht-rückfallgefährdet
Anspruchshaltung
2. Selbst-Regulation
•  defizitäre
Verhaltensregulation
•  defizitäres Coping /
Problemlösung
•  Emotionale Dysregulation
Phase 2: Modifizierung
kriminogener Faktoren II
3. Beziehungsprobleme
•  Intimitätsdefizite
•  Fehlende BeziehungsFähigkeiten
•  Maladaptive Bindungsstile
•  Emotionale Einsamkeit
4. Sexuelle Faktoren
•  Mangelndes sexuelles
Wissen
•  Deviantes / paraphiles
sexuelles Interesse
•  Sexuelle
Anspruchshaltung
•  Sexuelle Preokkupation
RPS Primary Program
Phase 3: Lebensförderung & Selbstmanagement
•  Good Life Model
•  Vermeidungsstrategien (eingeschränktes
Repertoire)
•  Aufbau von Unterstützungsgruppen
•  Entlassungsplan
Wirksamkeit des Rockwood Psychological
Services ( RPS) Primary Programs
Follow-Up (time at risk): 8,4 J. (n=535)
Rückfälle bei
Behandelten %
Erwartete
Rückfälle %
(Static-99, RRASOR)
Sexualdelikte
5,6
23,8
Andere
Gewaltdelikte
8,4
34,8
(Marshall et al. 2011)
Verhaltenstherapeutische Techniken zur
Modifikation sexueller Präferenzen
(Marshall et al. 2012)
1. Aversions-Techniken
–  Olfaktorische Reize
–  Ammoniak
–  “Covert sensitization” (verdeckte
Sensitivierung)
2. Masturbatorische Rekonditionierung
–  Thematische Verschiebung / gerichtete
Masturbation
–  “Satiation” (Sättigung)
Urges
50
Exposures
40
30
20
10
0
1
2
3
4
weeks
BASELINE
5
6
7
8
9
10
11 12
weeks
13
14
AMMONIA AVERSION
15
16
3
6 12
months
FOLLOW-UP
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
100
Responses to prepubescent girl s
Responses to adult females
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
1
2
3
weeks
BASELINE
4
5
6
weeks
OLFACTORY
AVERSION
7
8
9
10
weeks
DIRECT ED
MASTURBATION
1
3
6
2
mth. mths. mths. yrs.
FOLLOW-UP
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
26
Deviant Urges/Fantasies
24
Appropriate Urges/Fantasies
22
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
weeks
weeks
weeks
BASELINE
OLFACTORY
AVERSION
DIRECTED
MASTURBATION
1
3
6
2
mth. mths. mths. yr.
FOLLOW-UP
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
Covert Sensitization /
Association (Marshall et al. 2012)
“Covert sensitization”:
Imaginiere deviantes Verhalten → Wechsel auf Imagination von
Erbrechen o.ä.
“Covert association”:
1.  Erstelle verschiedene Deliktfantasie-Ketten die weit vor der
explizit sexuellen Aktivität beginnen und breche diese auf
verschiedene Einzelschritte/stufen herunter.
2.  Erstelle subjektiv relevante unangenehme Folgen /
Konsequenzen der Deliktfantasie bzw. des Delikts.
3.  Schreibe Deliktkette auf der einen Seite und negative
Konsequenzen auf der anderen Seite einer hosentaschengroßen
Karte, die der Pat. immer bei sich trägt.
4.  Zähle die Deliktketten mit den Konsequenzen mindestens
zweimal pro Tag auf. Anfangs sollten die Konsequenzen am Ende
der Kette aufgezählt werden, später bei immer früheren Stufen
der Deliktkette. Diese Übungen sollten sowohl in Zuständen guter,
als auch schlechter Stimmung ausgeführt werden.
Covert Sensitization /
Association (Marshall et al. 2012)
Theorie zum Wirkmechanismus:
Die Assoziation von detaillierten, konkreten Stufen einer
Deliktfantasie-Kette mit relevanten negativen
Konsequenzen sollte zu einer automatischen Reaktion auf
frühe Stufen der Kette in Form von Gedanken an die
Konsequenzen führen.
Zwar können die Assoziation der Deliktstufen mit
unangenehmen Konsequenzen als „Bestrafung“ dienen,
allerdings ist eine schnelle Abschwächung dieser
Assoziation zu erwarten (d.h. die Konsequenzen werden
mit den Wiederholungen weniger „bestrafend“). Das
entscheidende hingegen ist die gepaarte Assoziation.
