Wie lässt sich die Links-RechtsEinschätzung der Ortsparteien der vier Bundesratsparteien erklären? als Seminararbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern eingereicht bei Prof. Dr. Andreas Ladner Eingereicht von: Sonja Kobelt Sahlistr. 5 3012 Bern [email protected] 99-215-980 Stephan Tschöpe Belpstr. 21a 3007 Bern [email protected] 97-113-559 Eingereicht am 1. Dezember 2003 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung ...................................................................... 3 2. Theorie und Hypothesen................................................... 4 2.1 Faktor Gemeindegrösse.............................................................5 2.2 Die Parteien auf kantonaler und nationaler Ebenen und die Abhängigkeit von anderen Parteien .............................................6 2.3 Faktor aktive Frauen der Partei und Einwohnerinnenbasis ..............8 3. Operationalisierung ........................................................10 3.1 Die Bundesratsparteien ........................................................... 10 3.2 Abhängige Variable................................................................. 10 3.3 Unabhängige Variable ............................................................. 10 4. Das statistische Modell ....................................................11 4.1 Multiple Lineare Regression ..................................................... 12 4.2 Die vier Modelle ..................................................................... 12 4.2.1 Modell 1: Politische Einschätzung................................................ 13 4.2.2 Modell 2: Strukturelle Daten der Partei ........................................ 13 4.2.3 Modell 3: Soziodemographische Daten der Partei .......................... 14 4.2.4 Modell 4: Daten der Gemeinde ................................................... 15 5. Auswertung ...................................................................15 5.1 Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) ...................... 15 5.2 Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)............................ 17 5.3 Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) ................................. 19 5.4 Die Schweizerische Volkspartei (SVP)........................................ 20 6. Schlussfolgerungen ........................................................23 7. Literaturverzeichnis ........................................................25 Vorbemerkung: In dieser Arbeit wird nur die weibliche Wortform verwendet. Dies geschieht ausschliesslich aus stilistischen Gründen, die männliche Form ist selbstverständlich immer mitgedacht. 2 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 1. Einleitung Unserer Arbeit vorausschicken möchten wir zum Schluss die Feststellung, dass sich das Links-Rechts-Denken einer ungebrochenen Bedeutung erfreut (Ladner/Geser/Meuli/Schaller NZZ 7.3.2003). In beiden Umfragen, die unserer Arbeit zu Grunde liegen, konnten mehr als 98% der Parteipräsidentinnen ihre Partei problemlos auf einer Links-Rechts-Skala einordnen. Weiter haben wir in dieser Arbeit die ebenfalls erfasste Grün-Antigrün-Skala vernachlässigt. Wir stützen uns dabei auf die Aussagen von Schaller (1994: 135), der zur Schlussfolgerung kommt, dass das Links-Rechts-Schema die Auseinandersetzungen im ökologischen Bereich, sofern diese überhaupt noch zu polarisieren vermögen, quasi in sich aufnimmt. Die circa 5500 lokalen Parteien in der Schweiz stehen mit der eigenen ideologischen Einordnung in einem Spannungsfeld zwischen den Positionen der Partei auf kantonaler und nationaler Ebene und der Meinungsfindung im kleineren Rahmen der Aktiven im eigenen lokalen Gebiet. In der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Studie und den Daten von Geser/Ladner/Schaller/Ballmer-Cao1 (1994) erfolgt die ideologische Einordnung der Lokalparteien auf einem Links-Rechts-Schema anhand der Einschätzungen der jeweiligen Parteipräsidentinnen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns für folgende Fragestellung entschieden: „Wie lässt sich die Links-Rechts-Einschätzung der Ortsparteien der vier Bundesratsparteien erklären?“ Ziel dieser Seminararbeit ist es, Erklärungen für die Einschätzung beziehungsweise die Entwicklung der Einschätzung der Parteipräsidentinnen der Lokalparteien auf der Links-Rechts-Skala zu finden. Wir wollen dabei die von uns angenommenen Faktoren, die diese Einschätzung auch unabhängig der inhaltlichen Ebene beeinflussen, auf ihre Relevanz hin überprüfen und ihren allfälligen Erklärungswert aufzeigen. In der politikwissenschaftlichen Theorie ist zu erkennen, dass für unsere Fragestellung in den meisten Fällen eine qualitativ-quantitative Inhaltsanalyse der Parteibeziehungsweise Wahlprogramme und eine Bewertung von inhaltlichen Fragen hinzugezogen wird (z.B. Brändli 1997). Betten wir die politischen Programme in die Dimensionen des Politikbegriffes ein, erkennen wir, dass es sich hierbei um eine Policy-Analyse handelt, in welcher als eine der Erscheinungsformen das „politische Programm“ vorkommt. Wir möchten eine andere Herangehensweise versuchen und uns damit von diesem Erklärungsansatz ein wenig lösen. Anders als bis anhin wollen wir die ideologische Einordnung der Parteien, in unserem Fall die Einschätzung der Parteipräsidentinnen auf der Links-Rechts-Skala, anhand von soziodemographischen und strukturellen Daten sowohl der Gemeinden wie auch der Partei zur Erklärung heranziehen. 1 Unsere Berechnungen erfolgen aufgrund der Daten von 2003. 