OP or not OP – das ist hier die Frage Die Indikation zur Revision Matthias Voigt München, Februar 2009 OP or not OP - Ausgangssituation • Alltägliche Fragestellung aus dem Gebiet der Knie-, Hüft- und Schulterchirurgie • Gelenkrekonstruktion (ASK, offen), Endoprothetik • Darstellung einzelner wesentlicher Hauptkriterien zur Op.- Indikation • meist hochkomplexe Fragestellung © 2006 Schön Kliniken Seite 2 OP or not OP - Einführung • Unbelastete Entscheidung – zugewiesener Patient Keine vorschnelle Beurteilung der Problemverursachung „Glashaus !“ – die genaue Kenntnis des Verlaufes fehlt meist © 2006 Schön Kliniken Seite 3 OP or not OP – Einführung •Entscheidung immer von Ausgangssituation überlagert Mitteilungen aus der Erstaufklärung, Kenntnis über den Ablauf der Operation, bisherige Abheilung Beschwerdeverlauf • Zielstellung: Objektivierung der Entscheidung Klinisches Bild: Schmerz, Entzündungszeichen, Mobilisationszustand, Funktion Laborchemie Bildgebende Diagnostik © 2006 Schön Kliniken Seite 4 OP or not OP - Begriffsbestimmung • direkt postoperative Komplikation: Wundheilungsstörung, Nekrose, Hämatom, Infektion, Gefäß-, Nervenverletzung, Fraktur, Implantatfehllage, Funktionsdefizit, Luxation • Spätfolgen: Funktionsstörung Belastungsinsuffizienz Fehlstellung Schmerz © 2006 Schön Kliniken Seite 5 OP or not OP – Diagnose – klinische Untersuchung • Hochverdächtig – akut einsetztender Schmerz nach Beschwerdefreiheit • Entzündungszeichen, Dehiszenz, Sekret, Drainagefluss • Funktionseinschränkung: Belastungsinsuff., Instabilität, Bewegungseinschränkung • Verlauf: zunehmende Rötung, Schwellung, Überwärmung • Beachtung Begleitfaktoren: D.m., PAVK, cP, Cortison, Weichteilsituation • Systemische Entzündung: Fieberzacken, AZ, begleitende entzündliche Erkrankung • Objektivierung sinnvoll: Foto, Umfang, Markierung der Rötung © 2006 Schön Kliniken Seite 6 OP or not OP – Diagnostik - Labor • CRP- Anstieg/ Abfall verzögert • Hohe Sensitivität, geringe Spezifität, • innerhalb von 6-10h, HWZ mit 8 -10h gering • Sensitivität einer p.o. Leukozytose mit 20 % gering • BSG hohe Sensitivität (90%), geringe Spezifität, langsame Normalisierung • Harnsäure oftmals zur DD sinnvoll • Blutkulturen bei septischen Krankheitsbildern • weitere Entzündungsparameter eingeschränkt praxisrelevant: Fibrinogen (Kosten), Procalcitonin (Parameter zur Bestimmung der Komponente einer generalisierten Entzündung), Interleukin 6 doppelt so schneller Anstieg (Kostenfaktor hoch) © 2006 Schön Kliniken Seite 7 OP or not OP – Diagnostik - Sonographie • Differenzierung von unklaren Prozessen im Bereich Muskel- Skelettsystem • schnell, zuverlässig, einfach • Diff: Flüssigkeit, solide, Weichteildefekte, Ossifikation • klarer anatomischer Bezug: Gelenkkörper • im Besonderen: Knie – Erguss, extraartikulär, Quadrizepssehnenruptur, Zysten popliteal, Pes anserinus, Meniskusganglion Hüfte – Erguss, periartikuläre Flüssigkeit, Ossifikation, Sehnenabriss, Hämatom Schulter – Bursitis, Tendinitis bizipitalis, Zyste, Ossifikation, Rotatorenmanschettenruptur © 2006 Schön Kliniken Seite 8 OP or not OP- Diagnostik - Punktion • Differenzierung zwischen serösem Erguss, Hämatom und purulenter Infektion • Aseptische Kautelen, möglichst OP, evtl. mit Lavage/ ASK • Diagnostischer Aspekt: Qualität/ Quantität, Abstrich, Synoviaanalyse Kurzfristig verfügbar, Zellgehalt (5000 verdächtig, mehr als 50000/ qcm purulent/ gr. 75% Granulozyten) • Therapeutischer Aspekt: Entlastung, Lavage © 2006 Schön Kliniken Seite 9 OP or not OP – Diagnostik – Bildgebung - Röntgen • Röntgendiagnostik zur Diff. diverser mechanischer Probleme • direkte Infektzeichen nach 1-2 Wochen • Periostreaktionen, Aufhellungen, Lysen, Lockerungszeichen • Ergänzungen: Bildwandlergestütze Ausschnittvergrößerung Funktionsaufnahmen (Zug/ Druck/ Bewegungsprobe) Fisteldarstellung Tomographie – Durchbauungsstörung, Sequester Angiographie – PAVK, Vd. Gefäßalteration Phleboopgraphie – Doppler nicht eindeutig © 2006 Schön Kliniken Seite 10 OP or not OP – Diagnostik – Bildgebung über CT und MRT • CT Früher Nachweis knöcherner und weichteiliger Entzündungszeichen Gute Differenzierung zu nichtentzündlichen Problemen: z.B. periprothetische Fraktur, knöcherne Instabilität Teilweise Diskrepanz zur Rö.-Diagnostik und Klinik Strahlenbelastung • MRT Hochsensitiv, spezifischer als Szintigraphie Weichteilsituation, auch an Titan-Implantaten (Gl. medius-, Quadrizepssehnenläsion), Aussagen zur knöchernen Stabilität von Titan- Implantaten möglich (Lockerung ?) Ev. Maskierung von pathologischen Prozessen durch Implantate © 2006 Schön Kliniken Seite 11 Zystische Deformation Patella © 2006 Schön Kliniken Seite 12 OP or not OP – Diagnostik – Bildgebung über Szintigraphie • Indikation: Unklarer Befund, Ausschluss einer Pathologie • Hohe Sensitivität, geringe Spezifität • Darstellung der metabolischen Situation – Aktivität der Osteoblasten • Selten Entscheidungshilfe zur Frage Revision: akute postop., posttraumatische Prozesse gegen Entzündung nicht zu diff. © 2006 Schön Kliniken Seite 13 OP or not OP – Diagnostik – Bildgebung über Entzündungszintigraphie • Entzündungsszintigraphie: Technetium markierte Kolloide - Nanokoll Sensitivität hoch (93%), Spezifität ebenfalls (88%) Auch bei Frühinfektionen sinnvoll Leukozyten markierte Szintigraphie – Anreicherung bei gesteigerter Infiltration von Granulozyten Ausgangsbefund Ganzkörperknochenszintigraphie © 2006 Schön Kliniken Seite 14 OP or not OP – Diagnostik - Zusammenfassung • Eruieren der vordergründigen Problematik Flüssigkeitsverhalt Instabilität Weichteilproblem Infekt • Zeitlicher Verlauf im Einzelfall wichtig • Vd. purulente Infektion: kurzfristiges Handeln Möglichst keine Antibiose vor Probeentnahme © 2006 Schön Kliniken Seite 15 OP or not OP - Postoperatives Hämatom • Hämatome: Prädisponierend: Hämodilution, bekannte Thrombozytenfunktionsstörung, ASS Lokalisation: i.a., subfascial, epifascial Begleitende Nahtdehiszenz, Sekretion ? Entzündung: klassische Symptome (Schmerz!), CRP- Verlauf, Leukos, Fieber Diagnostik: Sono, Umfangskontrolle, Klinik, CRP, Rö., Gerinnungslabor – Abstriche oft positiv (20%) Zeitgerechte adäquate Therapie eines Frühinfektes: Erfolgsrate hoch Im Zweifelsfall frühzeitig Lavage, Blutstillung, Debridement, PE- Wechsel © 2006 Schön Kliniken Seite 16 OP or not OP – Wundrandnekrose/ Dehiszenz • Prophylaxe: Op. unter plastisch chirurgischen Aspekten: keine Unterhöhlungen, ausreichende Inzision, Haltefäden, keine Quetschungen, gute Blutstillung • Kontrolle: massive Anschwellung, anhaltende Sekretion, livide