12 to 14 yrs. boys
8
Adult males
Adult females
Weekly Urges/Fantasies
7
6
5
4
3
2
1
0
1
2
3
weeks
BASELINE
4
5
6
7
8
9
10
weeks
COVERT ASSOCIATION
11
1
3
6
2
mth. mths. mths. yrs.
FOLLOW-UP
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
100
Responses to 12-14 yrs. boys
Responses to adult males
90
Responses to adult females
80
Percent full erection
70
60
50
40
30
20
10
0
1
2
3
weeks
BASELINE
4
5
6
7
8
9
10
weeks
COVERT ASSOCIATION
11
1
3
6
2
mth. mths. mths. yrs.
FOL LOW-UP
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
Masturbatorische Rekonditionierung
(Marshall et al. 2012)
Technik:
1.  Definiere mit dem Pat. ein Set von geeigneten (nichtdevianten) sexuellen Fantasien.
2.  Der Pat. soll sich zu Beginn der Masturbation mit Hilfe
devianter Fantasien sexuelle erregen.
3.  Dann wechselt (switcht) er zu nicht-devianten Fantasien.
4.  Wenn die Erregung nachlässt, soll der Pat. zu devianten
Fantasien zurückkehren, bis er wieder erregt ist, und dann
wieder zu nicht-devianten Fantasien zu wechseln,
während der masturbiert, so lange, bis er ejakuliert.
Theorie zum Wirkmechanismus:
Die wiederholte Assoziation von nicht-devianten Fantasien
mit masturbationsinduzierter Erregung führt zu einer
appetitiven klassischen Konditionierung, d.h. Koppelung
von nicht-devianten Fantasien mit einer positiven
Bewertung.
Masturbatorische Sättigung
(satiation) (Marshall et al. 2012)
Technik:
Nach – jeder – Masturbation bis zur Ejakulation soll der
Pat. alle denkbaren Variationen seiner devianten
sexuellen Handlungen oder Fantasien (laut oder in
Gedanken) über 10 Min. beschreiben.
Theorie zum Wirkmechanismus:
1.  Die Koppelung devianter Fantasien mit der Refraktärzeit
(Zustand von niedriger oder fehlender Erregung) führt
zur Löschung der sexuell stimulierenden Kraft der
Fantasien.
2.  Die Sättigung führt außerdem zu einem aversiven
Zustand (Langeweile, Müdigkeit), was in Assoziation mit
devianten Fantasien die Bedingungen für eine aversive
klassische Konditionierung erfüllt.
Reducing Deviant Sexual Arousal
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
Wirksamkeit von Masturbatorischer
Rekonditionierung (Marshall & Marshall
2012)
Pretreatment
Posttreatment
Nicht-deviante
Erregung
53.4 %
32.6 %
p = .03
Deviante
Erregung
60.7 %
17.3 %
p = .001
1.14
0.53
Devianz-Index
(mit freundlicher Überlassung von Marshall & Marshall 2012)
Video (alternativ):
1.  Gruppentherapie mit pädosexuellen
Patienten
2.  Patient mit hypersexueller Störung
Therapie: „Sexsucht“
Therapieziele 1. Ordnung
•  Psychiatrisch-psychologische Diagnostik und Behandlung
anderer psychischer Störungen (Komorbidität)
•  Förderung des Problembewusstseins (z.B. Motivational
Interviewing)
•  Reduzierung der Verfügbarkeit (Stimuluskontrolle),
Kontrollmöglichkeiten bessern (z.B. Internetzugang
sperren, Filtersoftware, meiden auslösender Situationen)
•  Klärung von auslösenden Gedanken, Affekten, Stressoren
und Entwicklung von möglichen Handlungsalternativen
•  Psychoeduktion inkl. Information über Komorbidität und
Behandlungsmöglichkeiten
(modifiziert nach Delmonico et al. 2002, Briken et al. 2005)
Therapie: “Sexsucht“
Therapieziele 2. Ordnung
• Rückfallvermeidung und Bearbeitung assoziierter
Probleme: z.B. Trauerprozesse, Stress- und WutManagement, Schuld und Scham, Kindheitstraumata,
kognitive Verzerrungen, ggf. Opfer-Empathie
• Abbau der sozialen Isolation
• Förderung einer integrativeren und beziehungsreicheren
Sexualität
•  Einbeziehung von Partnern (evtl. Paartherapie), Kindern,
Angehörigen, Freunden oder Arbeitskollegen
•  Evtl. Selbsthilfegruppe (AS, SLAA, S-Anon)
•  Pharmakotherapie inkl. Komorbidität (z.B. SSRI)
(modifiziert nach Delmonico et al. 2002, Briken et al. 2005)
The Sex Addiction Workbook
(Sbraga & O‘Donohue 2003)
Kognitiv-Behaviorales Selbsthilfemanual (englisch)
•  Analyse des Problems (Verhaltensanalyse, costs & benefits)
•  Lang- und kurzfristige Ziele (bzgl. Symptomatik und allgemeine
Lebensziele)
•  Vor- und Nachteile von Behandlung
•  Analyse und Bearbeitung kognitiver Verzerrungen
•  Analyse von Verhaltensketten, alternative Handlungsmöglichkeiten
•  Analyse und Übungen zu Emotionsregulation, insbes.