3 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Unsere Untersuchung basiert auf einer Vollerhebung von Ladner et al. aus dem Jahre 2002/03 bei den Ortsparteien in der Schweiz. Wir benutzen für die statistische Auswertung den um Gemeinde-Variablen erweiterten Datensatz (soziodemographische Daten der Gemeinde, etc.) aus dem Jahre 2003. Dabei werden wir anhand von vier Modellen anhand einer multiplen linearen Regression bei jeder der vier Bundesratsparteien den Einfluss verschiedener unabhängiger Variablen auf die abhängige Variable, nämlich die Links-Rechts-Einschätzung der Parteipräsidentinnen der Ortsparteien, untersuchen und zu erklären versuchen, wieso sich die Parteien genau so situieren. Unsere Hypothesen basieren auf verschiedenen Theorieansätzen, weiter haben wir sie mit Erkenntnissen aus der Fachliteratur ergänzt. Die Überprüfung der Hypothesen soll uns Auskunft darüber geben, inwiefern die ausgewählten soziodemographischen und strukturellen Daten und Variablen die Einschätzung der Parteipräsidentinnen zu erklären vermögen oder einen Beitrag zur Erklärung liefern können. Im Anschluss an diese Einleitung werden in Kapitel 2 die theoretischen Hintergründe und die daraus abgeleiteten Hypothesen behandelt. Kapitel 3 gibt Auskunft über die Operationalisierung der Variablen und Kapitel 4 über das statistische Modell. Im darauffolgenden Kapitel stehen die Analyse und Interpretation der statistischen Resultate im Vordergrund. In einem letzten Kapitel fassen wir unsere Erkenntnisse in den Schlussfolgerungen zusammen. 2. Theorie und Hypothesen Im folgenden Kapitel sollen die Hypothesen und die ihnen zu Grunde liegenden Theorieansätze erläutert werden. Dafür haben wir die Hypothesen in drei Teile gegliedert: 1. Faktor Gemeindegrösse 2. Die eigene Partei auf kantonaler und nationaler Ebene und die Abhängigkeit von anderen Parteien 3. Faktor aktive Frauen der Partei und Einwohnerinnenbasis Den ersten Teil stützen wir unter anderem auf die Erkenntnisse von Geser zur Bedeutung der Gemeindegrösse (Geser 1994: 386-391) und im weiteren unter Einbezug von Aussagen von Ladner zu politischen Gemeinden, kommunalen Parteien und lokaler Politik (Ladner 1991). Als theoretischen Hintergrund basiert Teil 2 insbesondere auf Ballmer-Cao/Geser, die in ihrer Untersuchung zum Schluss kommen, dass auf der Ebene genereller politischer Ideologie von einem hohen Konformitätsniveau zwischen Lokal- und Kantonalpartei 4 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 gesprochen werden kann (Ballmer-Cao/Geser 1994: 369). Ausserdem dient uns Sartori und seine Theorie des polarisierten Pluralismus als theoretische Grundlage. Weiter sagt Geser aus, dass es den linksstehenden und „grünen“ Parteien in überdurchschnittlich hohem Masse gelungen ist, ihre weibliche Anhängerschaft zu vermehren. Dies bildet die Basis für den dritten Teil. Wir nehmen an, dass Frauen generell eher linke Parteien beziehungsweise Lösungen bevorzugen und sich diese Tendenz in allen Parteien zeigt. Auch die "Selects"-Studie von Farago zu den Wahlen 1995 wird in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. 2.1. Faktor Gemeindegrösse Da sich, wie Geser feststellt, die Gemeindegrösse als in vieler Hinsicht einflussreiche Kausalvariable für die Untersuchung der Lokalparteien erwiesen hat (Geser 1994: 386), wollten auch wir diesen Faktor in unsere Arbeit einbeziehen. In der Untersuchung der Daten von 1990 kommt Schaller zum Ergebnis, dass die ideologischen Abstände zwischen bürgerlichen und linken Parteien mit wachsender Gemeindegrösse zunehmen. Die SP entwickelt sich zunehmend linker, während FDP und insbesondere SVP nach rechts driften, während die CVP Richtung Mitte tendiert (Schaller 1994: 118). Geser erklärt diese schärferen Konturen der Parteien als leicht verständlich, da das intensivere Konkurrenzverhältnis eine klarere Profilierung erzwingt (Geser 1994: 388). Weiter hält Geser aber auch fest, dass mit wachsender Gemeindegrösse die aktiven Parteianhängerschaften zu politischen „Eliten“ werden, es entsteht ein Statusgefälle zwischen Basis und Parteielite. Die Parteielite besteht im Weiteren weniger aus unteren Angestellten und Arbeiterinnen, und diese sind deshalb kaum mehr in führenden Parteipositionen zu finden (Geser 1994: 388). Für unsere Untersuchung der neueren Daten von 2003 haben wir nun folgende Hypothese aufgestellt: Hypothese 1: „Je grösser die Gemeinde, desto linker die Einschätzung der SP und CVP und desto rechter die Einschätzung der FDP und SVP auf dem Links-Rechts-Schema.“ Wir erhoffen uns mit dieser Hypothese eine klare Aussage über den Erklärungsgrad der Variable Gemeindegrösse für unsere Fragestellung. 5 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 2.2. Die eigene Partei auf kantonaler und nationaler Ebene und die Abhängigkeit von anderen Parteien Wie Geser zum Schluss kommt, verfügen die Schweizer Lokalparteien über eine hohen Grad an Autonomie gegenüber den Kantonal- und Bundesparteien. Dies kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass sie sich zu über 80% selber finanzieren (Geser 1994: 377). Dennoch sind die Unterschiede zwischen der Einschätzung der Positionierung auf der Links-Rechts-Skala auf der Ebene genereller politischer Ideologie erstaunlich gering (siehe Tabelle 2.2.1). Tab. 2.2.1. Durchschnittliche Positionierung der Lokalsektion Kantonalpartei auf der Links-Rechts-Achse2 nach Parteirichtung Parteien Durchschnittliche Skalenposition Lokalsektion Kantonalpartei und der Durchschnittliche Abweichung Gesamtdurchschnitt 5.7 5.8 .72 FDP CVP SVP SP 6.9 6.3 7.0 3.3 7.2 6.4 7.3 3.1 .71 .77 .59 .78 Quelle: nach Ballmer-Cao/Geser (1994: 344) Mit den zu erwartenden Unterschieden zwischen den Kantonen (Kantonsgrösse und weitere Faktoren) kommen Ballmer-Cao/Geser zum Schluss, dass sich die ideelle Integration mit wachsender Gemeindegrösse eher verringert und sich dies unter anderem auch auf die eigenständige Meinungsbildung grosser regionaler Parteiteile zurückführen lässt3. Obwohl die Autorinnen die allgemein hohe Konformität in der Einschätzung der ideologischen Positionierung auch darauf zurückführen, dass die in Gemeinden anstehenden Fragen und Probleme mehrheitlich unpolitischer Art sind und pragmatisch gelöst werden (und auch als dieses erkannt werden), stellt Geser fest, es treffe nicht zu, dass Lokalparteien nur ideologieunabhängige Sachpolitik betreiben würden. So zieht sich die Linie der auf kantonaler und Bundesebene relativ stark polarisierten Parteien auch auf der lokalen Ebene weiter (Geser 1994: 375). Es kann also gesagt werden, dass die Einschätzungen der ideologischen Verortung auf der lokalen im Vergleich zu den höheren Ebenen nicht wesentlich abweichen, die Polarisierung auf allen Ebenen bestehen bleibt, trotz der teilweise ideologisch breiten Streuung (insbesondere innerhalb der CVP und FDP) der Sektionen einer Partei. 2 3 Es handelt sich hierbei um eine 1 bis 10 Skala, wobei „1“ „Links“ und „10“ „Rechts“ bedeutet. vergl. Ballmer-Cao/Geser 1994: 344-370. 