Ophthalmologie Seite 1 Ophthalmologie (Augenheilkunde) 1. Anatomie und Physiologie des Auges und des Sehens a) Anatomischer Aufbau: Das Auge entwickelt sich aus zwei unterschiedlichen Gewebsanteilen, die sich aufeinander zu entwickeln: • Ektoderm: Einstülpung von außen Formung des Augapfels (Bulbus) mit Sklera, Choroidea und Pigmentepithel, sowie der Cornea und der Linse. • Gehirn: Vorwachsen zweier Ausläufer des Gehirns (Sehnerv, N. opticus), Durchdringung des Bulbus und Ausfächern der Nervenfasern in die Retina. Beide Gewebsanteile sind auch im erwachsenen Auge auf mikroskopischer Ebene streng voneinander getrennt. b) Rezeptorapparat und Sehbahn Der Bulbus ist von innen durch die Retina ausgekleidet. Die Retina besteht aus den eigentlichen Rezeptoren (Stäbchen und Zapfen) zwischengeschalteteten Neuronen, die für die erste grobe Bildverarbeitung und Kontrastierung zuständig sind, und den zum N. opticus und die Sehbahn führenden Nervenbahnen. Das Licht durchdringt die Retina und trifft erst ganz zuletzt auf die Stäbchen und Zapfen. In der Fovea centralis konzentrieren sich die Rezeptoren, die abführenden Nervenbahnen sind zur Seite gedrängt, damit sie die optimale Lichtverarbeitung in diesem Gebiet nicht stören. Von dort werden die Informationen über den Sehnerv weitergeleitet. Ein Teil der Fasern kreuzt im Chiasma opticus auf die Gegenseite. Die Sehbahn endet im Occipitallappen des Großhirns. Teilweise Gesichtsfeldausfälle bzw. komplette Blindheit haben je nach Störung charakteristische Eigenschaften, die auf die Lage der Erkrankung schließen lassen. c) der Akkommodations-apparat Unter Akkommodation versteht man das Scharfstellen der Linse, um ein scharfes Bild auf der Retina zu erreichen. Die größte Linsenwirkung im Auge hat nicht die Ophthalmologie Seite 2 Linse selbst, sondern die Hornhaut (mit ca. 43 dpt). Die Hornhaut ist aber eine starre Linse. Die hinter der Iris liegende Linse dagegen kann durch Verformung ihre Brechkraft ändern. Die Linse ist in entspannter Form maximal gekrümmt (=maximales Nahsehen), in gespannter Form wird sie flacher. Der M. ciliaris spannt die Fasern, an denen die Linse aufgehängt ist durch eigene Erschlaffung und umgekehrt. • Bei der Myopie (Kurzsichtigkeit) ist der Bulbus zu lang. Die Linse kann auch bei maximaler Dehnung durch Zug der Fasern nicht so flach gemacht werden, daß ein entfernter Gegenstand scharf auf die Retina abgebildet werden kann. Therapie: Brille mit Zerstreuungslinsen • Bei der Hypermetropie (Weitsichtigkeit) ist der Bulbus zu kurz. Auch wenn die Linse ganz entspannt ist und damit maximal gekrümmt, kann ein naher Gegenstand nicht scharf auf die Retina abgebildet werden. Therapie: Brille mit Sammellinsen • Bei der Presbyopie besteht durch Starrheit der Linse eine Weitsichtigkeit und eine Kurzsichtigkeit gleichzeitig, die Linse ist nicht mehr so gut dehnbar. Therapie: Brille mit eingeschliffenen Lesegläsern • Beim Katarakt (grauer Star) besteht eine Linsentrübung. Betroffene klagen über besonders schlechte Sicht bei Gegenlicht. Der Katarakt entsteht als Alterserscheinung oder i.R. von Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes). Therapie: Entfernung der Linse (Kataraktextraktion) und Ersatz durch eine künstliche Linse • Beim Astigmatismus besteht eine Corneaverformung, so daß ein verzerrtes Bild auf die Retina abgebildet wird. Therapie: Kontaktlinsen, die die Cornea in die richtige Form bringen d) der Blendenapparat Die Iris funktioniert wie eine Fotoblende. Durch Miosis (Pupillenverengung) wird