Peerbegleitung für Betroffene und Angehörige in der Gesundheitsmetropole Hamburg Candelaria Mahlke, Kolja Heumann, Thomas Bock Tuula Rouhiainen, Hans Jochim Meyer, Gyöngyver Sielaff, Martin Lambert 1 Aktionsfelder und Teilprojekte Aufklärung und Bildung krankheitsübergreifende Prävention neue Strukturen in der Versorgung Stärkung der Betroffenen und Angehörigen Verbesserung der Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlung 2 Gliederung • Einleitung Hintergrund, Stand der Forschung • Peer-Projekt Hamburg Netzwerkpartner, Implementierungsstrategie, Ziele & Fragestellung, Begleitstudie • Ergebnisse Betroffenen Peer-Begleitung RCT Studiendesign, Stichprobe, Ergebnisse • Ergebnisse Angehörigen Peer-Begleitung Studiendesign, Stichprobe, Ergebnisse 3 Einleitung 4 Hintergrund Betroffene: • Defizit an Interventionen mit individueller Recovery Orientierung • niedrigschwelliger Weg ins Hilfssystem • Übergang/Nachsorge nach stationärer Behandlung • Nutzerperspektive einbeziehen & Inklusion fördern • Zwangsmaßnahmen und (Selbst-)Stigmatisierung reduzieren Angehörige: • Wichtige Ressource für Betroffene • oft selbst stark belastet • Mangel an spezifischen Unterstützungsangeboten „Risikogruppe“ selbst zu erkranken 5 Stand der Forschung • Hohe Behandlungszufriedenheit & mehr entsprochene Bedürfnisse • Steigerung von Lebensqualität & sozialer Einbindung • Verbesserung der Symptomatik & Weniger Substanzmissbrauch • Steigerung der Adhärenz & häufiger in Selbsthilfe • Reduktion stationärer Aufenthalte & Tage, Notaufnahmen & Krisenintervention • Verbesserung Recovery-relevanter Zielgrößen Keine nachteiligen Ergebnisse oder Nebenwirkung Bislang keine Wirksamkeits-Ergebnisse zu Angehörigen-Peer-Begleitung 1.Doughty C & Tse S. Can consumer-led mental health services be equally effective? An integrative review of CLMH services in high-income countries. Community mental health Journal. 2011, 47(3), 252-266. 2.Pitt V, Lowe D, Hill S, Prictor M, Hetrick SE, Ryan R, Berends L. Consumer-providers of care for adult clients of statutory mental health services. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 3. 3.Loyd-Evans B. et al. A systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials of peer support for people with severe mental illness. 2014, BMC Psychiatry 6 Peer Projekt Hamburg 7 Netzwerkpartner In Zusammenarbeit mit KISS HH, LAPK HH, LPE HH, EX-IN, PSAG`S und vielen niedergelassenen Unterstützern • Implementierung systematischer Betroffenen- und Angehörigen-PeerArbeit in Hamburg + + + + + + + + • 10 psychiatrische Kliniken/Standorte + + • 18 Betroffenen-Peers • 8 Angehörigen-Peers 8 Vorbereitung & Implementierung Umfassende Ausbildung Betroffene: 1- jährige Ausbildung EX-IN Angehörige: ¾ - jährige Ausbildung Peers nicht einzeln tätig Mindestens zwei Peer Berater pro Klinik meist 2 Betroffene und 1 Angehörige Spezifische Supervision Sichergestellt über EX-IN Hamburg Klarer Arbeitsauftrag Eigenständige Beratung an der Schnittstelle ambulant // stationär Vorbereitung und Einbindung in den Kliniken Vorherige Schulung und fester Ansprechpartner vor Ort 1. 2. Daniels A. et al. Pillars of peer support: advancing the role of peer support specialists in promoting recovery. The Journal of mental health training, education and practice 2012; 2:60-69 Moran G, Russinova Z, Gidugu V, Gagne C. Challenges Experienced by Paid Peer Providers in Mental Health Recovery. Community Ment Health J 2013; 49:281-291 9 Ziele und Fragestellungen Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Forschungsphase I Wirksamkeitsnachweis • Lässt sich das Selbstwirksamkeitsempfinden bei Betroffenen langfristiger psychischer Störungen durch zusätzliche Peer-Begleitung im Vergleich zur Standardversorgung verbessern? • Lässt sich die Dauer und Häufigkeit stationärer Aufenthalte im Vergleich zur Standardversorgung reduzieren? Forschungsphase II Implementierungsevaluation • Lässt sich die subjektive Belastung bei Angehörigen von Betroffenen langfristiger psychischer Störungen durch Angehörigen Peer-Begleitung reduzieren? • Lässt sich die Lebendqualität bei Angehörigen durch Angehörigen PeerBegleitung steigern? 