6 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 In Hinblick auf diese ideologische Konformität haben wir folgende Hypothesen formuliert: Hypothese 2a: „Je linker die kantonale Einschätzung der eigenen Partei, desto linker die Einschätzung der regionalen Partei auf dem Links-Rechts-Schema beziehungsweise je rechter die kantonale Einschätzung der eigenen Partei, desto rechter die Einschätzung der regionalen Partei auf dem Links-Rechts-Schema.“ Hypothese 2b: „Je linker die nationale Einschätzung der eigenen Partei, desto linker die Einschätzung der regionalen Partei auf dem Links-Rechts-Schema beziehungsweise je rechter die nationale Einschätzung der eigenen Partei, desto rechter die Einschätzung der regionalen Partei auf dem Links-Rechts-Schema.“ Sie soll Auskunft darüber geben, inwiefern die ideologische Verortung der kantonalen und nationalen Partei Einfluss auf die Einschätzung der Position auf der Links-RechtsSkala der Parteipräsidentinnen nimmt. Wir gehen weiter von der Annahme aus, dass für die ideologische Positionierung auch die anderen Parteien eine Rolle spielen. In der Parteientypologie spielt dahingehend das Werk von Sartori eine wichtige Rolle. Sartori klassifiziert die Parteien in für das System relevante und nicht relevante Parteien (Sartori 1990: 320ff.) Als Basis zählen die Anzahl Wählerinnenstimmen und Parlamentssitze einer bestimmten Partei. Allerdings können auch kleine Parteien einen relevanten Status erreichen, wenn es ihnen möglich ist, die Regierungsparteien (in unserem Fall die vier Bundesratsparteien) zu beeinflussen, sei dies für das Zustandekommen einer Mehrheit für eine bestimmte Regierung oder einer allgemeinen Koalitionsmehrheit. Je mehr relevante Parteien sich nun in einem System gegenüberstehen, desto stärker wirkt sich eine allfällige Polarisierung aus. Linke Alternativen zur SP und rechte Alternativen zur SVP, wenn vorhanden, beeinflussen unserer Annahme nach nun die ideologische Orientierung der Lokalparteien. Wie wir bereits oben festgestellt haben, bleibt die Polarisierung auch auf der Ebene der Lokalparteien bestehen. Daraus erschliesst sich unsere dritte Hypothese: Hypothese 3: „Je mehr Kommunalparteien in einer Gemeinde existieren, desto linker die Einschätzung der SP und desto rechter diejenige der SVP auf dem Links-RechtsSchema.“ Sie soll Aufschluss über den Einfluss der Anzahl anderer Parteien auf die ideologische Positionierung insbesondere der SP und der SVP auf der Links-Rechts-Skala geben. Wir gehen davon aus, dass eine grössere Anzahl anderer Parteien die beiden am stärksten polarisierten Bundesratsparteien umso mehr beeinflusst. 7 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 2.3. Faktor aktive Frauen in der Partei und Einwohnerinnenbasis Im dritten Teil unserer Hypothesen wollen wir uns zum einen mit den aktiven Frauen in den Lokalparteien und zum anderen mit dem Anteil Rentnerinnen und Rentner in der Gemeinde und ihrer allfälligen Auswirkung auf die ideologische Einordnung der Lokalparteien auseinander setzen. Seit längerem ist in der politologischen Forschung die Diskussion entbrannt, ob eine Destabilisierung der Parteianhängerschaften zu beobachten sei oder ob diese These nicht aufrecht erhalten werden könne. Im Fall der Schweiz wurde eine Destabilisierung in Form sinkender Parteiidentifikation, insbesondere bei den linken Parteien, (Longchamp/Linder 1989) sowie eine Abnahme der Parteianhängerschaft und Verschiebung der Stimmverhältnisse von den Bundesratsparteien hin zu kleineren Parteien/Gruppierungen (Longchamp 1987) konstatiert. Geser kritisiert nun diese generelle Aussage, indem er insbesondere festhält, dass die Diagnose der Erosion der Parteianhängerschaft insbesondere der linken Parteien nur bezüglich der Männer zutrifft (Geser 1994: 68). Geser stellt weiter fest, dass die Anzahl parteipolitisch aktiver Bürgerinnen in der Zeit zwischen 1984 und 1989 massiv zugenommen hat. Über 50% aller Ortssektionen gaben eine Zunahme der Aktiven an und den überwiegenden Teil davon stellen die Frauen (Geser 1994: 65). Diese Entwicklung ist unter anderem auf die offensichtlich noch nicht abgeschlossene so genannte politische Primärmobilisierung der Schweizer Frauen zurückzuführen. In der Folge haben alle Schweizer Parteien eine gewisse „Feminisierung“ erlebt (Geser 1994: 66). Interessant für unsere Hypothese sind nun insbesondere die Erkenntnisse Gesers zur Zunahme Aktiver in Verbindung mit der ideologischen Orientierung. Hier lässt sich erkennen, wie die Frauenanteile zwischen den verschiedenen ideologischen Ausrichtungen bereits stark differenzieren. Während es den linksstehenden und „grünen“ Parteien in grossem Ausmass gelungen ist, Frauen als Aktive zu gewinnen und die weibliche Anhängerschaft zu vermehren, sind es bei den rechtsbürgerlichen Parteien die Männer, die sich von der Partei besonders angesprochen fühlten (Geser 1994: 66) Auf der Basis dieser Erkenntnisse nehmen wir an, dass Frauen generell eher linke Parteien beziehungsweise Lösungen bevorzugen und formulieren Hypothese 4 wie folgt: Hypothese 4: „Je grösser der Anteil der aktiven Frauen der Partei, desto linker die Einschätzung der regionalen Partei auf dem Links-Rechts-Schema.“ 8 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Für unsere letzte Hypothese um Erklärungen für und Einflüsse auf die Einschätzung der Parteipräsidentinnen zu finden, haben wir uns mit einer bestimmten Einwohnerinnengruppe befasst: Hypothese 5: „Je kleiner der Anteil der Renterinnen und Rentner in der Gemeinde, desto linker die Einschätzung der regionalen Partei auf dem Links-Rechts-Schema.