Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Demokratie, also Rechtsstaatlichkeit, Beachtung der Menschenrechte einschießlich der Grund- und Freiheitsrechte, allgemeine politische Mitwirkung, freie und geheime Wahlen usw., ist die sinnvollste der bekannten Staatsformen. Nicht die Demokratie wird in diesem Abschnitt kritisiert, sondern ihre Erodierung und die Vereinnahmung durch undemokratische Machtstrukturen. Das einzubremsen, sehen wir als unsere vordringlichste Aufgabe an. Unsere parlamentarischen Demokratien sind Wechsel-Oligarchien. Und zwar in dem Sinne, als wir in der Regel wenige Figuren zur Wahl vorgesetzt bekommen und die Gewählten uns völlig unbekannte Gestalten aus dem Hut ziehen, die dann entlang einer Legislaturperiode gegen die Lamenti der Opposition Gesetze erlassen, bis andere zum Zuge kommen. (R.Riedl) Regieren gegen den Bürger? (Buchtitel des "Club of Vienna") Demokratieverständnis - Theorie und Praxis Ein Dreifrontenangriff bedroht die Demokratie Die Demokratie und das "Wirkungsgefüge des Lebens" Ein neuer Gesllschaftsvertrag scheint möglich. Wo ist anzusetzen? Zusammenfassende Stellungnahme Bert Brecht: "Das Volk hat sich das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?" Regieren gegen den Bürger ? (Buchtitel des "Club of Vienna") Rupert Riedl in der "Einführung" (auszugsweise zitiert, Hervorhebungen von DB) Es steht menschliche Vernunft gegen Raubbau Daß Regierungen gegen Einzelinteressen ihrer Bürger regieren müssen, gehört zum Brauch des Regierens. Wenn eine Hochspannungsleitung für tausende Abnehmer gebaut werden muß, hat mancher Bauer ein Betonfundament mitten auf seinem Acker hinzunehmen. Wenn aber sein Acker vom Nachbarn überschwemmt wird hat er das Recht, Klage zu führen. Wie aber kann es kommen, daß Regierungen gegen Majoritäten ihrer Bürger regieren? Daß alle weniger Steuern zahlen wollten ist freilich trivial. Daß ihre Anliegen aber auch dann unterdrückt werden, wenn es um Vernunft und die offensichtlichen Interessen einer ganzen Nation geht, wird das schon auffallender. Nun sind es keine Einzelfälle; eine Vielfalt von Fällen liegt vor: Opposition der Bürger gegen Tierfabriken, Kernenergie, Genmanipulation, Globalisierung usw. --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 1 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Es steht menschliche Vernunft gegen Raubbau und zwar bürgerliche Vernunft, eine uns gegebene Überlebenshilfe für die Art Homo sapiens. Der Raubbau dagegen ist jener an unserer Natur, an unserer Gesundheit, Sicherheit und an unserer Moral. Dies ist jene Weltsicht des Kapitalismus und dessen Machbarkeits-Ideologie. Alle Bremsen. die man anzulegen versucht, um den Emissionen, dem Verkehr, dem Ressourcen-Verbrauch, dem Verbauen der Natur Grenzen zu setzen, stehen weiterhin unter dem Druck der Gewinn-Maximierung. Tragen nun die Politiker die Schuld? Treiben sie jenen Raubbau an? Ich glaube das nicht. Wenn es bei den Gegnern von Au-Rodungen, von Atom-Transporten und Wirtschafts-Gipfeln blutige Köpfe gegeben hat, gab es dann nicht auch solche bei der Exekutive, an sich wieder unbescholtene Bürger? In welche Lage sind unsere Regierungen geraten; in ein Dilemma? Manch einer will Regierungen Zögerlichkeiten nachweisen, Kurzsichtigkeit, Parteilichkeit, in manchen Fällen sogar Ängstlichkeit. Aber Ursache des Raubbaus sind sie nicht. Näher besehen handelt es sich in keinem der Fälle um Bosheitsakte von Regierungen, um die Wiederkehr der Tyrannei. Es geht um die internationalen Verflechtungen, Wirtschafts- und FinanzAbhängigkeiten, Konkurrenz der Nationalstaaten, besonders übernationaler Konzerne, Unterwerfung unter multinationale Abkommen von gestern und vorgestern und die durchaus gegebenen und sogar hingenommenen Hegemonien, in welchen das Faustrecht wieder zu Tage kommt. Demokratieverständnis - Theorie und Praxis Noam Chomsky (auszugsweise zitiert, Hervorhebungen von DB) In "Media Control - Wie die Medien uns manipulieren", Piper 2006 Die Rolle der Medien in der gegenwärtigen Politik zwingt uns zu der Frage, in was für einer Welt und in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, und vor allem, in welchem Sinn diese Gesellschaft demokratisch verfaßt sein soll. Ich möchte zunächst zwei unterschiedliche Konzeptionen von Demokratie einander gegenüberstellen. Die eine geht davon aus, daß in der demokratischen Gesellschaft die Bevölkerung die Möglichkeit hat, sich auf sinnvolle Weise an der Regelung ihrer Angelegenheiten zu beteiligen und ungehinderten Zugang zu den Informationsmitteln besitzt. Wenn man in einem Lexikon den Begriff "Demokratie" nachschlägt, wird man eine Definition dieser Art erhalten. Eine andere Definition besagt, daß die Bevölkerung von der Regelung ihrer Angelegenheiten ausgeschlossen und der Zugang zu den Informationen --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 2 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis streng begrenzt und kontrolliert werden muß. Das mag sich seltsam anhören, aber diese Konzeption von Demokratie ist die vorherrschende, und das schon seit langem in der Theorie, wie in der Praxis. Die Wirkung staatlicher Propaganda ist umso größer, je mehr sie von den gebildeten Schichten unterstützt und keine Kritik daran zugelassen wird. Walter Lippmann, der Doyen der amerikanischen Journalisten, war vom Erfolg der Propaganda beeindruckt. Er meinte, daß eine von ihm so genannte "Revolution in der Kunst der Demokratie" dazu führen könnte, "Konsens herzustellen" (manufacturing consens), d.h. mittels der neuen Propagandatechniken die Öffentlichkeit auf Ereignisse einzustimmen, die sie eigentlich ablehnt. Er hielt dies für eine gute, ja sogar notwendige Idee, weil, wie er sagte, "das Interesse des Gemeinwesens sich der öffentlichen Meinung völlig entzieht" und nur von einer "spezialisierten Klasse ... verantwortlicher Männer", die über das notwendige Wissen verfügen, begriffen und in Angriff genommen werden kann. Lippmann unterfüttert diese Anschauung mit einer ziemlich ausgefeilten DemokratieTheorie. Eine gut funktionierende