• „Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten gesellschaftlicher und

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„Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten gesellschaftlicher und religiöser
Vereinigungen“- unter diesem Motto wurde die Evangelische Kirche im Rheinland
angesprochen, was wir zum Thema Gewaltprävention im Internet beitragen können.
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Lassen Sie mich mit einem Beispiel anfangen: In der Folge der Ereignisse von Erfurt
lief auf unseren eigenen Seiten eine so genannte Webandacht, eine multimediale
Verkündigungssendung im Netz. Der Einstieg war ein Screenshot des unrühmlichen
Computerspieles »Counterstrike«, das dann interaktiv in Beziehung gesetzt wurde
zum biblischen Gebot »Du sollst nicht töten«. Die aktuelle Aussage dieser
Webandacht, das biblische Tötungsverbot bezieht sich auch auf das „nur“ virtuelle
Töten im PC oder Cyberspace. Während wir überwiegend positive Resonanz erhielten,
beschwerten sich einige User, dass die Kirche solche unchristlichen Bilder eines
Computerspieles verwendet, um ihre Botschaft herüberzubringen. Dieses kleine
Beispiel zeigt, wer die offensive Auseinandersetzung wagt, erhält nicht nur
Zustimmung, sondern wird auch kritisiert.
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Gäbe es keine Kritik, dann hätten wir etwas falsch gemacht, denn ohne Kritik kann es
auch keine Diskussion geben. Wir sind von Gott gewiesen, in unserem Umfeld, in
unserer Gesellschaft zu handeln. Wir haben die Wahrheit nicht gepachtet, sondern
wollen unsere Sicht, die auf dem christlichen Menschenbild beruht, in den
gesellschaftlichen Diskurs einbringen, wir stehen als Diskussionspartner auf gleicher
Augenhöhe zur Verfügung.
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Wenn evangelische Ethik eins im letzten Jahrhundert gelernt hat, dann dies: Es gibt
ethische Dilemmata, wo keine der möglichen Handlungsalternativen richtig ist. Wer
handelt, wird schuldig, wer handelt, kann in ausweglose Situationen kommen, wird
angefeindet oder kritisiert. Deswegen aber nicht zu handeln und wegzuschauen ist
keine Alternative. Wegsehen und Probleme zu ignorieren, ist daher keine Option.
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Ethische Fragen sind diffiziler als Ja-Nein-Antworten, dies lernt jeder Besucher einer
Ethik-Vorlesung im Grundstudium. Der Theologe Tödt (ZEE 21 (1977), 81-93) hat ein
operationelles Schema zur ethischen Urteilsfindung entwickelt:
1. Problemfeststellung
2. Situationsanalyse
3. Verhaltensalternativen
4. Normenprüfung
5. Urteilsentscheid nach obigen Punkten: eine unmittelbare christologische
Begründung eines ethischen Sachverhaltes ist in der Regel nicht möglich. Norm und
Situation fließen beide in den Entscheid ein.
6. Adäquanzkontrolle:
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Natürlich sind wir alle gegen Gewalt, die Frage ist aber die, zu welchen
Handlungsperspektiven führt die Ablehnung von Gewalt. Daher sind wir dankbar
dafür, dass durch das Vorgehen des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen
Büssow eine Diskussion in Gang gekommen ist. Ohne dieses Handeln gäbe es
wahrscheinlich die heutige Diskussionsveranstaltung nicht.
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Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, was aber für uns alle neu ist, dass wir uns in
diesem Medium im globalen Kontext bewegen. Die Rechtssetzungen in einzelnen
Staaten divergieren oft. Welches Recht wie zur Anwendung kommt, dies ist auch für
Juristen Neuland und ihre Aufgabe.
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Verbote müssen auch technisch umsetzbar sein, sonst leidet der Rechtsfrieden, wenn
der Rechtsstaat wegsieht, wie Gesetze übertreten werden. Was wie technisch
umzusetzen ist, dies müssen die IT-Experten klären.
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Für uns als Kirche sehe ich andere Handlungsmöglichkeiten: Solidarität. Schon
Stunden nach den Anschlägen auf das World Trade Center und die anderen Ziele in
den USA, also am selben Tage noch, gab es auf unseren Seiten ein virtuelles
Kondolenz- und Fürbittbuch. Mehrere Hundert Menschen pro Tag haben nach den
Anschlägen sich eingetragen und so ihr Mitgefühl mit den Opfern bekundet.
Amerikaner, die diese Seiten aufriefen, zeigten sich dankbar für diese Zeichen der
Solidarität. Angesichts der rechtsradikalen Anschläge auf jüdische Einrichtungen im
letzten Jahr haben wir Netz eine Solidaritätsaktion gestartet. Unsere Solidarität gilt
den Opfern, gleichzeitig sprechen wir aber aus, was Unrecht ist und wollen so auch
Bewusstsein schaffen, entsprechende Netzkampagnen haben unsere Unterstützung.
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Es geht um Bewusstseinsbildung und Lobby-Arbeit. Gewalt ist ein Phänomen, dass
wir nicht hinnehmen wollen und dürfen. Wir verfolgen die verschiedenen Wege
aufmerksam und mit Sympathie, ob es um Filtertechniken geht – Stichwort sei hier
www.icra.org – oder um die Schaffung eigener Sub-Level-Domains wie kids.us.
Gerne stellen wir auch unsere Kompetenz zur Verfügung, wenn es um die
Klassifizierung von Content geht.