Selbstwertprobleme
•  Empathie in Folgen für andere
•  Rückfallvermeidung, Analyse & adäquate Bewältigung von
Risikosituationen
•  Soziale Kompetenz
•  „sichere und befriedigende Sexualität“ & Intimität
Pharmakotherapie
Wirksamkeit von Therapie
kognitiv-behavioral (35)
1.45
rein behavioral (7)
2.17
einsichtsorientiert (5)
0.98
therap. Gemeinschaft (8)
0.85
andere (5)
0.93
hormonal (6)
3.13
chirurg. Kastration (8)
0.1
14.29
1
10
100
Odds Ratio
Meta analysis (n=22.181, Lösel und Schmucker, 2005)
Ideale Pharmakotherapie für
Sexualstraftäter
•  Behandlung der zugrunde liegenden Störungen
(z.B. Paraphilien, Angst- und depressive
Störungen, Persönlichkeitsstörungen)
•  Selektive Unterdrückung von paraphilen
Fantasien, Impulsen und Verhaltensweisen
•  Keine Beeinträchtigung der nicht-paraphilen
Sexualität
•  Keine unerwünschten Nebenwirkungen
Überblick
Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)
Naltrexon
Cyproteronacetat (CPA)
LHRH-Agonisten
Was, wann, für wen?
SSRI
Sexualdelinquenz
• Paraphilien
• Angststörungen
• Depressionen
Serotonerges
•  emotional instabile
Defizit?
Persönlichkeitsst.
• Impulskontrollstörungen
Selektive
SerotoninWiederaufnahmehemmer
(SSRI)
SSRIs bei Paraphilien
Wirksamkeit
•  keine doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien
bei Sexualstraftätern
•  eine kontrollierte Untersuchung zu „Compulsive
Sexual Behavior“ (‚Sexsucht‘)
•  keine längeren Katamnesen
•  keine Unterschiede zwischen verschiedenen SSRIs
(Greenberg et al. 1996)
•  Wirkung nach 2-4 Wo. (Maximum nach 2-3 Mo.)
SSRIs bei Paraphilien
Häufigkeit von Masturbation mit
paraphilen Fantasien (n = 16)
Depressivität und Selbstwert (n = 16)
Kraus et al. , Fortschr Neurol Psych 2007
Sexuelle Funktionsstörungen,
Behandlungszufriedenheit
Sexuelle
Funktionsstörungen
•  gesamt: 12 (75 %)
•  Lustlosigkeit: 11
•  Erektionsstörung: 6
•  Verzögerte Ejakulation
bzw. Orgasmus: 6
Kraus et al. , Fortschr Neurol Psych 2007
SSRI bei ‚Sexsucht‘
Doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie (n=28 „men who
have sex with men“, Wainberg et al. 2006):
•  12 Wo., 20-60 mg Citalopram (SSRI)
•  Signifikant stärkere Reduktion in der Citalopram-Gruppe
bzgl.:
–  Verlangen und Drang nach Sex
–  Masturbationshäufigkeit
–  Pornographie-Konsum
(7,1 è 2,3 Std. pro Wo. in Citalopram-Gruppe versus
6,4 è 5,9 Std. pro Wo. in Placebogruppe)
Naltrexon
•  Bestimmter endogener Opioidspiegel notwendig für
sexuelle Erregbarkeit
•  Aber: hohe Dosen von Opioiden hemmen die
Dopaminausschüttung!