10 Begleitstudie Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Betroffene und Angehörige in Beratung 3 Messzeitpunkte: 6 Monate T0 Interventionszeitraum Baseline 6 Monate T1 T2 Katamnese Forschungsphase I: Wirksamkeitsnachweis RCT randomisiert kontrollierte Studie N= 216 Betroffene • • Interventionsgruppe: Standardversorgung + Peer-Support (PS) Kontrollgruppe (KG): Standardversorgung Forschungsphase II: Implementierungsevaluation • • • Je zwei Betroffenen- und ein Angehörigen-Begleiter Standardversorgung + Peer-Begleitung max. 6 Monate, flexibel je nach Bedarf 11 Ergebnisse Betroffenen Peer-Begleitung RCT 12 Studiendesign Fragestellungen Peer Support (PS) vs. Standardversorgung (KG) Einschluss: schwere psychische Erkrankungen (SMI) mit hohem Chronifizierungsrisiko F2.xx, F3.xx, F6.xx Meßpunkte: Prä, Post, 6-Monate Katamnese: Selbst- und Fremdbeurteilung Primäres Outcome: Selbstwirksamkeit Sekundäres Outcome: Dauer Krankenausaufenthalte 1 Jahr vor/nach 13 Stichprobe RCT Demographie Weiblich, n (%) Alter, Jahre mean (SD) N=216 Peer Support Kontrollgruppe Gesamt 63 (55) 59 (58) 122 (57) 41.2 (12.3) 41.8 (13.4) 41.5 (12.4) ledig 76 (67) 60 (59) 136 (63) allein lebend 55 (51) 51 (52) 106 (52) 48.1 (13.3) 48.3 (12.5) 48.2 (12.9) 4.9 (0.9) 4.9 (0.9) 4.9 (0.9) GAF mean (SD) CGI mean (SD) 14 Diagnostische Verteilung RCT 30 25 20 15 10 5 0 15 Behandlungszufriedenheit Selbstauskunft, 8 Items, 4-Punkt Likert-Skala mean (SD) Summenwert (8-32) mean (SD) CSQ-Wert (25-100) 1Kriz, 3.6 (0.4) 28.9 (3.4) 90.3 ∅ 14 Beratungen in 6 Monate D., Nübling, R., Steffanowski, A., Wittmann, W. W., & Schmidt, J. (2008). Patientenzufriedenheit in der stationären Rehabilitation: Psychometrische Reanalyse des ZUF-8 auf der Basis multizentrischer Stichproben verschiedener Indikation. Z Med Psychol, 17, 67–79. 16 Selbstwirksamkeits-Skala Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) Stimmt nicht Stimmt kaum Stimmt eher Stimmt genau 1 Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen. 1 2 3 4 2 Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. 1 2 3 4 3 Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. 1 2 3 4 4 In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll. 1 2 3 4 Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, dass ich gut mit 5 ihnen zurechtkommen kann. 1 2 3 4 6 Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann. 1 2 3 4 7 Was auch immer passiert, ich werde schon klar kommen. 1 2 3 4 8 Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden. 1 2 3 4 1 2 3 4 Wenn ein Problem auf mich zukommt, habe ich meist mehrere Ideen, 1 wie ich es lösen kann. 2 3 4 Es sind im Folgenden 10 Aussagen aufgeführt, Sie beziehen sich auf den Zeitraum der letzten Woche. Bitte kreuzen Sie wenn Sie einer Aussage nicht zustimmen das betreffende Kästchen mit der 1 an, bei voller Zustimmung das Kästchen mit der 4 usw. 9 10 Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich damit umgehen kann. Schwarzer, R. & Jerusalem, M. (1995). Generalized Self-Efficacy scale. In J. Weinman, S. Wright & M. Johnston (Eds.), Measures in health psychology: A user’s portfolio. Causal and control beliefs (pp. 35-37) 17 Selbstwirksamkeits-Skala PS M(SD) KG M(SD) SWE T0 22.61 (6.1) 22.85 (5.9) SWE T1 24.94 (6.8) 23.86 (7.5) SWE T2 25.73 (7.1) 23.43 (7.6) Fixed Effect mean difference 95% CI F p Gruppe 1.905* .001 - 3.809 3.908 .05 Zeit .087 -.873 - 1.046 .032 .86 Mixed Model of Repeated Measurement MMRM kontrolliert: Alter, Geschlecht, Baseline, Zeit*Gruppe 18 Selbstwirksamkeits-Skala Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte PS KG Baseline 19 Stationäre Aufenthalte Personen mit stationärer Aufnahme, 1 Jahr vor und nach t0 Prä Post IG 72 (62%) 32 (27%) KG 56 (57%) 34 (34%) 45 40 35 30 25 N (%) PS TAU KG 20 Mittlere Dauer stationärer Aufenthalte, 1 Jahr vor und nach t0 Prä IG KG Mean 40,3(SD) (53,8) 35,3 (43,7) Post Diff 16,4 (50,3) 23,9 23 (53,9) 12,3 15 10 5 0 Prä Post Mean (SD) 20 Rehospitalisierungsrate 95% -CI