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Ich verstehe, dass es Güterabwägungen gibt zwischen Meinungsfreiheit und
Unterdrückung von Webseiten mit unerwünschten Inhalten; die internationale
Netzkultur geht da oft nur schwer nachvollziehbare Wege, wie es der Server
www.freespeech.org zeigt, wo sie neben islamistischen und neonazistischen
Webseiten auch Seiten der israelischen Friedensbewegung finden. Wir können ein
Ende der Grundsatzdiskussion über die Nettiquette und Meinungsfreiheit im Netz
nicht abwarten, sondern müssen handeln. Ein erster Schritt ist die freiwillige
Selbstkontrolle und Selbstbeschränkung, zu der wir ausdrücklich ermutigen. Provider
haben Verantwortung und nehmen diese wahr, Domains mit NS-Namensbestandteilen
werden in der Regel nicht mehr zur Registrierung angenommen. Dafür sind wir
dankbar. Gerade ein Medium wie das Internet, das keine Institution mit öffentlichrechtlichem Grundversorgungsauftrag kennt, ruft den einzelnen verstärkt in die
Verantwortung, Voraussetzung dafür ist jedoch, ein entsprechendes Bewusstsein.
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Dabei geht es uns um Partnerschaft in der Verantwortung. Wenn wir über Hass und
Gewalt im Internet reden, geht es um mehr als um Sperrverfügungen gegen einzelne
Seiten. Das Problem sitzt tiefer. Wenn Sie beispielsweise bei Google nach dem
Begriff „Freiheit“ suchen, erhalten Sie als ersten Treffer einen Link zur „Jungen
Freiheit“, der 2. Treffer ist eine Webkampagne gegen die Abmahnwelle und Zensur,
die sich explizit gegen die Maßnahmen von Herrn Büssow wendet. Treffer 3 und 4
sind ein Unternehmen mit dem Namen „Freiheit“ bzw. ein Zentrum, dass „Freiheit“ in
seiner Anschrift trägt, Treffer 5 ist eine Initiative der deutschen Wirtschaft, im
sechsten Treffer versucht sich eine Agentur kabarettistisch, unter Treffer Nummer 7
hetzt Scientology und verleumdet seine Gegner. Wer sich gegen Hass und Gewalt
engagieren will, muss auch diesen Aspekt mit einbeziehen. Neben expliziten HassSeiten finden sich Seiten, deren menschenverachtender Charakter nicht sofort
durchschaubar ist.
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Dieses Beispiel von Google zeigt, dass einerseits medienpädagogische Erziehung
gefragt ist, um solche Suchresultate einzuordnen. Dazu wollen wir unseren Beitrag
leisten. Gleichzeitig stellt sich auch die Frage, ob es nicht für einen Suchdienst mit defacto-Monopol-Stellung angebracht wäre, die Indizierung von Webseiten auch
redaktionell zu betreuen.
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Wer seine Verantwortung wahrnimmt, hat auch Kosten. Dies gilt gleichermaßen für
Content- und Access-Provider, aber der Schutz von Kindern und Jugendlichen oder
von Minderheiten ist dies wert. Ich denke, entsprechende gewaltfreie Angebote
werden sich auch am Markt durchsetzen. Wer gewaltfrei surfen will, muss dies auch
können. Nur wenn diese Möglichkeit sichergestellt ist, können Eltern ihre Kinder
selbständig surfen lassen.
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Deshalb möchten wir last but not least als Kirche auch einen pädagogischen Beitrag
leisten. In vielen Kirchengemeinden gibt es mittlerweile Internet-Cafes, wo InternetFührerscheine erworben werden können. Diese Jugendarbeit führen qualifizierte
Jugendleiter durch, besser als jede Filtertechnik ist das pädagogische Gespräch. Auch
Freiheit muss erlernt werden, d.h., Kinder und Jugendliche müssen lernen, sich selber
Grenzen zu setzen. Man muss sich nicht alles ansehen, was im WWW verfügbar ist.
Als Kirche wollen wir Räume anbieten, wo Jugendliche diesen Umgang mit Freiheit
lernen können. Wir sind auch in der Fort- und Weiterbildung tätig, unsere
pädagogisch-theologischen Einrichtungen – z.B. das PTI in Bonn-Bad Godesberg –
vermitteln ihre Kompetenz an Multiplikatoren weiter. Wegschauen hilft nicht, sondern
wir wollen genau hinsehen, was gibt es an Gewalt im Netz und wie kann man
pädogogisch damit umgehen.
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Lassen Sie mich mit einem konkreten Beispiel schließen: Ein Blick auf viele
rechtsextreme Seiten im Netz zeigt, wie tumb sie sind, für Jugendliche haben sie
jedoch Attraktivität, da sie in Deutschland verboten sind. Es geht daher um zweierlei:
erstens: das juristische Verbot technisch umzusetzen, ist die Aufgabe von staatlichen
Behörden und Providern; zweitens aber sollte es uns gelingen, auch pädagogisch
damit umzugehen: es gilt den Reiz des Verbotenen zu entzaubern und die
Menschenverachtung von Gewaltverherrlichung aufzuzeigen. Verbote von
Gewaltdarstellungen werden sich nie vollständig umsetzen lassen, deshalb ist
Aufklärung um so mehr gefragt. Dazu wollen wir als Kirche unseren Beitrag leisten
und bieten dafür unsere Partnerschaft an.
Ralf Peter Reimann
Internet-Koordinator der Evangelischen Kirche im Rheinland
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