64 forschen Beschleunigen mit Licht – die Zukunft von Hochleistungslasern Seit es Teilchenbeschleuniger gibt, wurden mit ihnen viele Erkenntnisse über die Struktur der Materie und den Anfang des Kosmos gewonnen. Fragen wie z.B. nach dem Aufbau von Riesenplaneten verlangen dabei heute nach immer höheren Strahlintensitäten. Die Dimensionen solcher Anlagen wie z.B. der LHC lassen Grenzen der heutigen Beschleunigerentwicklung erkennbar werden. Daher stellt sich die Frage: Wie könnten zukünftige Beschleuniger aussehen und auf welchem physikalischen Prinzip basieren sie? Höchstleistungslaser können hier neue Perspektiven aufzeigen. Wissenschaftler der TU Darmstadt forschen erfolgreich auf diesem neuen Gebiet weltweit und seit kurzem auch an der GSI. Acceleration by light – the future of high intensity lasers The invention of particle accelerators resulted in a wealth of answers to questions about the structure of matter and the origin of the universe. Today, problems like the composition of giant planets call for higher and higher beam intensities. The sizes of nowadays facilities like the LHC already indicate the limits of current accelerator technology. Therefore the question arises, what could be next generation of particle accelerators and on what physical basis? High power lasers could lead to new perspectives in that field. Scientists from TU Darmstadt address this question in experiments all over the world and also recently at GSI. Markus Roth • Lasersysteme sind wie kein anderes Werkzeug der Wissenschaft in der Lage, Energie in Raum und Zeit zu bündeln. Dabei erreichen die leistungsstärksten Systeme ihrer Art, wie zum Beispiel das PHELIX Lasersystem (Petawatt High Energy Laser for Ion Experiments) an der GSI, Spitzenleistungen von bis zu einer Billiarde Watt. Der Laserpuls ist dabei so kurz, dass von einem Lichtstrahl im eigentlichen Sinne nicht mehr gesprochen werden kann. So ist bei einem Strahldurchmesser von ca. 30 cm der „Strahl“ nur noch so lang wie die Dicke dieser Seite. Wird ein Laserstrahl dieser Leistung auf wenige Mikrometer fokussiert, erreicht die 20 2 Intensität Werte von über 10 W/cm . Das entspricht einer Lichtintensität, wie wenn man das gesamte auf die Erde treffende Sonnenlicht auf weniger als einen halben Millimeter fokussieren würde. Wissenschaftler machen sich diese Eigenschaft zunutze, um zum Beispiel Prozesse im Inneren von Sternen zu simulieren oder Röntgenblitze von ungeahnter Leuchtkraft zu erzeugen (Abb. 1). Vor genau 10 Jahren waren Wissenschaftler der TU Darmstadt an Experimenten in den USA beteiligt die eine weitere überraschende Eigenschaft dieser Laserstrahlen preisgaben: die Beschleunigung von Ionen mit bislang nicht erreichbaren Feldstärken. Seit dieser Zeit forscht eine Gruppe Physiker der TU Darmstadt auf diesem Gebiet. Hierzu steht seit neuestem mit dem PHELIX ein Lasersystem der internationalen Spitzenklasse zur Verfügung, an dessen Bau die TU Darmstadt maßgeblich beteiligt war. Wie beschleunigt Licht nun so schwere Teilchen wie Ionen? Einfach ausgedrückt wird durch die Energie des Lasers das bestrahlte Objekt – Physiker nennen es Target – unglaublich schnell aufgeheizt (Abb. 2). Üblicherweise werden hauchdünne Metallfolien aus z.B. Gold oder Aluminium als Target verwendet. Bei der Laserbestrahlung werden Elektronen aus den Atomen herausgerissen und durch relativistische Effekte sowie den enormen Lichtdruck durch die Folie hindurch beschleunigt. Auf der Rückseite der Folie können die Elektronen aber nicht einfach weiterfliegen, weil das elektrische Feld zwischen ihnen und den zurückgebliebenen Atomrümpfen sie festhält. Dieses elektrische Feld ist so stark wie das an