“ Verschiedene Studien stützen und unterstreichen diese Hypothese. So stellt etwa Höpflinger im UNIVOX-Jahresbericht 1996 die eher traditionellen Einstellungen der älteren Generation etwa in Bezug auf die Rollen- und Familienbilder fest4. Dies legt den Schluss nahe, dass die Bevölkerung in diesem Alterssegment ebenfalls eher mit Parteien beziehungsweise Lösungsvorschlägen sympathisiert, welche diese traditionellen Werte und Lebensformen befürworten und unterstützen. Weiter lässt sich bei einer Durchsicht der VOX-Analysen der Eidgenössischen Urnengänge der letzten Jahre erkennen, dass die Stimmbeteiligung der über 60Jährigen regelmässig am höchsten ist5. Dieser überproportionale Einfluss auf den Ausgang eidgenössischer Abstimmungen zeigt auf, dass die Gruppe der Renterinnen und Rentner einen wichtigen Faktor für unsere Fragestellung darstellen könnte. Noch stärker tritt dies bei der Analyse der eidgenössischen Wahlen zu Tage. Brunner erläutert in seinem Artikel über den Einfluss des Alters auf das Wahlverhalten zu den Wahlen 1995, dass das Ausmass der Wahlbeteiligung der jüngsten Wählerinnen um 30% geringer ist als dasjenige der ältesten. Weiter variiert die ideologische Ausrichtung der Stimmabgabe stark nach dem Alter insofern, dass über 50-Jährige eher rechts stimmen als der Rest der Bevölkerung. Ausserdem machen die über 50Jährigen (eine unter den Wählerinnen bereits allgemein übervertretene Gruppe) mehr als die Hälfte der Wählerinnen der SVP und der Rechtsopposition aus (Brunner 1998: 225). 4 5 vergl. UNIVOX Jahresbericht 1996: Gesellschaft vergl. VOX-Analysen der Eidgenössischen Urnengänge 1997-2002 9 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 3. Operationalisierung 3.1. Die vier Bundesratsparteien Die Einteilung in die vier Bundesratsparteien erfolgt anhand der Frage „Zu welcher Partei gehört ihre Ortspartei“ (p2) der Studie zur „Ortsparteien in der Schweiz“ aus dem Jahre 2002/036. Dabei integrieren wir in unser Modell jeweils die vier Bundesratsparteien: SP, CVP, FDP und SVP. Die jeweiligen Jungparteien, sofern vorhanden, werden der jeweiligen Mutterpartei zugeordnet. Das bedeutet, dass wir die Jusos der SP, die JCVP der CVP, den Jungfreisinn der FDP und die JSVP der SVP zuordnen. 3.2. Abhängige Variable Die abhängige Variable wird aus dem Datensatz der Ortsparteien in der Schweiz (Erhebung 2002/03) entnommen. Es handelt sich hierbei um die Frage der Selbsteinschätzung der Ortsparteien (p6a). Die Variable ist so kodiert, dass der Wert „1“ „Links“ bedeutet und der Wert „10“ „Rechts“. Der Wert „12“ für „weiss nicht“ wird als systematischer Fehler kodiert. Da wir die jeweilige Auswertung nach den vier Bundesratsparteien getrennt rechnen, haben wir durch eine Häufigkeitsverteilung die Nennungen der vier Bundesratsparteien betrachtet und alle „scheinenden“ Tippfehler als systematischen Fehler rekodiert. Das bedeutet, dass wir die Nennungen „10“ „Rechts“ bei der SP und „1“ „Links“ bei der SVP gelöscht haben, da es aufgrund der Plausibilität keine Antwort auf diese Nennungen der beiden Parteien gibt. Die kodierte abhängige Variable ist metrischer Natur, was als Konsequenz hat, dass wir eine lineare Regression (siehe Kapitel 4: Das statistische Modell) durchführen können, sofern die unabhängigen Variablen auch metrischer Natur sind. 3.3. Unabhängige Variablen7 Bei den unabhängigen Variablen handelt es sich grundsätzlich um metrische Variablen8. Wir unterteilen aber insgesamt in zwei Gruppen: 1. Ein Grossteil der Variablen sind prozentualer Natur. Das heisst, dass wir die Variablen so rekodiert haben, dass sie in einer Skala zwischen 0 und 100 zu liegen kommen. Falsche Werte (Werte grösser als 100%) oder Nennungen wie „weiss nicht“ wurden aus dem Datensatz ausgeschlossen. Als Beispiel für solche Fragen 6 Der relevante Datensatz dieser Studie trägt den Namen „Lokalparteien_2003“. Der genaue Wortlaut und die Kodierung der Variablen lässt sich aus dem Fragebogen „Ortsparteien in der Schweiz“ aus dem Jahre 2003 oder dem Datensatz „Lokalparteien_2003“ ablesen. 8 Eine vollständige Auflistung der Variablen findet sich unter Kapitel 4: Das statistische Modell. 10 7 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 nennen wir hier die Fragebatterie p18 beziehungsweise p19. Wir haben hier z.B. bei p18a den Anteil der „unter 30-Jährigen“ so kodiert, dass wir als unabhängige Variable den Anteil der „unter 30-Jährigen in % der Gesamtaktiven der Partei“ erhalten. 2. Die restlichen unabhängigen Variablen sind metrischer beziehungsweise absoluter Natur. Bei diesen Variablen haben wir nur alle „weiss nicht“-Antworten als systematische Fehler rekodiert. Als Beispiel für eine solche Frage können wir die Gemeindegrösse (v2a) oder die Frage zur Rolle der Schweiz (p8) erwähnen. 4. Das statistische Modell 4.1. Multiple lineare Regressionsanalyse Mit der Arbeit untersuchen wir, aufgrund welcher Variablen sich die vier Bundesratsparteien auf der Links-Rechts-Skala selbst verortnen. Dies bedeutet, dass wir für jede der vier Bundesratsparteien eine eigene statistische Auswertung vornehmen, wobei das Modell jeweils das gleiche ist. Da unsere abhängige Variable wie auch alle unabhängigen Variablen metrischer Natur sind, verwenden wir für die Auswertung ein Regressionsmodell: das multiple lineare Regressionsmodell. Das multiple lineare Regressionsmodell zeichnet sich nämlich durch eine abhängige und viele unabhängige Variablen aus (Jann 1998: 138). Zudem ist das Modell dann linear, wenn für f(x1,...., xk) eine lineare Funktion unterstellt wird (Friedmann 2003: 2), so dass gilt: y = α + β1x1 + β2x2 + b3x3 +... + βkxk + ε Grafisch lässt sich das ganze, wie folgt darstellen: unabhängige Variablen X1, X2,... Xk Einfluss abhängige Variable Y Die Überprüfung der Hypothesen geschieht mittels Regressionsanalyse. Dabei wird jeweils die abhängige Variable mit den unabhängigen Variablen in Verbindung gebracht. Die Regressionsanalyse gibt uns über die Form des Zusammenhangs zwischen den unabhängigen und der abhängige Variable Auskunft (Bahrenberg/Giese/Nipper 1990: 134). Bei der Regressionsanalyse verwenden wir die „Kleinste-Quadrate-Methode“ (OLSRegression) der multiplen linearen Regression, da wir unter anderem wissen, dass die multiple lineare Regression eine Weiterentwicklung der linearen Einfachregression 11 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 (f(x)= α+βX+ε) darstellt (Friedmann 2003: 4). Mit der Regressionsanalyse legen wir von der Idee her eine Gerade durch eine mehrdimensionale Punktewolke eines mehrdimensionalen Scatterplotts, so dass die quadrierten Abstände der Residuen (yi – f(x)) am Kleinsten werden (Kreyszig 1968: 259). Die Regression gibt uns Auskunft über die Form des Zusammenhangs. Die Regressionsanalyse erlaubt es uns zu ermitteln, wie viel sich der Wert der abhängigen Variable verändert, wenn der Wert der unabhängigen Variable sich um eins vergrössert. Dies erlaubt uns die Grundform der Regression. Der Wert α gibt uns die Konstante der Regressionsgeraden an, der Wert β die Steigung der Regressionsgeraden und somit die Veränderung bei Erhöhung beziehungsweise Senkung der jeweiligen unabhängigen Variable. Es handelt sich hierbei also um ein Schätzverfahren (Urban 1982). Aus der Regression haben wir die Möglichkeit, die Güte des Modells zu bestimmen. Die Güte oder das Bestimmtheitsmass gibt uns darüber Auskunft, welcher Anteil der Gesamtstreuung von Y mit Hilfe der Regressionsgleichung erklärt werden kann (Jann 1998: 135). Für unser Modell nehmen wir das korrigierte Bestimmtheitsmass (adjusted R square), denn es zieht die Eigenschaften des Modells und damit der Variablen in Betracht und beinhaltet eine Korrektur. Die Signifikanz der Regressionskoeffizienten ermitteln wir mit Hilfe der t-Verteilung (Urban 1982: 131; Jann 1998: 141; Bahrenberg/Giese/Nipper 1990: 155). Über die Signifikanz des Gesamtmodells der Regressionen gibt uns der F-Test Auskunft (Jann 1998: 141f). 