Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung 1. Anamnese – Krankheitsgeschichte, Entwicklung der aktuellen Beschwerden – Biographie, Lebenslauf einschließlich körperlicher Entwicklung und früherer Krankheiten – Familienanamnese – Fremdanamnese 2. Befund – körperlicher und neurologischer Untersuchungsbefund – psychischer Befund – testpsychologischer Befund – apparative Untersuchungsbefunde 3. Psychischer Befund – Äußeres Erscheinungsbild – Verhalten und Ausdruck – Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit, – Auffassungsvermögen und Konzentrationsfähigkeit. – Affektivität (Fühlen und Werten), die Stimmung, die affektive Reaktivität, der Kontakt und das Kontakthalten 3. psychischer Befund – Antrieb „Wille und Psychomotorik“ – Denken • formale Denkstörungen (die Art und Weise wie gedacht wird) • inhaltliche Denkstörungen (die Art und Weise was gedacht wird) – Wahrnehmung: z. B. Störungen in Form von Illusionen, illusionärer Verkennung und Halluzinationen 3. psychischer Befund – Ich-Erleben: Störungen der Meinhaftigkeit, des Denkens, Strebens und Wollens – Störung des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe – Intelligenz – Persönlichkeit Äußeres Erscheinungsbild – Verwahrlosung in Kleidung und Körperpflege – Bizarrheit in Kleidung und Erscheinung – Erschwerte Kontaktaufnahme Verhalten und Ausdruck – Störungen im Auftreten, Erscheinen, Kontakt, Mimik und Gestik 1. Bewusstseinsverminderung Definition: Störung der Wachheit Benommenheit (verlangsamtes Denken, reduzierte Auffassungsgabe) Somnolenz (Patient ist schläfrig/benommen, herabgesetzte Konzentration/Auffassungsgabe) Sopor (tiefer Schlaf wobei der Patient nur auf Schmerzreize hin reagiert) Koma ( tiefe Bewusstlosigkeit, Patient nicht zu wecken, Reflexe nicht auslösbar) ). 2. Bewusstseinstrübung Definition: Qualitative Beeinträchtigung der Bewusstseinsklarheit. Die Fähigkeit ist gestört, verschiedene Aspekte von der eigenen Person und der Umwelt zu verstehen, sie sinnvoll miteinander zu verbinden, sich entsprechend mitzuteilen und sinnvoll zu handeln. 3. Bewusstseinseinengung Definition: Fokussierung des Denkens, Fühlens und Wollens auf wenige Themen. Charakteristisch ist die verminderte Ansprechbarkeit auf Außenreize. 4. Bewusstseinsverschiebung Definition: Es handelt sich um eine fast völlig im Subjektiven bleibende Form der Bewusstseinsstörung, bei der die Patienten berichten, ihr Erleben sei erweitert durch Steigerung der Wachheit, intensivierter Wahrnehmung von Raum und Zeit, Sinnesempfindungen und eines erweiterten Erfahrungshorizontes. 5. Zeitliche Orientierungsstörung Definition: Datum (Tag, Monat und Jahr), Wochentag und/oder Jahreszeit werden nicht oder nur teilweise gewusst. 6. Örtliche Orientierungsstörung Definition: Der gegenwärtige Aufenthaltsort wird nicht oder nur teilweise gewusst. 7. Situative Orientierungsstörung Definition: Die gegenwärtige Situation wird in ihrem Bedeutungs- und Sinnzusammenhang für die eigene Person nur teilweise oder gar nicht erfasst. 8. Orientierungsstörungen zur eigenen Person Definition: Die aktuelle persönliche lebensgeschichtliche Situation wird nicht oder nur teilweise gewusst. 9. Auffassungsstörungen Definition: Störung der Fähigkeit, Wahrnehmungen in ihrer Bedeutung zu begreifen und sinnvoll miteinander zu verbinden, im weiteren Sinne auch in den Erfahrungsbereich einzubauen (gedankliche Verarbeitung einer Wahrnehmung). 10. Konzentrationsstörungen Definition: Verminderte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ausdauernd einer Tätigkeit oder einem Thema zuzuwenden. 11. Merkfähigkeitsstörungen Definition: Herabsetzung bis Aufhebung der Fähigkeit, sich frische Eindrücke über eine Zeit von ca. 10 Minuten zu merken. 12. Gedächtnisstörungen Definition: Herabsetzung bis Aufhebung der Fähigkeit, Eindrücke oder Erfahrungen längerfristig (länger als ca. 10 Minuten) zu speichern bzw. Erlerntes aus dem Gedächtnis abzurufen. 13. Konfabulationen Definition: Erinnerungslücken werden mit Einfällen ausgefüllt, die vom Patienten selbst für Erinnerungen gehalten werden. 14. Paramnesien Definition: Unter “Paramnesien” werden folgende Merkmale zusammengefasst: -- Falsches Wiedererkennen bzw. vermeintliche Vertrautheit (schon einmal gesehen, gehört, erlebt, “déja-vu”) und vermeintliche Fremdheit (noch nie gesehen, “jamaisvu”); -- Ekmnesien (Störungen des Zeiterlebens bzw. der zeitlichen Einordnung, wobei die Vergangenheit als Gegenwart erlebt wird); -- Hypermnesien (Steigerungen der Erinnerungsfähigkeit) Denkstörungen 15. Gehemmt Definition: Das Denken wird vom Patienten subjektiv als gebremst oder blockiert (wie gegen einen inneren Widerstand) empfunden. 16. Verlangsamt Definition: Das Denken ist verlangsamt und schleppend. 17. Umständlich Definition: Als umständlich bezeichnet man ein Denken, das bezogen auf den Gesprächsinhalt das Nebensächliche nicht vom Wesentlichen trennt. Der inhaltliche Zusammenhang bleibt dabei aber stets gewährt. 