Demokratie bestehe, so meint er, aus zwei unterschiedlichen Klassen von Bürgern. Zur einen Klasse gehören diejenigen, die aktiv mit den Angelegenheiten der Allgemeinheit betraut sind, d.h. analysieren, Entscheidungen treffen und ausführen und in den politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Systemen die Dinge ins Rollen bringen. Diese Klasse von Spezialisten umfaßt allerdings nur einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung. Der Rest gehört zu "den anderen", den Handlungsobjekten der Spezialisten. Sie machen, so Lippmann, die "verwirrte Herde" aus, vor deren "Getrampel und Gelärm" wir, die Spezialisten, uns schützen müssen. Hinter dieser Theorie steckt eine Logik und sogar ein zwingendes Moralprinzip. Es besagt, daß die Masse der Bevölkerung zu dumm ist, um größere Zusammenhänge zu begreifen. Wenn sie den Versuch unternimmt, sich an der Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten zu beteiligen, stört sie lediglich den reibungslosen Ablauf. Darum wäre es unmoralisch und unverantwortlich, dergleichen von ihr zu verlangen. Wir müssen also die Herde mittels einer neuen Revolution in der Kunst demokratischen Regierens zähmen, nämlich mit der "Herstellung von Konsens". Medien, Schulen und Alltagskultur müssen zweigeteilt werden. Der politischen Klasse, den Spezialisten, vermitteln sie einen angemessenen Wirklichkeitssinn und die richtigen Überzeugungen. Die verwirrte Herde dagegen, muß einfach abgelenkt und von den Fleischtöpfen der Macht ferngehalten werden. Sie darf nicht Gelegenheit bekommen, ihre Fehlurteile in die Tat umzusetzen. In Diktaturen ist das einfacher. Man hält die Knute bereit, und wer aus der Reihe tanzt, bekommt sie zu spüren. Aber in freieren und demokratischeren Gesellschaften --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 3 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis geht das so nicht. Deshalb ist hier das Mittel der Propaganda so wichtig. Sie ist für die Demokratie, was für die Diktatur die Knute ist. In "Hybris - Die endgültige Sicherung der globalen Vormacht der USA", Piper 2006: Was von der Demokratie übrig bleibt, ist wenig mehr als das Recht, zwischen Waren wählen zu können. Wirtschaftsführer erklären schon seit langem, daß man der Bevölkerung eine "Philosophie der Vergeblichkeit" und des "mangelnden Lebenssinns" vermitteln müsse, um die Aufmerksamkeit der Menschen auf die eher überflüssigen, jeweils gängigen Mode- und Konsumartikel zu lenken. Werden die Leute von Kindheit an solcher Propaganda ausgesetzt, akzeptieren sie vielleicht irgendwann ihr bedeutungsloses und untergeordnetes Leben und vergessen die lächerliche Vorstellung, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie überlassen dann ihr Schicksal den Konzernmanagern und der PR-Industrie und im politischen Bereich den selbsternannten "intelligenten Minderheiten", den Dienern und Verwahrern der Macht. In "Profit Over People - War against People", Piper 2006: Der einflußreiche Chef des außenpolitischen Planungsstabes der USA George Kennan hat bereits 1948 dazu geraten, daß wir "aufhören sollten, über verschwommene und unrealistische Ziele wie Menschenrechte, Anhebung des Lebensstandards und Demokratisierung zu reden", sondern "frei von idealistischen Phrasen" über "Altruismus und Weltbeglückung" mit "eindeutigen Machtkonzeptionen arbeiten" müssen - wobei die idealistischen Phrasen für den öffentlichen Diskurs natürlich schön, ja, sogar unerläßlich sind. Ein Dreifrontenangriff bedroht die Demokratie Wolfgang Hingst in "Regieren gegen den Bürger?" (Club of Vienna, 2004) "Globalisierung und Demokratie" (auszugsweise zitiert, Hervorhebungen von DB) "Demokratie erliegt, wenn wir nicht gegensteuern, einem Dreifrontenangriff: nämlich des international organisierten Kapitals unter der Flagge des Neoliberalismus, der zentralisierten Bürokratie à la Brüssel und der Nomenklatura der Parteien, die sich selbst wählt und die Basis ignoriert. Im Grunde sind auch Zentralbürokratie und Parteienoligarchie Folgen des Neoliberalismus." 1. Bedrohung der Demokratie durch das international organisierte Kapital Das international operierende Kapital hält sich an keine Grenzen, transferiert seine Gewinne am Fiskus vorbei in Steueroasen, beherrscht die Politik. Der Neoliberalismus hat eine "faktische Weltregierung" installiert, welche im Rahmen des US-Imperialismus die Interessen der Transnationalen Konzerne, Banken und Investmentfirmen vertritt. --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 4 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Nach außenpolitischen Geheimplänen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Welt, so der Politikwissenschafter Noam Chomsky, nach der Pfeife der USA aufgeteilt. Präsident Theodore Roosevelt habe die Monroe-Doktrin (sie besagt im Kern, daß Europa in Amerika keine Kolonien besitzen dürfe und daß sich die USA in innere Angelegenheiten nicht einmischen werden) im Sinne einer "internationalen Polizeifunktion der USA in der westlichen Hemisphäre" uminterpretiert, was eine neue Wirtschafts-Weltordnung nach sich zog. Und die sieht so aus: Das Kapital kauft sich Parteien, die angeblichen Säulen unserer Demokratie, macht sie gefügig und erpreßbar. Korruptionsskandale ohne Ende beweisen es täglich aufs neue. Politik wird mehr und mehr zur Handlangerin der Global Player degradiert, der multinationalen Großkonzerne. Die "neue Welt AG" hat sich zur Weltherrschaft gemeldet: Nicht Kanzler und Könige, sondern Wirtschaftskapitäne drehen das Rad der Geschichte. Neue Transmissionsriemen für diese Prozesse wurden schon im Gefolge des Zweiten Weltkriegs installiert: die von den USA dominierten Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds, die Welthandelsorganisation WTO (früher GATT), zuletzt GATS und MAI, die allen Staaten, vor allem auch den verschuldeten Entwicklungsländern die Politik der transnationalen Konzerne aufzwingen: Totale Öffnung der Märkte, Privatisierung, Abhängigkeit vom Dollar. Unter dem Beifall ganzer Heerscharen von neoliberalen Publizisten und Professoren … wurde (1971, 1973) das Bretton Woods-System (siehe Abschnitt: "Freie Marktwirtschaft", Kapitel Der globale Finanzmarkt) total für den Neoliberalismus instrumentiert. Die Transnationalen Konzerne, Banken unt Investmentfonds, die Spekulanten hatten freie Bahn. Die Grundlage für die heutige Katastrophe - totale Verarmung und Verelendung der Entwicklungsländer - und ihre eigene Entmachtung legten vernebelte und kurzsichtige Staatschefs: "Was an den Finanzmärkten geschieht ... wurde von den Regierungen der großen Industrieländer selbst heraufbeschworen. Im Namen der ökonomischen Heilslehre vom freien, grenzenlosen Markt haben sie seit Beginn der siebziger Jahre systematisch alle Schranken niedergerissen, die ehedem den grenzüberschreitenden Geld- und Kapitalverkehr regierbar und damit beherrschbar machten. Nun beklagen sie wie ratlose Zauberlehrlinge, daß sie der Geister nicht mehr Herr werden, die sie und ihre Vorgänger herbeiriefen." (Martin, Schumann in "Die Globalisierungsfalle", 1996) Fragt sich nur, wer die Regierungen zu dieser kollektiven Wahnsinnstat getrieben hat. Da wurde schon kräftig nachgeholfen. Wie, das werden die Geheimarchive erst in ferner Zukunft (wenn überhaupt) preisgeben. Auf der Grundlage von GATS (General Agreement on Trade in Services) dem Dienstleistungsabkommen der WTO, werden alle Länder zur Privatisierung des gesamten Dienstleistungssektors einschließlich Bildung, Gesundheit, Kranken- und Pensionsversicherung, Energieversorgung, Tourismus, Transport, Umweltschutzeinrichtungen, Abwasserentsorgung und auch der Trinkwasserversorgung aufgefordert. Wieder ist ein gravierender Zusammenhang zwischen Neoliberalismus --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 5 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis und internationaler Rechtssetzung zu beobachten: WTO-Recht steht über EURecht - und beide über nationalem Recht. Was Privatisierung von Grundversorgung heißt, konnte die Welt in der Nacht vom 14. zum 15. August 2003 bestaunen, als es in halb Nordamerika zu einem katastrophalen Totalstromausfall kam. Nachdem Präsident Bush einen Blitzschlag als Ursache nannte, kam die Wahrheit schnell ans Licht: Die Stromversorgung ist total privatisiert. Es wird kaum investiert. Das Stromnetz ist auf dem Stand eines Dritteweltlandes. Und MAI hat nichts mit Frühling zu tun, sondern ist das Mulitlaterale Abkommen über Investitionen (Multilateral Agreement on Investment), mit dem die "Global Players" versuchen, sämtliche politischen und juristischen Beschränkungen abzubauen, die ihren Expansions- und Plünderungsfeldzügen noch im Wege stehen. Sollte es zustande kommen, würden wir alle endgültig Sklaven der Macht des Kapitals werden. In seinem Buch "Die Barbaren kommen" macht Jean Ziegler, er lehrt an seiner Stammuniversität Genf und an der Sorbonne Soziologie, auf eine weitere tödliche Gefahr für die Zukunft unserer Demokratien aufmerksam: "Das organisierte Verbrechen ist verschärfter Kapitalismus". (Ziegler 1998) Die Wertfreiheit der organisierten Kriminalität sei drauf und dran sich mit der Wertfreiheit des DschungelKapitalismus zu verbünden, sagte Ziegler schon 1995: "Wir stehen knapp vor einer Symbiose zwischen kriminellem und sogenanntem legalen Kapital." (Hingst 1998) Heute ist diese Fusion - nicht zuletzt der 11. September hat das gezeigt - bereits vollzogen. "Freie Marktwirtschaft" und Mafia scheinen eine gemeinsame Basis zu haben - die "Wertfreiheit des Kapitalismus". Schlimmer noch: "Die Mafia braucht die Demokratie. Ohne Demokratie kann sie nicht existieren. Sie braucht Freiheit ohne Regeln." Das sagte kürzlich kein Geringerer als Leoluca Orlando, Bürgermeister von Palermo, in einer Talkshow des deutschen Fernsehens (3sat, Biolek, 24. August 2003) auf die Frage, warum er vor der Morddrohung der Mafia ausgerechnet nach Moskau geflohen sei. Man muß sich auch folgendes vor Augen halten: Die Transnationalen Konzerne beschäftigen nach Daten aus dem Jahr 2000 rund 80 Millionen Arbeitkräfte. Mit ihnen waren weitere 250.000 Unternehmen verbunden bzw. von ihnen abhängig, für die 200 Millionen Menschen arbeiten. Es versteht sich von selbst, daß damit eine gewaltige Verschiebung der Machtverhältnisse von der Politik zur Wirtschaft verbunden ist. Für das entstandene Machtvakuum zwischen Wirtschaft und Politik existieren noch keine adäquaten politischen Instanzen zur Kontrolle der multinationalen Aktivitäten der Unternehmen. Die Transnationalen Konzerne haben die Nationalstaaten entmachtet und unterdrückt. Der entfesselte Kasino-Kapitalismus entbehrt jeglicher Legitimation, da er die Erwerbsarbeit abschafft und das soziale Netz der Industriestaaten unterminiert, indem er keine Steuern mehr bezahlt und die Gewinne einstreift. Dadurch entzieht er gleichzeitig der Demokratie ihre Grundlage. --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 6 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis 2. Bedrohung der Demokratie durch die zentralisierte Bürokratie Neben der Globalisierung sind staatsübergreifende Strukturen à la EU die zweite große Bedrohung der Demokratie. Für das Verständnis der Zusammenhänge ist es hilfreich zu wissen, daß die "europäische Integration" eine Kreation der USA im Gefolge des Zweiten Weltkriegs ist. Diese Erkenntnis danken wir vor allem der Habilitationsschrift der deutschen Historikerin Beate Neuss. (Neuss, 2000) Warum waren die USA an der Etablierung eines europäischen Zusammenschlusses nach 1945 so interessiert? Die Antwort ist nicht sonderlich erstaunlich. Sie wollten den • • • Aufbau eines europäischen Blocks gegen die Sowjetunion. Die Eingliederung des wieder aufstrebenden Deutschland in diesen Block, mit dem Hintergedanken, daß Deutschland nie wieder so dominant werden dürfe wie vor dem Krieg. Und drittens wollten die USA einen riesigen Absatzmarkt erschließen und durch Direktinvestitionen absichern. Grundidee der amerkianischen Regierungen war die Schwächung der europäischen Staaten durch Souveränitätsverlust. Die eingesetzten Mittel lassen sich unter Erpressung, Manipulation, massiven Lobbyismus und