•  Naltrexon: langwirksames Opioid
•  Anwendung v.a. bei Alkohol-/ Drogenabhängigkeit
•  Vermutung: Therapieeffekt bei Paraphilien bzw.
sexueller Devianz durch Anhäufung von Opioiden
Naltrexon (Ryback 2004)
•  Offene, prospektive, unkontrollierte Studie mit 21
jugendlichen Sexualstraftätern mit Hypersexualität
•  Naltrexon: Ø 170 mg/d (100-200 mg)
•  Verschiedene zusätzliche Medikamente
•  Erfolg (Definition: 30% Reduktion sex. Fantasien u.
Masturbation über mindestens 4 Monate) bei 15/21
Patienten (71%)
–  ↓ Masturbation von 2 x pro Tag auf 2 x pro Woche
–  ↓ sex. Fantasien von 5 x pro Tag auf 1 x pro Tag
–  ↓ sex. Erregbarkeit, ↓ morgendliche Erektionen
–  ↑ Selbstwertgefühl und ↑ Gefühl der Selbstkontrolle
Naltrexon (Ryback 2004)
•  Bei 9 Pat. kurze Therapieunterbrechung (11-26 T.) bzgl.
Naltrexon aus rechtlichen Gründen (Erweiterung der
Einverständniserklärung)
•  Bei all diesen Pat. kehrte die sexuelle Symptomatik zur
Ausgangssituation zurück!
•  Keine Veränderungen der Laborwerte
•  Am ehesten für Patienten mit komorbider
Suchterkrankung?
Hormonelle Regulation
•  Androgene (Testosteron und Dihydrotestosteron)
sind notwendig für sexuelles Verlangen und
Erregbarkeit (v.a. bei Männern)
•  Testosteron
–  erhöht die Sensitivität dopaminerger Rezeptoren
–  reduziert die Sensitivität serotonerger
Rezeptoren
–  steigert die Erregbarkeit der HypothalamusHypophysen-Nebennierenrinde-Achse (HPAAchse, Stresshormone: Adrenalin/Noradrenalin)
Hormonelle Regulation
•  Erhöhtes Testosteron mit Aggressivität, Dominanz,
Antisozialität korreliert
•  bei Sexualstraftätern oder Paraphilien i.d.R. keine erhöhten
Testosteronwerte
–  Aber: Korrelation mit Antisozialität, Aggressivität,
Impulsivität, Ansprechen auf Therapie und mglw.
Rückfälligkeit (z.B. Studer et al. 2005, Giotakis et al. 2003)
Androgen-Regulation
Cyproteronacetat (Androcur®)
Wirkmechanismus
1.  blockiert Androgen-Rezeptoren an Zielorganen
(kompetitiver Inhibitor von Testosteron u. DHT)
2.  reduziert die Sekretion von LHRH, dadurch:
⇓
Reduktion des Plasma-Testosterons
⇓
Reduktion von Sexualität (Fantasien, Verlangen,
Erregbarkeit, Erektionen, Ejakulation, Masturbation
und Koitus) und Spermaproduktion
Wirksamkeit von
Cyproteronacetat
•  Reduktion von sexuellem Interesse, Aktivität und
Erregbarkeit (auch in Penisplethysmographie) in
kontrollierten Studien (z.B. Bradford u. Pawlak 1993),
aber: keine längeren Katamnesen
•  keine spezifische Reduktion der paraphilen Sexualität
•  Angeblich Reduktion der Rezidivrate bzgl.
Sexualstraftaten (z.T. auch nach Absetzen); aber:
bisher nur unkontrollierte Studien
CPA - Applikation
•  Dosierung
–  oral: 50-200 mg/d
–  i.m.: 300-600 mg alle 10-14 Tage
•  Wirklatenz
–  Beginn nach 1 Wo. bis 4 Mo.
•  Therapiedauer
–  Keine klaren Richtlinien
–  2-5 Jahre, evtl. Dauertherapie?
Gonadotropin (=LHRH)Analoga
•  Substanzen
–  Leuprorelin (Trenantone®, Enantone®, Eligard®, Salvacyl®)
–  Triptorelin (Decapeptyl®)
–  Goserelin u.a.