18. Eingeengt Definition: Einschränkung des inhaltlichen Denkumfanges, Verhaftetsein an ein Thema oder an wenige Themen, Fixierung auf wenige Zielvorstellungen. Denkstörungen 19. Perseverierend Definition: Haften bleiben an zuvor gebrauchten Worten oder Angaben, die im aktuellen Zusammenhang nicht mehr sinnvoll sind. 20. Grübeln (nicht zwanghaft) Definition: Unablässiges Beschäftigtsein mit (nicht nur, aber meist) unangenehmen Themen. 21. Gedankendrängen Definition: Der Patient ist dem Druck vieler verschiedener Einfälle oder Gedanken ausgeliefert. 22. Ideenflüchtig Definition: Vermehrung von Einfällen, die aber nicht mehr von einer Zielvorstellung straff geführt werden. Das Ziel des Denkens kann aufgrund dazwischen kommender Assoziationen ständig wechseln oder verloren gehen. Denkstörungen 23. Vorbeireden Definition: Der Patient geht nicht auf die Frage ein, bringt etwas inhaltlich anderes vor, obwohl aus Antwort und/oder Situation ersichtlich ist, dass er die Frage verstanden hat. 24. Gesperrt/Gedankenabreißen Definition: Plötzlicher Abbruch eines sonst flüssigen Gedankenganges oder des Sprechens ohne erkennbaren Grund, was vom Patienten erlebt (Gedankenabreißen) und/oder vom Interviewer beobachtet wird (gesperrt). 25. Inkohärent/zerfahren Definition: Denken und Sprechen des Patienten verlieren für den Untersucher ihren verständlichenZusammenhang, sind im Extremfall bis in einzelne, scheinbar zufällig durcheinander gewürfelte Sätze, Satzgruppen oder Gedankenbruchstücke zerrissen. 26. Neologismen Definition: Wortneubildungen, die der sprachlichen Konvention nicht entsprechen und oft nicht unmittelbar verständlich sind. Befürchtungen / Zwänge 27. Misstrauen Definition: Wahrnehmungen werden ängstlich-unsicher auf die eigene Person bezogen. Anderen Menschen wird eine feindselige Haltung unterstellt. 28. Hypochondrie (nicht wahnhaft) Definition: Ängstlich getönte Beziehung zum eigenen Körper, an dem z.B. Missempfindungen wahrgenommen werden, mit offensichtlich unbegründeter Befürchtung, körperlich krank zu sein oder zu werden, normale Körpervorgänge bekommen oft eine übermäßige Bedeutung. 29. Phobien Definition: Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten, die meist Vermeidungsreaktionen zur Folge haben. 30. Zwangsdenken Definition: Immer wieder sich gegen inneren Widerstand aufdrängende Gedanken oder Vorstellungen, die als unsinnig erlebt werden. Sie lassen sich vom Patienten nicht oder nur schwer unterbinden. Befürchtungen/Zwänge 31. Zwangsimpulse Definition: Immer wieder gegen inneren Widerstand sich aufdrängende Impulse, bestimmte Handlungen auszuführen, die zwar abgelehnt werden, sich aber vom Patienten nur schwer unterbinden lassen. 32. Zwangshandlungen Definition: Zwangshandlungen müssen (aufgrund von Zwangsimpulsen oder -gedanken) immer wieder gegen inneren Widerstand ausgeführt werden und lassen sich vom Patienten nicht oder nur schwer unterbinden, obwohl sie als unsinnig erlebt werden. Wahn Wahn entsteht auf dem Boden einer allgemeinen Veränderung des Erlebens und imponiert als Fehlbeurteilung der Realität, die mit apriorischer Evidenz (erfahrungsunabhängiger Gewissheit) auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit und zur Erfahrung der gesunden Mitmenschen sowie zu ihrem kollektiven Meinen und Glauben steht. Der Kranke hat im allgemeinen nicht das Bedürfnis nach einer Begründung seiner wahnhaften Meinung, ihre Richtigkeit ist ihm unmittelbar evident. (Definiton nach Scharfetter: Wahn ist eine private und privative lebensbestimmende Überzeugung eines Menschen von sich selbst und seiner Welt) Wahn 33. Wahnstimmung Definition: Ist die erlebte Atmosphäre des Betroffenseins, der Erwartungsspannung und des bedeutungsvollen Angemutetwerdens in einer verändert erlebten Welt oder auch durch ein verändert erlebtes Ich. Diese Stimmung besteht in einem Bedeutungszumessen und Inbeziehungsetzen, Meinen, Vermuten und Erwarten, das von Gesunden nicht nachvollzogen werden kann. Dabei gibt es die verschiedenen Grundtönungen der Stimmung; am häufigsten ist die Stimmung der Unheimlichkeit, das Mißtrauen, des Verändertenseins (des Kranken selbst oder seiner Umgebung), des Erschüttertund Erschrecktseins, der Bedrohung, der Angst, des Argwohns, der Ratlosigkeit, manchmal auch der Gehobenheit, Euphorie und Zuversicht. In der Wahnstimmung ist der Wahninhalt in der Regel nicht definiert, deshalb kann der Patient keine Gründe für sein Erleben angeben. 34. Wahnwahrnehmung Definition: Reale Sinneswahrnehmungen erhalten eine abnorme Bedeutung (meist im Sinne der Eigenbeziehung). Die Wahnwahrnehmung ist also eine wahnhafte Fehlinterpretation einer an sich richtigen Wahrnehmung. Wahn 35. Wahneinfall Definition: Wahneinfall nennt man das gedankliche (im Gegensatz zur "Wahnwahrnehmung") Auftreten von wahnhaften Vorstellungen und Überzeugungen. Diese treten meist plötzlich und unvermittelt auf. 36. Wahngedanken Definition: Wahnhaftes Denken. 37. Systematisierter Wahn Definition: Beschreibt den Grad der Verknüpfung (logisch oder auch paralogisch) einzelner Wahnsymptome mit anderen Wahnphänomenen, Sinnestäuschen, Ich-Störungen oder auch nicht krankhaft veränderten Beobachtungen und Erlebnissen. Zwischen diesen einzelnen "Aufbauelementen" werden Verbindungen hergestellt, die oft einen kausalen oder finalen Charakter besitzen und vom Patienten als Beweise und Bestätigungen angesehen werden. Wahn 38. Wahndynamik Definition: Die effektive Anteilnahme am Wahn, die Kraft des Antriebes und die Stärke der Affekte, die im Zusammenhang mit dem Wahn wirksam werden. 