Geheimdiplomatie einordnen: Die US-Finanzhilfe nach dem sogenannten Marshal-Plan wurde an die Europäische Integration geknüpft. Durch Montanunion, Euratom, EWG und NatoBeitritt wurde die europäische Integration Schritt für Schritt umgesetzt - von Amerika aus gesteuert. Als könne man die Weltprobleme damit lösen, allen Staaten ausgenommen die USA - die Souveränität zu entziehen. EU plus Nato sind bis heute der verlängerte Arm der USA. Diese Politik reicht bis zu den Kriegen im Irak, am Balkan und in Afghanistan. Der Nato-Beitritt der osteuropäischen Länder war die Eintrittskarte für ihren EU-Beitritt. Deshalb ist der Druck für die Osterweiterung der EU so enorm. (Anm. DB: Analoge Überlegungen gelten auch für den EU-Beitritt der Türkei.) Die Rechnung der USA ist voll aufgegangen. Heute werden in der EU 80% der Gesetze in Brüssel beschlossen, wobei dem EU-Parlament nur eine beratende Funktion für Kommission und Ministerrat zukommt. Die Abgeordneten haben nicht das Recht, eine Gesetzesinitiative zu starten, denn das Initiativrecht liegt ausschließlich bei der Kommission. Die relativ unverbindlichen Änderungswünsche des Europaparlaments werden zwar ab und zu berücksichtigt, aber das ist Gnadenpolitik, ein Feigenblatt für huldvolles absolutistisches Gehabe. Schlimmer noch: Die "Konventionisten" in Brüssel planen einen europäischen Bundesstaat. Das bedeutet letztlich die Auflösung der Volksvertretungen der Einzelstaaten und die Zementierung der Scheindemokratie in Brüssel. (Anm. DB: Mit dem Inkrafttreten des "Reformvertrags" von Lissabon am 1. Dezember 2009 ist ein wesentlichen Schritt in diese Richtung gelungen.) --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 7 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Die EU ist nicht reformierbar. Denn wollte man nun dem EU-Parlament das Initiativrecht und die Legislative übertragen, dann käme es zu einer weiteren gravierenden Entmündigung der einzelnen Mitgliedsstaaten und einem totalen Souveränitätsverlust. Man könnte dann die Parlamente schließen, die Abgeordneten nach Hause schicken. Der Staat kann durch den Verlust von Autonomie seine Bürger nicht mehr schützen vor grenzüberschreitenden Umweltbelastungen (z.B. AtomKatastrophen), organisiertem Verbrechen, Waffenhandel, Epidemien und Sozialabbau. Die dem Bürger jahrzehntlang eingetrichterte Sparmentalität führt nun dazu, daß neoliberale Finanzminister und ihre Klüngel in einem Teil der Bevölkerung Verständnis dafür finden, daß der Staat schlanker werden muß, um das Haushaltsdefizit zu drücken, und daß es demnach weniger Geld für Pensionen, höheres Pensionsalter bei steigender Arbeitslosigkeit und Erhöhung der Militärausgaben, verringerte Sozialausgaben des Staates und höhere Gesundheitsausgaben für den Bürger (z.B. in Deutschland Mitte 2003 von allen Bundestagsfraktionen beschlossen) geben müsse. Besser kann man das Regieren gegen die Interessen der Bürger durch alle Parteien nicht demonstrieren. Um das Maß voll zu machen, wird noch das Argument ins Treffen geführt, das diene künftigen Generationen. Die Wahrheit ist - und das spüren die Bürger, ohne es freilich artikulieren zu können - daß dies alles nur eine Folge der Politik des globalisierten Kapitals ist. 3. Bedrohung der Demokratie durch die Nomenklatura der Parteien Die dritte Bedrohung der Demokratie kommt ausgerechnet aus den Reihen, die sie am meisten verteidigen sollten: von den politischen Parteien, die sich als Träger des Parlamentarismus sehen. Hans Herbert von Arnim, Professor für Öffentliches Recht und Verfassung an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat in einem äußerst interessanten Artikel über Demokratiepolitik anläßlich der deutschen Bundestagswahl 2002 folgendes Resumée gezogen: "Die Parteien und ihre Kandidaten werden einander immer ähnlicher, die Wähler immer ratloser, und die Versuchung, überhaupt nicht mehr zur Wahl zu gehen, wird immer größer. Politik und Politiker tun zu wenig und zuviel, nur jeweils an der falschen Stelle: Sie verschleppen die nötigen Reformen und bauen gleichzeitig ihre eigene Stellung immer weiter aus. Statt die Porbleme der Menschen zu lösen, machen sie sich den Staat zur Beute (Richard von Weizsäcker). Sie entmündigen die Bürger und begeben sich gleichzeitig in die Abhängigkeit potenter Interessensgruppen. Statt Politik zu machen, lassen sie sich auf deren bloße Inszenierung ein. Das So-Tunals-ob-Prinzip feiert Triumphe." Der politische Bankrott ist nicht nur bei den Parteien, er ist auch bei anderen einst staatstragenden Institutionen zu konstatieren. Die Gefahr für die Demokratie ist nicht --------------------------------------------------------------------------8 DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB Politik, Demokratie und Demokratieverständnis zu übersehen. In der Hamburger "Zeit" formulierte der deutsche Sozialwissenschaftler Ulrich Beck, der jetzt in London lehrt: "Auch im Westen droht der DDR-Effekt. Die staatstragenden Säulen erodieren: Parteien, Gewerkschaften, Kirchen. Die Bindekraft für ihre Anhänger schwindet ebenso wie ihre Definitionsmacht für die politische Agenda." (Hingst,2003) Die EU wiederum fördert genau das Gegenteil von einem "Europa der Bürger". Da die EU ein im Prinzip nichtdemokratisch konstituiertes Bürokratengebilde ist, fehlt logischerweise auch jeder Ansatz zur direkten Demokratie. Dieser wird zusätzlich von den Regierungen in den meisten Mitgliedsstaaten torpediert. Auch da hat sich Österreich besonders hervorgetan. Vor allem deshalb, weil Volksbegehren so gut wie nie zu ernsten Konsequenzen in der Politik führen. Direkte Demokratie, sagt von Arnim in seinem wichtigen Buch "Vom Schein der Demokratie", ist die Ausführung der Staatsgewalt unmittelbar durch das Volk. Und: "Zu den direktdemokratischen Elementen gehören jedenfalls alle Formen der unmittelbaren Sachentscheidungen durch das Volk, sei es auf Länder- oder Kommunalebene, sei es auf der Ebene des Bundes oder der Europäischen Union, wo es an entsprechenden Einrichtungen vorerst noch fehlt." (von Arnim, 2002) Den österreichischen Regierungen