der Oberfläche von Neutronensternen und ca. eine Million Mal stärker als das von herkömmlichen Beschleunigern. Genau dieses Feld beschleunigt jetzt die Atomrümpfe Seite 65 ◀ Wissenschaftsmagazin der TU Darmstadt | Frühjahr 2009 (oder auch Ionen genannt) innerhalb kürzester Zeit auf ca. 10% der Lichtgeschwindigkeit. Die Strahlen die auf diese Weise erzeugt werden unterscheiden sich von herkömmlichen Strahlen in einigen wichtigen Punkten. Die Ionen fliegen gleich von Anfang an mit sehr hoher, wenn auch nicht alle mit der gleichen Geschwindigkeit. Außerdem hat der Strahl eine sehr kurze Pulsdauer von weniger als einer Milliardstel Sekunde, eine sehr hohe Teilchenanzahl und eine exzellente Strahlqualität. Letztere ist mindestens hundertfach besser als die von bislang verwendeten Strahlen, was von großem Interesse ist für eine Vielzahl von Anwendungen, z.B. als neue Diagnostik, Injektor für größere Beschleuniger, Experimente in der Plasmaphysik und Fusionsforschung und evtl. sogar für die Therapie von Krebstumoren mit Ionenstrahlen. Die Darmstädter Forscher haben sich in den letzten Jahren insbesondere auf die dem Beschleunigungsprozess zugrunde liegende Physik konzentriert, um so ein besseres Verständnis der Prozesse zu erhalten. Es gelang den Forschern in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen dabei unter anderem auch, schwere Ionen zu beschleunigen, den Strahl gezielt zu manipulieren, die Effizienz der Beschleunigung zu optimieren und den Strahl erfolgreich zur Untersuchung anderer Objekte einzusetzen. Dabei kom- Abbildung 1 (oben) Studenten der TU Darmstadt am VULCAN Laser am Rutherford Appleton Laboratory, UK, beim Aufbau eines Experimentes zur Messung von Materiezuständen, die das Innere von Riesenplaneten simulieren. Abbildung 2 (links) Experiment am TRIDENT Laser des Los Alamos National Laboratory. Der Laserstrahl trifft die dünne Metallfolie in der Mitte des Bildes von links. Durch das Loch in dem Detektor rechts der Folie ist der Ionenstrahl gut zu erkennen. Links oben beobachtet eine Röntgenkamera das Experiment. men komplizierte Targets zum Einsatz, die am Institut für Kernphysik hergestellt werden. Voraussetzung für die präzise Untersuchung war die Darmstädter Entwicklung einer neuen Diagnostik, die es erlaubt, alle wichtigen Informationen über den Strahl innerhalb eines einzelnen Pulses vollständig zu vermessen. Diese Technik wird inzwischen von vielen Forschungslabors übernommen und erfolgreich eingesetzt. Anwendungen Durch die kurze Pulsdauer, die hohen Ströme und die gute Strahlqualität erscheint eine Fülle von interessanten Anwendungen realisierbar. Bereits demonstriert wurden Anwendungen als neue Diagnostikmethode für Kurzzeitprozesse. Wie mit Röntgenstrahlen lassen sich auch mit energetischen Teilchenstrahlen Objekte durchleuchten (Abb. 3). Dabei kann nicht nur die Dichte der Probe untersucht werden, sondern auch die Verteilung elektrischer Felder. Da die Strahlen elektrische Ladung tragen, können sie entsprechende Felder •Institut für Kernphysik der TU Darmstadt Prof. Dr. Markus Roth. Tel. 06151/16-5417 E-Mail: [email protected] www.ikp.physik.tu-darmstadt.de/users/mroth/ag/ Seite 66 ▶ forschen Abbildung 3 Anwendung lasererzeugter Protonenstrahlen in der Diagnostik. Der Laserstrahl trifft von links oben auf die Folie (nicht sichtbar in dem Halter) das Objekt rechts ist eine kleine Plastikkugel aus der Trägheitsfusionsforschung. nachweisen. Die Entwicklung dieser Diagnostikmethoden steht erst am Anfang, aber bereits die ersten Experimente zeigen die beeindruckenden Möglichkeiten der Diagnostik. Viele Anwendungen von Teilchenstrahlen verlangen nach monoenergetischen Strahlen hoher