PRÄKLINISCHE SCHMERZTHERAPIE - NOTFALLNARKOSE SCHMERZ VERURSACHT STRESSREAKTION DES GESAMTORGANISMUS Hormonelle Reaktionen auf Schmerz Aktivierung des adrenergen Nervensystems Ausschüttung von Gluko- und Mineralokortikoiden Freisetzung von STH und ADH Pathophysiologische Konsequenzen der hormonellen Reaktion Vermehrung des Blutvolumens Zunahme der Blutviskosität, Hyperglykämie, Hyperlaktatämie Anstieg der freien Fettsäuren im Blut verminderte Na-Ausscheidung vermehrter K-Verlust Kardiovaskuläre Veränderungen nach Schmerzreizen Hypertonie, Tachykardie Vasokonstriktion führt zu vermehrter Herzarbeit gesteigerte kardiale Erregbarkeit Zunahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs Schmerz und Atmung Vitalkapazität nimmt ab Funktionelle Residualkapazität nimmt ab Atemzugvolumen nimmt ab Atemfrequenz nimmt zu Diese Befundkonstellation führt zu respiratorischer Erschöpfung (unökonomische Atmung!) Konsequenz daraus ist eine Hypoxämie Letztlich können Atelektase oder Pneumonie daraus resultieren. SCHMERZTHERAPIE IST SCHOCKTHERAPIE UND ATEMTHERAPIE Durch eine frühzeitige suffiziente Schmerztherapie (unter gleichzeitiger Volumstherapie) werden die Schockfolgen vermindert und respiratorischen Komplikationen vorgebeugt. Darüberhinaus hat der Patient das Recht auf eine optimale Schmerztherapie und nicht nur auf halbherzige Verlegenheitstherapien. Eine Ampulle Tramal® bei einer Oberschenkelfraktur 10 Sekunden vor dem Reponieren ist sicherlich keine suffiziente Schmerztherapie! Wodurch wird der Schmerz ausgelöst DIREKTE NOXEN wirken auf Nozizeptoren Mechanisch, thermisch, chemisch O2-Mangel INDIREKTE NOXEN erregen unspezifische Nervenendigungen. Algogene Substanzen = Mediatoren Histamin Acetylcholin Prostaglandine (Gewebsschädigung, Entzündung) 1 Schmerzleitung Nozizeptor wird erregt peripherer Nerv Rückenmark (Tractusspinothalamicus) Thalamus Gyrus postcentralis: Schmerzlokalisation Nucleus limitans: Schmerzerkennung limbisches System: Schmerzemotion Formatio reticularis: Wachzustand Prinzipien der Schmerztherapie MAN VERSUCHT AN DEN VERSCHIEDENEN PUNKTEN DER SCHMERZBAHN GEZIELT EINZUGREIFEN 1) Angriffspunkt Nozizeptor Hemmung algogener Substanzen Mediatorenhemmung durch NSAR Fachgerechte Bergung / Lagerung des Patienten Reposition dislozierter Frakturen Reposition luxierter Gelenke (nur bei entsprechender Indikation !) Provisorische Schienung / Fixation 2) Angriffspunkt Nervensystem Ketamin Hypnoanalgetika 3) Angriffspunkt Psyche Benzodiazepine Psychische Betreuung “ Ruhiges, kompetentes Auftreten und der gekonnte Einsatz einer psychischen Betreuung des Patienten kann oftmalig eine Sedierung ersetzen ! ” “ Menschliche Zuwendung ist ein effektives Analgetikum mit großer therapeutischer Breite ! ” Präemptive Analgesie Wenn ein Analgetikum vor der Schmerzauslösung gegeben wird, ist es wirksamer und die Analgesie hält länger an. Konsequenz für den Notarzt: Vor jeder schmerzhaften Tätigkeit ausreichend Analgetika verabreichen. Für die Notfallmedizin wichtige Medikamente zur Sedierung und Analgesie ®) A) Ketamin (Ketanest S Indikation: zentral wirksames Schmerzmittel, Anästhetikum Nebenwirkungen: Hypertonie, Tachycardie, Hypersalivation, Hirndrucksteigerung, Alpträume, Steigerung des Augeninnendruckes, Bronchodilatation Kontraindikationen: KHK, Herzinsuffizienz, cerbraler Insult, Hypertonie. SHT: nur bei gleichzeitiger Beatmung erlaubt. Wirkungseintritt: 20-60 Sekunden Wirkdauer: etwa 10-15 Minuten, Repetition möglich Dosis: 0,125-0,25 mg/kgKG i.v. oder 0,25-0,5 mg/kgKG i.m. Kontraindikationen sind bei Verwendung als Analgetikum nicht ganz so relevant (SHT!). 