39. Beziehungswahn Definition: Wahnhafte Eigenbeziehung, selbst belanglose Ereignisse werden ich-bezogen gedeutet. 40. Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn Definition: Der Kranke erlebt sich selbst als Ziel von Feindseligkeiten. Er wähnt sich von seiner Umwelt bedroht, gekränkt, beleidigt, verspottet, verhöhnt, die Umgebung trachte nach seinem Hab und Gut, nach seiner Gesundheit oder gar nach seinem Leben. 41. Eifersuchtswahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, vom Lebenspartner betrogen und hintergangen zu werden. Wahn 42. Schuldwahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, Schuld auf sich geladen zu haben. 43. Verarmungswahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, nicht genug Mittel zum Lebensunterhalt zu haben. 44. Hypochondrischer Wahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, krank zu sein. 45. Größenwahn Definition: Wahnhafte Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung. 46. Andere Inhalte Definition: Wahnthemen, die nicht in die obigen Kategorien passen. Sinnestäuschungen 47. Illusionen Definition: Verfälschte wirkliche Wahrnehmungen. "Die Sache" (Reizquelle) wird verkannt (im Gegensatz zur Wahnwahrnehmung). 48. Stimmenhören (Phoneme) Definition: Wahrnehmung menschlicher Stimmen, ohne dass tatsächlich jemand spricht. 49. Andere akustische Halluzinationen (sog. Akoasmen) Definition: Akustische Halluzinationen, die nicht Stimmenhören beinhalten. Sinnestäuschungen 50. Optische Halluzinationen Definition: Wahrnehmen von Lichtblitzen, Photismen, Mustern, Visionen, Gegenständen, Personen oder ganzen Szenen ohne entsprechende Reizquelle. Auch optisch-szenische Halluzinationen (können kombiniert mit akustischen Sinnestäuschungen auftreten). 51. Körperhalluzinationen Definition: Taktile Halluzinationen (Taktiles Wahrnehmen von nicht vorhandenen Objekten) und Störungen des Leibempfindens (Coenästhesien). 52. Geruchs- und Geschmackshalluzinationen Definition: Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen, ohne dass eine entsprechende Reizquelle ausgemacht werden kann. Ich-Störungen 53. Derealisation Definition: Personen, Gegenstände und Umgebung erscheinen unwirklich, fremdartig oder auch räumlich verändert. Dadurch wirkt die Umwelt z.B. unvertraut, sonderbar, oder gespenstisch. 54. Depersonalisation Definition: Störung des Einheitserlebens der Person im Augenblick oder der Identität in der Zeit des Lebenslaufs. Die Person kommt sich selbst fremd, unwirklich, unmittelbar verändert, als oder wie ein anderer und/oder uneinheitlich vor. 55. Gedankenausbreitung Definition: Die Gedanken gehören nicht mehr dem Patienten alleine, andere haben daran Anteil und wissen, was er denkt (Gedankenlesen). Ich-Störungen 56. Gedankenentzug Definition: Dem Patienten werden die Gedanken weggenommen oder "abgezogen". 57. Gedankeneingebung Definition: Gedanken und Vorstellungen werden als von außen her beeinflußt, gemacht, gelenkt, gesteuert, eingegeben, aufgedrängt empfunden. 58. Andere Fremdbeeinflussungsergebnisse Definition: Fühlen, Streben, Wollen oder Handeln werden als von außen gemacht erlebt. Störungen der Affektivität 59. Ratlosigkeit Definition: Der Patient wirkt stimmungsgemäß wie jemand, der sich nicht mehr zurechtfindet und seine Situation, seine Umgebung oder Zukunft kaum oder nicht mehr begreift. Er versteht nicht mehr, was mit ihm geschieht und wirkt auf den Beurteilter "staunig" (verwundert, hilflos). 60. Gefühl der Gefühllosigkeit Definition: Hierbei handelt es sich um eine vom Patienten angegebene Reduktion oder einen Verlust affektiven Erlebens, um subjektiv erlebte Gefühlsleere. Der Patient erlebt sich als gefühlsverarmt, -leer, -verödet, nicht nur für Freude, sondern auch für Trauer. 61. Affektarm Definition: Die Anzahl (das Spektrum) gezeigter Gefühle ist vermindert. Wenige (z.B. nur Wut, Hass, Fixation in depressiver Stimmung) oder nur sehr dürftige Affekte (z.B. gleichgültig, unbeteiligt, teilnahmslos) sind beobachtbar. 62. Störung der Vitalgefühle Definition: Herabsetzen des Gefühls von Kraft und Lebendigkeit der körperlichen und seelischen Frische und Ungestörtheit. Störungen der Affektivität 63. Deprimiert Definition: Negativ getönte Befindlichkeit (niedergedrückt, niedergeschlagen). 64. Hoffnungslos Definition: Pessimistische Grundstimmung, fehlende Zukunftsorientierung. Der Glaube an eine positive Zukunft ist vermindert oder abhanden gekommen ("Schwarz- sehen"). 65. Ängstlich Definition: Der Patient hat Angst, manchmal ohne angeben zu können, wovor. 66. Euphorisch Definition: Zustand des übersteigerten Wohlbefindens, Behagens, der Heiterkeit, der Zuversicht, des gesteigerten Vitalgefühls. 67. Dysphorisch Definition: Missmutige Verstimmtheit. Der Patient ist übellaunig, mürrisch, moros, nörgelnd, missgestimmt, unzufrieden, ärgerlich. Störungen der Affektivität 68. Gereizt Definition: Der Patient ist in einem Zustand erhöhter Reizbarkeit bis hin zur Gespanntheit. 