4.2. Die vier Modelle Wie wir weiter oben schon erläutet haben, rechnen wir die statistische Auswertung für die vier Bundesratsparteien jeweils einzeln. Weiter unterteilen wir unser Modell in vier einzelne Modelle, welche jeweils eine Regressionsanalyse der oben genannten Art nach sich zieht. Es sind dies folgende vier Modelle: 4.2.1. Modell 1: Politische Einschätzungen Das Modell 1 ist sozusagen unser Referenzmodell gegenüber der politikwissenschaftlichen Theorie und Forschung im Bereich der Links-RechtsEinschätzungen der Parteien. Das klassische Modell ist bekannterweise eine PolicyAnalyse der Wahlprogramme und Abstimmungsparolen beziehungsweise eine Auswertung der Wahlplattformen (siehe dazu Brändli 1997). Da es sich bei dieser politikwissenschaftlichen Theorie um die geläufige Theorie zur Auswertung der Links-Rechts-Einschätzung handelt, haben wir drei Variablen aus dem Datensatz ausgewählt, welche dem Spektrum der politischen Einschätzung zugeordnet werden können und somit die „klassische“ Theorie unterstützen. 12 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Es handelt sich hierbei um die Fragen: - Links-Rechts-Einschätzung der Kantonalpartei (p6b) - Links-Rechts-Einschätzung der Bundespartei (p6c) - Rolle der Schweiz (Alleingang vs. europäische Integration) (p8) 4.2.2. Modell 2: strukturelle Daten der Partei Das Modell 2, wie auch alle weiteren Modelle, lassen sich theoretisch häufig schwer untermauern. Dies liegt unter anderem daran, dass es im Bereich der Links-RechtsEinschätzung kaum Studien beziehungsweise Theorien gibt, welche vom oben genannten Policy-Ansatz abweichen. Dies hat für uns einige „wissenschaftliche“ Schwierigkeiten mit sich gebracht, da wir nämlich Variablen in der Auswertung haben, welche nicht durch eine oder mehrere Theorien gestützt sind. Wir sind uns bewusst, dass dies als „unwissenschaftlich“ angesehen werden kann und dass wir Aussagen zu gerade diesen Variablen kaum machen können. Wir haben uns aber trotzdem entschlossen, diese Variablen im Modell zu belassen, da wir mit unserer Fragestellung eben vom Policy-Ansatz wegkommen wollen, um zu betrachten, ob es noch weitere Erklärungen für die Links-Rechts-Einschätzung der Ortsparteien gibt. Wir werden selbstverständlich bei der Analyse alle signifikanten Variablen, die nicht theoretisch gestützt sind, zwar als „mögliche Erklärungsvariablen“ angeben, aber keinerlei Schlüsse daraus ziehen9. Das Modell 2 beinhaltet all jene Variablen, welche Auskunft über die Struktur, die Eigenschaften der Partei und der Parteilandschaft in der Gemeinde Auskunft geben. Leider waren im Datensatz beziehungsweise im Fragebogen sehr wenige solcher Fragen vorhanden, so dass sich dieses Modell aus den folgenden vier Variablen zusammensetzt: - Alter der Partei (p3b) - Anzahl Kommunalparteien (partot) - Frauenanteil als Prozentsatz aller Parlamentarierinnen (p55a) - Frauenanteil als Prozentsatz aller Exekutivmitglieder (p55b) 4.2.3: Modell 3: soziodemographische Daten der Partei Dieses Modell beinhaltet die soziodemographische Zusammensetzung der Partei, sofern diese im Datensatz beziehungsweise in der Befragung vorhanden waren10. Deshalb setzt sich dieses Modell aus drei übergeordneten Variablen zusammen (Aktive 9 Wir sind der Ansicht, dass damit allenfalls ein Anstoss an die Wissenschaft gegeben werden könnte. Vielleicht wird ja unser Modell beziehungsweise unsere Modelle in weitere Studien einfliessen, um unsere Aussagen genauer zu überprüfen. 10 Leider hat gerade das Einkommen der Aktiven der Partei gefehlt. Dies ist aber nicht weiter erstaunlich, da die Einkommensfrage immer eine sehr heikle Frage ist. 13 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Frauen, Alter und Beruf), welche wir dann jeweils in beziehungsweise Erwerbsgruppen unterteilen. Die Variablen des Modells 3 sind die folgenden: - Anteil Aktive Frauen in % der Aktiven (p16) - Anteil der unter 30-Jährigen in % der Aktiven (p18a) Anteil der 30 bis 45-Jährige in % der Aktiven (p18b) Anteil der 45 bis 60-Jährige in % der Aktiven (p18c) Anteil der über 60-Jährige in % der Aktiven (p18d) Anteil der Freiberuflichen in % der Aktiven (p19a) Anteil der Bäuerinnen in % der Aktiven (p19b) Anteil der Gewerbetreibenden in % der Aktiven (p19c) Anteil der Industriellen in % der Aktiven (p19d) Anteil der Hausfrauen in % der Aktiven (p19e) Anteil der leitende Angestellten in % der Aktiven (p19f) Anteil der Angestellten in % der Aktiven (p19g) Anteil der Arbeiterinnen in % der Aktiven (p19h) Anteil der Beamtinnen in % der Aktiven (p19i) Anteil der Studierende in % der Aktiven (p19j) Anteil der Lehrerinnen in % der Aktiven (p19k) Anteil der Rentnerinnen in % der Aktiven (p19l) die Altersgruppen 4.2.4. Modell 4: Daten der Gemeinde Das vierte und letzte Modell beinhaltet die soziodemographische Zusammensetzung der Gemeinde und weitere Variablen zur Gemeinde selbst, soweit die Variablen im Datensatz vorliegen. Wir haben auch hier zwei Gruppen der soziodemographischen Variablen (Alter und Beruf), welche auch hier in ihre Untergruppen unterteilt werden. Die Variablen des vierten Modells sind folgende: Gemeindegrösse (v2a) Anteil Erwerbstätige in der Gemeinde (erwtot90) Anteil oberes Management in der Gemeinde (obma90) Anteil Freie Berufe in der Gemeinde (freb90) Anteil Akademische Berufe und oberes Kader in der Gemeinde (akok90) Anteil ungel. Angestellte und Arbeiterinnen in der Gemeinde (unarb90) Anteil