•  Durch kontinuierliche (statt physiologischer pulsatiler)
LHRH-Wirkung
è Down-Regulation der LHRH-Rezeptoren
è Senkung der LH- und Testosteron-Spiegel
•  Cave: Flare-up Effekt (in ersten 4 Wochen:Anstieg
von Testosteron)
•  Applikation und Dosierung je nach Präparat:
Alle 4 bis 12 Wochen i.m. oder s.c.
Pharmakotherapie LHRH
Studie I
LHRH Agonisten erstmalig als pharmakotherapeutische Alternative zu
Androcur (CPA) im deutschsprachigen Raum.
Rückfallraten
•  CPA: keine kontrollierten Untersuchungen, Rezidive
0-33% (MW 6%); 10 Studien (N=127) (Meyer & Cole 1997)
•  MPA (Medroxyprogesteronacetat):
z.B. Maletzky et al. 2006
–  Mit Medikation
0% (0/79)
–  Abbrecher/Verweigerer
18% (10/55)
–  Kein Angebot
15% (21/141)
•  LHRH: ≈1%; N=119 (Briken et al. 2003, 2004),
1 kontrollierte Untersuchung (Schober et al. 2006), aber nicht
bezogen auf Rezidivrate
•  Cave: Heterogene Gruppen (Diagnose, Setting,
Behandlung, Komorbidität, Follow-up Dauer)
Wirksamkeit von Therapie
kognitiv-behavioral (35)
1.45
rein behavioral (7)
2.17
einsichtsorientiert (5)
0.98
therap. Gemeinschaft (8)
0.85
andere (5)
0.93
hormonal (6)
3.13
chirurg. Kastration (8)
0.1
14.29
1
10
100
Odds Ratio
Meta analysis (n=22.181, Lösel und Schmucker, 2005)
Nebenwirkungen
•  Osteoporose
•  Gewichtszunahme
•  Damit verbunden erhöhtes
Risiko für metabolisches
Syndrom
•  Infertilität
In Abhängigkeit von der
Behandlungsdauer
Risikofaktoren für Osteoporose
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Alter
Rauchen
Alkoholkonsum
Schlechte Ernährung (wenig Calcium und Vit.D)
Geringe körperliche Aktivität
Antiepileptika, z.B. Carbamazepin, Valproat
•  Wichtig: rechtzeitige Prävention & ggf.
Behandlung: Biphosphonate, Vit-D, Calcium
Psychische Nebenwirkungen
•  Depressive Verstimmung
•  Narzisstische Krisen (Kränkung) durch Verlust
der Sexualität bzw. Wegfall der ‚Plomben‘Funktion der sexuellen Devianz
•  Wichtig: rechtzeitiger Beginn einer Medikation
unter gesicherten Bedingungen (mindestens 12
Mo.)
Medikamentöse Behandlung von
Sexualstraftätern im deutschen
Maßregelvollzug
n=611, davon 18% ambulant (Turner, Basdekis-Josza & Briken, 2012)
Wirksamkeit antiandrogener
Medikation: CPA vs. GnRH-Agonisten
Wirksamkeit: Reduktion
von
CPA
% (N = 25)
GnRH Agonist
% (N = 57)
60
75
52
67
Masturbationsfrequenz
40
44
Konsum pornografischen
Materials
28
26
Non-Responder (6 Mo.)
9
6
Häufigkeit sexueller
Gedanken
Intensität sexueller
Gedanken
Durchschnittliche Behandlungsdauer: CPA 11,8 Mo., GnRH-Agonisten: 13,4 Mo.
(Turner, Basdekis-Josza & Briken, 2012)
Wirksamkeit antiandrogener
Medikation: CPA vs. GnRH-Agonisten
CPA
% (N = 25)
GnRH Agonist
% (N = 57)
Gewichtszunahme
48
19
Gynäkomastie
36
12
Hitzewallungen
56
47
Thromboembolie
4
-
Reduzierte Körperbehaarung
40
30
Depression
8
-
Nieren/Leber-Funktionsstörung
4
-
Hypogonadismus
8
4
- (?)
14
48
33
Nebenwirkungen
Verminderte Knochendichte
Schmerzen an der Injektionsstelle
(Turner, Basdekis-Josza & Briken, 2012)
WFSBP Richtlinien für
Paraphilien (Thibaut et al. 2010)
Stufe 1
• 
Ziel: Kontrolle von paraphilen Fantasien,
Impulsen und Verhaltensweisen ohne
Beeinträchtigung von konventionellem
sexuellem Verlangen und Aktivität
• 
Psychotherapie (bevorzugt kognitivbehavioral, wegen Evidenz Level C)
Stufe 2
• 
Ziel: s.o.