69. Innerlich unruhig Definition: Der Patient spürt innere Aufgeregtheit, Spannung oder Nervosität. 70. Klagsam/Jammrig Definition: Schmerz, Kummer, Ängstlichkeit werden ausdrucksstark in Worten, Mimik und Gestik vorgetragen ("Wehklagen"). 71. Insuffienzgefühle Definition: Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit oder den eigenen Wert ist vermindert oder verloren gegangen. 72. Gesteigertes Selbstwertgefühl Definition: Ein positiv erlebtes Gefühl von Steigerung des eigenen Wertes, der Kraft und/oder der Leistung. Störungen der Affektivität 73. Schuldgefühle Definition: Der Patient fühlt sich für eine Tat, für Gedanken oder Wünsche verantwortlich, die seiner Ansicht nach vor einer weltlichen oder religiösen Instanz, anderen Personen oder sich selbst gegenüber verwerflich sind. 74. Verarmungsgefühle Definition: Der Patient fürchtet, ihm fehlten die Mittel, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, er sei verarmt. 75. Ambivalenz Definition: Koexistenz widersprüchlicher Gefühle, Vorstellungen, Wünsche, Intentionen und/oder Impulse des Patienten, die er als gleichzeitig vorhanden und meist auch als quälend erlebt. 76. Parathymie Definition: Gefühlsausdruck und berichteter Erlebnisinhalt stimmen nicht überein (paradoxe Affekte, inadäquate Gefühlsreaktion). Störungen der Affektivität 77. Affektlabilität Definition: Schneller Stimmungswechsel, der auf einen Anstoß von aussen erfolgt (Vergrößerung der affektiven Ablenkbarkeit) oder auch scheinbar spontan auftritt. 78. Affektinkontinenz Definition: Affekte können bei geringem Anstoß überschießen, vom Patienten nicht beherrscht werden und manchmal eine übermäßige Stärke annehmen. 79. Affektstarre Definition: Verminderung der affektiven Modulationsfähigkeit. Hier ist die Schwingungsfähigkeit (Amplitude) verringert. Antriebs- und psychomotorische Störungen 80. Antriebsarmut Definition: Mangel an Energie, Initiative und Anteilnahme. 81. Antriebshemmung Definition: Energie, Initiative und Anteilnahme werden als gebremst/blockiert erlebt. 82. Antriebssteigerung Definition: Zunahme an Energie, Initiative und Anteilnahme. 83. Motorische Unruhe Definition: Gesteigerte und ungerichtete motorische Aktivität. Antriebs- und psychomotorische Störungen 84. Parakinesen Definition: Parakinesen sind qualitativ abnorme, meist komplexe Bewegungen, die häufig die Gestik, die Mimik und auch die Sprache betreffen. Stereotypien: Äußerungen auf sprachlichem und motorischem Gebiet, die die Tendenz aufweisen, oft längere Zeit hindurch in immer gleicher Form wiederholt zu werden. Im Gegensatz zur Perseveration ist hier kein Zusammenhang zu früher im Gespräch gebrauchten Worten und Gesten erkennbar. Hierunter fallen auch Verbigerationen (Wortstereotypien), Katalepsie (Haltungsstereotypien) und die "flexibilitas cerea" (wächserne Biegsamkeit). Befehlsautomatismus: Der Patient führt automatisch Handlungen aus, die er selbst als nicht von ihm intendiert empfindet, sofern er sich überhaupt dazu äußert (äußern kann). Negativismus: Negativistische Kranke tun gerade das nicht, was man von ihnen erwartet oder verlangt (passiver Negativismus), oder sie tun genau das Gegenteil (aktiver Negativismus). Negativistische Kranke kann man in gewissen Fällen zur gewünschten Handlung bringen, wenn man ihnen diese Handlung verbietet oder ihnen das Gegenteil befielt (Befehlsnegativismus). Antriebs- und psychomotorische Störungen 85. Manieriert/bizarr Definition: Alltägliche Bewegungen und Handlungen (auch Gestik, Mimik und Sprache) erscheinen dem Beobachter verstiegen, verschroben, possenhaft und verschnörkelt, werden manchmal mit einer ausgesprochen spielerischen Note ausgeführt. 86. Theatralisch Definition: Die Patienten erwecken den Eindruck, als würden sie sich selber darstellen. 87. Mutistisch Definition: Wortkargheit bis hin zum Nichtsprechen (Verstummen). 88. Logorrhoisch Definition: Verstärkter Redefluss. Zusammenfassung Bewusstseinsstörungen: Bewusstseinsverminderung Bewusstseinstrübung Bewusstseinsverschiebung Orientierungsstörungen: zeitlich örtlich situativ über die eigene Person Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen: Auffassungsstörungen Konzentrationsstörungen Merkfähigkeitsstörungen Gedächtnisstörungen Konfabulationen Paramnesien Formale Denkstörungen: gehemmt verlangsamt umständlich eingeengt perseverierend Grübeln Gedankenverdrängen ideenflüchtig Vorbeireden gesperrt/Gedankenabreißen inkohärent/zerfahren Neologismen Zusammenfassung Befürchtungen und Zwänge: Misstrauen Hypochondrie (n. wahnhaft) Phobien Zwangsdenken Zwangsimpulse Zwangshandlungen Wahn: Wahnstimmung Wahnwahrnehmung Wahneinfall Wahngedanken systematischer Wahn Wahndynamik Beziehungswahn Beeinträcht.-Verl. Wahn Eifersuchtswahn Schuldwahn Verarmungswahn hypochondrischer Wahn Größenwahn Sinnestäuschungen: Illusionen Stimmenhören and. akust. Halluzinationen optische Halluzinationen Körperhalluzinationen Geruchs-/Geschmackhalluzinationen Ich-Störungen: Derealisation Depersonalisation Gedankenausbreitung Gedankenentzug Gedankeneingebung and. Fremdbeeinfluss.