über 15-Jährige in der Gemeinde (ausb90) Anteil Rentnerinnen in der Gemeinde (rent90) Anteil Kinder bis 15 Jahre in der Gemeinde (kind90) Anzahl politische Ämter in der Gemeinde (gb52a) Anzahl Sitze im Parlament in der Gemeinde (v36a) 14 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 5. Auswertung Die Regressionsanalyse hat für jede Partei und damit für jedes Modell Werte für die Konstante und die β's gegeben. Alle fehlenden Variablen in den Tabellen wurden zwar gerechnet, haben sich aber als nicht-signifikant erwiesen, weshalb wir sie innerhalb der Tabellen aus Platzgründen weggelassen haben. Wir haben hierfür die gängigen Vertrauensbereiche (99%, 97,5%, 99% und 90%) verwendet. Weiter lässt sich auf den ersten Blick über alle vier Parteien hinweg erkennen, dass die Modelle 2 bis 4 einen sehr geringes Güte-Mass aufweisen. Dies zeigt, im Gegensatz zu Modell 1, dass bei den Modellen 2 bis 4 ein sehr kleiner Anteil der Gesamtstreuung durch unser Modell erklärt werden kann. Deshalb können wir allgemein davon ausgehen, dass unsere grundsätzliche Konzeption, die Links-RechtsEinschätzung der Ortsparteien anhand soziodemographischer und struktureller Daten erklären zu können, gescheitert ist. Gerade wenn wir das Güte-Mass des Modells 1 betrachten, das bei allen Parteien (im Besonderen bei der SVP) hoch bis sehr hoch sind, stellen wir fest, gerade weil wir das Modell 1 als Referenzmodell für den klassischen Policy-Ansatz zur Erklärung der Links-Rechts-Einschätzung genommen haben, dass wir mit den Einschätzungen einen Teil der Streuung erklären können. Dies heisst im Allgemeinen, bevor wir auf die einzelnen Hypothesen eingehen, dass unsere Modelle 2 bis 4 nur einen geringen Teil der Wirklichkeit erklären und dass unsere Modelle nicht „vollständig“ sind. Gerade mal das Modell 1 vermag einen grösseren Teil der Streuung zu erklären. 5.1. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) Durch die Regressionsanalysen anhand der vier Modelle lassen sich bei der SP insgesamt neun Variablen (siehe Tabelle 5.1) finden, welche einen anscheinend signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der Parteipräsidentinnen auf der LinksRechts-Skala haben. Im Modell 1 sind dies die Einschätzung der Ortsparteipräsidentinnen der kantonalen Partei und die Einschätzung bezüglich der Rolle der Schweiz. Beim Modell 2 sind dies die Anzahl Kommunalparteien neben der SP und der Frauenanteil der SP in der Exekutive der Gemeinde. Bei Modell 3 sind dies der Anteil der 45 bis 60-Jährigen bei den Aktiven, der Anteil Bäuerinnen bei den Aktiven, der Anteil leitende Angestellte bei den Aktiven und der Anteil Arbeiterinnen bei den Aktiven. Und bei Modell 4 ist der Anteil der ungelernten Angestellten und Arbeiterinnen innerhalb der Gemeinde signifikant. Zudem lässt sich erkennen, dass die Konstante bei den Modellen 2 bis 4 annähernd gleich ist und sich kaum vom Mittelwert, wie er in Tabelle 2.2.1 dargestellt ist, unterscheidet. 15 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Tabelle: 5.1.: SP Unabhängige Variablen Modell 1 3.28*** Konstante L-R-Situierung der kant. Partei Rolle der Schweiz Modell 2 Modell 3 3.48*** -.164*** -.121** .088† F-Anteil in Exekutive -.098† Anteil 45-60-Jährige -.141** Bäuerinnen -.120* Leitend. Angestellte -.137*** Arbeiterinnen -.078† Ungelernte Angestellte und Arbeiterinnen 1990 R2 3.31*** .409*** Anzahl Kommunalparteien F-Test Modell 4 61.3*** 4.1** 4.1** 3.0† .199 .015 .039 .004 Abhängige Variable: Links-Rechts-Einschätzung der Ortspartei † signifikant bei 0.1 * signifikant bei 0.05 ** signifikant bei 0.025 *** signifikant bei 0.01 Aufgrund dieser Regressionsanalyse lässt sich nun eine Überprüfung der Hypothesen für die SP vornehmen: Hypothese 1: Der Zusammenhang zwischen Gemeindegrösse und Links-Rechts-Einschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Hypothese 2a: Die kantonale Einschätzung der eigenen Partei ist bei der SP signifikant. Der βKoeffizient gibt an, dass, wenn sich die Einschätzung der kantonalen Partei um 1 nach rechts verschiebt, sich die Einschätzung der Ortspartei um 0.4 nach rechts verschiebt. Die Hypothese 2a kann also nicht verworfen werden. Hypothese 2b: Der Zusammenhang zwischen der nationalen Links-Rechts-Einschätzung und der lokalen Links-Rechts-Einschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. 16 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Hypothese 3: Diese Hypothese kann nicht verworfen werden. Die Anzahl der Kommunalparteien ist signifikant und der β-Koeffizient gibt an, dass bei der Erhöhung der Anzahl Kommunalparteien um 1 sich die Links-Rechts-Einschätzung der SP um .121 nach Links verschiebt. Hypothese 4: Der Zusammenhang zwischen Gemeindegrösse und Anteil Aktiver Frauen ist nichtsignifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Hypothese 5: Der Zusammenhang zwischen Anteil Aktiver Rentnerinnen und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Über alle weiteren signifikanten unabhängigen Variablen lassen sich keine plausiblen Aussagen machen, da eine theoretische Basis dafür fehlt und die Zusammenhänge trotz allem noch zufällig sein könnten. 5.2. Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) Durch die Regressionsanalysen anhand der vier Modelle lassen sich bei der CVP insgesamt sieben Variablen (siehe Tabelle 5.2) finden, welche einen anscheinend signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der Parteipräsidentinnen auf der LinksRechts-Skala haben. Im Modell 1 sind dies die Einschätzung der Ortsparteipräsidentinnen der kantonalen Partei und die Einschätzung bezüglich der Rolle der Schweiz. Beim Modell 2 sind dies die Anzahl Kommunalparteien neben der CVP. Bei Modell 3 sind dies der Anteil der Frauen bei den Aktiven, der Anteil Bäuerinnen bei den Aktiven und der Anteil Beamte bei den Aktiven. Und bei Modell 4 ist der Anteil der Kinder bis 15 Jahren innerhalb der Gemeinde signifikant. Zudem lässt sich erkennen, dass die Konstante bei den Modellen 2 und 3 annähernd gleich ist und sich kaum vom Mittelwert, wie er in Tabelle 2.2.1 dargestellt ist, unterscheidet. 