fehlt jedes Verständnis für das, was Karl Albrecht Schachtschneider, Professor für Öffentliches Recht an der Universität ErlangenNürnberg, in seiner grundsätzlichen Analyse "Demokratie versus Kapitalismus" so formuliert hat: "Die Gesetze können nur gerecht sein, das heißt, dem Recht gemäß sein, wenn sie freiheitlich sind. Freiheitlich sind sie nur, wenn sie demokratisch sind. ... Die Repräsentanten des Volkes dürfen sich nicht zu Herren des Volkes aufschwingen, wie typisch die plurale Parteienoligarchie. Der Parteienstaat ist nicht demokratisch im freiheitlichen Sinn. Er ist die Verfallserscheinung der Republik. Die internationalistische plurale Parteienoligarchie entwickelt zunehmend diktatorischen Charakter. Deren durch die Medien gestützte Macht wird derzeit von den industriellen Oligarchien für deren kapitalistische Interessen ausgenützt. Weil die Gesetze nur als Wille des Volkes verbindlich sind, hat die unmittelbare direkte Demokratie höhere Legitimation als die mittelbare repräsentative Demokratie." (Schachtschneider, 2002) Wo der Souverän, das Volk, anwesend ist, haben sich die von den Parteien entsandten Repräsentanten des Volkes zurückzuziehen, so Schachtschneider. Was aber tun, wenn der Souverän kaum je anwesend ist, weil z.B. nicht einmal bei umwälzenden Eingriffen ins Pensionsrecht eine Volksabstimmung zugelassen wird? Die Parteienoligarchie verhindert, daß der Souverän aktiv werden kann. Das ist der Grund, warum Robert Leicht in der Hamburger "Zeit" unter dem Titel "Wir sind das Volk" schrieb, mehr noch als die Parteienskandale "stinke" den Bürgern der --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 9 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Parteienstaat. Dadurch wird die Gefahr von totalitären Staatsgebilden, von Diktatur heraufbeschworen. Diese Entwicklung müssen wir unter allen Umständen stoppen. (Zitat Ende) Die Demokratie und das "Wirkungsgefüge des Lebens" Die Demokratie ist die Staatsform, die der Ordnung der Natur am nächsten kommt. Der Evolutionsbiologe Rupert Riedl analysiert dies in "Kein Ende der Genesis Wir und unsere Staaten" (Czernin, 2004) und unterbreitet Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung (auszugsweise zitiert, Hervorhebungen z.T. von DB). Die unter vielen Mühen geschaffene parlamentarische Demokratie scheint uns heute die geeignete Staatsform zu sein, weil sie noch am ehesten jeden Bürger und diesen sogar mit Teilen seiner Interessen und Ansichten wahrnimmt. Aber die Interessen des "kleinen Mannes", von Gesetzgeber und Exekutive liegen weit auseinander. Wir haben es nicht leicht, uns zu verständigen. Mit Blick auf Recht und Besitz traten schon früh interessante Fragen auf. Die amerikanische Demokratie wurde auf der Basis der Prinzipien gegründet, daß alle Menschen das Recht auf Leben, Freiheit und Streben nach selbstdefiniertem Lebensglück hätten. Nun stand es mit der Freiheit der Afro-Amerikaner und dem Streben nach selbstdefiniertem Lebensglück der Indiander durchaus nicht so, wie es den selbstgesetzten Prinzipien entsprechen sollte. Das ist ein Beispiel dafür, wie sehr einmal etablierte Systeme sich der raschen Neugestaltung entlang vernünftiger Prinzipien entziehen. Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte nahm wenig später zu diesem Zweck gleich auch noch das Recht auf Besitz in den Grundrechtskatalog auf. Freilich setzte auch in diesem Fall das herrschende System einem vernünftigen Prinzip Grenzen und schuf Glaubwürdigkeitsprobleme. Der Schutz des Eigentums wird umso mehr privilegiert, je größer der verfügbare Besitz ist, während die Besitzlosen leer ausgehen. Die Lage wird dann besonders brisant, wenn zudem ein demokratisches System eingerichtet werden soll und die Stimme des Besitzlosen ebenso viel zählt wie die des Besitzenden, sodaß sich für die Besitzenden die Frage stellt, ob und wieviel Demokratie sich mit ihren eigenen Interessen vernünftigerweise verbinden läßt. In den sich bildenden USA war das ein genauso wichtiges Thema wie Jahrzehnte später in den europäischen Staaten, als diese schrittweise das Wahlrecht einführten und ausweiteten. Die amerikanische Demokratie wurde, so erinnert uns Chomsky, auf der Basis jenes Prinzips gegründet, das James Madison in der verfassungsgebenden Versammlung von 1787 erläuterte, und das besagt, daß die Hauptfunktion der Regierung darin bestehe, die Minderheit der Begüterten vor der Mehrheit zu schützen. --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 10 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Madison warnte England, die Bevölkerung werde eine Agrarreform und den Übergang zu einem eines Tages rein demokratischen System (und andere schreckliche Dinge) durchsetzen, falls man anfange, ihr (zu viel) Mitspracherecht einzuräumen. Mehr als nur Reste der geschilderten Argumentationsweise sind in unseren heutigen Demokratien vorhanden. Zu ihnen gehört das immer schon der Einführung von Demokratien entgegengestellte Argument, daß Stimmen nicht zu zählen, sondern besser zu wägen wären, wenn Demokratie nicht zu einer Diktatur der Dummen verkommen sollte. Es gibt aber kein vertretbares System des Abwägens. Früher populäre Lösungen wie jene, wenigstens den Frauen kein Wahlrecht einzuräumen, weil ihr Horizont den des Haushalts nicht überschreite, oder den Hochschulprofessoren von Oxford und Cambridge jeweils zwei Stimmen zu geben, weil sie den um so viel besseren Durchblick als die übrigen Wähler hätten, erscheinen uns heute mit Recht als eine Mischung von Skurilität und heuchlerischer Interessenspolitik. Da war das im 19. Jahrhundert in Europa vielfach übliche Zensuswahlrecht schon ehrlicher: Der Staat wurde aufgefaßt wie eine Aktiengesellschaft. Wer große Anteile an ihr hatte, nämlich viele Steuern bezahlte, weil sein Besitz groß war, dessen Stimme hatte mehr Gewicht als die der weniger Besitzenden oder gar der Besitzlosen, die oft über gar kein Stimmrecht verfügten. Vielleicht tun wir gut daran, die Kernidee dieser Sichtweise in einem freilich ganz anderen Zusammenhang wieder aufzugreifen. Die Frage lautet