Verfärbung Maßnahmen: Kurzfristig: abschwellend, Ruhigstellung, Labor (CRP, BB, Gerinnung), kein lokaler Druck, Pulse, arterielle/ venöse Durchblutung ? Mittelfristig: baldiges Debridement mit geringer Mobilsation der Haut, Entlastungsschnitte, Beseitigung von Begleitprobleme (Hämatom, Infekt, Gefäßenge), sek. Lappenplastiken Indikation: Nekrose, Entzündungszeichen, therapierbare Begleitprobleme © 2006 Schön Kliniken Seite 17 Verlauf einer Wundrandnekrose, Z.n. Reimplantation KTEP, Adipostas, D.m. OP or not OP – Gefäßalteration • Tibiakopfosteotomie: große Gefahr (Zugang klein, Sägeschnitt, Asymmetrie der FC) • Nicht immer offensichtlich • P.o. Pulse und Durchblutungsreduktion nicht immer sicher: zweizeitig einsetztende Symptomatik: primär Restschmerz, mäßiges Hämatom, sekundär ev. Wadenschmerz, Kompartmentsymptomatik • Maßnahme: sofortige Doppleruntersuchung, Angiographie, Gefäßchirurgie © 2006 Schön Kliniken Seite 19 OP or not OP - Nervenläsion • Nach Stöhr (1996) bei HTEP in larvierter Form sehr häufig (EMG, NLG): 50% • Ausfälle abhängig von Lokalisation und Grad der Schädigung • Baldige neurologische Abklärung: Läsionshöhe, partiell/ vollständig, Prognose? • Bei guter Prognose zur Reinnervation Besserung innerhalb von 6 – 12 Monaten • Nach 3 Monaten eindeutiger Nachweis einer Reinnervation: konservativ • Indikation zur baldigen operativen Revision: direkte subtotale oder vollständige Läsion eines funktionell bedeutsamen Nervenstranges: N. ischiadikus, N. femoralis © 2006 Schön Kliniken Seite 20 OP or not OP – Periprothetische Fraktur • Ursache meist unklar: i.o./ Sturz durch plötzliche Belastungsinsuffizienz, Überlastung, Unfall oftmals Zufallsbefund Schaftsinterung, Trochanter major- Abriss, kn. Innenbandausriss • Klinik: Belastungsschmerz, muskuläre Insuffizienz, Instabilität • Ergänzende bildgebende Diagnostik: Zielaufnahmen, Bildwandlerkontrolle, CT, Verlauf • Kriterium zur Op.: Stabilität eingeschränkt, geringe Chance einer konservativen Th. © 2006 Schön Kliniken Seite 21 Periprothetische Fraktur – Indikation: Instabilität, Schmerz, Lockerung Periprothetische Fraktur, 5Jahre nach Diagnose und Erstrevision Trochanterabriss – Indikation: Schmerz, muskuläre Insuffizienz, Luxationen OP or not OP – Weichteilprobleme • Sehr vielfältig: Glutealinsuffizienz, Ossifikationen (Z.n. HTEP), Klinik, MRT, Verlauf unter konservativer Therapie, Szintigraphie, bei adäquater Symptomatik Indik. Bursitis, Traktusschmerz (Z.n. HTEP), Evtl. probatorische Infiltration, Nachweis Faszienlücke, knöcherne Prominenz: zurückhaltende Indikationsstellung Reruptur Rotatorenmanschette, Durch subakromiale Dekompression gute Schmerzlinderung, meist keine Indikation © 2006 Schön Kliniken Seite 25 OP or not OP – Weichteilprobleme KTEP: Arthrofibrose: Ursache komplex (Allergie, Infekt, Instabilität, Abrieb, Fehlposition) meist erhebliche Funktionseinschränkung,Schmerz, Streckung reduziert ? Indikation: konkreter Angriffspunkt einer Verbesserung ligamentäre Instabilität: meist direkt p.o. beste Stabilität, Komponentensinterung?, Lockerung? Indikation: zunehmendes Unsicherheitsgefühl, begleitender Belastungsschmerz femoropatellare Symptomatik (tief, hoch, luxiert) Femoropatellares malalignement: Hyperkompression, Sub-/ Luxation, Arthrose Meist bereits präoperative Symptomatik, extreme Achsdeviation Indikation: lokalisierte Schmerzsymptomatik, Sehnen- oder Kapselruptur Kriterium zur Op.: erhebliche funktionelle Einschränkung, Restschmerz ? © 2006 Schön Kliniken Seite 26 Nach VOT: Periartikuläre Ossifikationen, Trochanterhochstand Nach KTEP: Lig. pat.