2 Konzentrationen im Handel: 5mg/ml od. 25mg/ml, Vorsicht Verwechselungsgefahr. 2 B) Opioidanalgetika Eigenschaften aller Opiate hoch potent analgetisch zentral-sedativ bzw. hypnotisch atemdepressiv gering cardiodepressiv hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkung in äquipotenter Dosis gleichwertig mit Naloxon antagonisierbar (außer Agonist/Antagonisten) Nebenwirkungen der Opiate Atemdepression (Bradypnoe) schwere Hypoxie und Hyperkapnie möglich Hypotonie (Volumsgabe notwendig) Erbrechen Miosis Relative Kontraindikation: kolikartige Schmerzen Substanz Name Potenz Dosis Morphium Wirkungseintritt Vendal® 1 5-7,5mg i.v. 1-2 min. Pethidin Alodan® 0,1 25-50mg i.v. 1-2 min. Piritramid Dipidolor® 0.25 5-7,5mg i.v. 1-2 min. Buprenorphin Temgesic® 0,2 0,15-0,3mg i.v. 2-3 min. Tramadol Tramadol® 0,1 50-100mg i.v. 2-3 min. Febtanyl Fentanyl® 200 0,05-0,1mg i.v. 2-3 min. Tab 1: Opiate, analgetische Potenz, Dosierungen im Vergleich, C) Benzodiazepine Nie als alleinige Schmerztherapie einsetzen (keine echte Analgesie, man erzielt nur größere Gleichgültigkeit gegenüber Schmerz), Nebenwirkungen: Atemdepression, Hypotonie ® ® Midazolam (Dormicum ) 2,5-7,5 mg i.v. alternativ Diazepam (Valium ) 5-10 mg i.v. Praxis der Schmerztherapie Eine Beschränkung auf ein bis zwei verschiedene Präparate ist sehr zu empfehlen. Auch „Profis“ neigen oft zu Unterdosierung Der Schmerz darf nicht zur Stabilisierung des Blutdruckes ausgenützt werden. Im Sinne einer suffizienten Analgesie müssen Nebenwirkungen ganz bewußt in Kauf genommen werden und bedürfen einer entsprechenden Therapie: Sauerstoffzufuhr, Volumszufuhr, eventuell sogar Intubation und Beatmung, KetanestS® ist mit einem Benzodiazepin zu kombinieren Sämtliche adjuvante Maßnahmen müssen getroffen werden: Kompetentes Auftreten, positive Zuwendung zum Patienten, schonendes manuelles Vorgehen. Morphin erscheint als das geeignetste Analgetikum beim Myocardinfarkt., Fentanyl beim schweren Trauma. Ketamin ist bestens geeignet bei Einfachfrakturen, zur Reposition derselben und bei der Therapie von Verbrennungen. Tramadol ist in der Notfallmedizin in der Regel nicht indiziert. 3 NARKOSE AM NOTFALLORT 4 Komponenten der Anästhesie 1. 2. 3. 4. Bewußtsein - Hypnose, Amnesie, Anxiolyse Schmerz - Analgesie Vegetativer Stress - Neurolepsie, Sedierung Muskeltätigkeit - Muskelrelaxierung DEFINITION DER NOTFALLMEDIZIN (F.W.Ahnefeld) „ Außerklinischer Beginn einer Intensivtherapie unter erheblich erschwerten Bedingungen mit eingeschränkten Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung und unter nur in sehr begrenztem Umfang verfügbarem Einsatz von Geräten und Medikamenten” Problemstellung der Notfallnarkose zumeist ungünstige äußere Umstände kein Zugang zum Patienten wie im OP nur notfallmedizinische Gerätschaft Notfallpatient ist Hochrisikopatient reduziertes Medikamentensortiment keine Anästhesieschwester vorort Narkoseverfahren Als Verfahren der Wahl kann nur die Intubationsnarkose empfohlen werden! Ausnahme: Bergung eines Verletzten, bei dem primär keine Intubation möglich ist! ® Ketamin (Ketanest S ) zur Narkoseeinleitung potentes Analgeticum zur Einleitung und Erhaltung der Narkose erhaltene Spontanatmung, bedingt erhaltene