-erl. Zusammenfassung Störungen der Affektivität: ratlos Gefühl der Gefühllosigkeit affektarm Störungen der Vitalgefühle deprimiert hoffnungslos ängstlich euphorisch dysphorisch gereizt innerlich unruhig klagsam/jammerig Insuffizienzgefühle gesteigerte Selbstwertgefühle Schuldgefühle Verarmungsgefühle ambivalent Parathymie affektlabil affektinkontinent affektstarr Antriebs- und psychomot. Störungen: antriebsarm antriebsgehemmt antriebsgesteigert motorisch unruhig Parakinesen maniriert/bizarr theatralisch mutistisch logorrhoisch Intelligenz Oligophrenie Imbilizität Genialität Persönlichkeit – Die Gruppe A: denen die exzentrischen Störungen angehören, beinhalten die paranoide und schizoide Persönlichkeitsstörung. – Die Gruppe B: die sogenannten dramatischen Störungen, beinhalten die dissoziale, emotional instabile, die histrionische und die in der ICD 10 nicht gelistete narzisstische Störung. – Die Gruppe C: den sogenannten ängstlichen Störungen, gehören die anankastische, ängstlich-selbstunsichere, asthenisch-abhängige oder dependente, und die ebenfalls in der ICD 10 nicht gelistete depressive Persönlichkeitsstörung an. Psychiatrische Notfälle Suizidalität Definition Ein psychiatrischer Notfall ist ein Zustand, der häufig durch eine psychische Krankheit bedingt ist und der einen unmittelbaren Handlungszwang zur Abwendung von Lebensgefahr oder von anderen schwerwiegenden Folgen mit sich bringt. Er erfordert eine sofortige, an der akuten Symptomatik orientierte, gezielte Therapie, um eine Gefahr für die Gesundheit des Patienten und evtl. anderer Personen abzuwenden. Krise Die psychiatrische Krise hingegen ist in geringerem Ausmaß durch direkte vitale Bedrohung gekennzeichnet. Im Vordergrund steht vielmehr das Fehlen oder das Zusammenbrechen individueller u./o. sozialer Bewältigungsstrategien im Rahmen belastender Krankheits- bzw. Umbebungsbedingungen. Aufgabe der psychiatrischen Krisenintervention ist es, in mehreren Schritten, innerhalb von Tagen oder Wochen, eine auch ursächliche Veränderung der zu Grunde liegenden Bedingungen zu erreichen. Gründe für die Konsultation eines psychiatrischen Notfall- und Krisendienstes (Häfner und Rössler 1987) • 57% Auswirkungen einer bestehenden psychiatrischen Erkrankung (v.a. Schizophrenie und Suchterkrankungen) • 25% zwischenmenschliche Konflikte • 23% Alkoholmißbrauch • 22% „seelische Krise“ • 17% Z.n. Suizidversuch • 13% Suizidalität Rechtliche Aspekte • Einwilligungsfähigkeit • Mutmaßliche Einwilligungsfähigkeit, rechtfertigender Notstand (§34 StGB) • Unterbringung (PsychKG) • (Eil-) Betreuung (BGB) Die wichtigsten psychiatrischen Notfälle: • Erregungszustände • Suizidalität • Bewusstseinsstörungen • Kataton-stuporöse Zustände Erregungszustände Hauptcharakteristika sind: •Steigerung von Antrieb und Psychomotorik •Affektive Enthemmung und Gereiztheit •Kontrollverlust evtl. mit raptusartigen Gewalttätigkeiten („Gespanntheit“) Die wichtigsten Ursachen sind: • Schizophrene Psychosen (z.B. erregte Katatonie) • Manie • Agitierte Depression • Intoxikationen (Alkohol, Drogen) • Hirnorganische Psychosyndrome (z.B. epileptischer Dämmerzustand) • Psychogene Reaktionen im Rahmen von akuten Belastungsreaktionen oder Persönlichkeitsstörungen • Internistische Erkrankungen (z.B. Hyperthyreose, Hypoglykämie, Porphyrie) Diagnostik: • Körperlich-neurologische Untersuchung. Zur beachten ist auch die äußere Erscheinung (Einstichstellen, Kleidung, Verletzungen) • Vegetative Elementarfunktionen (Puls, Atmung, Temperatur, Tremor, Hyperhidrosis, Hautfarbe und-turgor, Pupillen) • das dominierende psychopathologische Befundbild (Bewusstseinslage, Zerfahrenheit, Auffassungsstörungen, Halluzinationen, Abhängigkeit der Symptomatik von Umgebungsfaktoren wie z.B. Angehörige) • Labordiagnostik, EEG, Bildgebung, wenn möglich Therapie A. Erstkontakt: Nach Berzewski (1996) müssen während des Erstkontaktes folg. Aspekte unbedingt berücksichtigt werden: • Ausmaß und unmittelbare Bedrohung von Personen durch den Patienten (Angriff auf Bezugspersonen, Tragen von Waffen, Äußerungen über beabsichtigte Aggressionen) • Maßnahmen, um die Sicherheit von Personal und Bezugspersonen zu gewährleisten (z.B. Fixierung) • Klärung der Bewusstseinslage, da bei Erregten mit Bewusstseinsstörungen mit überraschenden aggressiven Durchbrüchen zu rechnen ist Therapie • Reizabschirmung (den Pat. in eine ruhige und ungestörte Atmosphäre bringen, ihn von Bezugspersonen, Angehörige trennen) • Abklärung der Bereitschaft zu einem Gespräch und zu einer körperlichen Untersuchung • Ruhe und Zeit für die Exploration einräumen sowie eindeutige Vermittlung des geplanten therapeutischen Vorgehens. Cave: • Zu forsches Auftreten kann die Aggressivität steigern (sicheres und ruhiges Auftreten besser) • Keine Selbstüberschätzung, stattdessen rechtzeitig Helfer (Pflegepersonal, Polizei) heranziehen • Erregungszustände können kurzfristig abklingen („Ruhe vor dem Sturm“) und so ein falsches Bild von der tatsächlichen Gefährdung geben Therapie B. Pharmakotherapie: Die entscheidende und wirkungsvollste Behandlung akuter Erregungszustände ist eine rasche pharmakologische Sedierung. Grundsätzlich sollte versucht werden, den Patienten zur freiwilligen Einnahme einer oralen Dosis zu bewegen, ansonsten kann eine parenterale