Achtsamkeit, Konzentration und Vertrauen

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und Vertrauen
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Während die Praxis der Achtsamkeit inzwischen mitten in der Gesellschaft angekommen ist, haben
wir die ethischenAspekte derbuddhistischen Praxis noch nicht so richtig als alltagstaugiich entdeckt.
Eine Einführung in die buddhistische Ethik. rNEKE osrERLoH
ieser beachtenswerte Teil des Achtfachen Pfades
fokussiert auf unser Verhalten und unsere Art zu
kommunizieren. Auch Arbeit, Wirtschaft und Finanzen rücken in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Der Grund ist einfach: Unser Leben ist ein ständiges
Handeln und Kommunizieren! Es spielt sich in Beziehung zu
anderen ab. Hier entstehen unsere Konflikte und viel unnötiges Leiden. Nicht, dass dies immer zu vermeiden ist. Aber es
lohnt sich, der ethischen Selbstführung wesentlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Viele Menschen üben sich mittlerweile darin, achtsam zu
leben. Doch genau genommen ist Achtsamkeit ethisch neutral.
Sie schärft einfach die geistige Präsenz. Das ist zwar zunächst
richtig so, doch kann ein achtsames Leben nicht auf eine mitfühlende ethische Ausrichtung verzichten.
VERANKERUNG INNERHALB DES ACHTFACHEN PFADES
Innerhalb des Achtfachen Pfades ist die ethische Schulung eingebunden in eine feine Wechselwirkung mit der Geistesschulung und der Weisheitsschulung. Letztere sind eher nach innen
gerichtete Übungsbereiche, während die ethische Schulung die
entsprechende Orientierung für das Handeln in der Welt gibt.
Alle drei Teile zusammen bilden mit ihren weiteren Unterteilungen den Achtfachen Pfad.
Ein kurzer Überblick Mit der Geistesschulung werden
bestimmte Fähigkeiten von Geist und Herz entwickelt. Man
übt sich in Achtsamkeit, Konzentration und der Entwicklung hilfreicher, heilsamer persönlicher Eigenschaften und
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Fähigkeiten, wie beispielsweise Geduld oder Vertrauen. Auf
der Grundlage dieser geistigen Fähigkeiten ermutigt die Weisheitsschulung dazu, Fragen zu stellen und tiefer nachzudenken. Neben dem Reflektieren über grundlegende, existenzielle
Gesetzmäßigkeiten lassen sich auf diese Weise auch persönliche Erkenntnisse über uns seibst gewinnen und verschafft uns
überhaupt
erst
die Freiheit, von
ungünstigen Überzeugungen und
Keinem anderen Lebewesen
schaden und nichts nehmen,
was nicht gegeben ist.
Verhaltensweisen
Ioszulassen, mit denen wir uns selbst und vielleicht auch anderen bisher das Leben schwer gemacht haben. Die Ethik als dritter großer Bereich des Achtfachen Pfades ist eher nach außen
gerichtet. Doch sie ist nicht zu trennen von der Geistes- und
Erkenntnisschulung. Sie betrifft deren konkrete Umsetzung
im Alltag. Die buddhistische Ethik geht davon aus, dass kein
Lebewesen leiden
will. Ausnahmslos kein einziges
Lebewesen.
Daher dient die buddhistische Ethik wie ein Kompass für verantwortungsvolles und mitfühlendes Verhalten.
HERZSTÜCK: DIE FÜNF SILAS
Das Herzstück der buddhistischen Ethik sind die ,Fünf Empfehlungen' (die sogenannten 5r7os). Die Bedeutung des aus der
mittelindischen Sprache Poli stammenden Wortes sr/o ist Sittlichkeit oder Tugend. Buddha hat häufig darauf hingewiesen,
wie wichtig es ist, sich an diesen Empfehlungen zu orientieren,
um unnötiges Leiden zu vermeiden. Sie sind traditionell
so
dass sie uns daran erinnern, welches Verhalten mit
Sicherheit zu Schwierigkeiten oder Leiden führt. Mit den fünf
formuliert,
Merksätzen richtet man sich darauf aus,
. kein Lebewesen zu töten oder ihm absichtlich zu schaden,
, nichts zu nehmen, was mir nicht gegeben wird,
. keine ausschweifenden sinnlichenHandlungen auszuüben,
insbesondere kein sexuelles Fehlverhalten zu begehen,
. wohlwollend zu sprechen und nicht zu lügen,
. keine Substanzen zu konsumieren, die den Geist verwirren
und das Bewusstsein trüben.
PERSöNLICHE UND GESELLSCHAFTLICHE BEDEUTUNG
DER SILAS
Die Silas basieren auf dem Bewusstsein, dass die Ursachen für
Leid, Unglück, Streit, Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung
und Dumpfheit auf unserer menschlichen Tendenz zu gierigem, aggressivem oder blindem Verhalten beruhen. Diese
Tendenz führt uns immer wieder zu falschen Handlungsentscheidungen. Gier, Aversion oder blinde Orientierungslosigkeit blockieren jedes Mitgefühl und leugnen sogar das Leiden,
das durch sie verursacht wird. Doch die Silas sind weit mehr als
eine Handvoll von Empfehlungen für einen integren Lebensstil
des Einzelnen. Zusammen mit den anderen Aspekten des Achtfachen Pfades kann diese grundlegende Ethik eine zukunftsweisende, altruistische und positive Entwicklung des sozialen,
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WiederherZUStetIen. vieren, wirkt sich
rmmer auch auf
unsere Umgebung und unsere Beziehungen aus. Wenn wir
etwas verändern wollen, ist es notwendig, als Erstes die eigenen Werte und Weichenstellungen anzuschauen und unsere
eigene Lebensführung zu überprüfen. Nach welchen Maximen
handeln wir? Was sind unsere tragenden Werte und Motive?