• 
evtl. in milden Fällen (‘Hands-off’Paraphilien mit niedrigem Risiko für
sexuelle Gewalt, z.B. Exhibitionismus
ohne Risiko für Vergewaltigung oder für
Pädophilie)
• 
keine befriedigende Wirkung bei Stufe 1
• 
SSRI: Dosis wie bei Zwangsstörungen
(z.B. Fluoxetin 40 to 60 mg/d oder
Paroxetin 40 mg/d) (Level C)
Stufe
3
WFSBP
• 
• 
• 
• 
Ziel: s.o.
‘Hands-on’-Paraphilien mit sexuellen
Berührungen, aber ohne Penetration
Paraphile sexuelle Fantasien ohne
sexuellen Sadismus
keine befriedigende Wirkung bei Stufe 2
nach 4-6 Wo. mit SSRIs in hoher
Dosierung
Guidelines
(Thibaut et al. 2010)
• 
Zusätzlich zu SSRI: niedrig dosiert
Antiandrogen (z.B. CPA 50-100 mg/d)
(Level D)
Stufe 4
• 
• 
Ziel: Kontrolle der paraphilen
Symptomatik mit einer substanziellen
Reduktion von sexuellem Verlangen und
Aktivität
• 
Mittelgradiges bis hohes Risiko für
sexuelle Gewalt (schwere Paraphilien mit
intrusiveren sexuellen Kontakten und
begrenzter Zahl von Opfern)
1. Wahl: CPA volle Dosis: oral 200-300
mg/d oder i.m. 200-400 mg alle 1-2 Wo.;
oder MPA: 50-300 mg/d (falls kein CPA
verfügbar, z.B. in USA) (Level C)
• 
Bei Komorbidität mit Angst-, depressiven
oder Zwangs-Symptomen: evtl.
Kombination mit SSRI
• 
Keine sexuell sadistischen Fantasien
oder Verhaltensweisen
• 
Gute Compliance, falls nicht: i.m. oder
Stufe 5
WFSBP
Stufe
5
Guidelines
(Thibaut et al. 2010)
Ziel: Kontrolle der paraphilen
Symptomatik mit fast vollständiger
Unterdrückung von sexuellem Verlangen
und Aktivität
• 
• 
Hohes Risiko für sexuelle Gewalt und
schwere Paraphilien
LHRH-Agonist, z.B. Triptorelin- or
Leuprolin-Acetat 3 mg/Mo. or 11,25 mg alle
3 Mo. i.m. (Level C)
• 
• 
Sexuell sadistische Fantasien oder
Verhaltensweisen oder körperliche
Gewalt
Testosteron-Messungen, falls
Überwachung notwendig
• 
• 
Keine Compliance oder keine
befriedigende Wirkung bei Stufe 4
evtl. Kombination mit CPA (1 Wo. vor bis 4
Wo. nach Beginn mit LHRH-Agonisten) um
Risiko durch ‚flare-up‘ Effekt zu reduzieren
• 
Stufe 6
• 
Ziel: Kontrolle der paraphilen
Symptomatik mit vollständiger
Unterdrückung von sexuellem Verlangen
und Aktivität
• 
Schwerste Paraphilien („katastrophale
Fälle“)
• 
Keine befriedigende Wirkung bei Stufe 5
• 
zusätzlich zu LHRH-Agonisten: CPA
(50-200 mg/d oral or 200-400 mg alle 1-2
Wo. i.m.) oder MPA (50-300 mg/d) (Level
D)
• 
evtl. zusätzliche SSRIs (kein EvidenzLevel)
Kasuistik Herr B.