Applikation erfolgen z.B. Levopromazin i.m., Haloperidol i.m. oder i.v., Diazepam i.v. oder rektal. Therapie Levopromazin (Neurocil): 50mg i.m. bzw. 100mg oral. In den ersten 24 Std. sollte eine Dosis von 200mg nicht überschritten werden. Insbesondere bei der parenteralen Gabe muss auf RR-Abfall, Tachykardie und Kollapsneigung geachtet werden. Haloperidol (Haldol): 5-15 mg i.m oder i.v. Cave: Frühdyskinesien Diazepam (Valium): 5-10mg i.v.; Tageshöchstdosis 4060mg. Langsame Injektion, da atemdepressorische Begleitwirkungen auftreten können. Zuclopenthixol (Ciatyl Acuphase): 100-200mg i.m. als Kurzzeitdepotneuroleptikum v.a. bei Erregungszustände im Rahmen akuter schizophrener Psychosen. Suizidalität Unter Suizid versteht man die absichtliche Selbsttötung. Beim Suizidversuch kann die Selbsttötung beabsichtigt sein, oder das suizidale Verhalten ist „nur“ Ausdruck des Wunsches nach Ruhe. Sie kann auch durch den Impuls, sich zu verletzen ohne Tötungsabsicht verursacht sein (Parasuizid). Suizidideen = Nachdenken über Tod, Todeswünsche bis Pläne. Erweiterter Suizid = Tötung der eigenen und fremder Personen. Suizidalität Suizide treten manchmal raptusartig auf (v.a. bei Schizophrenien, melancholische Depression), in der Regel aber findet sich eine suizidale Entwicklung. Dabei unterscheidet man nach Pöldinger folgende Phasen: Phase der Erwägung von Suizid Phase der Möglichkeit des eigenen Suizids Phase der Ambivalenz Phase des Entschlusses Präsuizidales Syndrom (Ringel) Gekennzeichnet durch: • zunehmende Einengung von Verhalten, Affekt, zwischenmenschliche Beziehungen • Aggressionsstau und Wendung der Aggression gegen das eigene Ich • Selbstmordphantasien und Selbstmordpläne und -impulse 80% der Menschen, die einen Suizidversuch begangen haben, haben ihn vorher angekündigt, etwa 30-40% der Suizidopfer hatten einen SV in der Vorgeschichte. Epidemiologie (Suizide): • Im Jahr suizidieren sich 10000-14000 Menschen (Männer:Frauen=3:1). • Die Suizidraten steigen mit zunehmendem Alter und sind höher in der Stadt, bei Alleinlebenden, Verwitweten, Geschiedenen und getrennt Lebenden. • Besonders im Frühling und Sommer häufen sich Suizide. • Suizide sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Unfällen die häufigste Todesursache. • Etwa 98% sind beim Suizid psychisch oder körperlich krank: Depression 40-60%, Alkoholabhängigkeit 20%, Schizophrenie 10%. • Bei den Suiziden überwiegen „harte“ Methoden wie Erhängen, Erschießen. Epidemiologie (Suizidversuche): • Suzidversuche sind etwa 5-30fach häufiger als Suizide (Schätzungen bei hoher Dunkelziffer). • Sie werden häufiger von Frauen (3:1) und in jüngeren Jahren begangen. • Bei den Suizidversuchen überwiegen „weiche“ Methoden wie Vergiftungen, „Schneiden“ aber auch Kfz-Unfälle (geschätzt werden ca. 1000 Unfälle (pro Jahr), die in suizidaler Absicht durchgeführt werden). Ätiologie: Suizidalität ist multifaktoriell bedingt. Zur pathogenetischen Erklärung werden • soziale • psychologische • biologische Modelle herangezogen. Soziale Erklärungsmodelle Durkheim beschreibt 4 Suizidarten, die sich ableiten von der nicht geglückten Anpassung des Individuums an verschiedenen Gesellschaftsformen: • Egoistischer Suizid: Egoismus d.h. übermäßiger Individualismus beding Isolation. • Altruistischer Suizid: Resultiert bei schwacher Individuierung. • Fatalistischer Suizid: Wird bedingt durch zu enge soziale Normen (z.B. Märtyrer, Kamikazeflieger). • Anomischer Suizid: Wird begünstigt durch zu weite bzw. unbestimmte Normen (das Individuum verliert dabei die Orientierung, welche Zwecke und Mittel gesellschaftlich erwünscht sind). Biologische Erklärungsmodelle • Vielzahl von unterschiedlichen Befunden. • Aus Zwillings-u. Adoptivstudien lässt sich ableiten, dass es eine erbliche (serotonerge) Komponente für Suizidalität gibt, die wohl mit der Unfähigkeit zur Impulskontrolle zu tun hat. • Veränderte Anzahl von 5HT2-Rezeptoren in präfrontalen Kortex • Konsistent aber wenig spezifisch für Suizidalität sind die Befunde einer erniedrigten 5-Hydroxyindolessigsäure im Liquor und einer erniedrigten elektrodermalen Aktivität. Psychologische Erklärungsmodelle Psychodynamisch: Suizidales Verhalten und Depression entsprechen einer Wendung der Aggression gegen das eigene Ich, ausgedrückt durch Schuldgefühle, Selbstentwertung und schließlich in letzter Konsequenz Selbsttötung. Kognitiv: Suizidales Verhalten und Depression sind das Resultat verzerrter Denkschemata, d.h. der Betroffene sieht sich, die Welt und die Zukunft negativ (negative Triade) bis hin zur Hoffnungslosigkeit, so dass ihm schließlich nur noch der Suizid als Lösung übrig bleibt. Selbstpsychologisches Modell: Suizidalität als Ausdruck bzw. Reaktion einer narzisstischen Krise. Narzisstische Menschen sind sehr leicht kränkbar aufgrund eines schwach ausgebildeten Selbstwertgefühls. Der Suizid nach einer vermeidlichen Kränkung ist der Versuch das Selbstwertgefühl zu „retten“. Weitere Charakteristika der Narzissten sind eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, eine unrealistische Einschätzung anderer Personen und die Tendenz bei Kränkung und drohendem „Liebesentzug“ die Aggression