Upper Parameter Exp(B) Lower Sig. PS KG TAU 1 1,22 .45 3.3 .699 days of admission before T0 * 0.5% -Niveau 1,02 1 1,03 .036* Negativ Binomial Regression Tage stationärer Aufnahme ein Jahr vor/nach Studienbeginn, Leistungsdokumentation der Kliniken 21 Ergebnisse Angehörigen-Peerbegleitung 22 Studiendesign Fragestellungen Peer-Support für Angehörige Einschluss: Angehörige/Netzwerkpersonen psychisch erkrankter Personen Volljährigkeit keine Einschränkung bzgl. Diagnose/Rolle Messpunkte: Prä, Post, 6-Monate Katamnese: Selbstbeurteilung: - Behandlungszufriedenheit (ZUF-8) - Subjektive Belastung (FBA) - Gesundheitsbezogene Lebensqualität (SF-8) 23 Stichprobe Relationship Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Demographie (N=165) Alter, MW (SD) 57.40 (11.90) Weiblich, n (%) 118 (71,5) Interesse (inkl. anonym): • N>300 Einschluss: Verheiratet, n (%) 92 (55.80) • N=242 Ausgewertet: allein lebend, n (%) mit Erkranktem zusammen lebend, n (%) 30 (18.20) 63 (33.20) • N=165 ∅ 10.2 Beratungen in 6 Monaten (1-31) 24 Stichprobe Relationship Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Diagnosen der erkrankten Angehörigen Rolle in % Eltern 55.2 Depression 33,9 Schizophrenie Partner 24.8 26,1 Persönlichkeitsstörung 12,1 Bipolare Störung Geschwister 7.9 Kinder 6.1 10,3 Andere 24,8 Keine/unklar Andere 1.2 26,7 0 10 20 30 40 25 Behandlungszufriedenheit - Angehörige Selbstrating, 8 Items, 4-stufig Likert-skaliert 1Kriz, MW (SD) 3.73 (0.38) Summe (8-32) 29.80 (3.2) CSQ-Score (25-100) 93.03 Cut-Off-Wert1 (24.5) < 93% D., Nübling, R., Steffanowski, A., Wittmann, W. W., & Schmidt, J. (2008). Patientenzufriedenheit in der stationären Rehabilitation: Psychometrische Reanalyse des ZUF-8 auf der Basis multizentrischer Stichproben verschiedener Indikation. Z Med Psychol, 17, 67–79. 26 Subjektive Belastung Relationship Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Veränderung der subjektiven Belastung • Belastungsreduktion bei Frauen größer als bei Männern (p<.05) 0 Differenz zu T0 • Signifikante Verbesserung in der subjektiven Belastung (p<.001; n=165). -1 -2 -3 -4 -5 Post Follow-Up 27 Lebensqualität Relationship Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität • Signifikante Steigerung in körperlicher & psychischer Gesundheit (p<.05; p<.001; n=165) Verbesserung wird mit zunehmenden Alter geringer (beide p<.05) 8 Differenz zu T0 • 6 körperlich psychisch 4 2 0 Post Follow-Up 28 Zusammenfassung Ergebnisse Fragestellungen Z Bei Klienten der Betroffenen Peerbegleitung • Große Zufriedenheit mit dem Angebot • signifikante Erhöhung der Selbstwirksamkeit • Doppelt so hohe Reduktion Krankenhaustage Bei Angehörigen-Peerbegleitung • Große Zufriedenheit mit dem Angebot • Signifikante Reduktion der Belastung • Signifikant bessere Lebensqualität 29 Stärken & Schwächen Fragestellungen Z Stärken • RCT- Design bei niedrigschwelliger Intervention • Multicenter - enge Zusammenarbeit mit Klinikleitern • Ressource EX-IN - einheitliche Peer Ausbildung Schwächen • keine ländliche Region - Deutschlandweit • Rating nicht blind • Dropout Fremdbeurteilung 30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected] [email protected] [email protected] 31 Subjektive Belastung Relationship Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Differenz zu T0 M(SD) FBA T0 18.49 (5.82) FBA T1 15.69 (6.20) FBA T2 15.28 (6.03) Madj (95% CI) Differenz zu T1 p -2.01 (-2.98;-1.05) <.001 -2,95 (-3,99;-1,90) <.001 Madj (95% CI) -0,94 (-1,93;0,54) p =.064 Mixed Model of Repeated Measurement MMRM Kontrolliert für: Alter, Geschlecht, Baseline, Zeit, Diagnose und Rolle 32 Lebensqualität Relationship Sragestellungen F kalen und Messzeitpunkte Psychisch Differenz zu T0 M(SD) Madj (95% CI) p T0 37,19 (11,59) T1 42,73 (10,46) 4,40 (2,48;3,49) <.001 43,45 (11,81) 5,67 (3,49;7,85) <.001 T2 Differenz zu T1 Madj (95% CI) 1,14 (-1,00;3,53) p =.27 Körperlich Differenz zu T0 M(SD) Madj (95% CI) p T0 45,97 (9,98) T1 47,93 (9,87) 1,87 (0,35;3,39) <.05 T2 47,97 (9,92) 1,23 (-0,43;2,88) =.15 Differenz zu T1 Madj (95% CI) -0.64 (-2,04; 0,75) p =.36 33