Qualität. Der intensive, gerichtete Strahl von laserbeschleunigten Ionen mit hoher Strahlqualität könnte den Weg zu Ionenquellen der nächsten GeAbbildung 4 Experimente am PHELIX Laser. Der von dem Laserstrahl (rot) beschleunigte Ionenstrahl (blau) wird von zwei Solenoidmagneten (Spulen) erst gefangen und dann auf eine Probe fokussiert. Die Spulen werden dabei mit bis zu 33000 Ampere betrieben. neration für Beschleuniger ebnen. Erste Simulationen und Experimente zeigen, dass hohe Teilchenzahlen in Beschleunigerstrukturen eingefangen und dort weiter beschleunigt werden können. Allerdings müssen die lasererzeugten Ionenquellen in den nächsten Jahren noch die Zuverlässigkeit demonstrieren, die konventionelle Anlagen auszeichnet. Durch die hohe Pulsleistung der Teilchenstrahlen zusammen mit ihrer Fähigkeit, tief in die Materie einzudringen kann es gelingen, feste Körper aufzuheizen, um Plasmen hoher Dichte zu erzeugen. Dieses Konzept wird zu Zeit sowohl im Hinblick auf Untersuchungen im Bereich der Astrophysik (Inneres von Riesenplaneten) oder Geophysik (Inneres der Erde) als auch im Bereich der Energieforschung (Kernfusion durch Trägheitsfusion) intensiv untersucht. Des Weiteren werden Ionenstrahlen aus solchen Systemen durch den kompakten Aufbau auch für medizinische Anwendungen in Kliniken (Protonen- oder Schwerionenstrahlen für die Tumortherapie) interessant. Ende 2008 hat auch die Hochleistungsvariante des PHELIX seine Arbeit erfolgreich aufgenommen. Be- Wissenschaftsmagazin der TU Darmstadt | Frühjahr 2009 reits mit den ersten Laserpulsen katapultierte sich das GSI Lasersystem mit einer Leistung von rund 200 Billionen Watt an die Spitze der deutschen Hochleistungslasersysteme in der Grundlagenforschung. Die ersten Experimente mit diesem faszinierenden Werkzeug standen dabei „im Lichte“ der Ionenbeschleunigung. Wissenschaftler der TU Darmstadt, der GSI und des JAEA in Japan bündelten dabei die gewaltige Laserleistung des PHELIX auf einen Punkt, nur halb so groß wie der Durchmesser eines menschlichen Haars. Bei den unglaublichen Intensitäten mit denen moderne Kurzpulslaser arbeiten ist es schwer die Temperatur der bestrahlten Materie zu bestimmen. Welche Thermometer halten schon eine Temperatur von 40 Milliarden Grad Celsius aus und lassen sich noch ablesen? Auch hier nutzen die Forscher der TU Darmstadt und der GSI die einmalige Expertise des Standortes Darmstadt. Durch die enge Verzahnung mit der Kernphysik konnten nukleare Prozesse (Riesenresonanzen) zum Aufbau eines nuklearen Thermometers erfolgreich getestet werden, um so die Temperatur im Brennfleck des Lasers zu bestimmen. Diese extreme Temperatur führte dazu, dass in den Experimenten Protonen auf einer Strecke von nur einem zehntel Millimeter auf bis zu 30 Megaelektronenvolt Energie (das entspricht einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit) beschleunigt werden konnten. Das Ziel der aktuellen Experimente zur Teilchenbeschleunigung war der Einfang und Transport dieser Strahlen, um sie in Zukunft als neue Ionenquellen oder Vorbeschleuniger nutzbar zu machen. Die Teilchenstrahlen wurden mit einem sehr starken magnetischen Feld (300 000-fach stärker als das Erdmagnetfeld) einer gepulsten Hochfeldspule eingefangen und zu einem parallelen Strahl gebündelt (Abb. 4). Es gelang bei den weltweit ersten Experimenten dieser Art, einen Großteil des so erzeugten Protonenstrahls zu transportieren. Weitere Versuche werden in diesem Jahr folgen. Markus Roth ist seit 2003 Professor an der TU Darmstadt. Sein Forschungsgebiet umfasst die Erzeugung hoher Energiedichte in Materie mit intensiven Laser- und Ionenstrahlen, sowie die relativistische Plasmaphysik.