Herr B. - Der Behinderte
•  Bei Therapiebeginn 26j. arbeitslos, ledig und
kinderlos, in Ausbildung zu Bürokaufmann, lebt in
Internat (BFW)
•  Anlass: er konsumierte am Ausbildungsplatz
Kinderpornographie im Internet
•  3/3 Kindern, 2 ältere Schwestern
•  Im 8. Lj. Unfall (Sturz aus einigen Metern Höhe):
schweres Schädelhirntrauma
•  Danach Persönlichkeitsveränderung mit Impulsivität,
Aggressivität, Verwahrlosungstendenzen (→
Organische Persönlichkeitsstörung)
•  Keine Erinnerung an Kindheit vor dem Unfall. Schon
vor dem Unfall schwierige Beziehung zu Eltern (fühlt
sich zurückgesetzt gegenüber den Schwestern),
Schläge
Herr B. - Allgemeine Biographie
•  Seit etwa 9/10. Lj. vorwiegend in Heimen gelebt, z.T.
am Wochenende bei Eltern
•  Schul- und Berufsprobleme, trotz leicht
überdurchschnittlicher Intelligenz
•  Ab etwa 18. Lj. lebt er an wechselnden Orten in
Deutschland. Seit Jahren kein Kontakt zur
Herkunftsfamilie.
•  Zeitweise Alkoholabhängigkeit, seit einigen Jahren
abstinent
•  Beginnt schließlich Ausbildung zum Bürokaufmann
am Berufsförderungswerk in Hamburg (mit
internatsartiger Unterbringung)
Herr B. - Sexuelle Entwicklung
•  Angeblich im 12. Lj. sexueller Missbrauch durch
einen unbekannten, älteren Mann (Bahnhofsmilieu):
über einige Tage in dessen Wohnung festgehalten,
sadistische Übergriffe inkl. gewaltsamem Analverkehr
•  Fraglich manchmal Flashbacks / Alpträume
•  Seit Pubertät durchgängig sexuelle Fantasien (u.
Impulse) bezogen auf
–  jüngere, prä- bis frühpubertäre Mädchen (→
Pädophilie)
–  mit Gewaltfantasien (schlagen, fesseln,
vergewaltigen → sexueller Sadismus)
–  Nachts i.d.R. Anziehen von weiblicher
Kinderunterwäsche, zum Schlafen, aber auch zur
Masturbation (→ transvestitischer Fetischismus)
Herr B. - Sexuelle Entwicklung
•  Häufig Selbstbefriedigung, z.T. mehrmals täglich,
starke Beschäftigung mit devianten Fantasien, auch
tagsüber, dadurch auch Beeinträchtigung der
Konzentration
•  Schreibt z.T. deviante Fantasie-Geschichten (die
einmal einem Betreuer aufgefallen waren)
•  Nie Hands-on-Delikte bekannt geworden
•  Nie reale sexuellen Beziehungen
Herr B. - Behandlung
•  Seit 14 J. psychiatrische und supportivpsychotherapeutische Behandlung; alle 2, später alle
3-4 Wochen. Therapeut als Vaterfigur.
•  Parallel sozialpsychiatrische Maßnahmen:
–  betreute Wohneinrichtung, enge Kooperation
–  beschützter Arbeitsplatz in Behinderteneinrichtung
–  später juristische Betreuung wegen
Geldproblemen
Herr B. - Behandlung
•  Zunächst medikamentöse Behandlung mit einem
SSRI: darunter bessere Kontrolle über pädosexuellsadistische Impulse
•  wegen weiterhin ausgeprägter Fantasietätigkeit nach
einem Jahr Umstellung auf antihormonelle
Behandlung (LHRH-Analogon): → starke Abnahme
sexueller Aktivität (Selbstbefriedigung) und
Fantasien, insgesamt stabiler, konzentrationsfähiger
•  Aber: zeitweise Compliance-Probleme wegen Trauer
über verlorene Sexualität
•  Noch vorhandene Fantasien werden zunehmend
weniger deviant: v.a. weniger gewalttätig, fantasierte
Partnerinnen (angeblich): jugendliche → junge
erwachsene Frauen
Herr B. - Behandlung
•  Zeitweise Neuauftreten bzw. Verstärkung einer
Spielsucht (Ersatz für reduzierte Sexualität?)
•  Seit 9 J. Beziehung zu einer ca. 10 J. älteren,
psychisch behinderten Frau (mit sexuellen
Traumatisierungen):
–  Regelmäßig sexueller Kontakt mit Küssen,
Streicheln, Petting, aber kein Vaginalverkehr (was
ihr recht ist)
–  (verzögerte) Erektion und Orgasmus (aber nur
wenig Ejakulation) möglich
–  Zeitweise Wunsch nach stärkerer Sexualität
•  (nach seinen Angaben) keine devianten Fantasien
und Impulse mehr
•  Pat. vermeidet Versuche, Medikament abzusetzen.
Gründliche Diagnostik
Integration verschiedener therapeutischer Möglichkeiten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
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