17 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Tabelle: 5.2.: CVP Unabhängige Variablen Modell 1 6.25*** Konstante L-R-Situierung der kant. Partei Rolle der Schweiz Modell 2 Modell 3 6.20*** -.110*** -.093† Frauen in % Aktive -.156** Bäuerinnen .174*** .157** Beamte .184*** Kinder bis 15 Jahre 1990 R2 4.94*** .602*** Anzahl Kommunalparteien F-Test Modell 4 128.7*** 3.1† 6.2*** 14.6*** .378 .006 .064 .031 Abhängige Variable: Links-Rechts-Einschätzung der Ortspartei † signifikant bei 0.1 * signifikant bei 0.05 ** signifikant bei 0.025 *** signifikant bei 0.01 Aufgrund dieser Regressionsanalyse lässt sich nun eine Überprüfung der Hypothesen für die CVP vornehmen: Hypothese 1: Der Zusammenhang zwischen Gemeindegrösse und Links-Rechts-Einschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Hypothese 2a: Die kantonale Einschätzung der eigenen Partei ist bei der CVP signifikant. Der βKoeffizient gibt an, dass, wenn sich die Einschätzung der kantonalen Partei um 1 nach rechts verschiebt, sich die Einschätzung der Ortspartei um 0.6 nach rechts verschiebt. Die Hypothese 2a kann also nicht verworfen werden. Hypothese 2b: Der Zusammenhang zwischen der nationalen Links-Rechts-Einschätzung und der lokalen Links-Rechts-Einschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Hypothese 3: Die Anzahl der Kommunalparteien ist signifikant und der β-Koeffizient gibt an, dass bei der Erhöhung der Anzahl Kommunalparteien um 1 sich die Links-RechtsEinschätzung der CVP um .093 nach Links verschiebt. Dies hat aber auf die Hypothese keinen Einfluss, da die FDP und die CVP explizit ausgeschlossen sind. 18 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Hypothese 4: Diese Hypothese kann nicht verworfen werden. Die Anzahl der aktiven Frauen bei der CVP ist signifikant und der β-Koeffizient gibt an, dass bei einer Erhöhung um 1% des Frauenanteils bei den Aktiven die Links-Rechts-Einschätzung der CVP um .156 nach Links verschiebt. Hypothese 5: Der Zusammenhang zwischen Anteil Aktiver Rentnerinnen und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Über alle weiteren signifikanten unabhängigen Variablen lassen sich keine plausiblen Aussagen machen, da eine theoretische Basis dafür fehlt und die Zusammenhänge trotz allem noch zufällig sein könnten. 5.3. Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) Durch die Regressionsanalysen anhand der vier Modelle lassen sich bei der FDP insgesamt neun Variablen (siehe Tabelle 5.3) finden, welche einen anscheinend signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der Parteipräsidentinnen auf der LinksRechts-Skala haben. Im Modell 1 sind dies alle drei Variablen. Beim Modell 2 ist keine einzige der Variablen signifikant. Bei Modell 3 sind dies der Anteil der unter 30Jährigen bei den Aktiven, der Anteil Bäuerinnen bei den Aktiven, der Anteil Hausfrauen bei den Aktiven, der Anteil der Angestellten bei den Aktiven und der Anteil Lehrerinnen bei den Aktiven. Und bei Modell 4 ist der Anteil der Erwerbstätigen innerhalb der Gemeinde signifikant. Zudem lässt sich erkennen, dass die Konstante beim Modell 3 annähernd gleich ist und sich kaum vom Mittelwert, wie er in Tabelle 2.2.1 dargestellt ist, unterscheidet. Tabelle: 5.3.: FDP Unabhängige Variablen Modell 1 Konstante L-R-Situierung der kant. Partei L-R-Situierung der Bundespartei Rolle der Schweiz Modell 2 Modell 3 7.09 *** .520*** .115** -.109*** -.147*** Anteil Unter 30-Jährige Bäuerinnen .148*** Hausfrauen -.102† Angestellte -.127** Lehrerinnen -.114* 19 Modell 4 4.27*** Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Erwerbstätige Total 1990 F-Test R2 .177*** 99.7 *** .362 . + .007 *** 17.0*** .058 .029 4.8 Abhängige Variable: Links-Rechts-Einschätzung der Ortspartei + nicht signifikant † signifikant bei 0.1 * signifikant bei 0.05 ** signifikant bei 0.025 *** signifikant bei 0.01 Aufgrund dieser Regressionsanalyse lässt sich nun eine Überprüfung der Hypothesen für die FDP vornehmen: Hypothese 1: Der Zusammenhang zwischen Gemeindegrösse und Links-Rechts-Einschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Hypothese 2a: Die kantonale Einschätzung der eigenen Partei ist bei der FDP signifikant. Der βKoeffizient gibt an, dass, wenn sich die Einschätzung der kantonalen Partei um 1 nach rechts verschiebt, sich die Einschätzung der Ortspartei um 0.52 nach rechts verschiebt. Die Hypothese 2a kann also nicht verworfen werden. Hypothese 2b: Die nationale Einschätzung der eigenen Partei ist bei der FDP signifikant. Der βKoeffizient gibt an, dass, wenn sich die Einschätzung der nationalen Partei um 1 nach rechts verschiebt, sich die Einschätzung der Ortspartei um 0.115 nach rechts verschiebt. Die Hypothese 2b kann also nicht verworfen werden. Hypothese 3: Der Zusammenhang zwischen Anzahl Kommunalparteien und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Hypothese 4: Der Zusammenhang zwischen Anzahl aktiver Frauen und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. 20 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Hypothese 5: Der Zusammenhang zwischen Anteil Aktiver Rentnerinnen und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Über alle weiteren signifikanten unabhängigen Variablen lassen sich keine plausiblen Aussagen machen, da eine theoretische Basis dafür fehlt und die Zusammenhänge trotz allem noch zufällig sein könnten. 5.4. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) Durch die Regressionsanalysen anhand der vier Modelle lassen sich bei der SVP insgesamt sechs Variablen (siehe Tabelle 5.4) finden, welche einen anscheinend signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der Parteipräsidentinnen auf der LinksRechts-Skala haben. Im Modell 1 sind dies alle drei Variablen. Beim Modell 2 ist dies die Anzahl der Kommunalparteien. Bei Modell 3 sind dies der Anteil der 30 bis 45Jährigen bei den Aktiven. Und bei Modell 4 ist die Gemeindegrösse und die Anzahl politischer Ämter signifikant. Zudem lässt sich erkennen, dass die Konstante bei den Modellen 2 bis 4 annähernd gleich ist und sich kaum vom Mittelwert, wie er in Tabelle 2.2.1 dargestellt ist, unterscheidet. Tabelle: 5.4.: SVP Unabhängige Variablen Modell 1 Modell 2 *** Konstante 6.8 L-R-Situierung der kant. Partei .584*** L-R-Situierung der Bundespartei .159*** Rolle der Schweiz -.134*** Anzahl Kommunalparteien Modell 3 7.48 *** Modell 4 7.18*** .157*** -.138* Anteil 30 – 45-Jährige Gemeindegrösse .119* Anzahl politischer Ämter -.109† F-Test R2 129.8*** 8.3*** 3.9* 2.8† .509 .022 .014 .012 Abhängige