doch: Wer hätte wohl ein größeres Interesse daran, Wirtschaft und Gesellschaft, Recht und Staat so auszugestalten, daß sie sich nachhaltig bewähren? Jene, die Kinder haben und somit sehr tief anzusetzende Anreize, ihren Fürsorgehorizont weit in die Zukunft auszudehnen, oder jene, mit deren Ableben - aufgrund von Kinderlosigkeit - die Abstammungslinie endet? Es ist die Vermutung nicht leicht von der Hand zu weisen, daß Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit für die Erstgenannten im Durchschnitt einen größeren persönlichen Stellenwert haben werden, als für die Letzteren. Einen Weg weist uns durchaus das Demokratieprinzip. Warum eigentlich sollen Menschen, bevor sie selbst das aktive Wahlrecht erlangt haben, bei Wahlen - der Grundlage von Demokratie - überhaupt kein Gewicht haben? Müssen die Zukunftsinteressen von Kindern und Heranwachsenden wirklich gänzlich ohne jene Hebelwirkung bleiben, die stimmberechtigte Erwachsene sehr wohl besitzen? Wäre es dann nicht erwägenswert, auch Kindern grundsätzlich das Stimmrecht zu verleihen, das aber bis zum Erreichen des aktiven Wahlrechts treuhänderisch ihre Eltern oder Erziehungsberechtigte auszuüben hätten? Da wir doch auch kein Problem darin sehen, Eltern nach bestem persönlichen Wissen und Gewissen über die ersten Schritte ihrer Kinder auf dem Bildungsweg und --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 11 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis somit über deren Lebenschancen bestimmen zu lassen, sollte es noch weniger problematisch sein, wenn die vermutlichen gesellschaftlichen Gestaltungsinteressen der Kinder treuhänderisch von ihren Eltern wahrgenommen werden. Die Stimmenpakete, die auf diese Weise zusätzlich auf den politischen Markt kämen, wären zweifellos geeignet, bei den Wahlergebnissen und der Zuteilung parlamentarisch-politischer Macht einen wichtigen Unterschied zu bewirken. Es käme zu einer Unterscheidung zwischen jenen, die mit Positionen nachhaltiger Generationengerechtigkeit überzeugen können und denen, die solche politischen Gestaltungsaufgaben ignorieren. Sicher wären auf dem Weg zur Einführung eines solchen treuhänderisch wahrgenommenen Kinderstimmrechtes auch schwierige rechtsdogmatische und rechtstechnische Probleme zu lösen, doch daß überzeugende Lösungen bei angemessener Anstrengung wirklich gefunden werden können, ist ziemlich wahrscheinlich. Wo Demokratie als "Identität von Regierenden und Regierten" nicht zu verwirklichen ist, also in allen Gesellschaften mit mehr als einigen tausenden Bürgern, scheint das oligarchische System unvermeidlich zu sein. Schließlich verspricht Demokratie auch nicht mehr als eine Herrschaftsordnung, die so eingerichtet ist, daß die Regierenden nicht allzu weit beziehungsweise nicht allzu lange von dem abweichen können, was die Regierten zu akzeptieren bereit sind. Das wirkungsvollste Mittel, das die Regierenden unentrinnbar an die Leine der Regierten legt, sind freie Wahlen. Ergänzend wirken Volksbegehren und Volksabstimmungen, der Druck der öffentlichen Meinung und das Auf und Ab demoskopischer Befunde wirken darauf ein, daß unsere demokratischen Wechsel-Oligarchien nicht ignorieren können, für wen sie arbeiten. Im Übrigen funktioniert dieses Gefüge nur, falls es alternative Personal- und Politikangebote gibt, unter denen der Bürger auswählen kann. Ohne solche Konkurrenz bleiben von den demokratischen Wechsel-Oligarchien nur das Oligarchische und das Kennen der handelnden Personen. Das ist die zweite Schwachstelle. Wo Parteien allzu sehr die Harmonie untereinander pflegen und gar noch alle gesellschaftlichen Gruppen "konkordanzdemokratisch" einbinden wollen, dort fehlt genau das, was das unvermeidbar Oligarchische von Massendemokratien erträglich macht. Freilich ist es gar nicht so selten der Bürger selbst, der Parteienstreit nicht mag und verlangt, es sollten sich doch alle an einen Tisch setzen und lieber zu gemeinsamen Lösungen kommen, anstatt den Bürger mit von ihm zu entscheidenden, aber unübersichtlichen Alternativen zu behelligen. In Umrissen zeigt sich hier bereits die dritte Schwachstelle unserer demokratischen Wechsel-Oligarchien: Es ist der Bürger selbst, den die langfristigen Konsequenzen seiner heutigen Vorteile oft nicht scheren und der - allen Lippenbekenntnissen zum Trotz --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 12 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis durch sein Wahlverhalten den Politikern lieber die Garantie des Besessenen als die Vorsorge für das Gefährdete abzwingt. Im Übrigen kommt natürlich auch im Rahmen demokratischer Verfassungsstaaten vielerlei zur Wirkung, was wir schon von der Diskrepanz zwischen menschlicher Ausstattung und Anonymität der Massenzivilisation kennen. Fünf Merkmale sollen im Folgenden aufgezählt werden: Verantwortlichkeit: Masse sozialisiert nicht (siehe Abschnitt: Evolution Kapitel: Massengesellschaft) Verantworungsumfang und Verantwortungsbewußtsein (siehe Abschnitt: Evolution Kapitel: Die Folgen der Massenanonymität) Die Diskrepanz zwischen Rang und Risiko (siehe Abschnitt: Evolution Kapitel: Die Folgen der Massenanonymität) Selbstschutz der Institutionen, (die) sofort ihren heeren Absichten abschwören, wenn ihre Existenz in Gefahr gerät, weil sie ansonsten diesen heeren Aufgaben nicht mehr nachkommen können. Und die Lenkung unserer Regierungen durch internationale Wirtschaft, die Kapitalflüsse und die daraus folgenden Zwangsabkommen. Ein neuer Gesellschaftsvertrag scheint möglich. Rupert Riedl in "Regieren gegen den Bürger?" (Club of Vienna, 2004), "Einführung" (auszugsweise zitiert, Hervorhebungen z.T. von DB) Wo ist anzusetzen? Generell in Verhandlungen zwischen uns Bürgern und unseren Staaten. Und zwar deshalb, weil in dieser Spanne die greifbarsten unserer Adaptierungsmängel aufscheinen (siehe Abschnitt Evolution Kapitel Die komplexen Strukturen der Natur). Die meisten Plagen entspringen offenbar übernationalen Verflechtungen, welche die Regenten der Staaten gar nicht erfunden, sondern zu übernehmen hatten. Die gewisse Humanität, die