Schutzreflexe kardiovaskuläre Stimulation - optimal bei Volumsmangelschock i.v. oder i.m. applizierbar Anästhesie-Dosis: 0,5-1 mg/kgKG i.v., 2-4 mg/kgKG i.m.; alle 10-15 Minuten halbe Dosis nachinjizieren. Kombination mit 5 mg Dormicum® oder 10 mg Valium® i.v. Etomidate (Hypnomidate®, Etomidate Lipuro®) gering kardiodepressiv mäßig atemdepressiv mäßige anästhetische Potenz reines Einleitungsnarkotikum Nebenwirkungen: NNR-Suppression, Mydriasis, Myoklonien, Venenwandreizung. Kombination mit Benzodiazepin/Fentanyl ist günstig, keine Narkose-Erhaltung mit Etomidate erlaubt Dosis: 0.2-0.3 mg/kg KG i.v. Propofol (Diprivan®) zur Einleitung und Erhaltung der Narkose geeignet kurz wirksam, gut steuerbar keine Kumulation, darf repetiert werden NW: ausgeprägter Blutdruckabfall, Bradycardie, epileptiforme Bewegungen Dosis: bis zu 2 mg/kgKG i.v., über Perfusor: bis zu 6 mg/kg/h i.v. Dieses Narkotikum darf nur vom Erfahrenen eingesetzt werden und niemals im hypovolämischem Schock 4 Benzodiazepine Völlig ungeeignet zur Narkoseeinleitung Adjuvans zur Narkoseerhaltung mit Fentanyl Adjuvans zu Hypnomidate® Adjuvans zu Ketanest S® Dosierungen: Valium®: 5-10 mg i.v. Dormicum®: 2,5-7-5 mg i.v. Muskelrelaxation Indikation: 1. Erleichterung der Intubation 2. Durchführung der Beatmung Kontraindikationen: mangelnde Erfahrung mangelhafter “background” (Personal, Gerätschaften) vorhersehbare Intubationsprobleme patientenbedingte Kontraindikationen medikamentenbedingte Kontraindikationen Pharmakologie der Muskelrelaxantien: a) Depolarisationsblock: Succinylcholin: Lysthenon® sehr kurz wirksam, nicht antagonisierbar b) Kompetitiver Block: (1) Rocuronium: Esmeron® (2) Cisatracurium: Nimbex® länger wirksam durch Cholinesterasehemmer antagonisierbar Succinylcholin (Lysthenon®) Dosis: Erwachsene: 1 mg / kgKG i.v. Kinder: 1-2 mg / kgKG i.v. Pharmakokinetik: Beginn der Muskelrelaxation : 30 sec., Dauer der Relaxation: 5(-10) min. Präcurarisierung günstig ! Keine Repetition ! Nebenwirkungen: Kalium , intracerebraler Druck , Augeninnendruck , Mageninnendruck , Bradycardie, Histaminausschüttung, Salivation , Myoglobin Kontraindikationen: Hyperkaliämie, Crush-Syndrom, Verbrennungskrankheit (am Notfallort erlaubt), Polytrauma (in der Frühphase erlaubt), Tetanus, Sepsis, Augenperforation, neuromuskuläre Störungen Stellenwert in der Notfallmedizin: Mittel der Wahl zur präklinischen Intubation reichlichste Nebenwirkungen thermolabil, aber gebrauchsfertig Rocuronium (Esmeron®) Dosis: zur Primärrelaxation: 0,5 mg / kgKG i.v., Repetition: 0,15 mg / kgKG i.v. alle 20-30 Minuten Pharmakokinetik: Beginn der Muskelblockade: 1-2 min., Dauer der Blockade: etwa 30 min. Am Notfallort niemals zum Ermöglichen der Intubation verwenden 5 Cisatracurium (Nimbex®) Dosis: zur Primärrelaxation: 0,15 mg / kgKG i.v., Repetition: 0,05 mg / kgKG i.v. alle 20 Minuten Pharmakokinetik: Beginn der Blockade: 2 min. Dauer des Blocks: 20-30 min. Nebenwirkungen: Flush Am Notfallort niemals zum Ermöglichen der Intubation verwenden Praxis der Muskelrelaxation am Notfallort Lysthenon® muß immer aufgezogen bereitliegen! Narkoseeinleitung mit Narkotikum danach 1 Intubationsversuch ohne Relaxans Wenn es nicht geht, weil der Patient sich wehrt, eine Intubation aber möglich erscheint, dann Lysthenon® verwenden Wenn die Intubation nicht sicher möglich erscheint, kein Lysthenon® verwenden, Beatmung über alternativen Beatmungsweg versuchen. 6