Was kultivieren wir in unserem Geist und in unserem Herzen?
Kultivieren wir beispielsweise Offenheit, Mitgefühl und eine
Perspektive der Verbundenheit? Oder eher eine ich-zentrierte
Variante unserer Kultur, die hauptsächlich durch Leistungswillen und kämpferisches Denken motiviert ist?
Die ethische Selbstführung bekommt durch die Silas ein
belastbares Fundament für die vielen Verhaltensentscheidungen, die wir täglich treffen. Wer sich beispielsweise in wichtigen Vertragsverhandlungen befindet, ist natürlich in erster
Linie daran interessiert, selber ein gutes Geschäft zu machen.
Dabei gibt es immer gesetzliche Grenzen, die eingehalten werden müssen. Doch auch wenn das anstehende Geschäft rechtlich einwandfrei ist, kann es aus ethischen Gründen Bauchschmerzen bereiten. Entsteht einem der Partner ein irgendwie
gelagerter Schaden? Wird ihm etwas gegen seinen eigentlichen
Willen weggenommen? Kann er dem Wort des anderen vertrauen? Die Ethik der Silas erinnert als grundlegende Empfehlung daran, keinem anderen absichtlich zu schaden, so gering
der Schaden auch sein mag. Man zieht andere nicht über den
Tisch (Silas: Keinem onderen Lebeurresen schoden und
lVichts nehmen, wos nicht gegeben ist). Einer der Gründe
dafür ist auch, sich langfristig nicht selbst zu schaden. Man
wird sich selbst und anderen unsympathisch und verliert deren
Vertrauen. Darüber hinaus ist es eine heillose Illusion, auf
diese Weise jemals ein zufriedenes, glückliches Leben ftihren
zu können. Denn die Gier ist unersättlich.
LEBENDIGE ETHIK
Wir haben die sehr menschliche Angewohnheit, uns
geistig
immer wieder auf die enge Perspektive der r. Person Singular
zu verengen (ich,
;;,'ä;^'";;',,-n,
Keinem Lebewesen
dieser einseitisen Sichtweise zu
absichtlich Schaden und
wohtwo[tend sprechen und
in
il;;;;.ä;h;
dreht sich dann niCht [ügen.
alles um mrch und
mein Leben, während wir die Tatsache übersehen, wie untrennbar wir verbunden sind mit allen anderen Lebewesen.
Die verengte Ich-Perspektive wird von den bereits genann-
ten drei geistigen Kräften angeheizt, die immer wieder ihre
Sogwirkungen entfalten: Gier, Aversion und Blindheit. Das
ethische Bewusstsein ist besonders dann gefragt, wenn wir im
Begriff sind, unter dem Einfluss dieser drei Kräfte für uns selbst
oder andere ernsthafte Schwierigkeiten zu verursachen. Es ist,
als ob man gerade einem geschickten Gaunertrio in die Falle
geht. Denken Sie beispielsweise an Mobbing. Dieses Verhalten
ist sehr verbreitet in Büros, an Schulen und in sozialen Netzwerken (Cybermobbing). In unserer Gesellschaft, die die Leistungsbereitschaft vergöttert, lässt sich für einen Mobber ungeahnte
Macht spüren, wenn er oder sie das Selbstwertgefühl und die
Leistungsfähigkeit eines anderen durch gezieltes Mobbing vorübergehend beeinträchtigt und ihm das Zugehörigkeitsgefühl
nimmt: Das Verlangen (Gier) nach dem Macht-Kick, die Grausamkeit (Aversion) gegenüber dem Opfer und die Biindheit fiir
die tief verletzende Wirkung des eigenen Handelns liegen diesem Verhalten zugrunde.
Um bei einem solchen Verhalten nicht mitzumachen,
erfordert es von uns die klare Verankerung in der Einsicht,
dass
wirklich niemand leiden will. Kluges und mutiges Mitgees sich in den Empfehlungen der Siias ausdrückt, ist
fühl, wie
gefragt. Damit
ver-
iä';;'^^;ä
A
Anständig zu sein bedeutet,
Interesse an Bös- daSS jemand VerSUCht,
williskeit (Silas:
i"irir-'r'"0"iä", ehrlich zu b[eiben, sein
obsichttich schoden
und Wohlwollend
ii'**'"r' rr'i'riri,
VerantWOrtUngsgefühl.
wac hzu halten
u
nd
tüsen). vielmehr Rückgrat zU zeigen.
richtet man
seine
Aufmerksamkeit darauf aus, was ein Team oder eine Gruppe
verbindet.
Die Silas enthalten die Ermutigung, eine persönlich angemessene Handlungsentscheidung in der konkreten Situation
zu finden, nachdem man die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln abgewogen hat. Dieses Selbstverständnis lässt viel
Spielraum für eigene Entscheidung und Verantwortung. Insofern haben wir es mit einer sehr lebendigen Ethik zu tun. o
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