mancherorts schon von der Diktatur über Feudalsystem und Republik immerhin zu parlamentarischer Demokratie geführt hat, liegt übernational noch lang im Argen. Es standen aber auch erst Jahrzehnte und nicht Jahrhunderte für Verhandlungen zur Verfügung. Ein neuer Gesellschaftsvertrag scheint bei einiger Bildung und in parlamentarischen Demokratien wieder möglich. Viele sehen eine Hoffnung, jene WechselOligarchien, in welchen wir uns im Grunde befinden, in Richtung auf eine direkte Demokratie zu humanisieren. Die Anonymität die hier herrscht, tut niemandem gut. Man muß sich fragen, was in den Neoliberalismus getrieben hat, und wieviel an Freiheit wem zugestanden werden darf; denn es ist offensichtlich, daß er in der Form des Turbo-Kapitalismus Blüten treibt, die allen Wachstums--------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 13 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis grenzen der Natur widersprechen, unsere Regierungen abhängig macht, die Demokratie gefährdet, die Bürger bevormundet und letztlich uns allen schadet. Weiters ist zu fragen, was wir eigentlich unter Lebensqualität verstehen und wie die Welt aussehen sollte, die wir uns als der legitimierte Souverän wünschten. Sind wir im Trubel von Werbung, raffinierter PR, Medien und allen anderen Verführungen und Indoktrinationen nicht schon blind geworden? Auch hören wir viel von Bomben-Terror und haben vom Wirtschafts-Terror nur ungenügende Vorstellung. Das ist deshalb von Interesse, weil es sein kann, daß letzterer der Auslöser des ersteren ist und es besser sein muß, dieser Plage durch Verstehen als durch Krieg zu begegnen. Hierher gehört auch die Frage, wer legitimiert sei Patrioten von Terroristen zu unterscheiden, zumal die Zugehörigkeit zu diesen Kategorien regelmäßig ein und derselben Person zugedacht wird. Nochmals Plagen, die generationenlang wüten und bis in den Völkermord treiben können. Und was lehrt der Imperialismus? Hat der Widerstand gegen das alte Rom nicht gerade das verbreitet, was nicht beabsichtigt war: eine höhere Moral, das Christentum? Und was wird der Widerstand gegen Washington nun über die Welt verbreiten? Geht es nicht bei allen NGOs (Non-GovernmentalOrganisations), von den Wal- und Waldschützern bis zu den Kernkraft- und Globalisierungs-Gegnern wieder um eine höhere Moral; und worum geht es im Islam? Zweifellos handelt es sich um Zustände, die viele unserer Bürger plagen; und, klären wir das nicht auf, bald alle plagen werden. Und Rupert Riedl in "Kein Ende der Genesis - Wir und unsere Staaten" (Czernin, 2004), "Resümee" (auszugsweise zitiert, Hervorhebungen z.T. von DB) Im Ganzen liegt eine Anregung vor, die Genesis fortzusetzen. Es geht darum, den Gesellschaftsvertrag, wie man ihn in der Aufklärung dachte, durch einen der Abklärung zu übersteigen. (siehe unten: Von der Aufklärung zur Abklärung) Ich erinnere nochmals an die ungeheuren Mühen und Leiden, die uns die Genesis verordnete, um von Raubaffen zu Frühmenschen zu werden. Wir gelangten von rabiaten Trupps zur Organisation von Diktaturen mit Sklavenhaltung, zu Feudalsystemen mit Leibeigenen und zum Diktat von Glaubenslehren, zu Republiken und Nationalstaaten mit Kolonien und über die Formen von Demokratien zur parlamentarischen Demokratie, zu den Versuchen überstaatlicher Ordnungen und zu wachsenden Verbänden für Natur- und Menschenschutz. Immerhin! Und nun sollten wir kurz vor fast erreichter Menschlichkeit aufgeben? Sollten wir uns aufgrund der Konkurrenz der Nationalstaaten dem Faustrecht der Hegemonialmächte, des Kapitals und des Neokolonialismus unterwerfen? --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 14 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis All dem setze ich entgegen: Das Völkerrecht und die Menschenrechte sind allein aus Gesetzen unserer menschlichen Ausstattung von uns Menschen verläßlich zu begründen - Ihre Durchsetzung ist zu verlangen. Von der Aufklärung zur Abklärung Rupert Riedl in "Regieren gegen den Bürger?" (Club of Vienna, 2004), "Einführung" (Hervorhebungen von z.T. von DB) Es ist berührend, welche Hoffnung CONDORCET in die Befreiung der Vernunft und ROUSSEAU in einen neuen Sozialvertrag setzten. Zweifellos haben sie dem Menschen Freiheiten gebracht und zum Wandel von Feudalsystemen zu Republiken beigetragen. Das aber liegt über zwei Jahrhunderte zurück und jene Befreiung hat auch das Eingreifen in die Welt legitimiert, die Entstehung von Industire, Kapital, Proletariat und Spekulation nach sich gezogen; das Umweltproblem und neue Probleme unserer Gesellschaft. Zweifellos: in dieser Befreiung haben wir begonnen, uns zu übernehmen. Wir sind zu viele und zu tüchtig geworden. Natürlich haben wir stets in die Welt eingegriffen, gejagt, gerodet, gepflanzt, reguliert. Es bleibt ein Naturgesetz, daß wir uns nur von der Degradierung organischer Ordnung erhalten können. Was von unserem Frühstücksei, einem geplanten Kücken, übrigbleibt, ist nur mehr sehr niederen Organismen, Bakterien und einzelligen Pilzen, zu Nutzen. Und zuletzt muß der restliche Mist aus dem Abbau von Ordnung, in Form von Wärme, in der nächtlichen Abstrahlung in die Weltraumkälte abgeführt werden. Dem ist nicht zu entkommen. Mit uns wäre die Biosphäre noch lange zurecht gekommen bis die technische Revolution und das Verheizen fossiler Energie uns eben zu tüchtig und zu anspruchsvoll werden ließ. Großindustrien, Massenverkehr, Atommüll und Tankerunfälle verträgt sie nicht mehr. Die Machbarkeits-Ideologie der Aufklärung ist durch eine Abklärung zu regulieren. Wir müssen unsere Grenzen kennen lernen. Mag das auch noch trivial sein. Weniger trivial ist schon die Frage, wie das geschehen soll. Noch immer ist Possessivität, Rangstreben und Bequemlichkeit ein Antrieb, der Nachbar Maß der Ansprüche, die überstiegen werden sollen, noch immer ist wachsender Besitz und Macht die vermeintliche Größe für mehr Sicherheit, und zwar zwischen Nachbarn, zwischen Gemeinden, wie zwischen Staaten. Bildung und das Freimachen der uns mitgegebenen Vernunft scheinen die einzigen Lösungen zu sein. Beides sind