Variable: Links-Rechts-Einschätzung der Ortspartei † signifikant bei 0.1 * signifikant bei 0.05 ** signifikant bei 0.025 *** signifikant bei 0.01 Aufgrund dieser Regressionsanalyse lässt sich nun eine Überprüfung der Hypothesen für die SVP vornehmen: 21 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 Hypothese 1: Es liegt ein signifikanter Zusammenhang zwischen Gemeindegrösse und LinksRechts-Einschätzung vor. Der β-Koeffizient zeigt die erwartete Richtung an. Die Hypothese 1 kann also nicht verworfen werden. Hypothese 2a: Die kantonale Einschätzung der eigenen Partei ist bei der SVP signifikant. Der βKoeffizient gibt an, dass, wenn sich die Einschätzung der kantonalen Partei um 1 nach rechts verschiebt, sich die Einschätzung der Ortspartei um 0.584 nach rechts verschiebt. Die Hypothese 2a kann also nicht verworfen werden. Hypothese 2b: Die nationale Einschätzung der eigenen Partei ist bei der SVP signifikant. Der βKoeffizient gibt an, dass, wenn sich die Einschätzung der nationalen Partei um 1 nach rechts verschiebt, sich die Einschätzung der Ortspartei um 0.159 nach rechts verschiebt. Die Hypothese 2b kann also nicht verworfen werden. Hypothese 3: Diese Hypothese kann nicht verworfen werden. Die Anzahl der Kommunalparteien ist signifikant und der β-Koeffizient gibt an, dass bei der Erhöhung der Anzahl Kommunalparteien um 1, sich die Links-Rechts-Einschätzung der SVP um.157 nach rechts verschiebt. Hypothese 4: Der Zusammenhang zwischen Anzahl aktiver Frauen und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Hypothese 5: Der Zusammenhang zwischen Anteil Aktiver Rentnerinnen und Links-RechtsEinschätzung ist nicht-signifikant, d.h. dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen als zufällig betrachtet wird. Die Hypothese kann somit verworfen werden. Über alle weiteren signifikanten unabhängigen Variablen lassen sich keine plausiblen Aussagen machen, da eine theoretische Basis dafür fehlt und die Zusammenhänge trotz allem noch zufällig sein könnten. 22 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 6. Schlussfolgerungen Wir haben mit dieser Seminararbeit Erklärungsvariablen für die Links-RechtsEinschätzung der Ortsparteien der vier Bundesratsparteien durch die Parteipräsidentinnen anhand sechs Hypothesen und vier Modellen gesucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass die theoretische Grundlage für die verschiedenen Modelle im Bereich Links-Rechts-Einschätzung kaum bis gar nicht vorhanden ist. Aus diesem Grund haben wir trotz fehlender theoretischer wie empirischer Grundlage Variablen in unsere Modelle integriert, um allfällige Zusammenhänge zu entdecken und mögliche weiterführende Arbeiten zu ermöglichen. Wir sind uns bewusst, dass dieses Vorgehen nicht „vollständig“ wissenschaftlich ist. Dennoch lassen sich aus unserer Studie einige Schlüsse ziehen. In Anbetracht der unterschiedlichen Güte-Masse der einzelnen Modelle erkennen wir, dass das Modell 1 bei allen Parteien am besten die Streuung erklären kann. Gehen wir davon aus, dass Modell 1 das Referenzmodell des Policy-Ansatzes ist, können wir sagen, dass wir in dieser Studie in erster Linie nachgewiesen haben, dass sich die Links-RechtsEinschätzung vor allem durch eine Wahl- und Abstimmungsprogramm-Analyse bestimmen lässt. Diese Schlussfolgerung lässt sich dadurch untermauern, dass bei allen Parteien die Hypothese 2a und bei der FDP wie auch der SVP zudem noch die Hypothese 2b nicht verworfen werden kann. Wir stellen also fest, dass bei allen Parteien die eigene Einschätzung der kantonalen Partei einen Einfluss auf die LinksRechts-Einschätzung hat, weiter bei der FDP und der SVP auch die Links-RechtsEinschätzung der Bundespartei. Ziehen wir noch als dritte Variable des Modells 1 die „Rolle der Schweiz“ hinzu, sehen wir, dass auch diese bei allen Parteien mit dem entsprechenden richtigen Vorzeichen11 signifikant ist. Das Modell 1 erklärt somit den grössten Teil der Streuung und gibt uns, würden wir die β-Koeffizienten in eine Rangfolge bringen, immer den stärksten Effekt auf die Links-Rechts-Einschätzung an. Hypothese 3 wird nicht verworfen, da sowohl die SP wie auch die SVP die entsprechenden Signifikanz und β-Koeffizienten aufweisen. Wir gehen davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der lokalen Links-Rechts-Einschätzung und der Anzahl Kommunalparteien besteht. Wir können also klar davon ausgehen, dass, wenn sich im Links-Rechts-Spektrum der Parteien mehr Parteien bilden, sich die SP nach links und die SVP nach rechts versucht abzugrenzen. Dies lässt sich jedenfalls aus unserer Erhebung schliessen. Hypothese 5 wird bei allen Parteien verworfen. Es lässt sich also bei keiner Partei ein Zusammenhang zwischen Links-Rechts-Einordnung und Anteil Rentnerinnen in der Gemeinde feststellen. Unsere Auswertung zeigt klar, dass hier bei keiner Partei eine Signifikanz vorliegt. Die Hypothesen 1 und 4 werden hingegen nicht so kongruent durch unsere Auswertung gestützt beziehungsweise verworfen. Es lässt sich sehen, dass bei 11 Je mehr Integration der Schweiz in internationale Organisationen, desto linker. 23 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 einzelnen Parteien der Anteil der Frauen oder die Gemeindegrösse einen Einfluss auf die Links-Rechts-Einschätzung haben. Es liegt aber, betrachtet man alle vier Bundesratsparteien gemeinsam, keine Systematik bezüglich der statistischen Resultate vor. Schlussfolgernd aus unserer Arbeit möchten wir festhalten, dass wir der Ansicht sind, dass der Policy-Ansatz am besten die Links-Rechts-Einschätzung der Parteien erklären kann und dass die drei weiteren Modelle nur in punktuellen Bereichen fähig sind (gerade aufgrund der Höhe des Güte-Masses darf das hinterfragt werden), Aussagen zur Links-Rechts-Einschätzung zu machen. Aus unserer Sicht müsste man die signifikanten Einflüsse, die wir aufgrund fehlender Theorie nicht in die Schlussbemerkungen hineingenommen haben (z.B. der Anteil Bäuerinnen bei den Aktiven, der immerhin bei der SPS, der CVP und der FDP signifikant ist) genauer unter die Lupe nehmen und untersuchen. 24 Seminar: „Politische Parteien im Wandel – Lokalparteien“ Institut für Politikwissenschaften Prof. Dr. Andreas Ladner Sonja Kobelt Stephan Tschöpe Sommersemester 2003 7. 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