gegen das eigene Ich zu richten. Verlauf: Zwischen 12-35% der Patienten mit einem Suizidversuch (SV) begehen in den ersten 2 Jahre erneut einen SV. Der Prozentsatz derjenigen, die sich suizidierten und schon vorher einen SV unternommen hatten, wird auf 20-50% geschätzt. Die Mehrheit der Patienten nach einem SV leiden im Verlauf gehäuft an Depressionen, weisen Probleme am Arbeitsplatz und in der Partnerschaft auf oder sind sozial isoliert und vereinsamt. Prädiktoren für suizidales Verhalten: • Vorangegangener SV • Vorangegangene psychiatrische Behandlung • Suchterkrankung • Persönlichkeitsstörung Therapie: A. Krisenintervention: Zentraler Aspekt hierbei ist die Herstellung einer hilfreichen, tragfähigen Beziehung. Suizidale Patienten neigen dazu, ihnen angebotene Hilfe nicht wahrzunehmen oder abzulehnen, und zwar um so häufiger, je größer der zeitliche Abstand zwischen dem SV und dem therapeutischen Angebot ist. Die Beziehung zum Pat. umfasst: • Fürsorge und Schutz • Klärung von Konflikten • Medizinische Versorgung • Diagnosestellung und Therapie einer zugrunde liegenden psychischen Störung Therapie: B. Pharmakotherapie: Wesentliches Ziel hierbei ist eine symptomatische Sedierung mittels: • Antidepressiva • Neuroleptika • Tranquilizer (v.a. Benzodiazepine) Zu beachten ist, daß der Patient die Medikamente nicht für einen erneuten SV sammelt, d.h. hier ist die Gabe für einen oder wenige Tage unter engmaschiger Kontrolle des Arztes sinnvoll. Therapie: C. Psychotherapeutische Behandlung in Einzel- oder Gruppentherapie und wenn möglich unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes. D. Weiterbetreuung !!! (Suizidpakt, Terminvereinbarung, personelle Kontinuität) Häufige Fehler (Bronisch 1998): • Trennungsängste übersehen (z.B. Stationswechsel, Urlaub, Entlassung) • Provokation persönlich nehmen (Agieren von Ablehnung) • Einseitige Betonung der Aggressionsproblematik (Übersehen der Beziehungsproblematik) • Bagatellisierungstendenzen des Pat. mitmachen • Mangelnde Exploration der jetzigen und evtl. früheren Umstände, die zu Suizidalität geführt haben • Zu rasche Suche nach positiven Veränderungsmöglichkeiten • Überhöhte Ansprüche an die eigenen therapeutischen Fähigkeiten (Omnipotenzgefühl des Therapeuten). Die Fehler hängen sehr von der Sichtweise des Therapeuten ab, wobei die Angst vor weiteren SV des Patienten eine wesentliche Rolle spielt. Eine weitere Ursache hierbei spielt auch die Ambivalenz von Seiten des Patienten, der einerseits an die Hilfsbereitschaft des Therapeuten appelliert und die menschliche Bindung zu ihm sucht, andererseits aber die Hilfestellung und Zuwendung des Therapeuten abwehrt. Ambivalenz muss stets berücksichtigt werden, wie auch die Einstellung, dass man einem Pat. nicht von einem SV oder Suizid abhalten kann. Bewusstseinsstörungen Def.: Bewusstseinsstörungen sind ein Leitsymptom akuter symptomatischer oder organischen Psychosen. Sie schließen in der Regel das Vorliegen einer funktionellen Psychose oder einer psychoreaktiven Störung aus. Die Bewusstseinsstörung ist eine unspezifische Reaktionsweise des Gehirns auf zahlreiche mögliche verursachende körperliche Erkrankungen oder Noxen. Nach Bleuler unterscheidet man: • Zustände verminderten Bewusstseins (quantitative Bewusstseinsstörungen) (Benommenheit, Somnolenz, Sopor, Koma) • Zustände veränderten Bewusstseins (qualitative Bewusstseinsstörungen) (Delir, Dämmer- und Verwirrtheitszustände) Quantitative Bewusstseinsstörungen Charaktierisiert duch verminderte Vigilanz (Wachheit), welche mit einer Verlangsamung und Verminderung aller psychischen Partialfunktionen einhergeht. Bei Benommenheit und Somnolenz muss die diagnostische Abklärung im Vordergrund stehen, Psychopharmaka sind hier kontraindiziert. Leitsymptom der Somnolenz ist die Verlangsamung aller psychomotorischen Funktionen, die verminderte Auffassungsfähigkeit sowie zeitliche und örtliche Orientierungsstörungen. Als DD sind v.a. eine beginnende Schizophrenie sowie eine Narkolepsie zu beachten. Quantitative Bewusstseinsstörungen Die Therapie beschränkt sich auf die Sicherstellung der regelmäßigen Überwachung der Vitalfunktionen, bis der somnolente Zustand abgeklungen ist. Bei persistierenden Vigilanzstörungen älterer Patienten kann ein Behandlungsversuch mit Antidementiva/ Nootropika unternommen werden. Qualitative Bewusstseinsstörungen Dämmerzustände sind zeitlich begrenzte, Sekunden bis Wochen anhaltende Bewusstseinsstörungen, bei denen der Patient handlungsfähig bleibt: • Sie treten in erster Linie in Zusammenhang mit Epilepsien auf (Status non-convulsivus) • Symptome: Die Pat. bewegen sich „traumwandlerisch“. Verlangsamte, automatenhafte Bewegungen, versonnenträumerisches Verhalten, abrupte Erregungszustände. Verminderte Steuerungsfähigkeit (Gewalttaten, sexuelle Enthemmung). Amnesie. • Therapie: Antiepileptika, Haloperidol, Diazepam • DD: Psychogene Dämmerzustände. Somnabulismus (Schlafwandeln) bei Kindern/Jugendlichen. Verwirrtheitszustände • Oft bei alten Menschen. • Gekennzeichnet durch Denkstörungen, wechselnde Desorientiertheit, Unruhe und Affektlabilität. • Häufige Ursachen: Internistische Erkrankungen, inadäquate