der Lichteinfall ins Auge reduziert, durch Mydriasis (Pupillenerweiterung) verstärkt. Miosis und Mydriasis werden durch aktive Muskelkontraktionen ausgelöst. Die Miosis entsteht durch parasympathischen, die Mydriasis durch sympathischen Einfluß. Die Iris vermag nur kurzfristige kleinere Veränderungen der Lichtintensität zu regulieren, größere Lichtschwankungen werden durch eine Empfindlichkeitsänderung der Retina kompensiert. e) Bewegungsapparat Innervation: M. rectus lat.: N. abduzens, M. obliquus sup.: N. trochlearis, alle anderen Augenmuskeln: N. oculomatorius f) Versorgungssysteme des Auges • Arterielle und venöse Versorgung: Die Retina wird ausschließlich durch die Art. centralis retinae versorgt, die mit dem Sehnerv in das Auge eintritt. Die anderen Schichten den Auges werden von der Choroidea aus versorgt. Ein Verschluß der Art. centralis retinae kann zur kompletten Amaurose führen. Eine vorübergehende Durchblutungsstörung der Art. centr. retinae kann zur kurfristigen Sehschwäche (Amaurosis fugax) führen. Eine Amaurosis fugax ist ein wichtiges Warnsignal für einen bevorstehenden Apoplex. • Kammerwasser: Das Kammerwasser dient der Ernährung der Linse und der Cornea von hinten. Es wird im M. ciliaris gebildet, umspült die Linse, fließt in die Ophthalmologie Seite 3 vordere Augenkammer vor die Iris und wird im Winkel zwischen Iris und Cornea über die sog. Schlemmschen Kanäle resorbiert. Eine Erhöhung des Kammerwasserdruckes führt zu erheblichen Schmerzen und kann in der Folge zu Erblindung führen. Man spricht von grünem Star oder Glaukom. Therapie: Verbesserung der Kammerwasserabflusses über die Schlemmschen Kanäle durch medikamentös induzierte Miosis. • Tränenapparat: Dient der Ernährung der Cornea von außen. Tränenflüssigkeit wird von der Granula lacrimalis (Tränendrüse) gebildet, wird durch beständigen Lidschlag über die Cornea verteilt und von den Tränenpünktchen am medialen Augenwinkel aufgenommen und über den Tränenkanal in den unt. Nasengang abgeleitet. 2. Erkrankungen der Lider a) Ptosis Unter Ptosis versteht man einen pathologisch tiefen Lidstand. Ursache: Nervenlsäionen und angeborene oder erworbene Erkrankungen mit Muskelschwäche. Die Ptosis findet man einoder beidseitig. (Bild) b) Entropium/Ektropium • Entropium: Nach innen Wölben des Unterlides, meist als Entropium spasticum oder senile bei älteren Patienten. Dadurch reiben die Haare des Unterlides ständig gegen die Cornea und verursachen chronische Entzündungen. • Ektropium: Nach außen Wölben des Lides. Dadurch steht das Lidpünktchen ab und die Tränen laufen über die Wange ab, was zu ständiger Reizung führt. Ursachen: • Ektropium senile: Alterserscheinung durch Bindegewebsschwäche • Ektropium paralytikum: Fehlender Tonus des Unterlides durch Fazialisparese • Ektropium cicatriceum: Durch Narbenzug entstehendes Ektropium. Ophthalmologie Seite 4 3. Bindehaut (Konjunktiva) • Konjunktivitis: Entzündung der Bindehaut aufgrund einer chemischen oder mechanischen Reizung, einer bakteriellen oder viralen Entzündung. Die infektiöse Konjunktivitis betrifft praktisch immer beide Augen. Sy Schmerzen, Tränenfluß, Juckreiz, Fremdkörpergefühl Befunde: Rötung und Schwellung der Konjunktiva, Tränenfluß, evtl. eitrige Sekretion (massiv bei Gonokokken-Konjunktivitis des Neugeborenen, siehe Bild) • Pneumokokken- und Staphylokokken-Konjunktivitis: Heftige Rötung und Schwellung der Bindehaut, immer beidseits, heftige Tränensekretion, teils auch eitrig. • Gonokokken-Konjunktivitis des Neugeborenen: Hochgefährliche Entzündung der Bindehaut bei Neugeborenen durch Gonokokken-Infektion im Geburtskanal. Massive Schwellung der Lider, beim Öffnen der Lider entleert sich rahmiger Eiter. Unbehandelt wird die Cornea rasch zerstört. Wegen der schlimmen Folgen ist die sog. Credèsche Prophylaxe (Silbernittrattropfen in beide Augen unmittelbar nach der Geburt) gesetzlich vorgeschrieben. Keratokonjunktivitis epidemica: Durch Adenoviren hervorgerufene Konjunktivitis mit meist einseitigem Beginn und Übergang auf das andere Auge ohne eitrige Reaktion. In ca. 14 Tagen vorbei. Therapie nur mit lokal antiseptischen Lösungen. 4. Cornea a) Keratitis: Entzündung der Hornhaut mit der hohen Gefahr der Corneatrübung mit Beeinträchtigung des Sehens. Keratitis dentritica und Keratitis disciformis: Durch das Herpes-Virus hervorgerufene Entzündung der Hornhaut. Bei der Keratitis dentritica findet man unter der Lupe und mit speziellen Färbemethoden (Floureszeinfärbung) verästelte Krater der Hornhaut, bei der Keratitis disciformis findet sich ein flächenartiges Ödem der Hornhaut (Bild). Gefährlicher ist die Keratitis dentritica. Th Die Keratitis disciformis wird am besten mit Laser therapiert. Dabei werden alle befallenen Zellen durch Hitze vernichtet. Bei der Keratitis disciformis genügen meist lokale Cortison-Augentropfen. Die Gabe von Virusmedikamenten lokal ist meist nicht erforderlich. Ophthalmologie Seite 5 b) Arcus lipoides / Arcus senilis: Per se nicht pathologischer Ring der Hornhaut durch Einlagerung von Fettstoffwechselprodukten. Hinweis für langjährige Hyperlipidämie, Diabetes, in hohem Alter aber auch ohne solche Vorerkrankungen sichtbar. c) Astigmatismus, Keratokonus, Keratoglobus: • Astigmatismus: Unregelmäßigkeit der Hornhautoberfläche. Dies führt zu einer verzerrten Abbildung des Projektionsbildes auf der Retina. Diagnose durch Fensterkreuztest (siehe Bild). • Keratokonus/Keratoglobus: Falsche Hornhautkrümmung, beim Keratokonus zu spitz, beim Keratoglobus zu flach, dadurch ebenfalls falsche Projektion auf die Retina Th Anpassung einer speziellen Kontaktlinse, die die ProjektiNormal Astigmatismus onsfehler ausgleicht. Keratokonus Keratoglobus 5. Linse Katarakt (grauer Star) • Unter Katarakt versteht man eine Trübung der Linse mit entsprechender Einschränkung des Sehvermögens. Häufigster Katarakt ist der Alterskatarakt (Cataracta senilis). Weitere Ursachen: • Cataracta diabetica: bei schlechter Diabeteseinstellung entstehende Trübung der Linse, die wie ein Schneekristall aussieht (sog. Schneeflockenkatarakt). • Cortisonstar: Auftreten bei langdauernder Cortisontherapie, nach Absetzen meist rückläufig • angeborener grauer Star Sy typisch ist zu Beginn das Geblendetwerden bei Gegenlicht Fernsehen geht schlechter (Gegenlicht!) Ophthalmologie Th Seite 6 im weiteren Verlauf Abnahme des Sehvermögens bis hin zur Erblindung Kataraktextraktion: Operative Entfernung der Linse und Ersetzen durch eine künstliche Linse aus Plastik, die jedoch nicht mehr zur Akkommodation fähig ist Brille mit Nah- und Fernkorrektur notwendig. 