Seminar: Methoden und Theorien des Vergleichs Dozent: Prof. Dr. Ulrich Hilpert Institut für Politikwissenschaften, Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre Friedrich-Schiller-Universität Jena WiSe 09/10 Referenten: Felix Bühne, Cathrin Schmidt, Lisa Dicke, Soo-hyun Choo, Patrick Weisheit, Alex Hebenstreit, Anne Raths Jena, 29.10.09 Hypothesenbildung: Der Weg vom thematischen Interesse zur Hypothese 1.) Definition Hypothese • Hypothesen sind Annahmen zur Beschreibung und Erklärung eines Problems • bilden Orientierungshilfe bei der Auswahl des Materials • zwei Formen: Wenn – dann - Aussagen Je – desto – Aussagen 2.) Funktion von Hypothesen • Hypothesen dienen als Orientierungshilfe bei der Auswahl des Forschungsmaterials und werden im weiteren Verlauf empirisch überprüft • Ausgangspunkt: unabhängige Variable • wissenschaftliche Aufgabe: Faktoren finden, die die abhängige Variable erklären können • Faktoren = unabhängige Variablen bzw. Determinanten • Hypothesenbildung = Herstellung einer Beziehung zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen, die einen möglichst großen Teil der Abweichung erklären können • mathematische Formel: y= f(x) (nach Lehmbruch) • Beispiel: Parteiensysteme in England und Deutschland/Skandinavien 3.) Prozess der Hypothesenbildung • verlangt immer neue Optionen bei der Wahl von: - Art und Anzahl der möglichen Determinanten - der Arten und des Niveaus der Hypothesen Schritte zur Bildung einer Hypothese 1) Auswahl der zur Erklärung hinzugezogenen Variablen (Determinanten) • teilweise während vortheoretischer Überlegungen • später → explizit im Hinblick auf die Formulierung von empirisch überprüfbaren Hypothesen monokausale Hypothesen Hypothese mit nur einer Determinante oft in sozialwissenschaftlicher Forschung jedoch fragwürdig und ungenügend multikausale Hypothesen mehrere Determinanten in der Hypothese zur Erklärung verwendet • Struktur sozio- politischer Phänomene = in meisten Fällen sehr komplex und flexibel → Erklärungsversuche mit nur einer Determinante ungenügend 2) Aufstellen der Beziehung zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen • Problem der Wahl zwischen den Arten von Hypothesen i. ii. Existenzhypothese = Annahme, ob und in welchem Ausmaß ein Phänomen existiert oder nicht - Unterscheidung von: - Allsätzen - Existenzsätzen Nullhypothese = Umkehrung der Korrelationshypothese - keine Beziehung zwischen zwei Variablen (Faktoren) 4.) Arten von Hypothesen Korrelationshypothese: = Zusammenhangshypothese → Es besteht ein Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Variablen (= Merkmalen) oder Beziehungen zwischen Sachverhalten. → Eine abhängige Variable verändert sich zusammen mit einer oder mehreren unabhängigen Variablen in gleich- oder gegenläufiger Richtung. → Frage nach der Ursache zunächst ausgeschaltet Kausalhypothese: = Ursache - Wirkung- Hypothese (A verursacht B) - Eine eindeutige Beziehung von abhängiger(Wirkung) und unabhängiger (Ursache) Variablen im Sinne einer Verursachung angenommen. Je höher das Einkommen umso eher(weniger) tendiert der Wähler in der BRD zur FDP. Kausal interpretiert: hohes Einkommen bewirkt die Stimmabgabgabe für FDP. ↓ ↓ unabhängige Variable (Ursache) abhängige Variable (Wirkung) Bildung von Hypothesen: probabilistisch Wenn vorhersagewert nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftritt. ⇒ „Arbeiter wählen mit einer höheren (niedrigen) Wahrscheinlichkeit SPD als eine andere Partei.“ ↓ deterministisch Wenn zwischen zwei Variablen ein deterministischer Zusammenhang behauptet wird. ⇒ „Arbeiter wählen SPD.“ Formulierungsmuster Wenn-dann Hypothese ⇒ „Wenn ein Wähler (kein) Arbeiter ist, dann wählt er (nicht) SPD.“ ↓ Je-desto Hypothese 1. Wenn X zunimmt (abnimmt), dann nimmt auch Y zu (ab) ►positive ZH. 2. Wenn X zunimmt (abnimmt), dann nimmt Y ab (zu) ►negative ZH. ↓ Unter probabilistischen Gesichtspunkten ⇒ „Wenn ein Wähler Arbeiter ist, dann wählt er mit einer höheren Wahrscheinlichkeit SPD als eine andere Partei.“ ⇒ „Wenn ein Wähler kein Arbeiter ist, dann wählt er mit einer niedrigen Wahrscheinlichkeit SPD als eine andere Partei.“ Beziehung der Variablen: ZH zwischen 2 Variablen X→Y ZH wird durch den Einfluss X auf Y verursacht! ZH zwischen 3 Variablen Scheinbeziehung: Kettenbeziehung: X←Y ZH wird durch den Einfluss v. Y auf X verursacht! Interaktion: X↔Y ZH wird durch gegenseitige Einflussnahme verursacht Direkte und indirekte Effekte: Multiple Ursachen: Individual-, Kollektiv- und Kontexthypothesen: Unabhängige Variable Abhängige Variable Individualhypothese Individualmerkmal Individualmerkmal Kollektivhypothese Kollektivmerkmal Kollektivmerkmal Kontexthypothese Kollektivmerkmal Individualmerkmal 5.) Kriterien zur Überprüfung der Qualität von Hypothesen Zusammenhang zwischen mindestens zwei Variablen A und B eine Unterscheidung in unabhängige Variable (Determinante) und abhängige Variable ist möglich die Variablen A und B sind getrennt voneinander messbar die Hypothese ist plausibel und empirisch überprüfbar Literatur: Diekmann, Andreas, Empirische Sozialforschung, Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Reinbeck 2008. Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Reinbek bei Hamburg 2001. Dreier, Volker: Empirische Politikforschung, Oldenbourg 1997. Lehmbruch, Gerhard, Einführung in die Politikwissenschaft, Stuttgart, S. 49-53. Schnell, Rainer/ Hill, Paul B./ Esser, Elke, Methoden der empirischen Sozialforschung, 8.Aufl., München 2008.