- Insuffizienz © 2006 Schön Kliniken Seite 27 Femoropatellare Probleme OP or not OP - Prothesenluxation • Besonders betroffen: Hüfte, Schulter (insbesondere invers) (2-5%) • Risikofaktoren: Hüftdysplasie, Schenkelhalsfraktur, Vorop., weibl.(x4), Infekt • Vermittelnde Faktoren: Hüfte: Fehlposition der Pfanne (Anteversion, Inklination)/ Schaft (Fehlrotation) Schulter: Fehlrotation Schaft, Hochstand Metaglene, Pfannenverkippung Weichteilschaden (Glutealinsuffizienz, Adduktorenspasmus, Beugekontraktur, Kapselreste) Resultierendes Impingment • Kriterium zur Revision: Fehllage, Impingement, wiederholte Luxation © 2006 Schön Kliniken Seite 29 Prothesenluxation © 2006 Schön Kliniken Seite 30 OP or not OP – Aseptische (Früh-)lockerungen von Endoprothesen • Klinisch erneut Schmerz, Fehlstellung, Verkürzung, Provokationstests positiv • Als Frühlockerung etwa 2% • Ursachen: Fehlstellung, Knochenlager, ungeeignetes Implantat, Unterdimensionierung, Weichteilführung, Infektion, Fraktur, Materialversagen • Rö.- Verlauf, CT, Szinti, BV • Kriterium: therapieresistente nicht erklärbare Schmerzen © 2006 Schön Kliniken Seite 31 (A-)septische Prothesenlockerung © 2006 Schön Kliniken Seite 32 OP or not OP – Frühinfekt nach OS oder Endoprothese • Innerhalb der ersten 4 Wochen • Meist nach Wundheilungsstörungen • DD Hämatom, Serom – Klinik und Labor adäquat aktiviert • baldige Revision unter Erhalt der stabilen OS bzw. Endoprothese (gute Chance einer Sanierung bei frühzeitiger und konsequenter Revision) © 2006 Schön Kliniken Seite 33 OP or not OP - Spätinfekt mit Implantat • Def.: Erster Infekt nach 4 Wochen p.o. • Chronisch verl. Frühinfekt/ Inf. über lokalen Weichteildefekt/ hämatogen • low grade (Erregernachweise fraglich) • Klinik variabel: Schmerz, Abszess, Fistel, Weichteildefekt, Lockerung, Osteolyse, Fraktur • Zielstellung: Diff. gegen aseptische Ursachen (Allergie), Rö.-Verl., Szinti, CT • Kriterium zur Operation: Infektzeichen, Vd. aseptische Lockerung, Schmerz (Meist zweizeitiger Wechsel, knochen- und weichteilschonend, Rerevisionen) © 2006 Schön Kliniken Seite 34 Spätinfekt nach HTEP- Revision © 2006 Schön Kliniken Seite 35 OP or not OP – knöcherne Durchbauungsstörungen • Mechanische Ursachen • sehr häufig infektbedingt • Instabilität bedingt weitere Knochendestruktion • Kriterium: nach 6 Monaten keine Durchbauung, red. Stabilität, Schmerz © 2006 Schön Kliniken Seite 36 Verzögerte knöcherne Durchbauung © 2006 Schön Kliniken Seite 37 Mechanische Probleme • Knöcherne oder implantattechnische Funktionseinschränkung • Prothesenbruch • ungünstige Biomechanik • Belastungsinsuffizienz Klinische Beispiele © 2006 Schön Kliniken Seite 39 Zusammenfassung • Verlauf von Klinik und bildgebender Diagnostik entscheidend • Ausgangsbefund ? Was kann ich durch die Revision erreichen ? • Leitsymptomatik Schmerz/Belastungsinsuffizienz/Infekt/Weichteilschaden • Indikation zur Revision auf Grundlage objektiver Kriterien erhärten © 2006 Schön Kliniken Seite 40