6. Kammerwasser und Glaskörper • Glaukom (grüner Star): Unter Glaukom versteht man ein chronisches oder akutes Ungleichgewicht zwischen Produktion und Resorption von Kammerwasser mit der Folge einer Druckerhöhung im Auge. In der Regel handelt es sich um eine Abflußsstörung. • beim Glaukoma simplex vermutet man eine Verdichtung und Verfilzung des Gewebes im Bereich der Schlemmschen Kanäle • beim Winkelblockglaukom ist der Raum zwischen Cornea und Iris zu weit eingeengt, so daß der Abfluß behindert ist. Sy beim chronischen Glaukom oft keine Symptome, aber schleichende Sehverminderung aufgrund der chronischen Schädigung des Auges beim akuten Glaukomanfall stärkste Augenschmerzen, Rötung der Bindehaut und meist weite Pupille Th Pupillenverengende Augentropfen, auf jeden Fall Pupilenerweiternde Medikamente vermeiden (z.B. Atropin) Hemmende Medikation gegen die übermäßige Produktion von Kammerwasser (sog. Carboanhydrasehemer) ggf., falls notwendig operative Maßnahmen, z.B. Iridotomie: Einschneiden der Iris um einen verbesserten Abfluß aus der hinteren in die vordere Augenkammer zu erreichen. Ophthalmologie 8 7. Retina Die Netzhaut ist mit Hilfe des Augenspiegels direkt zu betrachten. Man sieht die Äste der Art. und V. centralis retinae, die Papille (Eintrittstelle des Sehnerven), die Macula lutae (gelber Fleck, Stelle des schärfsten Sehens), sowie die Netzhaut selbst. (Bild) • Amaurosis fugax, Zentralarterienverschluß Wie alle Gefäße, so kann es auch an der Art. centralis retinae zur Thrombose oder Embolie kommen. Sy Plötzlich einsetzende Visusminderung, im schlimmsten Fall plötzliche Erblindung. Bei der Amaurosis fugax nur vorrübergehend. Typisch für eine schleichende Durchblutungsstörung mit Gefahr des vollständigen Verschlusses ist der sog. schabrettartige Gesichtsfeldausfall. Beim Lesen fallen einige Buchstaben heraus. - Entscheidend für den Grad der Visusminderung ist, ob der gelbe Fleck mitbetroffen ist Th Ähnlich wie bei einer Durchblutungsstörung des Gehirnes (TIA, Apolplex): Liquemin und ASS. • Retinopathia hypertensiva Veränderungen der Netzhautgefäße durch länger bestehenden hohen Blutdruck. Die Netzhautgefäße sind hierbei der Spiegel aller Arteriolen des Körpers, besonders auch der der Niere. Augengefäße schlecht, alle Gefäße schlecht. Stadien: I geschlängelte und prall gefüllte Arterien, die durch ihre Füllung wie mit Kupferdraht gefüllt erscheinen Kupferdrahtarterien, Netzhaut unauffällig II zusätzlich beginnende Sklerose der Arterien mit deutlichen Kaliberschwankungen der Gefäße III zusätzlich sog. Cotton-wool-Herde (abgestorbene Sehnervenfasern) und dtrichförmige Blutungen der Netzhaut entlang der Gefäße IV zusätzlich flächenhafte Netzhauteinblutungen, Sternfigur der Netzhaut Selbst eine ausgeprägte hypertensive Retinopathie muß nicht zu einer Visusminderung führen, sie zeigt aber die dringliche Behandlungsbedürftigkeit der Hypertonie, weil in gleicher Weise auch andere Organe betroffen sind (v.a. Niere). Th Blutdruckeinstellung Ophthalmologie 9 • Retinopathia diabetica Auch beim Diabetes ist die Retina der Spiegel des gesamten Gefäßsystems, was die Arteriolen und Kapillaren betrifft (Mikroangiopathie). Befund: Înichtproliferative benigne Retinopathia diabetica: punkt- und strichförmige Blutungen der Netzhaut, Kaliberschwankungen der Gefäße (Sklerose), kleine Gefäßausackungen (Mikroaneurysmen) Îproliferative Retinopathia diabetica: zusätzlich wachsen neue Kapillaren ungeordnet in den Glaskörper ein, sie reißen bei Bewegungen ein, führen zu größeren Blutungen, zu Verklebungen der Netzhaut mit dem Glaskörper und zur gefürchteten Netzhautablösung. Symptome einer Netzhautblutung: Pat. sehen schwarze Flocken vor dem Auge (Rußregen) Symptome einer Netzhautablösung (Amotio retinae): Plötzlicher Ausfall eines Teiles des Gesichtsfeldes Th Lasern der Netzhaut: Soll die Netzhaut ankleben und so eine weitere Ablösung verhindern, außerdem sollen so Blutungen gestoppt und wilde Kapillaren zerstört werden.