Medikation, Flüssigkeitsmangel (!). • Therapie: der Grunderkrankung, Flüssigkeit, evtl. Sedierung (Pipamperon, Melperon, Haloperidol) Delir Symptome: Desorientiertheit, Verwirrtheit, ängstliche Erregung, Agitiertheit, optische Halluzinationen, illusionäre Verkennungen („Erlkönig“), Suggestibilität, vegetative Symptome, Nesteln, Reduktion von Aufmerksamkeit, Auffassung, Konzentration und Kritikfähigkeit Entzugsdelire ca. 48-72 Stunden nach Absetzten der Noxe Ursachen eines Delirs •Toxische Ursachen (Intoxikation oder Entzug) •Medikamente (insbesondere Psychopharmaka) •Metabolische Ursachen •Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts •Endokrine Störungen •Vitaminmangel •Infektionen •Kardiovaskuläre Störungen •Neurologische Erkrankungen •Sauerstoffmangel Behandlung eines Delirs Clomethiazol (Distraneurin) • Senkte Mortalität des Delirium tremens • Sehr gut wirksam gute Steuerbarkeit wegen kurzer HWZ • Gut antikonvulsiv wirksam und gute Sedierung • UAW: bronchiale Hypersekretion, Atemdepression, Abhängigkeitspotential • Dosierung: 2-4 Kps alles 2-4 h (24 Kps Höchstdosis) • Alternativen oder zusätzlich: Diazepam, Haloperidol, Carbamazepin /(Valproat), Clonidin Drogennotfall • Ursachen für Notfall: Mangelernährung, Sepsis, etc. Entzugserscheinungen, Intoxikation, Suizidalität, Psychosen oder Delir • Notfalluntersuchungen plus Drogenscreening (Toxikologie) • Polytoxikomanie Malignes neuroleptisches Syndrom • Inzidenz: 1-2% neuroleptikabehandelter Patienten • vor allem durch klassische Neuroleptika • Letalität 15-20% • Therapie: Absetzten aller Neuroleptika, Fiebersenkung (Eispackungen), Intensivpflege, Dopaminagonisten (z.B. Bromocriptin), Dantrolen, Benzodiazepine hochdosiert Frühdyskinesien (Parkinsonoid) • vor allem durch klassische Neuroleptika • EPMS auch bei von Allgemeinärzten und Internisten verordneten Antiemetika wie Metoclopramid möglich • Therapie: Parenterale Gabe von Biperiden (Akineton) 1-2 Ampullen i.v. (oder i.m.) (oder oral) Regressive Dekompensation Hyperventilation Grad 1 mit erhöhter Atemfrequenz, flacher Atmung, ohne Atempausen, erhöhter Erregungszustand, schnellem Reden klarer Ansprechbarkeit Regressive Dekompensation Hyperventilation Grad 2 mit Verkrampfung von Kiefer und Händen, Kribbelgefühl in Händen und Füßen, Schwindelgefühl, vegetativer Instabilität, Verkennen der äußeren Situation eingeschränkter Reaktion auf Ansprache Regressive Dekompensation Hyperventilation Grad 3 mit Panik, Erstickungsgefühl "kopflosem" Agieren, extremer Erregtheit Gefahr der Selbst- und Fremdverletzung zunächst keine Reaktion auf Ansprache Regressive Dekompensation Dissoziation Grad 1 mit verringerter Körperwahrnehmung (z.B."wie im Nebel", "alles ist weit weg" o.ä.) Entfremdungs- oder Verzerrungsempfinden im Körper fluchtartigem Rückzug aus einer Situation klarer Ansprechbarkeit Regressive Dekompensation Dissoziation Grad 2 mit erlebtem Verlust der Köperwahrnehmung (z.B. "spüre mich gar nicht mehr", "weiß nicht wo ich bin") Wegdrehen der Augen, Einigeln plötzlichem Tonusverlust, Zusammenklappen Verkennen der äußeren Situation eingeschränkter Reaktion auf Ansprache Regressive Dekompensation Dissoziation Grad 3 mit reflexhaften Bewegungen (Saugbewegungen, Schaukeln, Zuckungen, ungezielte Bewegungen) unartikulierten Lauten "wildem Blick" oder Augen geschlossen Gefahr von Selbst- und Fremdverletzung zunächst keiner Reaktion auf Ansprache Regressive Dekompensation: Intervention Grad 1 beruhigende Ansprache - Blickkontakt fordern - Positionsveränderung zum aufrechten Sitzen oder Stehen fordern - bei Hyperventilation: Achtsamkeit vom Atem weglenken z.B. zu Füßen (Grounding), Achtsamkeit in den Kontakt durch Fragen (evtl. auch in Körperkontakt gehen, "spüren Sie meine Hand?" o.ä.) bei Hyperventilation, wenn das kein Atemberuhigung bringt: - "Atmen Sie langsamer, Sie können das!" - evtl. zusammen atmen und selbst langsamer werden oder Mitzählen lassen beim Ein- und Ausatmen, dabei längere Zeiten vorgeben Regressive Dekompensation: Intervention Grad 2 - klare, führende und direkte Ansprache ("machen Sie die Augen auf", "schauen Sie mich an" ,"Kopf hoch nehmen" o.ä.) - Regulierung der eigenen Lautstärke je nach Reaktion des Patienten - fragen was gerade los ist ("wo sind Sie gerade?", "was erleben Sie?") - ggf. Korrektur der Wahrnehmung ("Sie sind jetzt hier in der Klinik", "jetzt tut Ihnen niemand etwas an", "ich bin Ihr Therapeut" o.ä.) - Korrektur des Verhaltens ("das tut Ihnen jetzt nicht gut", "das ist Vergangenheit", "gehen Sie innerlich jetzt nicht dahin zurück") - evtl. die Hand nehmen und vom Patienten selbst drücken lassen zur Sicherung des Kontaktes - Körperinterventionen in Richtung Sitzen - Stehen - Gehen und Interventionen Grad 1 Regressive Dekompensation: Intervention Grad 3 mit - Selbst- und Fremdschutz gewährleisten - Ansprache bestimmt und klar, aber eher ruhig und nicht fordernd ("keine Angst, ich bin jetzt bei Ihnen", "niemand tut Ihnen was" o.ä.) - fragende, behutsame Kontaktaufnahme und immer wieder beruhigen - Einschätzung eines evtl. akuten psychotischen Zustands - erst bei abklingender Panik oder Erregtheitszustand zu Interventionen Grad 2