31. Jahrgang - Heft 04 - 4. Quartal - 2009 Implizites Preiswissen von Konsumenten – wirklich genauer als ihr explizites Preiswissen? Von Helmut Schneider, Peter Kenning, Vivian Hartleb und Tim Eberhardt Executive Summary Der Preis ist auf Grund seiner Wirkung auf Wert- und Mengengerüst des Deckungsbeitrages zweifelsfrei ein zentraler Gewinntreiber. Die Marketingwissenschaft hat vor diesem Hintergrund in den letzten Dekaden erhebliche Fortschritte insbesondere im Hinblick auf die Messung der (wahren) Zahlungsbereitschaft gemacht. Diese auf den Preisstimulus ausgerichtete Forschung wird in jüngster Zeit vermehrt angereichert um Aspekte der Verarbeitung von Preisinformationen. Dabei wird unter anderem intensiv der Frage nachgegangen, wie präzise das Preiswissen von Konsumenten ist. Dieser Aspekt ist vor allem unter dem Gesichtspunkt der Vergleichsmaßstäbe, an denen ein Konsument die Vorteilhaftigkeit eines Preises ausmacht, relevant. Zahlreiche empirische Untersuchungen die zur Qualifikation des Preiswissens in den letzten Jahren durchgeführt wurden, bescheinigen den Kunden ein eher eingeschränktes Preiswissen. Gleichwohl hat das Konzept der wissensorientierten Preisfindung bisher nur wenig Beachtung in der Managementpraxis erfahren. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass die bestehenden Studien nur einen Teil des Preiswissens, nämlich den expliziten Teil erfassen. Zur Erhebung des expliziten Preiswissens werden den Kunden bestimmte Produkte vorgelegt, deren Preise es ungestützt zu erinnern gilt (sogenanntes „Recall-Verfahren“). Fraglich ist jedoch, ob dieser explizite Teil tatsächlich der Wissensteil ist, der zur Beurteilung der Preisgünstigkeit und damit für die Kaufentscheidung maßgeblich ist. Die jüngere Forschung bemüht sich daher mit Hilfe neuerer, stützender Testverfahren auch das implizite Preiswissen der Kunden zu erfassen (sogenanntes „Recognition-Verfahren“). Die lange vorherrschende Vermutung, dass dieses Wissen deutlich genauer ausgeprägt ist, als das explizite Preiswissen, wird durch die vorliegende Studie widerlegt. Unter Rückgriff auf Längsschnittdaten und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Datenqualität aus Recall- und Recognition-Test wird am Beispiel diverser Artikel aus dem Lebensmittelhandel gezeigt, dass auch das implizite Preiswissen der Kunden gering ist. Daraus ergeben sich sowohl Implikationen für die Preispolitik von Handelsunternehmen als auch verbraucherpolitische Schlussfolgerungen. Ein schwach ausgeprägtes Preiswissen der Kunden gibt Hinweise auf mögliche Ertragsverbesserungen durch eine Abkehr von zuschlagsorientierten Ansätzen der Preispolitik hin zu einer stärker an psychologischen Erkenntnissen ausgerichteten Preissetzung. Der Mangel an abgespeicherten Informationen über Preise, erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Preisurteile von Kunden durch externe Preisinformationen im Sinne von externen Referenzpreisen beeinflussbar sind und/oder auf Heuristiken zur Beurteilung der Preise zurückgreifen. Ein höheres Gewicht könnte folglich zukünftig dem Preisimage als generalisiertes Urteil über die Preisgünstigkeit einer Einkaufstätte sowie einer auf den Preis ausgerichtete Bewertung von Anbietern durch unabhängige Institutionen (z. B. der Stiftung Warentest) zukommen. Aus verbraucherpolitischer Perspektive ist zu vermuten, dass das schwache Preiswissen der Konsumenten ihr wettbewerbliches Sanktionspotential und damit ihre marktliche Steuerungskraft mindert. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist insbesondere zu prüfen, unter welchen Bedingungen, welche Bestandteile des Preiswissens welche Bedeutung für letztlich verhaltensrelevante Preisurteile besitzen und inwieweit dabei unterschiedliche Kodierungsarten von Preisinformationen für den Kunden von Bedeutung sind. Des Weiteren stellt sich die Frage, welche anderen, über das Preiswissen hinausgehenden Variablen einen Einfluss auf die Beurteilung der Preisgünstigkeit eines Produktes ausüben und damit für die Kaufentscheidung maßgeblich sind. Autoren Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider ist Inhaber des SVI-Stiftungslehrstuhls für Marketing und Dialogmarketing, School of Management and Innovation, Steinbeis-Hochschule Berlin, Gürtelstraße 29A/30, 10247 Berlin, Tel.: +49 (0)30 29 33 09-251, Fax: +49 (0)30 29 33 09-235, E-Mail: [email protected]. Prof. Dr. Peter Kenning ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing, Zeppelin Universität, Am Seemooser Horn 20, 88045 Friedrichshafen, Tel.: +49 (0)7541 6009-1271, Fax: +49 (0)7541 6009-1299, E-Mail: [email protected]. Dr. Vivian Hartleb ist Research Fellow an der School of Marketing der Curtin Business School an der Curtin University of Technology in Perth, Australien, und war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Distribution und Handel, Marketing Centrum Münster, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Am Stadtgraben 13-15, 48143 Münster, Tel.: +49 (0)251 83-25011, Fax: +49 (0)251 83-22032, E-Mail: [email protected]. Dipl.-Kfm. Tim Eberhardt ist Doktorand am Lehrstuhl für Marketing, Zeppelin Universität, Am Seemooser Horn 20, 88045 Friedrichshafen, Tel.: +49 (0)7541 6009-1273, Fax: +49 (7541) 6009-1299, E-Mail: [email protected]. 2