die verläßlichsten Regulative gegen das Wuchern gesellschaftlicher Auswüchse. Ist das als Vorschlag zu dünn? Freilich ist es das, aber eine Hoffnung. --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 15 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Und wenn weltweite Vernunft nicht erreichbar sein wird, "Vernunft durch Autonomie" könnte helfen. Man muß die Ansprüche aus unserer Ausstattung früh unterrichten, die Hoffnungen die sie gibt, ihre Mängel und Pervertierungen durch unsere anonyme Zivilisation. Denn wenn es in der Aufklärung noch unsicher war, Menschenrechte und das Völkerrecht aus den Vorgaben des Schöpfers zu begründen, aus der Kenntnis unserer Ausstattung muß man es! Politische Institutionen: Zusammenfassende Stellungnahme Diese Zusammenfassung gilt für den gesamten Bereich Politik, bestehend aus den Abschnitten Politik und Demokratie, Politische Parteien, Internationale Institutionen und Werbung / Propaganda. Rupert Riedl: "Der Einzelne muß zum Angelpunkt des gesamten Systems gemacht werden: Es gibt das Individuum nicht des Staates willen, sondern den Staat des Einzelnen wegen. Folglich muß ein nachhaltig bestandskräftiges Gemeinwesen aufgebaut werden, daß dem Einzelnen seine Rechte auf Leben, Freiheit und Streben nach persönlich definiertem Lebensglück gesichert werden kann. Der Staat muß selbst wählbare Sozialbeziehungen, nicht zu knappen Lebensraum und individuelles Eigentum sichern, darüberhinaus dem Einzelnen Freiheit und ein Streben nach persönlich definiertem Lebensglück gewähren. Worauf es ankommt ist, daß es ausschließlich um die Bürger gehen kann. Alle sich drüber türmenden Institutionen, ob Industrie, Wirtschaft, Bank oder politische Fraktion, sind als selbstgemachte Dienstleistungsunternehmen aufzufassen." Die vier oben genannten BereicheBereiche Politik und Demokratie, Politische Parteien, Internationale Institutionen und Werbung/Propaganda sind dabei sozusagen "übergeordnete Dienstleistungsbereiche", die die Rahmenbedingungen für alle anderen Lebensbereiche zu schaffen haben. Das heißt, daß konkrete Maßnahmen zwar durch Beschlüsse, Gesetze, internationale Vereinbarungen, Propaganda usw. der Politischen Institutionen beeinflußt oder ausgelöst,aber in den anderen, den "materiellen" Lebensbereichen, praktisch realisiert werden. Für diese vier "politischen" Themenbereiche gelten daher alle zusammenfassenden Stellungnahmen der anderen Bereiche, die ja im wesentlichen ihre Begründung in den Rahmenbedingungen haben, die durch die nationale und internationale Politik bereitgestellt (verursacht) werden. Eine gesonderte Analyse der Probleme anhand unserer Vergleichswerte müßte eine Wiederholung sein und wäre deshalb hier nicht sinnvoll. Die gesamten Texte und Zitate der vier Bereiche sind als zusammenfassende kritische Stellungnahme und Darstellung von (meist ohnehin bereits bekannten) --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 16 Politik, Demokratie und Demokratieverständnis Lösungsmöglichkeiten zu verstehen. Ergänzend zum Zitat der ersten drei Absätze dieses Kapitels wiederholen wir noch je ein Zitat aus jedem der vier Themen: Rupert Riedl: "Es steht menschliche Vernunft gegen Raubbau und zwar bürgerliche Vernunft, eine uns gegebene Überlebenshilfe für die Art Homo sapiens. Der Raubbau dagegen ist jener an unserer Natur, an unserer Gesundheit, Sicherheit und an unserer Moral. Dies ist die Weltsicht des Kapitalismus und dessen Machbarkeits-Ideologie. Alle Bremsen. die man anzulegen versucht, um den Emissionen, dem Verkehr, dem RessourcenVerbrauch, dem Verbauen der Natur Grenzen zu setzen, stehen weiterhin unter dem Druck der Gewinn-Maximierung." Noam Chomsky: "Die Wirtschaft ist daran interessiert, daß die Medien durch Privatbesitz kontrolliert werden. Außerdem versucht sie "jahrhundertealte Gewohnheiten zu annulieren" und, wie führende Geschäftsleute erklären, "neue Konzeptionen individuellen und gemeinschaftlichen Strebens und Begehrens" zu schaffen, damit die Menschen ihre Bedürfnisse auf Konsumgüter, statt auf Lebens- und Arbeitsqualität, ausrichten." Christian Felber: "Zum einen wird uns eingeredet, daß die jetzige Form der Globalisierung ein "Naturgesetz" sei, womit man sie der demokratischen Gestaltung entziehen will. Zweitens sind supranationale Konstrukte wie die EU sehr viel leichter für Lobby-Interessen zugänglich als für den - atomisierten "demos". Drittens wird versucht, die Demokratie auf die Wahl vor dem Supermarktregal zu reduzieren. Die Macht der Konsumenten sei riesig, wird uns eingeredet. Doch was überhaupt angeboten wird, wie die Waren hergestellt werden, wer über die Ressourcen verfügt und wie Gewinne verteilt werden all das darf nicht entschieden werden. Außerdem entscheiden an den Regalen nicht freie Menschen, sondern ihre Kaufkraft: Scheindemokratie." Rupert Riedl: "Der Sozialstaat entstand ja nicht erst (oder gar ausschließlich) als "Reparaturbetrieb" des Kapitalismus. Er geht zurück auf die seit jeher nachweisliche Vorstellung, die "Obrigkeit" habe sich um das leibliche wie seelische Heil ihrer "Untertanen" zu kümmern und zwar nicht nur, um sie ruhig zu stellen, sondern vor allem, weil die Sorge um "das Gute" und um ein ethisch und materiell "gutes Leben" nun einmal Regentenpflicht ist. Die verantwortlichen Entscheidungsträger verschanzen sich aber kraft ihrer Position hinter internationalen Organisationen wie WTO, Weltbank, IWF und EU und deren demokratisch nicht legitimierten Vorschriften, anstatt sich konsequent und mit Konfliktbereitschaft dagegen zu stellen. Damit wäre ja das Risiko des Verlusts der privilegierten Stellung verbunden. Die Diskrepanz zwischen Rang und Risiko ist klar zu erkennen. Sie handeln dadurch nicht zum Vorteil der eigenen Bevölkerung, sondern zu dem internationaler Konzernstrukturen. Die Folgen treffen spätere Generationen. Es gibt ganz offensichtlich keine Übereinstimmung von Verantwortungsumfang und Verantwortungsbewußtsein. --------------------------------------------------------------------------DB-Prototyp: Konzept einer politischen Netzseite der DB 17